Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 12, 1907, Sweiter Theil., Image 5

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    Nebraska
Staats-Anzeiger
« »und
cherold
Jahrgang 27.
Grund Island, Nebr» I2. Juli 1907. (.·3wciter ThciU
Nummer 46.
Verzage nicht
Verzge nicht,
Wenn hatt und schwer
Das Schicksal die den Lebensodem
raubt,
Du flehst: »O Gott, halt’ ein, ich
trag’s nicht mehr.«
Sei still! Gott stärkt das wunde Herz,
« das glaubt. «
Berzage nicht,
Und ob auch Schatten dicht umhüllen
Den Weg. der einst voll Sonnenlicht.
Ring’ dich empor! Vertrau’ des Höch
sten Willen!
Er führt durch Nacht zum Licht.
Drum zage nicht!
M. Neumatl.
—.s.s-s
Sonnen-Ende
Slizze aus dem Volksleben von E l se
K r a f f t
Mutter Christine ging ganz vor
sichtig. Jn der einen Hand trug sie
den Korb, in dein leise die Schüsseln
gegeneinander klirrten, und mit der
anderen hielt sie die große Weißt-iet
flasche gegen die Brust gepreßt, in dke
sie den Kassee hineingefiillL
Die alten milden Füße« erlaubten
keinen weiten Weg mehr zur Arbeits
stätte ihres Mannes. Und der Som
mer war heiß, und die Straßen vor
den Thoren Berlins ftaubig und
Mattenle
Vater Jentsch tvar der älteste un
, ter den Arbeitern der neuerbauten
Straße. Er pfiff nicht und sang auch
nicht mehr bei der Arbeit wie die an
deren. Auch blickten seine Augen nicht
sosost in den blauen, lachenden Him
mel oder aus fröhliche, vorüberwan
dernde Menschenkinder, die gedanken
los in des Lebens goldener Fülle die
nagen Felder durchstreisten.
Heute aber schlich die Zeit doch« gar
zu langsam. Nackt Sonnenböhe hätte
es um den Alten längst Mittag sein
müssen.
Jmtner wieder lösten sich die Hände
von dem Arbeitswerkzeug und stri
chen die nassen, spärlichen Haare unter
die Miitzr. Und schon das dritte-nat
hatte Vater Jentsch den gebeugten
Oderiörper gerade zu machen versucht,
um besser nach der alten Frau aus
schauen zu können. die ihm seit fünf
zig Jahren in immer gleichbleibender
stiller Pflichterfüllung das Mittags
mahl an seinen Arbeitsplatz brachte.
Als Mutter Christine am Wiesen
graben neben der neugepslasterten
Straße austauchte, verkündete auch
schon ein Psiss am Wärteehäuöchen
der Chaussee den Beginn der Mittag
stunde
Baker stillsch, M Dcllcll Vltmlcrqc
noch gerade zwei Quadrate der Fül
lung bedurften, um in glatter Linie
am Straßenrande abzuschließen, griff
plötzlich noch einmal nach dem Dam
mer und begann sein Klopfen.
Erstaunt, lachend sahen die anderen
von ihren Ruheplätzen zu ihm herüber.
,,’s doch en dummes Luder, der alte
Jentich," meinte ein junger-, tecker
Bursche, indem er behaglich die
Schnnpssiasche an die Lippen führte.
Mutter Christine, die ihren Korb
abseits von den anderen unter einen
hohen. otten Knstcmienbaum gesetzt
hatte, ging langsam aus den gebeugten
Mann zu.
»F is Mittag, Vatert«
Er blickte nicht eher aus, als bis
die Steinreibe vollendet. Und als sie
sein braunrothes, bageres Antlitz sah,
auf dem die Furchen des Alters mit
dunklen Spuren gezeichnet waren,
wischte sie mit der srischgewaschenen,
tiiblen Schürze leise darüber hin.
»Karbonade hab’ ich heut jemacht,
Vater, un unsre ersten Mobrriiben
aus ’n Jarten.«
Er atbntete schwer. Doch ging er
mit hocherbobenem Kopf.
»Js Sonnenwend’ heutei'« fragte er
nach einer ganzen Pause.
c Sie nieste eifrig. » Neben ibm im
Schatten des Kastanienbaumes tauerte
sie nieder und leerte den Korb.
