Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 13, 1907, Sweiter Theil., Image 5

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    Nebraska
Staats-Anzeiger und Esset-old
Jahrgang 28.
Grund Island, Nebr» 13. September I907. (Zweiter Theil)
Nummer 3 .
Sommer-morgen.
Wenn dieWipfel an zu klingen fan n
Und die iiihlen riinen Thalertve en,
Will ich meine chuhe wieder binden,
Will zu meinem alten Stabe greifen
Und zur Andacht auf die Berge gehn.
Leifer Wind treibt inse, zarte Düfte,
Und die Wolken glänzen malvenfar
, n,
Lange, lange Seidenschleier hängen
Jn die Dämmerniß der feuchten
Gründe,
Und ich wandte in ein Rosenland.
Wird ein sonnenreicher Tag geboren,
Wird ein itrahlenvoålees Reich begrün
t
gebe einen Thron auf iigelsiiuinen.
sieh das Licht! Es ist as Licht der
Ferne,
Aber meiner Seele übernah.
Eine Begegnung.
Skizze von J da Oppe n.
Seit Stunden rauscht der Regen
eintönig und langsam nieder, und
grauer Nebel deckte undurchdringlich
die Bergketten; man konnte taum die
Hand vor Augen sehen. Es war dem
nach für den einsamen Touristen, der
den gefahroollen steilen Aufstieg allein
zurückgelegt, eine Erlösung, endlich
das kleine Häuschen auf dem Berg
plateau zu erreichen. das ihn fiir veine
Nacht berherbergen sollte. Längst hattet
er den Schirm geschlossen und trabtes
mit dem schweren Rucksacl rüstiger-s
rcrwiirts, nun das Ziel in Sieht warJ
Die tleine Bude war heute mäßig-;
5esiillt. Ein paar Studenten, schon;
ein wenig durch den Genuß erwär-;
wendet Getränke angeheitert, riesen:
ihn: ein fröhliches »Gut Heil« entge
aen. Die Tische im Restaurant waren
fast alle besetzt, und der Dunst von den
tsampsenden Schüsseln, den Cigarren,
drn Pseifen und verschiedenen Ge
tränken machten die Lust schwül und
unangenehm. Er freute sich, daß er
die Vorsicht gehabt, ein Zimmerchen
fiir sich zu bestellen und die dienftfer
tige Kellnerin, an die er sich wandte,
geleitete ihn nach oben. Er öffnete
die kleinen Fenster des überaus ein
fachen, inzigen Naumes und ließ die
seuchtkate, klare Luft hineinströmen.
Nach wenigen Minuten hatte er seine
Kleider zum Trocknen übergehen, sich
ein wenig restaurirt und sah nun hin
aus, in der Hoffnung, daß sich end
lich, endlich die drei Nebelwände thei
len und ein einziger Sonnenstrahl
ihm den Blick aus das Hochgedirge
gewähren würde
Vergebens!
Seufzend wandte er sich um und
beschloß, nach dem ermüdenden Tage
werk einen Dauerschlof zu halten, um
am frühen Morgen die Sonne auf
gehen zu sehen. Er ordnete an, geweckt
zu werden« und bald machten sich
Müdigkeit und Ahspannung geltend,
under verfiel in einen tiefen Schlaf.
Am nächsten Morgen war dasThen
tnometer noch mehr gesunken. Der
Regen dauerte fort. Mißimuthig stieg
chst Feldern die lnarrende, schmale
Stiege hinunter, um sein Frühstück
einzunehmen und sich zu er undigen,
nach welcher Richtung er zu gehen
habe, um bis zu dem Dörfchen . zu
kommen, wo er zu seiner Reisegesell
schast stoßen wollte, die ihn dort er
wartete. Er bestellte den Kassee und
bliitterte müßig in alten Zeitungen
Der Wirth bemühte sich, ihm ein paar
tröstliche Worte zu sagen, erzählte ihm
ron verschiedenen Abenteuern, die
Touriften hier gehabt, und von einer
Dame, die gestern um Mitternacht
hierher gebracht wurde mit verletztem
Fuß und nun trostlos in ihrem Zim
mer lieae, ohne ärztliche Hilfe und
Beistand.
