Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 06, 1907, Sweiter Theil., Image 11

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    . EITZT - » - —
- Ver alte Vessauer als Exanris
nator.
historische humoresle von A d o ls
H ö l le r l.
Der alte Dessauer war ohne Feld
prediger. Dies schmerzte ihn umso
mehr, als es ihm nicht gelingen wollte,
einen Mann nach seinem Geschmack
sitt diesen wichtigen Posten zu finden.
Seine Soldaten, die sich bei Stettin,
,»: aus der Jnsel Rügen. in Ungarn bei
« Ofen, bei hochstedr und Kaiserswertb,
in Italien und Brabant tüchtig ge
schlagen und auch sonst gut gehalten
t;atten, war-en in der Garnison wie
vom bösen Geiste besessen und voller
llntugenden. Sie tranken und rauch
ten, lratehlten und rausten, spielten
und zanltem räsonnirten und sluch
ten. Das mußte ausbören, oder doch
wenigstens eingedåimmt werden. So
meinte mit Recht der alte Dessauer.
Jn dem alten Schlosse zu Dessau
sitzt Leopold in GeneralS-Unisorm
aus einem großen Lehnstuhle seines
Arbeitbzimmers und schreibt unter
lange, doppelt gesaltete Bogen Papier
seinen Namens-wes Die Thüren und
Nenster des Baltons waren geöffnet,
o daß der frische Morgenroind freien
Durchzug hatte
Es war noch sriib. Ein leichter Ne
bel oerschleierte die Sonne und sun
lelnder Thau lag im nahen Parle aus
Rasen und Gesträuch. Von den herbst
lich gelben Blättern der Bäume raubte
Ist manches Blatt der muthwillige
ind und die munteren Sperlinge
piepsten und zanlten sich in dem duntis
len Epheu, der sich bis zum Ballon
des Arbeitszimmers Leopoldo von
Dessau binausranttr. Es tündigtesich
ein heit:rer Herbsttag an, dessen heller
Sonnenschein auch das Herz des Men
schen erwärmt und einer stoben Stim
mung zugängkich macht.
Jetzt tritt ein alter, weißhaariaer
Diener ein und til-erreicht dem iirsten
auf einem Zinnteller zwei Brio e.
Der Fükft überliest sie und mur
melt: »Ah, gleich ztrei auf einmal.«
Es waren zwei Gefuche von Probe
tandidaten, die sich um die erledigte
Feldpredigerstelle erwarben. Der alte
Tessauer klingelte und gab dem her
beieilenden Setretäe den Auftrag, die
Heiden Kandidaten fiir morgen 11 Uhr
Ins Schloß zu bescheiden.
Des anderen Tages erschienen zur
festgefeyten Stunde die beiden Bewer
ger und ließen sich dem Fürsten mel
In.
Ehe wir den Theolagen zur Aus
dienz beim Fürsten folgen, müssen wir
erst eine Charakterstatistit der Beiden
vorausschicken.
Der Eine, ein tleines, schmächtiges
Männchen mit blondem Haar und
dünnem Bart, blauen Augengliisern
und einem zarten, dlassen Gesichte
zeigt Brand. Der Andere, ein gro
er, kräftiger Mann, der den alten
Dessauer um Kopfes-lange überragt,
hat dichtes, beaunes haar, Augen wie
Konzen, eine teck vorspringende Ha
bichtsnase und in seinem Auftreten
liegt der Ausdruck mönnlichee Festig
leit. Sein Name ist Götze.
Brand war ein tiefer Denter, ein
gelehrter Theologe, ver es mit seinem
Berufe ernst nahm, der seine Predig
ten gründlich und sorgfältig ausarbei
tete und nach allen Seiten hin ver
tiefte, sie mit biblischen Zitaten spickte
und mit gelehrtem Beiwert aus
schmückte; die Gebildeten schätzten sie
nnd die Theologin erklärten sich als
einwandsfrei. Götze war ein aber
sliichlicher Gottesgelehrter, nicht in
dem Maße bibelfest, wie er es hätte
sein müssen, nichtgdestotveniger galt
auch er als e·in iiichitaer Prangen
Dies tam daher, weil er ein phänome
nales Gedächtnis besaß, das ihn in
den Stand setzte, nach ein- oder zwei
nxaligem Ueberlefen einer Predigt, die
irgend einen berühmten Mann zum
Verfasser hatte, diese wortgetteu und
frei mit rethorischem Pathos nottu
iragen. Demnach ionnten die beiden
Predigtamtstandidaten in ihrer äuße
ren Erscheinung sowohl, als auch hin
sichtlich ihrer wissenschaftlichen Aus
bildung Antipoden genannt werden
Der alte Dessauer war lein Mann
vcn viel Umständen, weshalb er die
beiden Kandidaien zu gleicher Zeit in
sein Arteitszimmer eintreten ließ.
