Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 20, 1907, Sweiter Theil., Image 9

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    sche- ——.-- — . .«».— -.—.-;-—.——-.-..-.-.-—
Wie ihr erz erkaltete.
Talisornisez Erzählung von
u Uc. «
Nur wer das Gute thut, ohne dafür
irgend welchen Dank zu erwarten, nur
weil sein eigenes Herz ihn dazu an
treibt, nur der wird darin Besriedi
gung und vielleicht sogar Glück finden,
wer aber Dank dasiir erwartet, der
wird enttiiuicht werden. Ader wie
viele Menschen gibt ei wohl; die sich
zu dem Worte Goeth« bekennen:
»So ich dich liede, was geht« es dich
ani« Und doch ist nur das die Phi
lanthropie im höchsten Sinne, denn
allein eine solche Liebe ist ohne Egois
mus — sie erwartet keine Gegenliebe,
keinen Dank.
Jhr wirklicher Name war Cnnthia
Marlham, aber sie wurde noch immer
Tinnie genannt, das war der Name,
den sie sich selber gegeben hatte, als sie
noch ein Bahn war. Jetzt war sie
35 Jahre alt, und da sie auch reich
war, hatte sie natürlich mehr als ei
nen Heirathsantrag erhalten« ader sie
hatte jeden abgelehnt, sie wußte nur
zu wohl, daß es dabei jedesmal nur
aus ihr Geld abgesehen war. Und nun
lebte sie als altes Mädchen ruhig und
zufrieden, und war pas Neigung und
ans Man el an einer sonstigenLedeng
ausgabe hilanthropin, sie versuchte
Gutes zu thun, wo immer sie Gelegen
heit dazu sand. Aber im Allgemeinen
hatte sie wenig Glück damit und we
nig Genugihuung k- denn sie ver
langte, daß Diejenigen, denen sie
GUUS thi- ihr in der Weise danlen
sollten, die sie von ihnen erwartete.
Aber natiirlich thaten sie das nicht.
So hatte sie einmal eine ganze An
zahl von armen Fabrikrniidchen siir
ein paar Wochen im Sommer nach
dem Seegestade gebracht, damit die
selben dort baden und frisch und ge
und werden sollten. Sie hatte ihnen
dazu einfache nette Sommertleider ge
tauft, und Jeder ein neues Testament
geschenkt und Komm und Seise, und
was sie sonst nothwendig hatten. Aber
der einfache Anzug war ihnen zu ein
fach und die anderen Dinge ließen sie
ganz unbeachtet, und sie nahten sich
heraus, so gut Jede es fertig brachte
und benahmen sich so, daß die gute
Tinnie die Sache schon nach drei Wo
chen wieder ausgab und froh war, wie
der u Hause und allein zu sein.
A r ihr Philanthropinismus war
dadurch noch nicht gebrochen. Und als
sie im nächsten Winter einmal einen
ganz besonders verhungert und ver
lumpt aussehenden kleinen Zeitung-s
iungen sah, da hielt sie ihn an und
fragte ihn aus, und dann ging sie mit
ihm zu seineniEltern. Dort sah es
elend genug aus. Die Leute ließen sich
leicht genug dazu bereit finden, ihr
den kleinen Jungen abzutreten, der
ihnen nur eine Last war, und siir den
die gute Dame ihnen eine hübsche
runde Summe gab. Sie nahm das
Kind mit sich, tleidete es und sing an«
es zu erziehen. Bald bemertte sie,
dasz in demJungen mit den roßen
schönen Augen ein Künstler-« alent
chlummerte, er fing an, alles was er
ah, aufs Papier zu zeichnen oder in
Thon nachzubilden« so gut er es nur
fertig bringen konnte. Da lehrte sie
ihn zeichnen und malen, und gab ihm
dann Lehrer, und er machte wunder
bare Fortschritte. Und vor Allem, er
liebte seine Wohlthäterin mit schwär
merischer Anhänglichkeit Sie war
ihm ein höheres Wesen.