»haste jedacht an den vierund
zwanzigsten, Vater?«
Da sah er sie an. Unter dem wei
seen Scheitel schimmerte es noch ebenso
blau wie vor fünfzig Jahren, als ihn
die Augen der jungen Frau voller
Tbränen anlachten
Am Hochzeitstage zur Sonnen
wendet Damals in den heimatblichen
Bergen, im Schlesierlond, da wußte
man noch von diesem Zauber, der um
Jobnnkii über die Menschentinder
karn, nnd der nun in der Fremde,
beim Lärm der Großstadt wie ein
plötzticher. wunderbar-er Traum die
alten Sinne beschlich.
»Hafte jedacht an den oierundzwan
zigften, Vater?«
Der alte Mann lächelte.
Vor fünfzig Jahren hatte ihm fein
blonder Schatz wie ein müder Vogel
im Arm gelegen. »Bist mer wirklich
gut, Willem?« — —
Spiiterhin vergaß fie die Frage.
Er hätte auch kaum eine Antwort
darauf gefunden. Jn Kampf und
Sorge um’s tägliche Brot ga ’s nicht
viel Zeit für unnütze Worte
Ein ftummer Blick am Schmerzens
lager der Wöchnerin, ein Händedruck
an den kleinen Gräbern, die sich in
so schrecklicher Anzahl mehrten, und
dann ein kurzes, erleichtertes Aufath
men, als der letzte, der einzige im
schwarzen Rock vor feinem Gott die
Kniee beugte. An jenem Tage hatte
Vater Jentfch der kleinen, fassungs
lofen Frau wie einem Kinde die
Wangen gefireichelt. Und der Sohn
hatte die jungen Arme in brausender
Lebenskraft dem Vater hingehalten.
»Na hol’ ich mir die ganze Welt,
Vater!«
Und er war ausgezogen und war
wiedergetommen, und er hatte ge
arbeitet, gedarbt und gehungert, und
immer tiefer waren die jungen Schul
tern herabgesunten. Doch immer fester
hielten der Eltern Hände über feinem
Haupte zufammen.
Eine Schwiegertochter kam i« das
JOHN-D neues Leden umschwirrte die
Gesicht.
ZLUIIL ulIU clcuk Vlsfc U kcqlicll IIII
Bis es wieder still wurde und
Sohn, Tochter und Enteiitnder ihre
eigenen Wege gingen. Die beiden
Alten lonnten ja nicht mehr Schritt
halten mit den Jungen. Und immer
wieder lockte der Kampf um’s tägliche
Brod die niiiden Füße auf andere
Wege, unter andere Menschen undin
neue, fremde Sitten hinein.
Bis-die Alten dicht vor der Groß
stadt rasteten, bis sie wieder ein Stück
chen hatten, ein Gärtchen daran mit
Stahl und Rüben, und auch Reseden
vor dem Fenster, wie sie damals in
der Heimath blühten.
Vater Jentsch bielt plötzlich im Es
Leen inne und schob die Schüssel auf
« n Schoofz der Frau. »Da-—- eß,
Mutter.« «
Sie schüttelte den Kopf. Schon eine
ganze Weile hatte sie die Hand in den
Rockfalten und hiett lrampfhaft ein
Papier in ou Tasche umspannt.
»Wilbel:n bat geschrieben« sagte sie
ganz leise.
Er rührte sich nicht. Nur seine
Augen, die f on halb zugefallen wa
ren, öffneten ich wieder.
Da er keine Antwort gab, zog sie
das Schreiben hervor, lächelte und
wischte sich dabei die Thränen vom
»i. -.s.» t-.-—1- -t-«. »Ist
7 UL tuuulk user-, tust-u- uvu neu-h
Da nahm sie ihm den Briej wieder
aus der Hand, glättete das zertnitterte
Papier und setzte sich die Brille auf
Unwillliirlich faltete er die Hände,
als sie las. Es was-« ein mühsame-Z
Wert, fo ein Wort richtig an das an
dere zu setzen, aber es ging doch.
