Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 04, 1907, Sweiter Theil., Image 10

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    Gebot-gen
Eine See-Novelle von E. Fischer-Markgraff.
z
w- Wiss
(3- Besserung-) « «
Der Steuermann sprang von sei
ner-e Sitz anf, faliete den Bogen zu
sammen nnd steckte ihn in seine Brust
tafche. Dann fuhr er in den öl e
triistten Ueberrock und»zog den S« d
swe r iiber den Kopf.
pch war er auf der Treppe, da
geilte ein Ruf iiber das Verdeck, der
ihm die Füße am Boden wurzeln
machte und ihn dann ins Freie stür
zen ließ in jähem Entsetzen: »Leck
im Schiffl«
Mit einein Sprunge war er auf
dem Achterdeck und stand vor Kapi
tiin Ullrich, welcher mit blassen,« ver
errten Zügen an der Ueberdachung
er Kajiiientreppe lehnte, unfähig,
sich zu regen.
,th’s wahr, Kapitän?« fragte er
III-»g« .
Der Kapitan antwortete nicht, er
bewegte die Lippen, aber nur ein lal
lender Laut kam darüber.
Der Steuermann wandte sich "um.
»Alle« Mann an die Pumpen!« schrie
er, fo laut er konnte, um das Brau
sen des Sturmes zu über-tönen
«Dai wird nichts nützen,« sagte
August Winter neben ibm mit seiner
gewohnten fpiittifchen Ruhe, »bei die
semSturrn können wir nichts machen.
Das Schiff sinkt beängftigend schnell.
» Sehen Sie nur, die Wellen schlagen
schon ins Mittelschiff.«
Harimann blickte sich um und
konnte mit all seiner männlichen
Kraft nicht dem Laut des Entsetzens
gebieten, welcher ihm iiber die Lippen
drang. Dem fo plöylich her-eingebro
chenen Sturm konnte das wracke
Schiff nicht standhalten, es sank mit
rasender Eile, und schon stürzten die
Wesen mit donnerndem Schwall über
die Mitte des Schiffes hinweg und
spritzten den weißen Gischt bis an die
Spitzen der Rassen
Da endlich richtete der Kapitiin sich
ans, die Röthe kehrte in seine Wan
gen zurück, die alte Besonnenheit er
wachte in ihr-. »Das kleine Boot
los!« kommandirte-er.
Jn wilder Haft stürzte dieMann
fchaft auf das kleine Boot los, das
ein ige, von dem man hoffen konnte,
das es dein furchtbaren Seegang
«. Widerstand leisten würde. Jeder
»wllte zugreifen, der erste sein« da
« stand Hartmann zwischen ihnen. »Zu
rück« ponnerte er. «Jochen, Karl,
holt wiß, holt wiß —- Pieter paß
anf, daß Du nicht unters Boot
kiirncnft!«
Ein jeder arbeitete mit Anspan
nung feiner ganzenKräfte, dabei pfiff
der Orkan über ihre Köpfe hin, riß
ihnen die Mützen vom Kon undtrieb
ihnen scharfen, getörnten Schnee. der
wie Feuer brannte, ins Gesicht; ein
Segel das der Sturm gelöst, schlug
llatfchend an das Holz des Maftes,
fchaumgekrönte Wogen rollten wie
ronnernde Berge heran.
Der Kapitän hatte schließlich felbft
rnit Hand angelegt, um das Boot
flott zu bekommen. »Hartmann, Sie
neigen ein!« befahl er während der
Arbeit. »Sie nnd Joche-if
«Wir halten fest-— Meter, weg da
—A-ugnft, saß an —- Jochen halt
Dich fest-nun los-los ——!«
Ein riesenhafter Wellenberg war
herangerollt und schleuderte im An
prall feine Wasser im weiten Bogen
iiber das Schiff hinweg, aber die zu
riickgehenden Gewässer tru n das un
versehrte Boot weit in di See hinaus,
es drehte sich um sich selbst, wurde
hoch emporgefchlesrdert und wiedertief
hin-abgerissen wie in einen gähnenden
Abgrund, aber dann tauchte es ein
por, nnd die kraftvollen Hände der
Männer in de ifelben zwangen es
zum Schiffe zurück, jede Sekunde war
fett kostbar
Jminer schneller sank das cchiyi
dem Meere zu; die Mannfchaft stand
außerhalb der Rel· ing mit von-endg
tem Kopf in schwerer Angst um ihr
Leben, und immer wilder umtanzt-en
es die Wogen, und wie wahntinniges
Hohngelächter tönte ihr Brausen in
die Ohren der Leute.