O wie glücklich fühlte sich die gute
Tinnie —- das war es ja, wonach ihr
Herz seit Jahren vergeblich verlangt
und gesucht hatte. Und der Knabe war
wirklich durch und durch voll Kunst
und Poesie — auch fiir Gesang und
Musit hatte er Talent, und sie unter
richtete ihn auch darin und fand ihre
Seligkeit in ihm. Jan Andresen, wie
der Knabe hieß, that Alles, was sie
wollte, und gehorchte ihr in allen
Dingen aufs Wort.
So lebte der Knabe zehn Jahre
lang bei ihr, er verkehrte sast nur-mit
ihr und ihrer guten Mutter, welcher
Alles recht war, was die Tochter that.
Aber es ionnte so nicht bleiben, der
Knabe wurde zum Jüngling, und er
mußte nun hinaus in bie Welt, um
sich weiter zu bilden unb ein großer
fiiinstler zu werden — er mußte
hinaus in die Welt, die er noch nicht
lennen gelernt hatte. Sie schielte ihn
nach Paris, um seine Ausbildung zu
vollenden. Als er fortging. weinte
sie bittere Thriinen und bat ihn. jeden
Abend zu beten, und nicht zu viel zu
siudirem und ihr recht oft zu schreiben,
und gut siir seine Gesundheit zu sor
gen. Daß er dort in Paris aus Ab
we e gerathen könnte, daran dachte sie
ni t, das lag ihr zu sern. Sie blieb
allein zu hause bei ibrer Mutter und
zählte schon die Jahre, Monate und
Tage. bis er wiedertornrnen werde. «
Er schrieb ost, bon seinem Leben.
seinem Studium, seinen Arbeiten.
endlich auch, baß eines seiner Ge
mälde würdig befunden worden war,
im Solan. ber großen Jahres-Kunst
auisiellung der Pariser, ausgestellt zu
werden. unb dort mit einer Mebaille
" prämiirt worden war. Wie stolz war
Tinnie aus ihren Knaben!
Da tam eines Tages eine Freun
din Tinnie’s, die in Europa gewesen
war, von dort zuritel und besuchte
Tinnie. Sie war auch in Paris ge
wesen unb sagte: »Ja, ich habe dort
auch deinen Jan gesehen.«
»Er schrieb ei mir«,. antwortete
Tinnie, »wie sieht er outs« -
»Ausgczeichnet. Er ist außeror
dentlich beliebt unter ben jungen
Künstlern und er hat sein Bild im
Salon gut vertauft Natürlich hat er
kann ein Bisserl iiber die Stränge ge
schlagen — das ist nun einmal so vei
den jungen Leuten.« —- Darnit ging
die Freundin fort —- sie ahnte nicht,
daß sie einen Stachel in das herz
Tinnies getrieben hatte.
Denn Jan hatte von dem Verlauf
desBildes nichts geschrieben Vielleicht
hatte er es vergessen Aber was meinte
die Freundin wohl mit dem »Ueber
»die Stränge schlagen?« Nichts, aller
Wahrscheinlichkeit nach. Vielleicht nur
ganz unschuldigen Scherz, wie ihn
alle jungen Männer treiben. Und
natürlich hatten ihn Alle gern —- das
konnte ja nicht anders sein, er war ja
ihr Jan. Aber die Freundin war
doch eine recht alberne Schwätzerin
Und an diesem Abend schrieb Tin
nie an ihren Jung-In, und zur rechten
Zeit lani die Antwort, und diese füll
te ihr Herz wieder mit-Seligkeit Es
that ihm leid, daß sie von dem Ver
lauf des Bildes gehört hatte — er
hatte sie ia damit überraschen wollen,
wenn er nach Hause lam. Es war
doch recht dumm von Mrs. L....,
daß sie es verrathen hatte. Dieselbe
sei ja eine recht angenehme Dame,
aber ein bischen frivol und klatsch
siichtig. Er hoffe, daß seine Wohl
thäterin nichts aus das Geschwätz
derselben geben werde. Er werde
bald nach Hause kommen und werde
dann versuchen, seiner Wohlthäterin
zu zeigen, wie danlbar er ihr ei.