»Liebe Aelternl Mich fällt ein, das
ihr die Goldene habt zu Johanni. Wir
hatten lange gespart, und wollen alle
tiiberlommen zu den Tag, liebe Aet
tern. Aber was die Anna is, die is
immer trank gewesen. Und gestern is
ein tleiner Junge angekommen. Und
Mutter is hingemacht nach mein
Schwiegerfohn und unfe Tochter. Da
rum fahre ich mit Paule erft heute ab,
liebe Aeltern· Er hat ausgelernt ge
habt borichtes Monat. Alle grüsen und
alle sind gefund. Nun habt ihr ein
Urenlel, und ich bin fehr froh, euch
wiederzusehen. Am Abend von eure
Goldene sind wir da, ich unt-Baute
Euer lieber Sohn Wilhelm.«
Die alte Frau lief- den Brief sinlen
undsah auf den gebeugten Kopf neden
fich. Die Mütze lag im Grafe, und
die weißen Haarfträhnen llebten ein-—
zeln an der Stirn des alten Mannes.
Lautlos bewegte er die Lippen, und
verfolgte mit halb-geschlossenen Augen
ein paar tanzende Schmetterlinge über
den Gräsern.
Da griffen ein paar zitterndehiinde
nach den feinen. »Urgroßvater!« —- —
lir nieste. Ein paar große Thränen
rannen über das braune faltiae Ge
sicht. Von den Schmetterlingen fah
er liber das flammende Feld, über
dem hoch. ganz hoch die Juniionne
stand. Und Dliitzlich richtete er den
gebeugten Körper empor, und tastete
langsam und zärtlich an den welken
Armen herum, die ihm die alte Frau
hingestreckt
»Siehft du's Sonnenwendfeuer?
Ja, Tink, siehst du’s?«
Zie schüttelte den Kopf und ver
folgte feineBliae, die mit linderhaft
gliictlichem Ausdruck an dem glühen
den Himmel hingen. Etwas Wunder-,
Wunderfchönes mußten sie dort sehen.
Ja wirklich, sie fah es auch. Das
flache Feld, die Steine der Chaussee
und die ruhenden Arbeiter da drüben
,- -...»-»
am Wege verschwanden vor ihren
Blicken; und neuen sich fühlte sie einen
jungen, starken Arm, der nach ihren
blonden, wehenden Zöpsen griff.»
Die Zohannisfeuer ilammten wie
der aus, die großen, zitternden Glu
then des Hochzeitsabenos vor fünfzig
Jahren. Im heimathlichen Dorfe
tanzten die Burschen mit ihren Mäd
chen um die prasselnden Holzscheite,
und der hellste, der prachtvollsteJauche
zer galt dem Brautpaar, das üver die
Felder in die leuchtende Juninachi
hineingelaufen war.
Mutter Christine lächelte ver
träutnt. Vorsichtig stand sie aus und
räumie die Schusseln in den Korb.
Heute noch würde sie den Wilhelm
sehen, und den großen Enkel. Und
irgendwo in der Ferne gab es noch ein
Menschenkind, ein kleines, winziges
Urenlelchen, das ihr auch gehörte.
Und ganz srüh Feierabend mußte
er heute machen, der Vater. Das ge
höriesichso, wenn die Kinder kamen.
Andächtig legte Mutter Ehristine
den Brief zusammen und trat hinter
den alten Mann.
Kehrst früh heim heute, Vater?«
ser niste, nickie wieder und griff
mit der Hand nach der eutblößten
Brust, die sich aus dem blauen, geöff
neten Arbeitsheind Iunlelbraun her
vorhab.
»Unser Wilhelm, Mutiee... unser
Junge kommt wieder,« sagte er ge
heininißvoll lächelnd
Am Wärtethäuschen Der Straße
riihrten sich- bereits die Arbeiter und
erhob-en sich schlaftrunten von ihren
Ruhepiätzen. .
Gleich würde die Mittagsstunde
erneuter Arbeit weichen
Vater Jentsch blieb still im Grase
sitzen. Er lehnte sogar den Körper
noch fester gegen die alte Frau, die
hinter ihm stand.
,,Jn niein’ Bett soll er schlafen
der Willernt Haste gehört, Mutter««
Sie hielt seinen Kon mit beiden
Händen fest. Jsminer schwerer nestelie
er sich in ihre Finger ein.