Da hob eine mächtige Welle das
Boot bis an den Rand des Schiffes-,
und schnell wie der Gedanke glitt einer
der Mater-sen mit mächtigem
Schweige hinein. Und wieder zwan
gen sie es in die Nähe, und wieder
einer wurde gerettet und noch einer
' hast-Im ierigee umlesten vieWas
OHIS immer kürzer wurde
Eis-Frist zur Rettung, immer mehr
seh-te sich jede Minute zur Ewigteit
- sp-iest war nur noch der Kapitän an
Herd mit Gusic v, dem Schiffzjum
stu. Außerhalb des Gebäudes hing
et. den Inn en im Arm, mit über
menschlicher « eaft sich gegen die rei
nden, setrenden Wogen itemmend,
» ne Fsße Landen im Wasser, der
Stufen Durste in feinen bauten aber
et We ei Zieht; mit Blitzesschnelle
» die auf dein Schiff erkebten
. e an feinem Geist vorüber Tage
WUWML Mut-zufrieden
Mk M bitterer Enttäuschnng aber
—:Wdtn weissen Frieden-, trau
Apisan
«GIH Nil-M Mit Ittkds wire-;
Bord gekommen. und seine Brust hob
ftch in wehmutdövollem Bedenken. So
vieles war anders geworden. als er
geglaubt, aber damals-Oi damals war
er glücklich.
Er fah fein Fieten im sur en Röck
chen aus dem Berdeck herum pringen;
dort in dem Boot war ihre Stube, in
de- sie mit den Puppen hauste, dort
hing die Schautel, auf der sie sich
schwang bei gutem Wetter; und er
hörte ihr helles Lachen und fah die
langen Locken um dasszarte Gesicht
fliegen; und dort am Geländer, stand
sie dort lricht wieder im wehenden
Haar?
Der Junge in seinem Arm machte
eine Bewegung, er blickte aus und
hörte des Steuermanns Stimme:
»Jetzt Kapitäm aufpassen!«
Mit geschärstem Blick beobachtete
erdaö Boot, das, zurückgeworfen und
wieder vorwärts gezwungen, näher
und näher lam. Jetzt» war der rechte
Augenblick gekommen, er wars Gustav
in Franzens geöffnete Arme, und mit
raschem Sprunge glitt er hinterdrein.
Ein Ausathmen ging durch die
Leute im Boot; sie fühlten nicht die
Rasse, nicht den Eifeshauch des Win
des; ein Gefühl der Erlöfung, jubeln
den Dankes hab ihre Brqu Gerettet,
vorläufig gerettet!
Da erreichte über das Fauchen und
heulen des Windes, das Brüllen der
Wogen hinweg ein Laut ihnOhr wie
das Bellen eines hunde5. Die Män
ner im Boot sahen sich an und ver
harrten bewegungslos wie zu Eis er
starrt. Der Hund! —- Und dort —ein
einziger Schrei gellte von aller Lippen
—dort durch die treibenden, gepeitsch
ten Schneefchtoaden hindurch konnten
sie es sehen, dort auf dem Vorder
schiff ftander, ein Mensch und streckte
hilfeslehend die Arme aus.
»Ferdinand!« rief Hartmanm und
die Zunge versagte ihm fast den
Dienst vor Entfeherr. Wie kam der
dorthin? Hatte niemand feiner ge
J schicke
Der Kapitän war ausgesprungenx
feine ausgestreckte Hand zeigte ·an
das Borderschiff, das allein noch aus
dem Wasser ragte, er war schrecklich
anzusehen mit den blauen, trampfhaft
verzagenen Lippen, den rollenden
lstutrrntertaufenen Augen . «hin
Steuermann, hin!« kam es von seinen
Lippen wie ein heiseren verzweifelter
Schrei. »Er muß gerettet werden!
Vorwärts, Leute, ich rchbezahkes euch!
Faß das Ruder, Jochen!«
Die Mannfchaft legte fich mit aller
Kraft in die Ruder um dem Befehl«
des Kapitäns Zu gehorchen, der hoch
ausgerichtet, en Blick unverwandt
auf die Stelle geheftet, wo der Ma
trose sich befand, im Boote stand. als
tönnte er dadurch dem rasenden Lauf
des Verderbnis Einhalt gebieten.