Jn Horst Feldern, der eigentlich in
cognito reiste, Titel und Würden zu
Hause gelassen hatte, erwachte der
Arzt, under erkundigte sich eingehend
nach dem Unfall.
Der Wirth beschrieb ihm um
ständlich den KraniheitsfalL wurde
jedoch bald unterbrochen voir anderen
eintretenden Gästen. Ungefähr nach
einer halben Stunde trat ee an den
Tisch des Doktors und bat ihn, der
Dame seine Hilfe angedeihen zu las
sen.
Durst betrat nach wenigen Minuten
ein kleines Kömmerchem Er mußte
sich unwilltilrlich bücken, um in den
niedri n Raum zu gelangen. Von
dem ebnralen Ruhebett versuchte eine
Gestalt sich zu erheben, die aber äch
zend wieder zurücksank Der Arzt trat
schnell näher. doch das Begrüßunfb
wart, das er aus den Lippen da te,
stockte, und die Liegende schloff einen
Moment die Augen. Ihr bla es Ge
sicht rötbete sich heil-. sie fuhr sich mit
dsr hand’iiber die Stirn, als ob sie
ein Traumbild verscheuchen wollte.
»Verzeihen Sie,« sprach sie endlich
mit mühsam erzwungenem ruhigen
Ton, »hätte ich geahnt, daß Sie mir
Hilfe leisten sollten, Herr Dotto,e ich
hätte Sie wahrlich nicht bemüht.«
Ein bitteres Lächeln umschürzte die
Lippen des Angeredeten.
»Gnädigste wollen in mir in diesem
Moment nur den Arzt sehen, der Sie
von augenblicklichenSchmerzen und
llnannehmlichleiten befreit· Hoffent
lichist meine Pflicht hier bald gethan,
und meine Gegenwart belästigt Sie
nicht länger.«
Er untersuchte schweigend den Fuß,
lonstatitte eine Knöchelentzündung,
empfahl ihr Ruhe und tröstete sie, daß
bei Befolgung seiner Anordnungen sie
bald so weit genesen sein werde, um
« sich bei schönem Wetter in das nächste
;Dorf tragen zu lassen.
l
I
s
;
Sie dankte ihm. Schon wollte er
i mit höflichem Gruß-das Zimmer ver
lassen, als sie ibm die hand entgegen
streckte. Er zögerte. Dann schritt er
stioch einmal auf sie zu, umschloß die
schmalen Finger mit sanftem Druck
und-fragte leise:
»Wie dars ich Sie nennen —
Fräulein oder Frau?"
»Friiulein.« erwiderte sie.
Ein helles Leuchten flog über sein
Gesicht. Er verbeugte sich tief und
sagte: »Gute Besserung, Fräulein
Amte-Maria«
Lange noch hatte das Mädchen auf
die Thür gestarrt, die sich hinter Horst
Feldern geschlossen hatte. Da war nun
plötzlich ganz zufällig ein Wiedersehen
da, »das sie ein Jahrzehnt lang heiß
und innig erse nt. Jn fchlaslosen
Nächten stand ihr dieser Moment in
verschiedenster Art vor Augen« Jhre
Phantasie arbeitete unablässig daran,
und immer neue Bilder reihten sich
aneinander. Sie waren siir sie der
Trost in der öden Gegenwart, die
Hoffnung auf eine bessere Zukunft
und die sreudigleidvollen Erinnerun
gen an ein paar kurze, sonnige Stun
ren des Glücks, die im Fluge vorüber
gerauscht und die dennoch start genug
gewesen, das einsame Mädchen in der
Noth und im Kampf des Lebens auf
richt zu erhalten.
.« Sie hatten einander zum ersten
««Mal gesehen und sich lieb gewonnen.’
Wie ein leuchtender Blitzstrahl lohtc
es zündend von Herz zu Herzen. Und»
sie waren beide jun und glaubten an
ihre sLiebe und an gie Verwirklichung
ihres heißen Wünschens und Hoffens.