Und als der Herbst tam, da lan-.
auch Jan. Als er vom Dampier her- J
ablam, begrüßte er Tinnie mit einem
herzlichen Kuß. Und wie schön war
er geworden. hr Herz war voll von
lück und Seligkeit. Und doch war
etwas in seinem Gesicht, das sie be
sorgt machte; er sah nicht so srisch
aus« wie ehedem, um seine Augen und
um seinen Mund iagen leichte, taum
sichtbare Linien, aber sie sah dieselben
doch-. Vielleicht war er nur übermü
det, er war vielleicht überanstrengt,
er mußte sich ausruhen, sich erholen.
;Aber darüber lachte er nur. Er sagte,
er werde alt und habe leine Zeit zu
verlieren. er müsse nun ein Atelier
eröffnen und s Geld verdienen. Er
habe allerdings in Paris einige Bil
rer verkauft, aber das letzte Jahr sei
iostspieliger gewesen als die früheren,
ershabe hierhin und dorthin geh-In
n.iissen, um »Jdeen« zu erhalten, er
ha also nichts eriibrigen können
A er nun wolle er verdienen, und sie
solle sein Bankiers sein.
»Aber du hast ja schon so viel ge
aäbeiteh hast du nicht?« fragte sie
r n. »
»O fa, aber eigentlich doch nicht. ich
habe nur studirt, nur Jdeen gesam
melt, nicht stetig gearbeitet. Aber nun
soll das losgehen.«
Und es ging los —- Jan’3 Atelier
war ein Erfolg vom ersten Tage an.
»Er hatte wirklich Ideen, neue, kraft
« volle, originelle Ideen, und sein erstes
Bild wurde schnell und gut verkauft.
Er brachte das Geld zu Tinnie und
sie war glücklich.
Sein nächstes Bild wurde nicht so
schnell fertig wie das erste, aber es
machte mehr Aussehen, es war ein
wundervolles Mädchen, und er hatte
es »Ein Mädchen von Korsila« ge
nannt· Tinnie stand oft vorder klei
nen Gemäldegallerie, wo es ausge
stellt war, und hiirte mit Stolz, was
die Beschauer davon sprachen. Da
hörte sie eines Tages, wie wei ele
gant gekleidete Damen sich ort sol
gendermaßen unterhielten:
»Ja, Jan ist ein großer Künstler
—- ich habe seine Bilder in Paris ge
sehen. Sie sagten schon dort, er
werde ein berühmter Mann werden,
wenn er dreißig Jahre alt werde.« «
»Und warum sollte er denn nicht so
alt werden?« sragte die Andere, di-:
offenbar fremd in der Stadt war.
»O, Sie wissen ja, Künstler sind
Künstler, und ihr Grundsah ist:
»Mein, Weib und Gefang«. Er soll ja
allerdings hier solider geworden sein
-—- seit Chnthia Marlham ihn beans
sichtigt. Was siir ein herrlicheö Ge
sicht hat seine Korsilanerinl Jch habe
gehört, daß sie seine Geliebte ist. Ein
frivoles Ding, miteinem leeren Kopf
und Herzen. Blate hein sie —- ich
glaube, Dora Blase. Jch wette, daß
Chrtthia Marsham davon leine
Ahnung at!" «
»Ist " riiulein Marlhain sseine
Protettrire?«
»Ja, und sie dentt, daß ihr Pro
trge der Inbegriff aller Tugend ist.
Das wird bös werden sür sie und für
ihn, wenn sie einmal die Wahrheit er
fährt!«
Das alles hatte Cynthia gehört —
lie brach sast zufammen, und als die
Beiden gegangen waren, ohne sie zn
bemerlen, da mußte sie sich setzen.
Lange saß sie da und lonnte sich nicht
rühren, und als sie ausstand, da war
ihr Gesicht hart und kalt. Denn das,
was sie da gehört hatte, lonnte sie
nicht sassen, nicht begreisen. Entwe
.der das Alles war erlogen, oder ihr
Jan war sie mochte es nicht wei
ter. ausbeuten
Und dann stellte sie sich wieder vor
das- Bild. und jeht sah sie es mit an
deren Augen an, als vorher. Also
das sollte ihres Jan Geliebte sein?
Und doch hatte er ihr nie davon ge
sprochen, sie mußte ihn selber darum
besteigen, sie muhte sofort zu ihm ge
hen in sein Atelier.