Ein langgezogener Psiss ertönte,
und an Ven Steinen begannenwieder
die ersten Hammerschliigr.
Frau Christine tlopste gegen die
zusammengesunlenen Schultern.
»Vater! Hörste nich, Vater?«
Er schüttelte mit wirrem Lächeln
den Kopf. »Meine Straße is all ser
tig. Mutterchen!«
«Die Sonne stand bereits etwas tie:
for und streifte den Schatten unter dem
Kastanienbaum mit röthltch zitternden
Ltchtem
Da griff Vater Jentsch noch einmal
nach der Brust. Sein Kopf sank schwer
herab, und Mutter Christine mußte
niedertnieeen, sonst wäre sie hinge
fallen. .
Ein Schrei stieg aus ihrer Kehle
empor, ein kurzer, banger Rus, der den
Mann aus seiner Lethargie auftür
teln sollte.
- .-- «»« is si
Ader Baker Herrlich Horte um mai-.
Die anderen Arbeiter. die den Ruf
vernommen hatten, kamen herbeige«
laufen, und einer rüttelte den stillen
Kameraden lachend am Arm.
,,Denist woll, : is schon Feier
abend, oller Mann?«
Doch schon war er zurückgewichen
nnd riß unwilltiirlich die Mütze vom
siebt.
»Der is ja dot, Mutter Jentsch
nzausedot ——— merkt ihr das denn
nick» Menschenkinder?« .
Ja, jetzt sehen es die anderen auch.
Scheu und stumm blickten sie von dem
stillen Mann nach der Frau.
Sie weinte nicht und schrie auch
nicht mehr anf. Nur die Lippen preßte
sie plötzlich aus die noch warme Brust
des Todten. Gerade aus die Stelle,
wo ihr fünfzig Jahre ein Leben voller
Liebe und Treue entgegenströmt.
Nun konnte sie aber das tattmäßiae
Schlaaen nicht mehr hören... nun
war es still, ganz still geworden.
Und doch sagte sie plötzlich aani
laut und deutlich, gerade so, als ob
Vater Jentsch es noch hören könnte:
»Ich dani« dir ooch, Willem, s—ich —
dank dir —- ooch.. .«
Und als die Männer ibn empor
boben und der jüngste, der tröstiaste
rie Hände nach dem weißen Haupt
ausstrectie, stieß Mutter Christine ibn
zurück.
Vorsichtig breitete sie die Schürze
über das stille Gesicht und drückte den
verhüllten Kopf zärtlich gegen ihren
Körper, als sie ihn heimtrugen.
Hof-—
Kindliche Kritik.
Herr Müller hat sicls zum xweiien
Male derniäblt, und zwar mit einer
wohlhabenden, jedoch schon start ange
sahrten Dame.
»Hier, Lieschen,« sagt er zu seinem
Töchterchen, ,,da hast Du eine neue
Mama!«
Die Kleine wirst einen prüfenden
Blick aus die Betreffende, dann tust
sie in empörtem Tone aus: »Aber,
Papa, die nennst Du neu?«
Die Blumen des Dauphin.
Ludwig XX lI. von Frankreich, der
schöne, liebenswürdige, reichbegabte
und später so unglückliche Sohn Lud
wigs xH., hatte, noch ein kleiner
Knabe, bemerkt, daß seine geliebte
Mutter, die Königin MarieAntoinette,
gr ofze Freude an
Fortan Hvar es an jed« Ists .