Doch ehe noch das entscheidende Wort
zwischen den beiden gefallen, hatte die
grausame Welt sie für längst verbun
den erklärt und ihnen in gehässigster
Weise gezeigt, dasz sie unüberlegt und»
nicht ehrlich gehandelt. Sie raubte
ihnen die Unbefangenheit; sie glaubten -
sich beide schuldig—ohne schuldig zu»
sein —- und flohen einander!
Er hatte in feinem Beruf Zerstreu-:
ung und Vergessen gefunden uno in
zwischen das Leben und die Welt ten
nen gelernt, und der kurze Jugend-J
traum war sast verblaßt. Sie»iedoch»
hatte schwer unter der Enttäuschung
gelitten, hatte fort und fort in heißem
Verlangen seiner gedacht. Sie glaubte
sich ge unden und lebte ein stilles
weltfernes Leben, his die Jugend
bliithe langsam schwand. Sie arbei
tete, um ihr Leben zu fristen, doch
ihre Hoffnung war noch immer auf
ihn gerichtet, bis dann allmälig die
Resignation ihr heißes Begehren, ihr
aussichtsloses Auflehnen gegen Be
stehndes dämpfte, mit einem rauen
«Schleier all’ ihre Lebensho fnung
deckte. Nun war mit einem Male das
zu neuem Leben erwacht, was sie
unter zahllosen herzenstämpfen zu
Tode gerungen. Sie hatte ihn wie
dergesehen, und von Neuem stieg die
Sehnsucht in ihr und der heiße
Wunsch, vor all denen« die sie damals
verhöhnt und auseinandergerissen,
« gerechtfertigt dastehen. Auch er
sollte das Unrecht, das er an ihr be
gangen: indem er sie damals verlas,
sen, ohne ihr vor der Welt ihre Stel
lung zu geben, gut machen. Ob er
wohl daran dachte? n bangen « wei
seln verbrachte si .- ag und acht.
Jhre Aufregung wuchs, der Frost
schüttelte sie, heiße Gluth stieg in ihre
Wangen. Oh er ahnte, was sie litt?
Oh er wiederkommen würde?
Sie wartete. Die Minuten dehn
ten sich zu Ewigkeiten. ihr Ohr
lauschte angestrengt aus jeden Tritt,
der sich nahte. Jrn Kämmerchen wa«
ungemüthlich — dunip und kalt, und
draußen rauschte sder egen.
Horst Feltern konnte nach dieser
Begegnung keine Ruhe finden. Die
Vergangenheit hatte auch ihn gesan
gen genommen, und er begann da
riiber nachzudenken« warum damals
ihr inniges Zueinanderhalten so beu
tal geendet und wer daran schuld ge
habt. Er wollte sich Gewißheit schaf
fen um jeden Preis, und der«graue,
öde, endlose Tag, der ihn an jedem
Weiterlommen hinderte, schien ganz
dazu geeignet, um sich über all das
klar zu werden, was damals sich zu
getragen.
Jn den Nachmittagöstunden sprach
er bei ihr vor, um« sich nach ihrem
Ergehen zu ertundigen Er fand sie
fiebernd und fast bewußtlos. Sie
rief seinen Namen, ohne ihn zu erken
nen. Er veranlaßte den« Wirth, sie
in sein Zimmer bringen zu lassen
das geeigneter war, eine Kranke auf
zunehmen. Und dann saß er neben
ihrem Lager und hielt ihre heiße
Hand in der seinen und beruhigte ais
bis endlich die heftigen Phanta en
aufhörten und sie wie ein todtmüdes
Kind einichlief.
Jn jenen Stunden hatte Horft er
fchiitternd einem Geständntsfe Pe
lauscht, das der Armen ahnungs os
von den Lippen geflossen. Er begriff
jetzt, daß ileinliche Menschen sie aus
unlauteren Absichten auseinanderge
rissen und sie um ein volles, ganzes
Glück betrogen, ohne selbst einen Vor
theil davon zu haben, nur in der
Sucht und Gier, auseinanderzureißen
und zwei Menschen zu trennen, die
fiir einander bestimmt gewesen.