Der Fürst Leopold hatte durchdrin
gend scharse Augen. Er musterte die
jungen Männer scharf. Als sich die
Beiden anschickten. eine Anzahl Pa
piere aus der Tasche zu nehmen, die
ten dem Stand iberr Renntnisse und
ihrer Ausführung Zeugnisz gaben,
machte der lirst eine abwehrendeBe
lwegnng mi der Hand und sprach:
«Thui das papierene Zeug wieder in
Eure Taschen. Ich bab’s nicht gern,
wenn Andere siir mich aucken. hab'
selber gute Augen und iiihle meinen
Leuten am liebsten selbst aus die
Zähne.« Sprach’s und gina nach sei
nem Schreibiisch, um von dieiem zwei
Papierltreiien zu nehmen, auf die er
zwei Bibellvriiche nelritzelt hatte, die
den Prabelandidaten zum Vorwurf
einer Predigt dienen sollten, und bän
digte sie ihnen ein. Dann subr er
icrtt »Es kommt vor, daß man nicht
immer die niiihine Zeit auf eine Pre
dint verwenden l.1nn, ja es mag zu
weilen der Fall eintreten, eine solche
klinr iedr Vorbereitung aus dem
Sieareife halten zu müssen. Ich bade
Euch da zwei Bibeiverse ausgeschrie
ben. noch denen Abt Euere Predigt
einri-.i.ks:ii und halten möget. Heute
um Eier Uhr Nachmittag erwarte ich
Euri( Friede-. Adieu!«
Als die beiden The-plagen in ihren
Gatthiiusern angelangt waren und mit
Spannung ihre Zettel aus der Tasche
zogen, sahen sie wohl eine Menge
Krayfiiße und Daten darauf, aber
nicht ein einziges Wort, das sie hätten
entziffern können. So blieb ihnen
nichts anderes übrig, als nach eigenem
Ermessen einen Text zu wählen und
nach diesem ihre Predigt einzustudi
ren.
Punkt vier Uhr waren sie wieder
im Schlosse. Sie wurden ohne Ver-—
zug zum Fürsten geführt.
Götze nahm zuerst das Wort und
sprach: »Eure Dutchlaucht werden
verzeihen, ich habe das, was auf dem
Zettel steht, nicht lesen iönnen.«
»Und mir erging es ebenso,« sagte
Brand bescheiden und mit einer tiefen
Verneigung
»Gebt her,« befahl der Fürst. Er
ging mit den Zetteln zum Fenster und
las, buchstabirte, studirte, aber um
sonst, er bringt teinen richtigen Sinn
heraus, turz, er vermag seine eigene
Schrift selbst nicht zu lesen. Angek
lich darüber, wendet er sich mit den
Worten an die Beiden: »Bomben und
Granaten! Jch hab’ das Zeug da nicht
geschrieben, damit ich es lese, sondern
damit Jhr es lesen sollt.« »
Als die Beiden schwiegen, bemertte
er erfreut: »Hab’ ich es nicht gesagt,
daß Fälle eintreten können, die teine
Zeit zur Vorbereitung auf eine Pre
digt zulasseni Jetztzeigteinmah was
Jhr tönntZ Er, Brand, beginne und
Gönn gehe er einstweilen in’s Neben
zimmer.
Brand begann seine schön gedach
selte und gut einstudirte Predigt vor
zutragen, doch dem alten Dessaner
scheint sie nicht zu gefallen. Er geht
nach dem hohen Eckenfenster. blickt ge
langweilt in den Part hinunter und
trommelt mit den Fingern an die
Scheiben.