»Borwiirtz!« tommandirte er nach
malS, ganz heiser vor Anfregung
Ader-Harima» fiel ihm in den
Arm. »Zukiick,« donnerte er, das
Schiff fintt. Bursch Leute!«
Jnstinktiv dem Befehl gehorchenty
hatten die Leute das Boot gewendet
und ruderten mit Anspannung aller
Kräfte.
Der Kapitän gebärdete sich wie ein«
Unsinniger, er schrie, schlug um sich
und wollte über Bord springen, so
daß zwei der Leute ihn halten muß
ten
Da erzitterte das Schiff in feinen
Fugen, es legte sich schwer auf die
Seite, das Vordertheil bäumte sich
noch einmal hoch auf, und langsam
und-majestätisch san-! die ,Elise« hin
ab in die todende See. Nur eine
schwarze, gäbnende Tiefe« dann eine
sprudelnde, tochende Masse zeigte an,
wo es sein Grab gefunden
Die Leute hatten die Ruder ange
zogen, und meer als eine band faltete
sich; der Kapitiin taumelte und wäre
gefallen, wenn Hartinann ihn nicht
, gestüht hätte
Dann fuhr er empor. »Wir müssen
suchen!« kam es von feinen Lippen
hartmann, der noch immer feinen
Arm gepackt hielt, gab den Befehl
zum Wem-ern .
Ullrich hatte sich wieder halbaufi
gerichtet; fein Gesicht war aschsahh
die Zähne schlugen ihm wie im Frost
zufammen, und jeder Muskel seines
Gesichtes spannte sich.
Aber hin und wieder ruderte das
Boot, die Leute erlahmten, ihre Glie
der bebten vor Angst und Etsch-spi
Ucl «
Ha legte der Steuermann die nd
auf Ullrichi Schulter. »Wir mti en’i
aufgeben, Kapitän, was Les-endet
kommst da nicht wieder heraqu«
Das Gittervsörtchen am Vor arten
des Ullrichfchen hause- sie ins
Schloß, und der Kapitsin trat znit
feiner Tochter auf die Straße
Mtt Ullrich war fett dern Unter
gang seines Schifer eine wisse Ver
änderung vorgegangen, ·e das in
wischen verstrrchene Jahr nicht recht
fertigen konnte. Die aufrechte hal
tung hatte elitten. Den Kopf, wel
chen er sen so stolz getraæh htett
er ein wenig Itsentt und Schut
tern erwa- nach vorn geneigt, axi
Mike er eine Last auf denselben. Sein
, A
, m » -l ..l lich R,
haar war an den Schläfe-r ergraut,
sein Blick hatte etwas Unsicheres,
Scheuforschenbej bekommen, unb die
dicht zusammengezogenen Ausgen
brauen gaben dem Gesicht einen Aus
druck sinsteren Prätens.
Sophie hing sich an den Arm des
Vaters und zog den Spihenshawl
tiefer in die Stirn. »Brr, ist das ein
schreckliches Wetter! Wenn ich doch
lieber zu hause bleiben lönntel Aber
solch ein Seebär wie Du« — sie
driickte zärtlich neckend seinen Arm-—
«!nerlt natürlich so etwas nicht.«
Er blickte seitwärts auf sie nieder.
und ein Schein des alten humors
zuckte iiber sein Gesicht. »Du hättest
doch zu Hause bleiben lönnen, wenn
Du nicht in den Gefangnean gehen
machtest. Aber ich denke, Du gehst
gekni«
Eine leichte Röthe färbte ihre Wan
gen. »Ach Dul« sagte sie schmollenb.
Dann sprangen ihre Gedanken auf
etwas anderes über. »Du fährst
morgen nach Stettin?« fragte sie.
»Ja, et ist verschiedeiies·roegen der
Austiistung der «Normanma« noch» u
besprechen, auch noch einiges Schri t
liche betreffs der Uebernahme zu er
ledigen.«
Sophie blickte strahlend zu dem
Vater anf. »Ach, Vadding, Du
glaubst nicht, wie stolz ich sein werde,
wenn ich Dich zum ersten Male aus
der Kommandobriicke des « großen
Dampferö stehen sehe; stattlicher tann
sich sicher niemand darauf ausneh
men.«
Er blickte mit Zärtlichkeit in die
auf ihn gerichteten blauen Augen,
welche in der Farbe genau so, im
Ausdruck so ganz verschieden von de
nen der Mutter waren.
aFreuks Dich so sehr?" fragte er
mit einem tiefen Atbemzuge der fast
wie ein Seufzer der Erleichterung
llana.