Nach einem langen, schweren Schlaf
erwachte Anne-Marie und fah sich er
schrocken in ihrer Umgebung um·
Horft Feldern saß an ihrem Bette
« und begrüßte sie wie in alter, schöner
Zeit. Sie glaubte zu träumen. Alls
das Leid der langen, düsteren zehn!
Jahre schien ausgelöfcht, und als er:
ihr beide Hände entgegenstreckte und
sie mit einem Kosewort anredete, das
nur er allein für sie gehabt, da wars
sie sich an seine Brust, um in heißen
Thränen all’ das Weh und Leid fort
zuspiilem das ihr Herz bedrückt. Ein
Jahrzehnt hatten wohl beide verloren,
doch sie hofften auf eine Zukunft und
swollten nun doppelt das genießen,
: was sie in der langen Zeit entbehrt.
E Der Nebel hatte sich langsam ge
stheilt, der Regen hörte auf. Strah
s lknd vergoldete die Sonne die Spihen
sder Berge. Jn hehrer Majeftät rag
i ten sie in blauen Duft gehüllt vor
ihnen auf-ein Bild des Bleibenden,
Festen, Unerschiitierlichen. Jhr An
blick lehrte sie beide, die entzückt und
begeistert zu ihnen ausschauten. »das
trrtz des Wechsels nach außen das
Ewige sich gleich bleibt, daß der
Kampf nothwendig ist und die Ent
1äuschungen, um geläutert und gerei
niat daraus hervorzugehen und mit
größerer Dankbarkeit und mit Be
wußtsein die Segnungen des Geschi
aes zu genießen.
---.-.-.---—«
Glück muß man haben.
Von Ottomar Hatweg.
»Bizewachtmeister der Reserve Al
brecht zur achtwöchigen Uebung einbe
rufen und dero . .Batterie Feldartille
rie-Regiments No. 90 zugetheilt«,
meldete sich an einem schönen August
morgen ein stattlicher Marsjünaer
beim Hauptmann Schnieemann. Die
ser, in ernste Berathungen mit feinem
Wachtmeister über die Güte der funf
ten Garnitur vertieft, musterte den
Ankömmling mit« nicht übermäßig
freundlichen Blicken. »Schon wieder
einer«, stoßseufzte er innerlich, »taum
ist die eine Garnitur Reservemänner
ohne zu dollen Reinfall zum Tempel
hinaus, kommen schon wieder andere
zur Freude des geplagten Chefs. Na
meinetwegenC fuhr er dann laut
fort, hieß den Neuen willkommen und
fragte nach Beruf und Heimath
»Wie, orei Jahre haben Sie nicht
geübt, Herr? Alle neuen Regiements
und Vorschriften sind also gänzlich
spurlos an Jhnen vorbeigerauschts
Von der Kanone wissen Sie sicher
nicht mehr, als daß man das Geschoß
hinten reinstectt und es vorn herang
tointnt. Wo in aller Welt waren Sie
denn?'«
»Jm Ausland. Herr Hauptmann
Ich war gefchäftlich nicht abiöminlich.«
-,,Und wollen natürlich Reseroeoffi
zier werden-« inquirirte Schneemann
weiter.
Diese Frage bejahte der ,,Vize« mit
derartiger Inbrunst, daß der Haupt
mann ihn ganz erstaunt ansah und
dann seinem alten Faktotum, Macht
meister Menze, einen besorgte-i Blick
zumars. Sollte der Neue nicht ganz
richtig im Kopfe sein?
Aber der war im Gegentheil ein
heller Junge, und sür seinen Wunsch
Neserveossizier zu werden, hatte er
ganz besondere Gründe« von denen
sein Batteriechel natürlich nichts ah
nen konnte. s A brecht entstammte Dem
hochangesebenen Brerner Handels
baut-e Albrecht Stöhne. Jn rastlosem
Fleiße hatte er es bis zum Prokuri
sten der Firma gebracht und war all
mählich dte rechte Dant- seines betag
ten Vaters, ja eigentliche Seele des
Riesengeschästes geworden. Was
Wunder, wenn er bei seiner ange
strengten Thiitigleit keine Zeit zu Re
serve-Uebungen gefunden hattet Im
mer wieder batte irgend eine Hoch
konjunttur ihn genöthigt, um Aus
schub seiner Uebungen zu bitten, und
so hatte er endlich auf die Epauletten
des Reserveofsiziets»Verzicht geleistet.