Brand hat geendet. Der Fürst
spricht izu ihm: »Gut. Er soll mor
gen Nachricht erhalten. Adieu!«
Nun lam Göve an die Reihe. Mit
Stentorstimme spricht er. Jedes Wort s
wird deutlich ausgesprochen, wo es:
nöthig ist, scharf betont und mit vers
nöthigen Handbewegung betriistigi.s
Aber, wie er mitten im Text ist, un- !
terbricht ihn der Fürst mit den Wor
ten: Das ist ja dasselbe, was der
Andere eben gepredigt hat. Habt Jhr !
denn miteinander ein und dieselbePre- s
digt einstudirt?« !
»Nein, Durchlaucht. Jch habe die;
Predigt meines Kollegen im Neben
zimmer gehört und wiederhole seine
Worte in meiner Manier."
»Was?« ries der Fürst erstaunt
aus, »nach einmaligern Hören sstann
Er eine ganze Predigt nachsagen?«
»Jawohl, Durchlaucht. Jch besitze
ein gutes Gedächtniß.«
»Dann will ich Jhn in meine As
seltion nehmen. Doch jetzt höre Er.
Es ist nur darum zu thun, einen
Mann zu bekommen, der meine Kerls
gehörig zu sassen und zurechtzuweisen
versteht, denn sie taugen dem Teufel
nichts, sobald sie aus dem Dienste
sind. Um den gelehrten Kram küm
mere ich mich nicht im geringsten.·'
Nach diesen Worten ging er einige
Male in dem Zimmeraus und ab, als
besönne er sich aus das, was er dem
jungen Mann recht eindringlich
an’s Herz legen wollte. Nach einer
geraumen Zeit trat er vor ihn hin und
sprach: »Da Er bei meinem Regimente »
Feldprediger werden will, so muß ich
Jhn auch mit seiner tünstigen Herde!
belannt machen. Das sind lauter räu- s
dige Schafe. sag« ich Ihm, lauter;
Ruder. ;
Hör Er mal. Jch möchte gerne wis- !
sen wie Er mit einem solchen Bruder !
Liederlich umspringen würde, wenns
Jhm der Hauptmann einen solchen;
zuschictte und Jhn bitten ließe, dems
Kerl den Pelz richtig zu waschen
Denke Er, ich wäre so einer, und
stünde jeyt vor Jhm, um mir die Le
viten lesen zu lassen. Mach Er ein-J
mal sein Examen.« i
Götze stellte sich in Positur und
Fürst Leopold saltete die Hände !
sentte das Haupt, schlug die Augen
nieder und nahm die Stellung eines
Menschen ein, der sich einer Schuld
bewußt, in aller Demuth eine Stras
predigt anhört.
Mit fester tlarer Stimme begann
jetzt der junge Geistliche:
»Es ist Euch bekannt, warum Euer
braver Herr Hauptmann Euch zu mir
geschickt hat« Euer Betragen ist eines
tapseren Soldaten unwiirdig. Es
ist eine Sünde vor Gott« eine Schande
siir das Regiment, ein Aergernisz sür
Euren edlen, siegreichen Ches, den
Fürsten Leopold von Dessau. Gebt es
so mit Euch sort, so wäre es schade
siir den Schuß Pulver, der Euch träse;
aber dazu kommt es nicht, denn erst
giebt es einen blutigen Rücken, und
dann werdet Jhr dem Denker überlie
sert, der Euch die Kraoatte enger
tnüpst. Schmach und Schande über
einen Soldaten, der nicht einen ehrli
chen Soldatentod stirbt! Doch es giebt
noch einen anderen Weg. Jhr beset
tirt aus Furcht vor der verdienten
Strafe, und treibt Euch als Bettler
und Landstreicher herum, wenn Jbr
nicht ein Räuber und Spi bube wer
det. Und weil CIhr eidbrii tg gewor
den setd, wird Euer Name in Eurem
Geburtsorte an den Galgen gehangen
zum ewigen Schimpf siir Eure Fami
lie, Euere Betannten und Verwand
ten, Euere Gemeint-X
»Wie aber steht es um die Seelet
Ein Eidbriichiger sährt zur hölle und
ein Dieb, Trunkenbold und Ehebre-.
eher tann das Reich Gottes nicht er
langen. Darum laßt ab von Eurem
Luderleben. Kehret um und höret,
was der Vorläuser Christi, Johannes
der Täufer, zu« den Soldaten spricht:1
»Thuet Niemand Gewalt an, noch Un- j
recht, und lasset Euch genügen an Eu-;
rem Solde.« V i
Als der junge Feldprediger so!
sprach, hatte er seine Stimme erho-.
den und im Tone des strengsten Buß
predigers zu dem armen Sünder mit
großem Nachdruck geredet.