Sie nickte eifrig mit leuchtet-dem
Gesicht wie ein frohes, reich beschenk
tes Kind. »Unmenschlich freut'5 mich,
Dir kannst mir's glauben.«
Er nahm die lleine Hand, welche
auf seinem Arme lag. zog sie empor
und küßte sie mehrmals mit einer hei
ßen Inbrunst fast andächtig.
Saphir schien nichts Außergewöhw
liches in dieser Zärtlichleii zu finden;
sie nickte dem Vater herzlich zu und
entzog ihm dann die Hand, um den
Regenschirm, den sie in der Rechten
getragen, aufzuspannen. Der Vater
nahm ihr denselben ab, und halte
sich wieder in seinen Arm. . o, nun
beschätz mich, mein Vaddinge nun bin
ich Dein «Feinöliebchen unter dem
Regendach«.·!
Er blickte ihr mit vorgebeugtern
Kopf in das feine Gesicht, dessen
Wangen der Februarwind mit einer
zarten Nöthe sit-erzogen hatte, und ein
Zudem wie der Schein eines Lächelns
bebte um den sestgeschlofsenen Mund
,,Wie heiter Du jett immer bist,Fie
ten,« sagte er nach einer Pause. »Dast
Du Robert wirklich so lieb?«
Das junge Mädchen antwortete
nicht; die-Klagen vor sich auf das re
gennafse Pflaster gerichtet« träumte
sie vor sich bin. Etwas in ihr, arn
sie herum war anders geworden. Tief
schmerzlich batte sie zwar der Unter
gang des Schiffes, das sie als eine
Art heimatb betrachtete, berührt, aber
dennoch wurde alles andere übertöubt
von der seligen, iubelnden Dankbar
keit, den leidenschaftlich geliebten Bo
ter gerettet zu wissen, und außer sich
ibtn in die Arme geworfen, als der
selbe mit einem engiifchen Dampser
im heimathbafen eingetroffen war.
Eingehend hatte ibr der Vater über
die Katastropbe berichtet. Amfchrnerzs
lichsten schien er von dem Tod des
Matrosen berüer und man durfte
davon nicht sprechen. In fieberhafter
Unruhe hatte er den Urtheil-sprach
dei Seegerichts erwartet, und es toar
wie ein befreiendei Aufatbmen itber
ibn gekommen, ais derselbe lautete,es
sei ihm nichts bergan-eisen
Mannschaft, der zweite Steuermann
Winter an der SPFVY hatte einstim
mig erklärt, das Schiff müsse auf ein
treibendes Wrack gestoßen sein«
bei dem dichten Nebel nicht wahrge
nommen werden konnte. Robert Hart
nranm der erste Steuermann, wußte
nichts Näher-ei cuszusagem da eraii
dienststet nicht aus Des gewesen war.
Von diesem Tage an war wieder
etwas mehr Ruhe über Ulleich gekom
men, besonders als ibin die Kapi
tänsftelle aus einem neuekbauten
großen Dampfet , angeboten wurde,
von dessen Aktien et infolge der hohen
Versicherung-giftian der »Elise«, die
ihm ausbezahlt werden-mußte, eine
ganze Anzahl übernehmen konnte.
- Auch Hattmann wollte zum Früh
jahr das Kommando eines Fracht
dampsees übernehmen, s der sich zur
·t We Ausbesseneng imTeocleni
oet befind. haetmann hatte ein Zim
mee nahe am Hasen gemiethet, um
diese täglich überwachen zu können.
Ofnzwischen war er dem Gesange-nein
igeteetem welchem auch Sophie mit
isrer schönen, geschulten Altstimme
ein sehe geschästee Mitglied way und
so wae es gekommen. daß sie sich,
außer bei den gelegentlichen Besuchen
in-. Hanfe det Eltern, auch häufig
allein sahen, wenn ee sie von den
Proben nach hause begleitete.
Ja seiner Lenden, ehelichen Weise
batteee nie enhehl daraus gemacht,
daß seine-Liebe der Tochter seines
bisherigen Kapitänss gehörte, and
auch fee fühlte sich wunderbar an -
gen von seinem enen, eneegis
, iibee we . teoßdem ein
barsch m Merdlichteit, oon unver
lbraun-Undene doesievoller Jugendfrische
AS
Und so war es denn vor nunmehr
acht Tagen gekommen. daßer ihr von
seiner Neigung gesprochen. als er sie
wieder einmal heimgebracht und ehe
sie es wußte, hatte sein Arm sie um
schlossen und sein Mund den ihren
getiißt. Und sie, sie hatte es sich mit
geschlossenen Augen gefallen lassen;
es ruhte sich ja so friedon so ge
borgen an seiner Brust.