Seine Anschauungen über Nöthig
teit und Niitzlichteit des Reserveossi
ziers hatten sich aber seit diesem Früh
jabr von Grund aus geändert. Um
seine durch intsensive Kontoarbeit an
aeariffene Gesundheit Zu kräftigen,
hatte sein Vater ihn-halb mit Ge
malt in’s Bad geschickt und am
Strande der rauschenden See hatte er
sein-: Jlma kennen gelernt. Die junge
Dame war mit ihrer-Mutter ebenfalls
zur Somniersrische in« Dendorf, und
durch eine klein-e gesellschaftliche Ge
fälligkeit war man bekannt gewor
den. Auf weiten Spaziergängen
am Meer und im herrlichen Walde
hatten die jungen Leute sich gefun
den und bald war die Liebe in
ihre Herzen eingezogen. Aber,« o
Schreck! Jlma von Schiltigheim war
die Tochter eines richtigen Generals,
eines tomniandirenden sogar und ei
nes, von dessen militärischerStrarnm
; beit man sich recht viele Anekdoten er
; zählte.
i Und in eines solchen Mannes Toch- ;
ttcr hatte er, der ehrsarne Kaufherri
Albrecht jun. sich verliebt! und gleichj
in welchem Maße! Er, der nüchterne,3
kühl erwägende Geschäftsmann, dessen
Gedankenwelt lediglich Kassenabschlüs
se, Girokonto und Hauptbuch ausge
füllt hatten, schwärmte gemeinsam
mit der Angebeteten die Schönheit der
Natur an und begeisterte sich an dem
erhabenen Anblick des Meeres.
Die Generalin sah die Bewerbun
gen des weltsicheren und dabei doch
bescheidenen jungen Mannes um ihre
Tochter nicht ungern, und von ihr hat
ten die Liebenden kein Hinderniß, eher
Förderung zu erwarten. Aber der
Vater! Da saß der Haken. Der so
streng militärische Mann würde die
Hand seines einzigenTöchterchens nie
nals einemCicilisten eben, noch dazu
einem, der nicht mZTReserveoffizier
war. Diesen soldatischen Grad müsse
er unbedingt erreichen, ehe er mit sei
ner Werbung hervorträte, hatten die
tsDamen Albrecht gerathen. Jlma hatte
ihn dabei so lieb und verheißungsooll
angesehen, daß et in heißem Mühen
nach den Epauletten zu streben be
schloß.
Aller Anfang ist schwer, und es
wurde daher Albrecht anfänglich wie
der ,,beim Kommiß« recht sauer. Aber
das Opfer war die Liebe schon werth;
feine Jlma, wie er sie in kühnen
Träumen schon zu nennen wagte, war
auch gar zu lieb. Die Tieerliche Gestalt,
der schwebende Gang, r feine Rasse
lops mit dem goldigen Blondhaar,
kurz: das ganze Mädel war ent
zückend! Und mit dem bärbeißigen
Erzellenz Papa ivürde Albrecht wäh
rend seiner Uebung hoffentlich nichts
zu thun bekommen.
Allerdings-, es hatte sich unange
nehm viel bei seiner Waffe geändert.
Der Hauptmann fühlte ihm intensw
auf den artilleristischen Zahn. Als
Albrecht durch das Kommando »Ein
zelfeuer« die schnellste. Feuerart ent
fesseln wollte, schoß gar kein Geschütz;
das hieß ja jetzt »Schnellseuer«, und
Einzelseuer bedeutete nun langsames
Feuer. Himmeldonnerwetter, das soll
te man auseinanderha!ten! Und so
war noch mancherlei anders gewor
den. Gar erst bei der bespannten
Batterie.
Aber mit Fleiß und Energie suchte
er der Sache Herr zu werden« Er ar
beitete, daß ihm der Kon rauchte,
exercirte mit Streichhölzerin fragte
um Rath und ließ sich belehren. Bald
nickte Hauptmann Schneemann ganz
befriedigt, wenn Albrecht das Kom
mando hatte; und alles schien fiir den
Liebenden gut zu stehen.