Die Gemahlin des Fürsten Leo
pold war während dieser Rede in das
Gemach nebenan getreten. Mit Er
staunen hörte sie, wie in dem Arbeits
zimmer ihres Gemahls einer dem an
deren so gründlich den Text las.
Sie horchte eine Weile aus die
srernde Stimme, tann aber ihre Neu
gierde schließlich nicht mehr bezährnen
und öffnete leise eine Thür, die in
Jhres Gemahls Arbeitszimmer führt.
Starr vor Erstaunen blieb sie stehen«
Sie sieht einen jungen Geistlichen,
swelcher in heiligem Eifer aus ihren
Gatten einredet, der in der Stellung
eines Bußsertigen die Worte des Pre
digers in aller Demuih hinnimmt.
Eine Unterbrechung mochte sie nicht
? herbeizuführen, und so wartete sie den
: Ausgang ab.
i Endlich schloß der Geistliche mit
l den Worten: »So gebt denn Euer Lu
iderleben aus, gehet hin und bessert
«Euch. Jch will Gott bitten, daß er
Euer Herz erweiche und zum Guten
lenke, Amen!«
Weder der Fürst, noch der junge
Feldprediger hatten die Fürstin gese
hen. Jetzt ries sie: »Aber mein Gott,
Leopold, was soll das bedeuten?«
Der Kandidat siel sast in Ohnmacht
oor Schrecken. Leopold aber sagte
ruhig: »O, nichts, gar nichts-, liebes
Kind. Der junge Mann ist mein
neuer Feldpredigerx der hat eben
sein Erarnen gemacht, und wahrhaftig,
dcr versieht’s.«
Dann wendete er sich an Götze und
sprach: »Er wird die Stelle erhalten
und soll an mir einen treuen Adjutans
ten belommen.«
———-.-—-s--—
Eine ciebesheirath.
Novellette von Alexander En
gel.
Der junge Lebemann schien die
Nacht durchtollt zu haben, denn um
elf Uhr Morgens lag er noch tief in
den Federn. Da meldete der Diener
—- einen Gläubiger. Diesen »Weder«
hatte augenscheinlich der Lebemann
abzustellen vergessen. »Herr Denis ist
dat« schrie der Diener ein wenig ge
fühllos dem Herrn ins Ohr. »Er
möge sich einige Augenblicke gedulden«,
sagte der Lebemann, sich den Schlaf
aus den Augen reibend. Der Tag
grüßte ihn etwas unsanft.
»Denis, Denis, Denis«, trällerte er
dann mit einem Uebermuth, den er
sich einreden wollte, und schritt zum
Spiegel, um seine Krawatte mit einer
gewissen Sorgfalt, die allerdings viel
Zeit erforderte, anzulegen. Der
Uebermuth wich jedoch bei dieser lang
mierigen Manipulation, und als er
in den Rock schlüpfte, hatte er sich be
reits in einen ehrlichen Aerger ver
wandelt, denn Herr Francoid Avenet
rief tlar und deutlich:
»O diese Gläubiger!« Und in Ge
danken drückte er dem ganzen ehren
werthen Stande seine ausführlichste
Verachtung aus.
Nach ein paar Minuten trat Herr
Denis, ein kleines, gutgeniihrteg
Männchen, ein, dem man es aus den
ersten Augenblick ansah, daß es sich
von fetten Prozenten redlich im
Lande ernährte.
»Ah, grüß’ Sie der Himmel«, lag
gut gelaunt Herr Francois Aventi,
»das ist ja reizend, daß Sie sich wieder
einmal sehen lassen. Jch glaube, ich
habe jeßt einen ganzen Monat nicht
das Vergnügen gehabt. Ach ja, heute
ist der Crste...ganz richtig...Sie
sind ja mein Kalender. Sie befinden
sich doch wohl, Herr Deuts, auch die
wer-the Frau Gemahlin und die rei
zenden lleinen Kinder.«
herr Denis dankte für die Authen
nabme, an die er bereits von seinen
allmonatlich wiederkehrenden Gängen
actvohnt war, er ließ sich durch derlei
Gemütblichteiten nicht ablenlen und
isriifentirte ohne jede weitere Bemer:
tung seinen Wechsel.
herr Avenet griff mechanisch in
seine Tasche. Diesen Griff tannte
Herr Denis und er legte ihm teine
Bedeutung bei. »Ah, Sie haben sich
überflüssiger Weise bemüht, eines mei
ner Autogramme mitzubringen Sie
sind also der Ansicht, daß wir es ge
gen ein neues austaufchen?« fragte
der Lebemann mit größter Seelen
ruhe.