Als sie dort in lam, trat erade
ein junges Mii en aus dem leva
tot und verließ das haus. Sie er
lannte es sosort —- es war die Kor
silonerin. Aber aus detn Bilde war
sie idealisirt--—— in Wirtltchteit war
i
sie ganz das, was vie eine der beides-«
Damen von ihr gesagt hatte. Und
das sollte das Mädchen sein, welches
isgn liebte? Das war ja nicht mög
t . -
Jan empfing sie mit überfchweng
lichen Worten, aber offenbar ein we
nig verlegen. Tinnkk gratulirte ihm
zum Erfolg feines Bildeö, und dann
ging sie direlt aus ihr Ziel los; sie
erzählte ihm, daß sie ehiirt habe, wer
daf- Original der otsilanerin sei,
nnd daß sie das Mädchen soeben un
ten im Hause getroffen habe. Sie
sah, wie er verwirrt wurde, und sie
fuhr fort, daß er sich nicht sehr ge
ichmeichelt fühlen werde, wenn er
hkre, was die eine der Damen von
dxm Mädchen und von ihm gesagt
habe.
»Was hat sie denn gesagt?« fragte
Jan scharf, und man hörte-es seinen
Warten an, daß er in Aerger gerieth
s-- »was hat sie denn gesagt?«
Da antwortete Tinnie lalt: »Sie
lsat gesagt, daß dein Modell zu glei
cher Zeit deine Geliebte sei, daß sie
ein frivoles und eitles Ding ist, mit
sleerem Kopf und Herzen. Und ich
hätte von dir erwartet, daß du dich
nicht so weit erniedrigen würdest,
dich in eine solche Person zu verlie
ben.«
Da wurde Jan roth und dann"
bleich vor Aufregung. Das war mehr,
als er ertragen konnte, sein ganzer
Stolz bäumte sich in ihm aus und
unterdrückte das Gefühl der Dant
barteit gegen seine Wohlthäterin, und
er sprach lalt und scharf:
Fräulein Marsham —- ich weiß
wohl, wie viel Dank ich Jhnen schulde
— alles, was ich bin, bin ich durch
Sie. Aber mit dem, was Sie da, auf
die Worte einer Anderen hin,. über
Fräulein Blale gesagt haben, die Sie
selber nur einen flüchtigen Moment
gesehen haben, damit haben Sie das
Tischtuch zwischen uns Beiden zier
schnitten. Denn ich bin entschlossen,
Dora Blate zu heirathen. Mit dem,
was ich verdiene, und mit dem, was
Sie noch von mir in Händen haben,
werden wir genua haben, unseren
Haus-stand zu«beginnen. Geben Sie
mir das Geld, das ich Jhnen zur
Aufbewahrung gegeben habe, und las
sen Sie mich meine Wege gehen.«
»Nein, ich werde dir dein Geld auf
heben, du wirst dir die Sache wohl
noch besser überlegen,« sagte Tinnir.
Da brauste Jan auf: »Nun gut, so
behalten Sie das Geld, und machen
Sie sich damit bezahlt für das, was
Si.f auf meine Ausbildung verwendet
haben!« rief Jan, »und lassen Sie
mich wissen, wie viel ich sonst noch
Jhnen schulde!«
So schrie er, obgleich im selben Mo
ment sein Gewissen ihm sagte, wie
schweres Unrecht er ihr that. Sie aber
wurde bleich wie die Wand, und sie
zog ihr Checkbuch hervor, das sie in
Ider Tasche hatte, und schrieb einen
Check fiir die Summe, die er ihr in
IVerwahrung gegeben hatte. Dann
verließ sie das Atelier.
Das waren lalte trübe Wochen und
Monate. die nun folgten. Sie hatte
erwartet, Jan werde sein Unrecht ein
sehen und zu ihr tommen, um Verzei
hung zu erbitten. Aber er lam nicht.
Er tam auch nicht, als es in der gan
zen Stadt betannt wurde, daß er all
sein Geld an sein früheres Modell und
seine spätere Frau Dora verschwendet
hatte, und daß dieselbe ihn dann, als
er ihr nicht mehr jeden thörichten eitlen
Wunsch erfüllen konnte, verlassen hatte
und mit einem reichen jungen Lebe
mann davongegangen war. Tinnie
wartete und wartete —- er tam nicht.