So kam der Ausmarsch zum Ma
növer, Die Hälfte der Uebung war
herum, und gleich nach der andern
Hälfte wollte Albrecht seine Offizier
wohl und — seine Werbung betrei
ben.
Aber in den neuen größeren Ver
hältnissen, die jetzt an den Vizewacht
tneister in seiner Eigenschaft als Zug
siihrser herantraten und eine hohere
Selbststänlsigkeit verlangten, ging
plötzlich alles verquer. Es war rein
zum Tollwerdent Jn feinem Zuge war
immer etwas los, Pferde gedrückt und
lahm, Leute schlecht angezogen und
unpünktlich, ja einmal war Albrecht
mit seinem ganzen Zuge, der allein in
einer großen Mühle lag, zum Anspan
nen zu spät gekommen. Unsicher ge
worden, marschirte Albrecht mehrmals
falsch auf, ja er war sogar dem Herrn
Oberst unangenehm aufgefallen, als
er nicht die eine Straßenseite frei
hielt, bekanntlich ein grobes militäri
sches Vergehen.
So verschlechterten sich die Chancen
zum Reserveoffizier, und damit schien
auch Jlmas holdes Bild wieder in
weite Ferne gerückt.
Letzter Manöbertag: Großes Ge
hinauszubringen, hatte der Führer
sächt von Division gegen Division.
Die Artillerie krönte die Höhen, vor
ihr entsaltete sich die Jnfanterie Aber
die blaue Jnfanterie konnte die deck
ungslose Ebene niicht durchschreiten,
solange die günstig postirte rathe Ar
tillerie nicht etwas gedämpft und ldie
iibermiichtige rothe Jnfanterie etwas
durch Artillerieseuer geschädigt war.
Seitwärts vorwärts der Artilleriestel
lnng ragte ein einzelner Betgkegel steil
hervor, ben die ,,Manöverleitung«, d.
h. der tommandirende General, mit
seinem Stabe erklommen hatte»
Daß von diesem Felsen aus treff
liches, flantirendes Eingreifen möglich
war, wenn es gelang, Geschütze dort
von Blau mit scharfem Blick erkannt.
Auf sein Ansuchen erhielt die Flügel
batterie, die dritte, den Befehl, einen
Zug gedeckt dorthin zu senden.
Hauptmann Schneemann vernahm
den Befehl mit sehr gemischten Ge
fühlen. Wen in aller Welt sollte er
schicken? Sein einziger Leutnant war
seit Morgen aus Patrouille, er selbst
mußte bei der Masse seiner Batterie
bleiben. Blieb nur der Unglücksrabe
Der Reserve! In Gottes Namen los
dafür, und er theilte Albrecht noch, so
gut es ging, Instruktion, wie er sich
zu verhalten habe. »Das sage ich h
nen, Herr, machen Sie Blödsinn, it’s
mit dem Reserveofsizier Essig. Und
nun geben Sie da vorn zunächst in
Lauerstellung.«
»Lauerstellung«, das hatte Albrecht
Von dem ganzen Sermon behalten.
War er nicht deswegen schon einmal
gröblich beschimpft worden? Das
kannte er also. Er übergab dem älte
ren Geschützfiihrer das Kommando
über die beidenGeschiitze und ritt sebst
vor, um sich die Sache erst anzusehen.
Klein Gedanke, da mit Kanonen hin
auszukommen Aber der mittlerweile
lierangetoinmene Unteroffizier Müller
fliisterte ihm zu: »Protzen unten las
sen, Lafetten mit vier Pferden schlei-l
ren.«
Richtig, so ging’s. Albrecht traf jetzt
vernünftige Anordnungen, zu denen
der martrialisch sdreinfchauende kom
mandirende General, welcher das
schwierige Hinaufbringen derGeschütze
interessirt betrachtete, mehrmals zu
frieden nickte Oben hinter dem Hö
henrand waren die Geschütze glücklich.