Hündchens Mouslet in den Gärten von
Verszilles umherzustreisen und Sträu
ße zu binden, die er aus den Toiletten
tiich der Königin legte, noch bevor die
se ausgestanden war. Jeden Tag brach
te er frische Blumen, und an jedem Ta
ge konnte die Mutter sehen, daß die
eriteThäkigkeit ihres Kinde-, wie fein
erstes Gebet, ihr gegolten habe· Wenn
schlechtes Wetter den Spaziergang und
mit ihm die Biuinenernte verhinderte,
sagte der Prinz betrübt: »Heute bin ich
nicht zufrieden mit mir, denn ich habe
den Fiuß nicht verdient, den die Maine
niir .ek:en wird «
Ell-; die tönigliche Familie von dem
eriien Sturmesrauschen der Revol lu
tion gezwungen, Bersailles mit Paris
vertzuicht hatte wies der Kdnig sei
nein tkeinen Sohne, um dessen Vor
liebe iin die Blumen zu heben und zu
gleich die körperliche Entwickiung des
Knaben zu kräftigen, ein eigenes Ge
biet auf der Terrasie der Tuilerien an,
cui-s schenkte er ihm Rechen, Schaufeln
und Die sonst erforderlichen Geräth
i sitt-sten. Fortan verbrachte der Prinz
alle freie Zeit in seinem Gärtchen und
bestand daraus, es gan; allein zu be
wirbtscknsten
»Mein Vater hat es mir gegeben,
damit ich dafür sorgen soll,« sagte er
einst. »Aber ich bin nur der Verwal
ter,« sügte er nach einer kurzen Pause
hängst »e1lles, was darin wächst, gehört
MSTNIF
Ei nie Unkescbreibliche Freude ge
währte eå dem kleinen Gärtner, die
Blumen und Sträucher, die er selbst
begossen hatte, gedeihen zu sehen: seine
täglichen Morgenstriiuße erschienens
ihm viel schöner seit er sie m seinem »
eigenen kleinen Gebiete sammelte. Ein
Herr vom Hose, der ihn eines Tages
mit solchean ser graben sah dJß ihm
der Schweiß von der Stirne rieselte,
bat ihn, sich nicht zu ermüden, da es
ibn ja nur ein Wort koste, die Arbeit
durch einen Gärtner besorgt zu sehen.
»Das ist wohl möglich,« antwortete
das Kind, »aber ich muss und will die
Blumen selbst zum Wachfen bringen,
weil sie meiner Marna sonst nicht so
gut gesallen.«
Eines Tages ries der König den
Dauphin zu sich und sagte: »Du weißt,
Ludwig Karl, daß morgen ein großer
Tag ist, der Namenstag deiner Mut
ter; du wirst dazu einen besonders
schönen Strauß binden müssen, und ich
wünsche außerdem, daß du selbst-dir
oeu Glückwunsch ausdenkst, mit dem
p
ZU sclll WcsMclll UUcccclUlsl.
»Vater,« versetzte das Kind. »ich ha
be in meinem Garten eine schöne Im
mortelle, sie soll mein Geschenk und zu
qleich mein Gliickwunsch sein. Indem
ich sie überreiche werde ich sagen: »Ich
:-:iinsche, daß Mama immer meiner
Viume gleicke.«
Nur wenige Jahre später — und
das liebliche Kind hatte das Schloß
der Tuikerien mit dem Gefängniß des
Templemertauschtt Durch die grausa
me Behandlung des Schuster-s Simon,
seines von den Revolutionssührern be
iiellten ,,Eriieher-:s«, at Geist und Leib
schweben seiner Eltern durch ein un
knsrechtes Urtheil beraubt, von seiner
Schwester und seiner enqelalerchen
Tante Elisabeth getrennt, wie ein wil:
des Their im ennen, kalten Gemache
.1bgesper.st, ohne Licht beiN«1cl1t,. allen
Qualen der Einsamkeik preisgegeben:
so erreate der Junge Capet« endlich
ins Mitleid seines Hüters Laurent,
der über seinen politischen Anschauun
gen als heißblijtiger Revublikaner die
rein menschlichen Gefühle nicht verlo
ren hatte. Diesem aelang es, von den
Munizipalbeamten, die ins Teniple die
Oberaussicht führten, nutunter die Er
laubniß eu erwiesen. das-, er das Kind
auf die Zinne des Thurmes bringen
durfte: er machte qeltend. daß frische
Lust für dessen Gesundheit drinaeiid
nothwendig sei. Mit tvehiniithigem:
Ausdruck hasteten die Augen Des ileiss
nen Gesanqenen an dem lang entbehr- .
ten Anblick des blauen Himmels und
des Sonne-liebtes, an dem Gestatten
der kleinen Vögel, die oben im Thurm
aisteten und zwitscherien.