Aber eines Abends, als sie müde und
traurig nach Hause gekommen war
und in die Abendzeitung blickte, fiel
ihr Auge auf eine Ueberschrift, welche
lautete: »Ein unglücklicher Künstler«.
Und darunter stand, daß in seinem
Atelier der junge ausgezeichnete-Künst
ler Jan Andresen Selbstmord durch
Erschießen begangen habe. Unglück in
der Liebe und Ausschweifungen hatten
ihn zu der That veranlaßt. So weit
man wisse, habe er keine Verwandte
in der Stadt.
Tinnie legte die Zeitung aus der
Hand und blickte wie geistesabwesend
hinaus nach dem Westen, wo dieSonne
eben sich in’s Meer sentte. Die Fluth
tam gerade herauf. es war ihr zu
Muthe. als ob die Wellen ihr bis ans
Herz stiegen. Ein Frösteln überfiel sie,
und sie zog ihrenShawl um dieSchul
tern und starrte hinaus, bis ihreMuts
ter lam. An jenem Abend war Tin
nie«s früher so warmes Herz für alle
Zeiten ertaltet.
·lCalif. Demotrc.·..)
s—
Its-erstehe in Leier-.
Man schreibt aus Trier: Bei Erb
arbeiten aus dem Hauptmartte stieß
man aus eine der ältesten Römerstra
izen aus dem augustiiischen Trier. Die
Straße liegt in einer Tiefe von vier
Metern aus gewachsenem Boden von
einer Schicht bläulichen Schiefersan
bes. Die Straße ist annähernd zehn
Meter breit und läuft in der Rich
tung vom Markte nach der Mosel. An
der Seite der Straße ist ein mehrere
Meter breites Bautett. Daran schließt
sich ein mächtiges Bauwerk, das an
scheinend gewaltsam zerstört wurde.
Die Fundamente dieses Bauwerts be
stehen aus gewaltigen Sandsteinqua
been. Man konnte noch nicht feststel
len» ob es sich um einen befestigten
Lausgraben, um ein Gebäude oder ein
Denkmal handelti.
Fripoillards Trick.
Von Guy de Teramo,nd.
. Es ist herrliches Frühlingswetter,
der erste helle klare Tag; eine leichte
Staubdecke ift über den Asphalt ge
breitet. Man fühlt sich von neuer Kraft·
durchfirömt, von jugendfrisch fröhli
cher Stimmung gehoben. Heute muß
es schön fein, aus der liirmenden, sti
ckigen Stadt heraus ins Freie zu fah
ren, immer die Chausfee entlang; da
läßt man die Phantasie in unbekannte
Fernen schweifen und badet die Lun
gen in der reinen Luft.
Jn solche Gedanken vertieft, sitzt der
junge Fripoulliard auf einer Bank der
äußeren Boulevards in dem sehr pro
blematischen Schatten einer schwind
fiichtigen P"1tane, die ihre schmächti
gen grünen Händchen gegen den fon
nenglänzenden Himmel reckt, als woll
te ,sie ihn um ein wenig wohlthätiger
Feuchtigteit anflehen.
Ach, wer doch Flügel hätte! . . . in
den Sattel eines schnellen Fahrrades
fich schwingen . . . vom frühen Mor
gen bis zum sinkenden Abend unzäh- -
lige Kilometer fressen! . . « « E
Ja, aber wenn man das Glück nicht !
mit der Hand erfassen kann, ist’s nur i
ein Traum, sagt der Dichter. Fri
pouillard ist nur reich an Streben,
und die arbeitsreiche Volontärstellung
in dem Tapetengeschiift füllt seine Ta
schen nicht einmal mit der bescheidenen
Summe, die zur Erfüllung seines
Wunschen nöthig ist.
Soll man sich das Geld dazu bor
gen? Unlösbares Problem! Es ließe
sich vielleicht eine mitleidige Seele da
zu bereitfinden, wenn sie erfährt, daß
er seit zwei Tagen nichts zu Mittag
gegessen hat, ihm fünfzig Centimes zu
schenken, aber niemand würde sie ihm
borgen.