Die Unteroffiziere wurden nun krie-j
chend mit dem Fernglas vorgeschoben,
um Ziele zu erkunden Dann aber;
schritt Albrecht-Unteroffizier Müller
erbleichte vor Schreck-—forfch auf denj
Kommandirenden los Und sagte in
iniiitäiischer Haltung: ,,Jch bitte
Euer Excellenz, etwas zurückzutreten,
damit meine Stellung nicht frühzeitig
verrathen wird.« (
»Nu, nn«, knurrte Excellenz, ,,brau- ’
chen mich nicht gleich anzuschnauzen.
Aber Sie haben recht, junger Mann. «
Und zu den Herren feines Stabes ge
wandt, fügte er hinzu: »Wir wollen
etwas weiter zurückgehen, um hier die
Stellung nicht zu verrathen.«
Nun ließ Albrecht die Geschütze
verschieben und wies mit sachlicher
Ruhe die feindliche Jnfanterie, die
eben anfing vorzugehen, als gefähr
lichste-s Ziel an. Rother Rahmen
hoch gegen Jnfanterie! Schuß auf
Schuß dröhnte. Die feindlichen
Schützen ftockten, die rothe Artillerie
sah sich genöthigt, den neuen, sehr
störenden Feind aufzufuchen und un
schädlich zu machen, wodurch die blaue
Artillerie und Jnfanterie momentan
Luft bekamen Kurz, die Postirung
ren Geschützen auf dem Felstegel war
ein glänzender Coup.
So wurde er denn auch bei der
Kritik seitens seiner Excellenz gewer
thet. »Seht vernünftige Maßnah
men, die der Vizewachtmeifter dort
oben getroffen hat. Muß meine volle
Anerkennung aussprechen, hätte ak
tiver Offizier nicht besser machen
können. Wie heißt der Mann, und
was ist er?«
,,Albrecht«, meldete Schneemann,
,,Gkoßtausmann aus Bremen.«
»Hm, hm«, brummte der General.
,,Name mir nicht unbekannt, wenn er
als Kaufmann auch so tüchtig ist,
wehe seinen Konkurrenten!« Und da
Excellenz selbst das Signal zu einem
kleinen Gelächter gaben, wurde dieser
Witz gebührend belacht.
Albrecht aber war selig, als sein
Hauptmann ihm mittheilte, der Herr
Oberst ließe ihm sein volles Lob aus
sprechen und wolle der ehrenden Aner
kennung halber, die seine Tüchtigkeit
bereits durch Seine Excellenz gesun
den, auch von einem Examen absehen.
Er möge sich nur baldigst zur Offi
zierwahl stellen lassen. Da nun der
Vize ein gar zu strahlendes Gesicht
machte, mußte der Hauptmann wohl
oder über fragen, warum er sich denn
so sehr freue und dieser erzählte ihm
nur zu gern, wovon sein Herz so voll
war.
Für sein interessirtes, wohlwollen
des Zuhören erhielt sdann auch
Schneemann acht Wochen später die
erste Verlobungsanzeige des glückli
chen Paares.
W
Der sparsame Präsident.
Ein Pariser Blatt erzählt folgendes
Geschichtchen von der Sparsamkeit
des Präsidenten Fallieres: Schon zur
Zeit als Fallieres noch Senats-präst
dent war, liebte er es, bei seinen Spa-«
ziergängen die Schaufenster der ver
schiedenen Läden zu betrachten. Bei
einem dieser Gänge fiel ihm in der
Auslage eines kleinen Buchhändlers
eine Ausgabe von Pascals ,,Penses«1
mit dem Wappen Louis Philippes in«
die Augen Er ging in den Laden und
ierkundigte sich nach dem Preis. 60
jFrancs verlangte der Buchhändler.
Der Senatspräsident bot 20 und da-(
her kam das Geschäft nicht zu Stande-i
Von Zeit zu Zeit wiederholte sich der
Vorgang. Fallieres tritt in den such
tladen, steckt die Hand in die Tasche,s
ideutet aus das Buch und fragt mit
iAugenzwinkerm »Na, wie ist es denn
Hnit zwanzig Francs?« Die stereotype« .