Eines Tages aber. als Laurent wie
der mit seinem Gefangenen aus der
Plattsorm desThurmes stand,suchten
die Blicke des Kindes nicht, wie ne
tvöhnlich, den Himmel, sondern viel
mehr den Boden. Laurent und der
diensthabende Munizipalbeamte wuß
ten anfangs nicht, was das bedeutete,
bis sie bemerkten, datß es die spärlichen
und verkümmerten Blumen in den
Mauerspalten waren, welche die Anf
merksamteit des Prinzen erregten. Mit
sorgfamer Hand sammelte er sie und
suchte einen kleinen Strauß zu bilden,
eine schwierige Aufgabe, denn ihre
Stengel waren nur kurz und schwach.
Blumen, die Freude seiner frohen
KindertageI Jn en Gärten von Ver
sailles, in dem Gärtchen der Tuilerien,
hatten sie ihn in reichemMaße beglückt;
jetzt mußte er sich mit diesen kümmer
lichen Reiten auf der Zinne eines Ge
fängntsscs begnügen! Als der Augen
blick des Herabsteigens kam, trug er
seinen Schatz sorgfältig mit sich fort;
je mehr er sich aber einer bestimmten
Thürnäherte, umso langsamer wurde
fein Schritt und umso eifriger war er
bestrebt, mit der geringen Körperkraft,
die ihm in feinem Siechthum geblieben
war, auch den Schritt seines Beglei
ters zu hemmen und ihn vor dem Ein
gang des dritten Stockwerkes zum völ
ligen Stillstand zu bringen.
»Du irrst dich in der Thür, Char
Ies!« rief der Beamte, »der hinter ihm
.-g«mg.
»Nein, ich irre mich nicht,« versetzte
der Knabe leise, indem er sich schwer
nxiirhig r-. sinnend zu seinem tieferge
legenen Stockwerte zurückführen ließ.
Die Blumen aber hatte er nicht in seine
Einsamkeit mitgenommen: sie lagen
auf der Schwelle jener Thür, hinter
welcher der Sohn seine heißgeliebte
Mutter vermuthete. Die aber war da
mals bereits ins bessere Jenseits ein-»
cicZD Tell. ch gcoclllk Ocl lllTsl Uck
duftenden Sträuße, die ein blühender,
forgloser Knabe m den Gästen der Kö
nigsschlösser von Versailles und Paris
rfliickte, um sie der Königin, seiner
Mutter, vor ihrem Erwachen auf den
Toiiettentisch zu legen?
Der mitleidige Laurent mußte sei
nen Posten ausgeben. weil ihn der Tod
seinerMutter in die Heimath rief. Der
neue Wärter, Gomin, fühlte sich so tief
ergriffen von den Leiden des königli
cben Kindes-, daß er gern seinen Posten
ausgegeben hätte: aber er mußte stand
ha! ten, denn er war von den Machtha
bern einfach ernannt und eine Meige
rung hätte für ihn Aechtung, vielleicht
den Tod bedeutet. Nun suchte er die
Leiden des kleinen Gefangenen nach
Kräften zu mildern.
Einmal erhielt er von einem wohl
toollenden Kommissär die Erlaubniß,
dem Kinde, das die Blumen stets so
sehr geliebt hatte, vier Topsgewächse,
sie in vellerBliithe standen, in fein
Thurmgemach zu tragen. Ihr Anblick
ijbie eine geradezu magische Wirkung
aus den Prinzen aus-: seine Züge ver
klärten sich, dann ließ er— plötzlich seine
Thränen fließen. Er hatte feineLiebs
linge ja so lange entbehren müssen!