»Nichts liegt mir ferner, als diese
Ansicht, mein herr. Jch möchte eno
lich einmal Geld sehen, baares Gelb.
Sie geben zu viel Schriftliches von
sich. Sie verzeihen, aber ich tenne
Jljre Züge schon zu genau «
»Famos, famos, ich ernenne Sie zu
meinem Lieblingsgliiubiger.. ., ja,
ja so ein reisender Mensch, der
überdies o viel gefunden Humor bat,
darf nicht so bald meine Schwelle
iinzlich verlassen Nein, nein, Sie
md mir der Sympathifchste von
allen, Sie müssen noch oft tommen,
Sie sollen der letzte sein, den ich be
zahle«
»Den Avenet, ich dante Jhnen fiir
diese ehrende Bevorzugung, die ich tei
der nicht in ihrem vollen Umfange zu
schätzen weiß —- ich ziehe es vor,
wenn Sie mich mit weniger Sympa
thie und mit mehr Klingendem be
handeln«, wagte Herr Denis zu be
merken.
,,Liicherlich, seien Sie doch nicht
Pkoisifckst Das paßt nicht fiir solche
Leute wie Sie·«
Herr Denis sah nun ein, daß er
eine schärfere Tonart anschlagen
müsse:
»Sie wissen, Herr Avenet, ich ver
ehre Sie, ich halte Sie für einen Cha
rakter, aber ich ilage auch Charaktere
rücksichtlos ein, wenn Sie nicht be
zahlen. Jch bin nun schon müde, ewig
hierher zu laufen. — —- —«
»Ja, ich habe Jhnen doch schon oft
gesagt, daß Sie sich das ersparen
könnten!« warf Herr Avenet mit Gal
genhumvr ein« «
,,Alio im vollsten Ernst«, fuhr der
harte Gläubiger sort,«»heirathen Sie
die blonde Claire und Sie sind aller
Sorgen ledig. Sie ist ein liebes
Mädchen, sie hat sehr viel Gemiiih.
Ach, zucken Sie nicht so frivol mit der
leichten Achsel. Gewiß Sommerspros
sen hat sie auch. Aber jede einzelne
wird mit tausend Frant aufgewogen.
Sie tönnen froh sein, daß sie keinen
reinen Teint hat! Schauen Sie, Herr
Avenet, es nutzt Jhnen doch nichts,
dieses ewige Prolongiren. Hier bietet
sich Jhnen eine brillante Gelegenheit.
Sie werden glücklich werden, ich ga
rantire für dreijährige Treue. Mit
solchen Mädchen wird man glücklich.
Ich weiß, Sie sind gegen eine Konve
nienzehe —- wie alle Leute, die Schul
den haben. Aber die Liebe kommt
später. Sie werden dies leichte Leben
aufgeben. Aus dem losen Schmetter
ling wird ein nützlicher Mensch wer
den, glauben Sie mir. Jch spreche
nicht allein aus Eigennutz. Es liegt
inir daran, daß Sie nicht zu Grunde
« gehen.«
Der ehrliche Ton, in dem die letzten
Werte gesprochen waren, verfehlte
nicht seine Wirkung.
Herr Avenet schien ein wenig er
griffen zu sein« er schüttelte kräftig die
Rechte seines Gläubigers und tagte
mit fester Stimme:
»Gut, ich heirathe die blonde
Claire.«
,,Sehen Sie, so gefallen Sie mir.
Das ist Jhr erster Schritt zur Besse
rung. Jch bin nun unbesorgt wegen
hrer Zukunft; alles andere lassen
c-ie meine Sache sein!« sprach Herrz
Denis, hocherfreut über die Wirtungj
seiner Rede, und mit einem raschen
»Leben Sie wohl, auf Wiedersehen«,
entfernte er sich aus dem Salon.