IAntwort des Buchhändlers lautet-E
,,60 Francs, nicht einen Centime we-;
niger.« Nachdem nun Fallieres Präsi-i
dent der Republik aeworden war,
ging er eines Tages wieder bei dem?
Buchhändler vorbei. Der Band Pers-«v
cal stand noch im Schausenster. Mit:
einem plötzlichen Entschluß tritt Fett-«ka
lieres ein. Er hat sich entschlossen,·
vierzig Francs zu bieten, und mochte-;L
wohl denken, der Buchhändler werde
sich freuen, dem Landesvater eine Ge-?
fälligkeit erweisen zu können. Evj
hatte aber die Rechnung ohne den«
Wirth gemacht. Als er mit den Wor
ten eintrat: »Hier sind 40 Francszk
jetzt geben Sie mir aber auch den Was-s
cal,« erwiderte der schlaue Buchhänd
ler: »Unm’o«glich, Herr Präsident! Ich
habe gesagt 80 Franks, und so viel
müssen es sein, nicht einen Centime;
weniger!« — Die Ueberlieserunggz
schweigt, ob sich der Präsident inzwi-«
schen zum Antan des Büchleins mit«
dem königlichen Wappen entschlossen
hat. . g
LA
Wie man feinYMiether fesselt. s
Ueber einen äußerst geschäftstüchtizz
gen Trick, und zwar diesmal nicht vonkf
einem in dieser Hinsicht dafür bekann
ten Amerikaner, sondern von einemt
eingefleischten Pariser weiß die Lan-.
doner ,,Dailh Mail« folgendes zu be-;
richten: »Ein Pariser Hauswirth, der
eine große Anzahl Häuser sein eigenL
nennt, ist auf eine zwar etwas außer
gewöhnliche, dafür aber um so besser
wirkende Jdee gekommen, seine vielen
Miether an sich, resp. seine Wohnun-««S
gen zu fesseln, oder im Falle eines
Wechsels sofort wieder für Ersatz zu
sorgen. Am ersten jeden Monats ver
sammelt dieser Menschenfreund näm-.·«3
lich seine sämmtlichen Miether um sichs-;
und läßt jeden Einzelnen aus einem;
umfangreichen Beutel ein Loos für siclk
herausziehen. Der Glückliche, welche-es
das Loos mit der vorher als Treffer
bekannt gegebenen Nummer erwischts ,
braucht sür den laufenden Monat keins .
Miethe zu entrichten. Diese prächtigi
Aussicht, einen Monat und wenn das
Glück einem hold und günstig gesinntz
vielleicht sogar mehrere Monate iwj
Jahre, miethesrei in dem nicht gerade
billigen Paiis wohnen zu können
wirkt derartig bezaubernd und anzie- ;
hend auf die zahlreichen, sonst recht
verschiedenen Parteien, daß sie von
Jahr zu Jahr geduldig wohnen blei
ben, immer in der stillen Hoffnung
der nächste Erste werde aber endlick
ganz gewiß ,,ihr« Glückstag sein. Da
bei rechnet der schlaue Pariser Haus
wirth ganz richtig — und kommt sehr
wohl auf seine Kosten, trotz der einen
für ihn verlorenen Monatsmiethe
Seine Wohnungen sind stets besetzt, dii
durch das häufigeUmziehen hervorge?
rufenen Kosten für Reparaturen usw
vermieden, ebenso der unvermeidlicht
Aerger, der jeder Kündigung und je
dm Wechsel anzuhängen pflegt.«
So stark muß nach einer Erklärung«
Lord Betesfords, des Admirals de«
Kanalflotte, die britifche Seestreit
macht fein, daß sie jeden Gegner sofoy
vernichten kann. Wenn das das Pr f
gratnm Englands ist, wird es no
ganz bedeutend ,,abriiften« müssen.
s- slt It- -
Jm Warener Tageblatt sucht Jok,
Seeberg, Bahnhofswirt, Neusttelitz
,,(-Linen Hausdiener, der aushilfsweij
Gäste bedienen und in den Zügen ves«
kaufen muß.« Ein Hausdienek dar
wohl Gäste bedienen undGäste hinaus
werfen, aber Gäste verkaufen-darf e’
nicht!