Ob er auf sein ehrliches Gesicht hin
Kredit bekäme? Welcher Radverleiher
würde wohl so naiv sein, ihm auchi
nur eine Lentstange oder ein Paari
Pedale anzuvertrauen, einem solchen
jungen Gentleman der Faubvurgs,
der ihm nicht einmal eine Taschenuhr
für vier Franks fünfundneunzig oder
die Wählerlarte seines Portiers als
Pfand anbieten konnte?
Aber Fripoulliard ist ein geweckter
Bursche· Lasitte hat den Grund zu
seinem Vermögen dadurch gelegt, daß
er im Hofe eines Bankiers eine Steck
nadel aufhob, und der berühmte Er
finder Thomas Edison, indem er die
Zugthiiren der Pazifitbahn in Ame
rita zumachte. Und er sollte sich keinen
Rath wissen, er, ein echtes Pariser
Kind?
Ja, da wird er wohl ein Rad stehlen
müssen, um dieser wahnsinnigen Lust
Genüge zu thun, die ihn gerader tör
perlich schmerzt? — Keine Ahnung.
Fripvuillard besitzt einen Fonds na
türlicher Ehrenhaftigteit.
Er hat schon einmal ein Partemon
naie auf der Straße gefunden, mit
fünfzehn Centimes und einem Stadt
bahnbillet Inhalt, und er hat es aufs
Polizeitvmmissariat getragen. Und
wenn er in einem Postamt die Million
der letzten Ziehung der Presse-Lotterie
finden würde, er gäbe sie, ohne zu zö
gern, ihrem rechtmäßigen Besitzer zu
rück.
Also . . .? — Fripouillard steht auf
und, die Hände in die Taschen vergra
ben, geht langsam weiter. Jhn interes
siren die tausend kleinen Ereignisse der
Straßen: wie die Hunde sich verfol
gen, wie die Kutscher einander die Na
men aller Thiere der Schöpfung an
den Kopf werfen, wie die Betruntenen
aus dem Wein eine heitere Mittheil
samteit geschöpft haben, an der sie das
ganze Weltall theilnehmen lassen
möchten. Er wartet ruhig auf die
Inspiration oder vielmehr auf die
Gelegenheit, dieses Wesen mit der be
rühmten Haarlocte, das schon so viele
Siege entschieden hat.
Und plötzlich steht er still.
Seine Augen haften an einem La
denschild:
»Zu den hunderttausend Fahrrä-i
dern« —- und davor eine Unmenge
Maschinen, von allen· möglichen Sti
stemen und Farben, die diesem viel-»
versprechenden Firmenschild Recht zu
geben scheinen Jn einem Winkel sitzt s
schläfrig ein Kommis in weißer Bluse ;
der darüber zu wachen hat, daß nicht !
ein geschickter Straßenräuber eine da
von wegestamotirt.
Fripouillard geht mit dem liebens- «
würdigen Lächeln eines Menschen, der
ein gutes Gewissen hat, auf ihn zu.
Er zeigt aus ein Rad, ein schönes
Rad, wo das Nickel noch wie neu ist
und in der Sonne funkelt, und fragt
leichthin:
»Was kostet dieses-I«
Der Kommis mustert den schlecht
getleideten Kunden, der doch sicher
nichts wirklich kaufen wird, und
brummt bloß:
,,Siebzig Francs.«
»So!«
Fripouillard denkt nach. Siebzigj
Francs? Das ist eine schöne Summe, (
besonders wenn man sie nicht hat. Und
dabei gibt’s doch Krösusse, die sie ha
ben! O, über die Ungerechtigkeit des
Schicksals! Aber, wenn er den groß
artigen Plan, der plötzlich in seinem
hirn entsteht, gut durchführen will, so«
darf er nicht den Kopf verlieren. Er
zieht seht das Fahrrad heraus, hebt es
Eis-wärt
Hausherr: »Sie bekommen 50 C-;nts, wenn Sie mir das Holz klein
machen.« ·
Bettler: ,,Freili’ und laß’ mir von der Bettler-Union zwei Dollars
Straf geb’n."
isachte hoch, dreht die Pedale, betrach
itet genau die Kette, Glied für Glied,
»und sagt endlich wegwerfend: »Pö,
jdas ist höchstens sechzig Francs
werth!« Und da der Kommis es nicht
sfür nöthig hält, darauf zu reagiren
fragt er:
s »Sie wollen es mir zu diesem Preise
inicht lassen?«
i »Ich kann nichtp
»Warum?«
»Ich bin nicht der Chef!«
»Glauben Sie, daß der mir’s so
lassen würde?« -
»Das giaube ich nicht·«
,,Wo ist denn Jhr Chef?«
»Im Hinterzimmer, er frühstückt.«
Diese Erklärung scheint dem jun
gen Mann sehr zu behagen.