Am nächsten Tage war er zum
Vater getommen, und dieser hatte,
wenn auch anscheinend zögernd, sein
Jawort gegeben, nachdem die Tochter
bestimmt erklärte, Robert und keinem
anderen sichzu eigen geben zu wollen.
Nur mit der Veröffentlichung der
Verlobung sollte sie warten, bis
Hartmann das Kommando seines
»Greif« übernommen hatte. Das
Brautpaar war damit zufrieden und
betrachtete die kurze Frist als eine
Art Prüfftein feiner Liede.
Der Vater behandelte den Bräuti
gam ernst, aber nicht unfreundlich,
und dennoch wollte es Sopbie erschei
nen, als bätteer emen anderen lieber
ais Schwiegersdbn begrüßt. Jn ihr
aber bestand die Liebe zu beiden ruhig
nebeneinander fort. Wenn nur der
Vater ihr Glück mehr mitempfunden
hätte, wenn er nur noch der Alte ge
wesen wäret Aber dort, in den
grauen Augen, da saß er noch, der
Schatten, den sie vergebens zu der
treiben suchte.
Oft blickte sie mit leidenschaftlichem
Forschen in das Gesicht des Mannes,
der ihr neben dem Bräutigam das
Liebste war auf der Welt. Der Ver
lust seines Schiffes, der Tod des Ma
trosen konnte ihn doch nicht so sehr
verändert babeni Solche Katastro
phen sind auf dem Meere unvermeid
lich, und das Gefühl des Seemannei
wird dagegen abgehärtet.
»Dann glaubtRobert den «Greif«
übernehmen zu tönnen7" fragte da
rer Vater in ihre Gedantesn hinein.
»Ich dente Anfangs April,« erwi
derte sie mit einem leichten Beben der
Stimme. .Er will vorher noch einige
Tage zu seiner Mutter.«
Der Kapitän nickte zustimmend
Dann faßte er mit der Rechten ihre
Fingerspitem welche auf seinem Arm
la en und drückte sie fest zusammen.
ag Fieten. hätteftDu nicht lieber
etwas Besseres geheiratbet als einen
Kavitän?«
See vuate ihn mir ungiauvigekn
Staunen an. Etwas Besseres, wie
Du bist?« Es war ein Ton, voll so
ungeheuchelten Erstaunens über seine
Frage, so freudigen Stolzes auf sei
nen Betruf, daß er keine Antwort da
rauf zu geben wußte, und dennoch
stieg ein tiefer, geauiilter Seufzer aus
seiner Brust empor, der fast wie ein
Stöhnen klang.
Dann hob er sich plöplich mit festem
Ruck und ging hochau gerichtet, straf
fen Schrit es dahin. »Sieh,« sagte
er. »so-ringt dort nicht Deine Freun
din. die junge Frau des Postdirettors
auf Dich su? Da hast Du ja Beglei
tung. und ich kann in den »Goldenen
Unter« gehen-" (
Sophie hatte sich von dem Arm des
Vaters gelöst und ging der jungen
Frau entgegen, welche eilig auf sie
zukam und ihr an den Hals flog.
«Ach, wie herrlich, daß ich Dich
treffe, Sophiechent Nein, die Freu
de!« Dabei lachte sie silberhell, und
bei dem Lichte der Gailaterne sah
man ein paar tiesschwarze, schön gee
schnittene Augen in einem schma n
Gesichtchern einen unglaublich kleinen,
etwas ausgeworfenen Mund, und
schimmernde. röthtich blonde Haare,
weiche unter der hellbiaufeidenen Ka
puguheroorauollen ·
ch Sopbie umarmte die Freun
din herzlich und sireichette freundlich
ihre Wange. »So, jetzt können wir
doch ein Weilchen plaudernz Vadding
hätte mich so wie so an der nächsten
Ganzes-ekle abgeschi, denn der »Sol
dene nter« winkt.«
Ullrich reichte der jungen Frau die
hand, hatte seiner Tochter sorgsam
den Kragen dichter zusammenJ dann
og er den Vut und war im nächsten
vugenblick ihren Blicken entschwun
en.