Franrois ging gemächlich an seinen
Rauchtisch, zündete sich eine Cigarrette
an und mit einer gewissen Sentimen
talität, die ihm sehr wohl that.
träumte er die Gestalt Claireg in die
blauen Rauchwolten hinein.
»Nei, es wird schon gehen!« sprach
er leise, zog den Ueberzieher an und
verließ das Zimmer.
it III I
Die Hochzeit soll bereits einen Mo
nat später stattfinden. Herr Denis
liebte die kurzen Fristen. Herr Fran
cois Avenet «efiel der Familie wegen
feiner angene men Alliiren und seines
liebenswürdig selbstbewußten Auftre
tens. Der junge Lebemann aber zit
terte seiner ernsten Zukunft mit Ban
gen entgegen. Er ——- ein EhegatteL
·»ie Symbole dek- Standes, Pantof
ieln in allen Formen und Farben um
gauielten ihn in seinen Träumen.
Abschied nehmen von der tollen
Freiheit, von den goldenen Narrhei
ten der Jugend! Eingesperrt werben
in einen Käfig! Und wenn der Käfig
noch so glänzend ist, ein Käfig bleibt
es ja doch! An dieses Wort schien er
sich zu tlammern... Er tonnte fich
gar nicht beruhigen. Seine ganze bis
herige Lebensweise spottete der Ehe.
Und Claire? Er kannte sie noch zu
wenig. Er wußte nicht, wie es karn,
aber er hatte ihr noch kein zärtlicheg
Wort gesagt. Nein, liigen tonnte er
nicht. Die anderen, die stotterten Un
bekiimrnert den Bräuten, Die ihre;
Giäubiger erwählt hatten, herzliche
Worte ins Ohr. Er vermochte das
nicht. Sonst nahm er ja alles auf die
leichte Achsel, aber diesem lieben,"
schüchternen Wesen gegenüber ver-;
schwand seine Ueberlegenheit, seine:
btqsikte Akt. H
«- sp s
ES war der Vorabend der Hochzeit.
Francois saß mit seinen besten
Freunden im Club Sie feierten den
Abgang des fröhlichen Kameraden.
Ein lustiges Abschiedgsest. Die gut
gelaunten Junggesellen sparten nicht
mit schlechten Scherzen und fröhlichen
Netrologen. Ein Toast folgte dem an
dern. Bei Champaqner wurde des
Freundes Freiheit lustig beqraben
Dann, zum Schluß setzte man sich an
den Spieltisch, Irancois war über
miithig, er lachte und scherzte, wie am
leßten Abend seines Leichtsinns. Denn
heute empfahl er sich von der Freiheit,
er sagte ihr ein dumpfes, langgedehn
tes Adieu... Heute wollte er also
noch den Becher bis auf die bekannte
Neige leeren. Er renommirte mit sei-:
nen Liebesabenteuerm jest gestand er
manches-, was er den Freunden früher
stets verheimlicht. Mein Gott, wenn
man in eine andere Welt abgeht!
Rein, dorthin wollte er diese tollen
Geheimnisse gar nicht mitnehmen.
Wozu? Dort konnten sie ihn mit ih
rer lockenden, herrlichen Sprache nur
stören.
Und er spielte unbekümmert daran
los. Zuerst gewann er. Dadurch ge
reizt, wurde er immer kühner-. Er
verdoppelte seine Einsähe, er 'he
rauschte sich an seiner eigenen Kühn
heit. Und als der Morgen in das
Clubzimmer dämmerte, hatte Tran
cois Avenet die ganze Mitgift einer
Braut verloren.
Mit leerer Tasche und mit milden.
Sinnen schwankte er aus dem Spiel
saal. Der graue Morgen legte sich
aus seinen Jammer-»
III If «
Er stand nun dort am Altar und»
hörte die milden Worte des Priesters-i
Jetzt erst sah er seine Braut genaueri
an. Jetzt erst· . . Jn all dem Trubels
hatte er daran vergessen und dann»
schämte er sich auch immer so surchtJ
bar vor den —- Zåfssern Ein Blicks
aus ihren blauen Augen, und eri
mußte an seine Schulden denken. s
Wi-: engelhaft sie drein sah. Wiei
viel Güte strahlte aus diesen Augen;
Er hätte sie sogleich an seine Brustl
ziehen und küssen mögen, so zärtlich,;
so leidenschaftlich, denn er hatte ihr ja?
so viel abzubitten, so viel.... Seins
ganzes bish«riges Leben. WarumT
war sie nicht früher sein Schicksal ge-,
worden? s
Dieses zarte, liebe Kind, das ihm»
ein Vertrauen entgegengebracht, dessen?
er nicht würdig war ——- verdiente er
gar nicht.