»Ich werde ihn selber fragen gehen.«
»Wenn Sie wollen!«
Und Fripouillard, dem der Kom
mis mit ironischen Blicken nachsteht,
geht in den Laden, das Fahrt-ad in
der Hand . . . Fünf Minuten verge-;
hen, sie dauern so lange wie ein Jahr- «
hundert. Der Kommis ist mit seinem
Federwedel einmal über seine Maschi
nen hingesahren und hat sich dann,
von dieser Leistung natürlich sehr er
müdet, wieder in seinen Winkel ge
setzt.
«Dieser junge Mann, denkt er, ist
wirklich naiv . . . . ich kenne ja den
Alten . . . . Er wird nicht zehn Franch
herunterlassen . » Lieber verkauft er
gar nichts, als daß er den geringsten
Nachlaß auf seinen Kram bewilligte
. . Ach, du lieber Gott, wer wird uns (
nur den ganzen Dreck abnehmen? . . .
Nieder mit den Ausbeuternt . . . Hoch
die Emanzivation der Arbeiter! . . .
Und nachdem seine Galle sich so
Luft gemacht hat, versinkt er wieder
in seine Tritumerei und betrachtet auf
merksam die vorbeischwiminenden
Holzstückchen, die die Kinder in den
Rinnstein geworfen haben: da Witz-s
lich kommt Frivouillard heraus. —»
»Keine Möglichkeit, mit Jhrem Chefs
einig zu werden,« wirst er im Vorbei- i
gehen hin und entfernt sich eilig. Eines
halbe Stunde später nach beendetem
Frühstück erscheint der Besitzer der
hunderttausend Fahrräder auf der
Schwelle seines Ladens und ruft sei
nen Kommis. ,
»Holen Sie mal die Maschine aus
dem Hinterzimtner und stellen Sie
diese ins Schaufenster.« ;
Und als der andere sich anschickt.
dem Befehl Folge zu leisten, fügt er
hinzu: »Ich habe eben ein brillantes
Geschäft gemacht. Ich habe dieses
Rad für einen Spottvreis gekauft.«
»Sie haben’s gekauft? . . .«
»Ja,« antwortet der Chef, mit scha
denfroher Miene die Hände reibend:
,dieser junge Mann war in Geldbet
legenheit und da habe ich ihm 20
Fres. siir sein Versatzstück geboten.
und er hat s aenommen Sie werden
es mit siebzig Francs auszeichnen Se
hen Sie, lieber Freund so macht man
sein Geschäft!«
Aber der junge Mann muß an sich
halten, um ihm nicht ins Gesicht zu
lachen: a, Herr . . .« s
»Na, was denn?« l
»Dieses- Rad . . ." f
»Nun dieses Rad i
Der Kommis zeigt mit dem Finger ·
auf die leere Stelle: »Das war dieses
da! . . .« j
Der Chef ist starr; dann aber brüllt H
er in plötzlicher Wuth: »Wozu gaffen
Sie mich denn mit solchem idiotischen
Gesicht an?« .
Und der andere gibt ihm mit allem
schuldigen Respekt die tröstliche Er
klärung: »Nun weiß ich auch, warum
sder Kunde es gar so eilig hattet« . . . ’
i Inzwischen aber hat in einem ande
jren Stadtviertel der junge Fripouil
» lard ein Rad gemiethet und fährt, aus
Leibeskräften treten·d, durch das Bois
be Boulogne über Suresne nach
,Saint-Cloud, Versailles, und wer
jweiß wohin, und summt vergnügt die
bekannte Melodie: «
I »Ach, die schönen Birnen! . . .«
Schlechtes Gewissen.