Jrn Knpikänszimmer des »Golde
nen Anker-« war es schon lebhaft, als
Napitän Ullrich eintrat. Zwei junge
Aapiiiine sprangen sogleich auf, um
dem angefehenen Mann bei Entledi
fnng seines Ueberrockes behilflich zu
ern. -
Ei wurde gespielt und geplnuderiz
ein leichter Tal-alsdann lagerte unter
der holBtäfelien Decke, von welcher
in der itte der goldene Anker, das
Wahrseichm des has-sei, und vier
ichöngeschnihte Schiffe herabhängen.
Zwischen den ernsthafteren Gesprä
chen flogen Witze, Neseteien nnd ler
någe Ren-n Hin uns-d wieder.
Mpitiin Ullrich klopfte auf den
Tisch. MikrinF rief er. Spiort trat
das dauImädchem ein rundes, dul
leö Ding mit ienerrothen Baden, mit
dem gefüllten Seidel in der Dandins
Zimmer·
Die Kapiiiine liebien keine Keil-cer
bedienung, und darum mußte des
Abends das hanimädchen ngegen
sein« um die Wünsche der äste zu
erfüllen. Sie hockte dann mit ihrem
Strickzeug auf der Bank am Ofen,
doch wurde gewöhnlich ans dem Ar
beiten nicht viel, denn gar bald sank
ihr der Kon auf die Brust, und zu
jedem frischen Male mußte sie von
neuem geweckt werden, was meist un
ter allerhand Scherz nnd Mchereien
vor sich ging. .
s
Auch heute wurde tapfer gespielt,
in aller Freundschaft ein wenig ge
strittten und vor allen Dingen mäch
tig ausgeschnitten
Kapitiin Naddatz sammelte die ver
streuten Karten nnd tlopste damit aus
die Platte des Tisches; dann nahm er
die ungeheure Bernsteinspihe, welche
er sich aus einem selbstgefunidenen
Stiick Bernstein hatte drechseln lassen,
zwischen die Zähne und mischte.
»Du bist nicht- an der Reihe, Karls
sagte sein Nachbar
Der Angekedete gab gleichmiithig
die Karten weiter. »Na, denn nicht«
dann gieb Du."
Er nahm die Zigarre aus dem
Munde und tlappte mit dem schwiten
Silberdeckel seines Stammseidels.
»Kathrin, ein neues.«
Keine Antwort, dagegen vertiinde
ten dumpfe Schnarchtöne aus der
Ofenecke, daß Kathrine sicher und süß
in Morpheus· Armen ruhte.
Der alte Kapitän sah seine Nach
barn augenzwinternd an. »Sie schläft
schon wieder,« sagte er.
Einer der Zunächstsißendem ein
junger Mann mit lockigem Haar und
gewöhlter KMdung, erhob sich, um
dieWeckversuche fortzusetzen, da hörte
e: seinen Namen rufen. »P · Kapi
tän von Horden, bleiben ie mall
Mkle f ;
Der alte Rat-dah, welcher ihn ge-«
rufen, legte den Finger aus die Lippe»
»Pfl, Kinnings, seid mal alle still,;
icki Feiß einen samosen Spaß.« Undj
die schwarzen Augen unter den wei-!
ßen Augcknbrauen in dem verwitter-!
ten, wie gebräuntes Leder schimmern- (
den Gesicht leuchteten vor Ueberrnuth
wie die eines Jungen. Nun steckten
alle die Köpfe zusammen und um
ringten den Alten, und dann gab es
ein allgemeines, unterdrücktes Lachen.
Einer der Gäste erhob sich und drückte
an dem Knopf, welcher die Mith
lämspchen unter der Decke erlöschen
machte. Gleich daraus herrschte tiefste
Dunkelheit, selbst durch die festge
schlossenen Fensterläden fiel tein
Streifchen Helle in das Gemach.
Und nun erhob sich ein Höllen
lärm. Die Gläser wurden nIt Bebt
nrenz aus den Tisch gestoßen, ein je
der schraubte seine Stimme so laut
f erkannte. .
Mit Dame!« —- «So, nun her da
mit!'« —,,Ja. mien Söhn, das hast
fTu Dir nicht gedacht, man her mit
dem ASS«
Da rührte es sich in der Ofeneckr.
HKathrin erhob sich rnit. eine-m Ruck
Fund rieb die Augen.
Gortsetzung solgt.)
Marokkoz neuer Sultan.