Und er konnte es gar nicht fassen,
daß dieser Engel seine Gefährtin sein
sollte fürs fernere Leben. Während
oben die milden Worte klangen, dachte
er nur an seinen Leichtsinn und an
seine Schulden...
Und er vergaß sein Unglück von ge
stern, er sprach sein »Ja« so fest, so
ruhig und er wird srohgemuth ins
neue Leben schreiten, ins neue Glück.
»Ja, ja, ja!« Er schrie dieses »Ja«
fast hinaus. Das Mädchen an seiner
Seite --— das ist nun sein Leben...
Und wenn er es recht bedachte, hatte
er sie jetzt, nach dem Verluste der Mit
gift — aus Liebe geheirathet!
I
Recheutünstler.
Ueber berühmteRechenkünstler plan
-dert Mario Chio in der »Gazetta del
Popolo«. Er erwähnt zuerst die leb
haften Diskussionen, die gegenwärtig
in der italienischen Presse über Spiri
tismus, Su gestion und übernormale
psychische Fähigkeiten geführt werden«
und spricht dann die Ansicht aus, daß
auch die staunenerregenden Produktio
nen der Rechentünstler nicht auf der
Basis der gewöhnlichen Kenntnisse er
klärt werden lönnenz haben doch meh
rere der berühmtesten Rechner erzählt,
daß die lomplizirtesten rechnerischen
Operationen sich in ihrem Hirn fast
mechanisch und ohne jede Anstrengung
und Ermüdung vollzögen. »Die Zah
len«, sagte der berühmte Zaniboni,
,,kommen mir von selbst auf die Lip
pen; unaufhörlich muß ich sie hersa
gen, sie hin- und herschieben und die
Reihen ordnen, und dieseOperationen
vollziehen sich, ohne daß mein Geist
etwas davon weiß....« Bidder
schrieb: »So oft ich von den Reserven
meines Geistes Gebrauch machen muß,
finde ich das, was ich will, mit Blitzes
schnelle« Er sand, ohne die Feder in
rie Hand zu nehmen, den Logarith
mus einer Zahl bis zur siebenten und
achten Ziffer; mit wunderbarer Ge
schicklichkeit fand er ferner sozusagen
mit einem Schlage alle Faktoren, die
irgend eine hohe Zahl theilen. Das
rechnerische Phänomen ist eine beson
dere Abart von Genialität, die manch
mal von einer proportionalen Ent
wickelung der anderen Geistesgaben
begleitet ist ------ Gauß und Ainpere
können hier gewiß als Beispiele die
nen —«—— in den meisten Fällen aber die
einzige Hirnthätigteit des rechnerisch
begabten Subjelts darstellt. Dr.
Howe erzählt von einem Jdioten, der
taum sprechen konnte, der aber fast
augmblicklich die Zahl der Minuten,
die eine beliebige Person gelebt hatte,
berechnete. Der Neger Tom Full-er,
der weder lesen noch schreiben konnte,
machte ähnliche Berechnungen in einer
Minute. Analphabet war auch der
berühmte Rechner Mon«deur, der die
ganze Gelehrtenwelt durch die Ge
schwindigkeit, mit welcher er die
schwierigsten Rechenaufgaben löste, in
Erstaunen setzte; dieser selbe Mann
hatte im Uebrigen ein so schwaches
Gedächtniß, daß er einen Namen nicht
fünf Minuten lang behalten konnte.
Es ist ferner zu bemerken, daß sich die
Rechensiihigkeit sehr stiih einstellt:
Jnaudi rechnete schon mit 6 Jahren,
Zaniboni mit 12, Diamandi mit 16.
Am merkwürdigsten aber ist dieThat
fache, daß das Phänomen fast immer
vorübergehend ist, d. h. daß es ebenso
plötzlich, wie es gekommen ist, auch
wieder verschwindet. Der Erzbischof
Wately erzählt, daß er im Alter von
jiinf Jahren eines schönen Morgens»
als Rechentünstlcr aufgewacht sei; als
r aber acht Jahre alt war, war von
seiner Rechentunft keine Spur mehr
vorhanden
Wie ein Vogeri.