»Johann, wenn Du meinem Fuch
sen wirklich das Schnarchen abgewöh
nen lannst, so belommft Du einen
Thaler von mir!«
(Acht Tage später): »Johann, Du t«
bist ein BlitzkerL hier hast Du Deinen
Thaler! Aber sage mir, wie hast Du
dem Gaul das Schnarchen so schnell
abgewöhnt?«
Johann: »Seht einfach, gnädiger
Herr. Wie er wieder angefangtn hat«
hab’ ich ihm einen Kübel Wasser
über den Kon gegossen!«
»Hier hast Du noch einen Thaler!"
Aber um Gotteswillen, sag’ von
der Kur meiner Frau nichts —- die
macht mir’s sonst ebensol«
Unmöglichkeit
Fürst (eines kleinen Landes, zum
Okerhaupt der Polizei): »Sagen Sie
mir, warum wird denn die Schnell
fahrcrei mit dem Automobil durch
unser Land gestattet?«
Polizeirberhauptt »O, wir treten
sehr energisch dagegen aus« als-er es
nützt uns nichts; wie wir sie anrusenz
sind sie schon im andern Land!«
q,
— '
Ein Bedauernswctther.
Kneipbruder: »Mache es doch wie
ich und ziehe Nachts, wenn Du heim
lommst, die Stiefel aus der Treppe
aus-«
Pantoffelmüller: »O nein, das darf
ich nicht! Da schimpft mich meine
Frau am anderen Morgen erst rech.t,.
wenn sie mich nicht kommen hört.«
In der Rekrntenschulc.
Herr Leutnant Pierre de Rappel
läßt seinen Zug zur Kleider-Juwel
tion antreten. Wie schon öfters, so
fällt auch diesmal der Abstand zwi
schen den beiden Gliedern zum Ver
druß deg gestrenge n Herrn Leutnants
nsicderum zu groß aus. Er ruft des
halb in vollstzr Entriistung: »Das
isch wieder emal e’n Abstand! Da
;chönt ja es Kameel bequäm düre!««.
Sdrichtg und schreitet zum stillen Er
lgötzen der Mannschaft zwischen den
Ilseiden Reiken hindurch .
» Ach sp! . «·-’"
Fremder tder sich bei einem Wirthe
eingszmiethet hat): »Sagen S’ nur,
warum sind Sie denn die ersten Stun
den die ich lei gehnen war, aar so
niißtrauisch um mich herumg: gangen?
zch kann mir das gar nicht erllärenl«
Wirth: »Ach, entschul digen Sie
nur, mein Herr, ich hab Sie siir einen
Weinreisenden aehalten!«
Seine Auffassung.
Fritzchen hört, wiePapa bei Gele
genheit eines Gespräch-S ülirr den Ber
ehrer der erwachsen-an Tochter Mama
gegenüber die Bemerkung fallen läßt:
»Der sollte doch mal endlich arti-zi
fzen!« Andern Tages überrascht er
feine Schwester, wie fie sich von ihrem
Lixkhaber einen Kuß rauben läßt.
Freudeftrahlsend läuft er zum Papa
nnd ruft: »Papa, er hat ange
b i f se n !«
Uncriläklich.
Schauspieler: »Geh-en Sie mir doch
zehn Dollars Vorschuß: der Schneider
bedrängt mich fnrchtbarl«
Direktor: »Was, Sie wollen Hel
diendarfteller sein und lassen fich von
einem Schneider ins Bockshorn
jagen?«
Die Nachbarinnen.
»Wat? Sie jeben Ihrem Mann den
Hausfchliissel? Dei würde ick nich
thun!«
»Sagen Sie fo! Jcl hab’s ver
fucht... habe ihm den Schlüssel ver
weigert -—— da is er frühmorgens
ietonimen . · . !«
Eiche-tret Mittel.
»Lieker Doktor, ich leide an Schlaf
losigkeit. Ein einmaliges Miauen
meines Mädchens genügt, um mich
nicht wieder einschlafen zu lassen.«
»Schön, lassen Sie das Pulver
machen.«
»Und wie muß ich das nehmen«-P
»Um Gottes willen, Sie nicht! Das
geben Sie der Katze in die Milch.«