Wie sich Mulai Hafid von den ihm
ergebenen Stämmen nach langem Zö
igern und reiflichen Erwägungen zu
zdem folgenschweren Entfchlufse be
Istimrnen ließ, als neuer Sultan von
LMarotto gegen seinen Bruder aufzu
;treten, erzählt S. L. Benfusan in ei
znem englischen Blatte.
l »Ich fah ihm zum erften Mal,« fo
ferzahlt der Korrespondent, »als ich an
einem Nachmittag von Marratesch
ausrist, um das Heiligthum des Sidi
bel Abbas, des Schutzpatrons der
Stadt, zu besuchen. Ueber die «rothe
Ebene«, Blad al Hamen, die sich in
endloser Weite von Osten nach Westen
dehnte, galopvirte mir eine tleine
Schaar maurifcher Reiter entgegen; al
len voran ritt ein hochgewachfener
Mann auf feurigem Berberhengft. mit
eifernem Zügelgriff den überschäumen
Muth des stolzen Thieres bändigend.
IOBlvohl das Roß mit kostbarer lang
Iherabhängender Satteldecke geschmückt
war und des Reiters weite waltende
JGewiinder einen fast unmönnlichen
TEindruck machten, war doch in Sih
sund altung ’jene ruhige Sicherheit
des rabers unverkennbar, dee auf
» dem Pferde geboren wird und mit dem
Thiere zu einem Wesen been-Siehst
Er erwiderte meinen Gruß mit ge
jmekfener Höflichkeit, als er an mir
Tvorbeiflog, gefolgt von feinem Sekte
ItZr und drei Soldaten seiner Este-etc
J»Das ist des Sultans Bruder, Mulai
’hafid,« fagte mein Begleiter mit Ehr
Ffurcht in der Stimme. Die Augen«
»in die ich da auf einen Augenblick ge
.schaut, hatten mir einen ltarten Ein
-»druck hinterlassen. Ein kühnes, ent
ltchlossenes Antlih, mit varfvringender
T Adlernafe und kurzem, wohlgepflegtem
Wart Die dunkelbraune hautfarbe
lieh erkennen, daß der verstorbene
Sultan Mulai el hafan die Mutter
dieses Sohnes unter den dunklerenj
FRnheiten feines harems ausertoren j
a . s (
-««.«—-.-«-«·-»«
Sctlpem have uy Mutes Darm of
ters gesehen und noch mehr von ihm
gehört, um die Bedeutung dieses Man
nes und seine Stellung innerhalb der
Wirken des Landes wiirdigen zu tön
nene Er ift ein" eind alles eurer-ät
fchen Luxus und at sich häufig scharf
gegen die »?andelsagenten« ausge
sprochen, die ich untereinander ver-«
schweren hätten, feinem Halbbruder
Mulai AbdseliAzts iostspielige Sa
chen anzuhängen, für die er teine Ber
wendung habe; er hat diese Leute als
das Uebel bezeichnet, das den Ban
terott des Staates nach sich ziehen
würde. - «
Dabei ist er durchaus tein fanatiL
scher Gegner moderner Kultur. Auch
ee bringt der Photographie ein ewiis
fes Interesse entgegen nnd sehent den
eueapöischen Verzien soviel utrauen,
daß er, als eine seiner ieblingss
fest-en sehn-er erkrankte, etnen ento
Ipäischeu reizt zung ihm de- Erlaub
niß gab, den harem zu betreten, und
von ihm eine Qperation autsiihren
ließ, die seiner Frau das Leben Le
tete. Jn seiner Wirksamkeit alt
Statthalter hat er mit großer Aus
opserung sllr das Wohlergehen seiner «
Truppen gesorgt und den Juden von
Marratesch einen besonderen Schuh
angedeihen lassen·
Jahrelang hat Mulai hasid unter
Umständen schwierigster Art treu zu
seinem Halbbruder gestanden. Jms
mer wieder sandten die großen südli
chen Stämme Boten an ihn und
drängten ihn, das Banner der Empös
krung mit der Begründung zu entfal
;ten, daß der Sultan Maroho an
Europa vertause. Lange hat sich der
HStatthalter zurückgehalten und mit
diplomatischen Ausslitchten geantwor
-iet. "
mJch habe mein schönes Haus und
-Amt'«, so äußerte er sich wohl. »Zahl
» reiche Frauen sind mein eigen. Fünss
zig oder sechzig herrliche Rasse stehen in
meinen Ställen. Was iann sich ein
Mensch mehr wünschen? Warum soll
ich mich den Ausregungen preisgebem
die zueinen Bruder und herrn bedrän
gen «
Doch im lBeginn des Juni drängte
diese schwankende und unsichere Sach
lage zu einer Entscheidung hin. Ab
gesandte von einigen der mächti sten
und größten Stämme des Sii eng
kamen zu ihm und erklärten grade
heraus, Mulai Hasid müsse nun mäh
len, ob er herr oder Diener sein wolle.