Arzt: »Also der Appetit will sich
kæi unserem Patienten immer noch
nicht recht bessern?«
Frau: »Nein, Herr Doktor-, ich sag’»
Ihm, wie a Vogerl ißt er jetzt, mein
Mann;——wenn er drei paar Weiß
ivitrstel zum Frühstück ’gessen hat,
dann tann er schon nimmer!«
Bescheiden.
Freund: »Sie haben fünsTöchter.
Haben Sie sich nie einen Sohn ge
wünscht?«
Mutter: »Okt, selbst wenn es nuri
ein Schwiegersohn wäre.« t
Atem-um
s Geci (einer Dame begegnend): »Sie
lacht!.. . wenn ich jetzt nur wiißtk
lacht sie mich an — oder lacht sie
mich aus!?«
Viel aus einmal.
Gast (zur Kellnerin): ,,Siiße Anna,
machen Sie kein so saures Gesicht-—
bringen Sie mir lieber einen Bit
tern.«
Kritik
Fachimeisten »Was ist Jhr Be
tu «
Rekrut: »Schauspieler, HerrWachts
meister.«
Wachimeisier: »Na, da wiros wohk
nicht weit her sein mit der Kunst, Sie
können ja noch nich mal een jeroöhns
lichen Soldaten darstellen. «
Ach so!
»Es muß anerkannt werden, daß«
Sie sich bei der Rettung des beinahe
Ertruntenen ganz besonders hervor
gethan haben.«
»Na ja — ich habe von dem Betref
fenden noch hundert Mark zu bekom
men.«
Der Sausen-ind.
Sie: ,,Geld allein scheint mitzu
sprechen.« «
Er: »So? Das einzige, was Geld
zu mir sagt, ist: Adieu!«
Oekonomiich
Professor idas Zimmer eines Stu
denten besichtigend): »Es- ist schrecklich
tialt hier! Wie können Sie nur hier«
leben?«
Student: »Ach, Herr Professor, ich·A
brauche nur an das Exarnen zu den
ken, so schwitze ich!« -
Gerechte Entrüstung· .
Lehrjunge (zur Meisterin, welche
ihm nur immer Kartoffeln zum Mit
tagessen gibt): »Meestern, Sie jloobeu
woll det der Columbus die Kartof
fel bloß deshalb erfunden hat, damit
Sie mir damit doifuttern sollen?'«
Reservirung. .
Baron (zu seinem ·Bedienten):
«Paß auf, daß heut’ bei der Gesell
schaft nicht so viel von den theurenz
Zigarren hier fortkommen — verstan-’
den?«
Diener: ,,Jawohl, verstehe, Herr
Baron! Die wollen wir mehr für uns
reserviren!« ,
Feine Austedr. «
Vater ider seinen Sohn unange
meldet besuchi): »Saa’ mal, Max,
wo hast Du denn eigentlich Deine
goldene Uijr und Kette?«
Sohn: »Ach weißt Du,1iapa, in
Dei aewitierschwiilen Heit fürchte ich
immer daß rer Blitz vom Metall zu
schr aimeioaen wird, da habe ich sie
an einem fid;: ren Ori zur Aufbewah
runa gegeben!«
Auch cin Kapital.
»Wie jeht’5 Dein’n Bruder, Ede?«
,,Jut. Der hat neilich ’n Joldwaa
renjeschäft uffjeniacht.«
»Nami! Wo hat’r denn die Mittel
MrLLT
»Von mir.«
,,Wat hast’n denn jejeben?«
Schlau.
Gatte: »Was wohl unser-e neuen
Nachbarn für Leute sind? Jch sah sie
heute Morgen ziehen.«
Gattin: »Na, viel Sachen haben sie
nicht. Sie haben keine Wafchmaschine,
keinen Teppichreiniger, keine Leiter,
reine . .
Gatte: «Wok,er weißt Du denn das
Alles-LE«
i Gattin: »Ich habe sie gebeten, mit
I diese Gegenstände zu leihen.«
Modern.
l Dame (die sich als Sängerin aus
L bilden mill): »Jetzt mache ich ein pack
Monate als Varietesängerin mit...
l und was mir das trägt, dafür nebs
ich dann Gesangsuntetticht!«