Auch jeht noch antwortete des Sul
tans Bruder ausweichend und diplo
matisch.
»Ihr seid viele,« sagte er, »aber Jhr
seid nicht alle. Laßt mich wissen. wie
alle Stämme denken, und dann, mit
Allahs Willen, will ich mich entschei
den.«
Eine Woche oder zwei später trasen
sich die Abgesandten der Stämme aus
den Ebenen von Rhamna. Mulai ha
sid war nicht anwesend, aber er sandte
ihnen eine reiche Gabe von Schasen
und Korn. Sie besprachen sich unter
einander, und es stellte sich heraus, daß
sich drei mächtige Stämme noch« nicht
erklärt hatten· Besondere Eilboten
wurden sogleich an sie abgesandt mit
der seierlichen Ansrage, ob sie sich all
den andern anschließen wollten, wenn
Mulai hasid das Banner seiner Herr
schast entrollte, seine Rechte als des
Sultans älterer Bruder proklamirte,
um die Ungliiubigen aui dem Lande
zu vertreiben. "
Wieder verging eine Weile. Dann
kamen auch von den leßten Stämmen
Abgesandte, um dem neuen Sultan zu
huldigen. Der heilige Krieg ward in
feierlicher Versammlung ertlärt und
Mulai Hasid noch einmal verlündet,
daß der ganze Süden bereit sei, unter
ihm zu kämpfen, und daß er sich nun
endlich erklären müsse, wenn sie nicht
an seiner Statt einen anderen Bruder
des Sultans wählen sollten. Jetzt
hielt Mulai Hafid seine Stunde für
gekommen und nahm die Protlama
tion durch das Volk und die religiösen
Körperfchaften von Südmarotto an.
Nun reitet er durch die Straßen sei
ner Stadt unter dem Md’hal, dem
großen grünseidenen Schirm, der das
äußere Zeichen maurischer herrscherges
walt ist. Jn den Moscheen wird sein
Name ausgerufen und tausend Gebete
steigen zu Aliah emvor für den neuen
Erretter der Gläubiaen, der sein Ba
terland frei und glücklich machen foll.
W
serv als gute Gitte.
Jm Gouvernement Tula herrscht
eine alte merkwürdige Sitte. Während
der Ernte wird das Loos Unter die
jungen Mädchen geworfen, und die
das Los trifft, wird von den Burschen
gepackt und ins Wasser geworfen. Sie
muß herausspringen und so schnell wie
möglich fortlaufen. Jm Dorf Ariu
iowia iel in diefem Jahre das Lo
auf die 17jährige Tochter eines alten
OfenseserT eines unglücklichen Man
nes, der turz nacheinander seine älteste
Tochter und seinen einzigen Sohn ver
loren hatte. Das junge Mädchen wur
de unter lautem Gelächter trotz allen
Sitäubens ergriffen und mit vollem
Schwunge in den oordeifließenden
Fluß geworfen. Sie verstand aber
nicht zu schwimmen und ertrant. Erst
nach langem Suchen wurde die Leiche
mit Bootshaten aus dem Wasser gezo
gen.
Es kostete einem Lehrer viel Mühe.
seinen Rangen die Anfangsgriinde der
Anatomie beizubringen An den
fruchibringenden Wirkungen seiner
Mühe verzweifelnd, rief er: »Ist denn
«ilberl7oupt Einer unter Euch. der weiß,
was eigentlich die Wirbelfäule ist?«
Lange, verle ene Gesichten Endlich er
hob sich ein åunge und ftoiterte her
aus: »Die irbelsäule ift das Ding,
das durch mich und Sie läuft. Auf
dem einen Ende hängt'der Kopf dran,
auf dem anderen sidt mon.«
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» Zur Menschentenntnis gehört nichts
’ol5 ehrliche Selbstbeachtung. Kenni
man sich selbst, io kennt man alle Men
schen, die guten wie die schlechten.
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Es ist so leicht, die Vorzüge feiner
» inde zu leugnen; wär’ es nur ebenso
; eicht —- ihre Erfolge zu leugnent
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Die New Yorker Polizei sucht nach
einem Manne, der 400 moderne Mu
sittilicke g ohlen hat. Man sollte ihn
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