Nun sog er begierig ihren Duft ein,
wandte kein Auge von ihnen ab und
prüsie sorgfältig jede einzelne Blume,
bis er sich endlich entschloß, eine davon
zu pflücken die er mit einem unsäglich
stehenden Blick auf Gomin schweiaend
in der Hand hielt. Der Gedanke an
dieMutter, der er früher mancheBlüthe
gebracht, lag unverkennbar in den tie
fen, ausdrucksvollen Augen. Etliche
Monate später, und diese Augen soll
ten fickt fiir immer schließen, diese Au
gen, von denen es irgendwo heißt:
Schwer wäre es, die engelgleiche
Schönheit der großen blauen, von lan-—
gen dunklen Wimpern beschatteten und
Von gewölbten Brauen gehobenen Au
gen zu beschreiben.« Ludwig XVll.,
»der König ohne Krone und Zepter«,
folgte seiner Mutter. Wie eine Blume,
die, vorzeitig von der Siebel des Mä
hers durchschnitten, welkend das Köpf
chen neigt, starb der liebliche, unglück
liche Knabe am Nachmittag des 8. Ju
ni 1795, kurz nach zwei Uhr, in den
Armen seines mitfiihlenden Wärters
Stephan Las-ne Er war nur zehn
Jahre alt geworden, von denen er zwei
in einsamer Haft verbracht hatte. Sein
letzter Gedanke weilte bei der Mutter,
seiner Blumenkönigin; er glaubte in
der Agonie Mufik zu hören, und in
nnbeschreiblichem Entzücken rief er
aug: ,,Jnmitten all der Stimmen
habe ich die meiner Mutter erkannt!«
Die Nachricht vom Tode des Dau
phin erregte in der Menge des Volkes
große-I- Mitleid Man sprach von der
Schönheit Artigkeit und dem edlen
Herzen des Prinzen. Eine arme,
blasse Frau kam mit welken Blumen
und wollte durchaus zur Leiche. Ge
"jragt, was sie wolle, antworte sie:
»Ich will das liebe Kind wiedersehen
das mich einst in seinem Garten-nies
tscriitzen liefz und mir diese Blumen
schenkte. Jch will sie auf seinen Sarg
legen. Man darf ja immer zu Todten
kommen.« Mit den Worten: »Me
mand darf hineinl« wurde sie jedoch
schroff abgewiesen.
Mit den Blumen der armen, blas
.sen Frau hatte es folgende Bewandt
nis. Als der Dauphin, noch ein
fröhlichen blühender Knabe, eines
Tages in seinem Blumengarten bei
den Tuileeien weilte, suchte ihn eine
arme Frau auf und bat ihn, eine
Gnade für sie zu erwirken. »Ach,
Monseigneur,« sagte sie, »wenn meine
Bitte Erhörung fände, dann wäre ich
glücklich wie eine Königin.'«
Der Prinz, der sich eben nach eini
gen Marienbliimchen gebückt hatte,
richtete sich auf, blickte die Frau sin
nend an und antwortete traurige
,.Gliicklich wie eine Königin? . . Jch
kenne eine, die nichts thut als wei
r:en.«
Ei
s
Es- a- --.:sk Cis-W W
. . » . -.»-..««-——-..
-. . ««-.·.--,Æ«z»n «- c-«
Er machte sich zum Fürsprecher der ·.
armen Frau, die ibn schon am folgen-— :
den Tage unter seinen Blumen wie
dcrum aufsuchte.
»Ich habe eine Antwort für Sie,«
sagte das Kind, strahlend vor Freu
de, indem es ein Goldstück in Papier
gewicielt, aus der Tasche zog. »Das
hier ist von meiner -Mutter, und das
non mir,« fügte es Hiszn ihr einen
Blumenstrauß reichend.
Diesen Blumenstrauß welk und
djirr geworden wollte jene arme,
blass-: Frau auf den Sarg des Prin
zen legen Sie wurde, wie wir hor
ten, schroff zurückgewiesen Darum
fehlten auf dem Sarge des königlichen
Waisenkindes die Blumen, die es im
Leben so sehr geliebt und so gern ge
spe: det hate
W
Seltsame Schornsteiue.
Der Schornstein, den ein kleines
Theater in einer Stadt im südlichen
Frankreich besitzt, hat die Form eines
Mannes-. Die Figur ist im etcganten
Anzug mit Zhlinderhut dargestellt,
während eine große, braun angestri
chene und eine Zigarre darstellende
Mietallröhre von denLippen der selt
sam-en Figur ausgeht. Von dieser
Zigarre entschwebt der Rauch in gro
ßen schwarzen Wolken, und die Figur
ist so lebenswahr, daß der Beschauer
aus den ersten Blick glaubt, dort oben
stehe ein eleaanter Herr nnd tauche
feine Zigarre
Jn mehreren amerikanischen Städ
ten stößt man häufig auf Schorn
steine, die in Form von Weinflaschen
erbaut find. Der untere Theil besteht
aus« strohfarbigem Holzroerk und äh
nelt oenKiibeln in denen die Wein
flaschen gewöhnlich stehen.
Der eigenthümlichsteSchornstein der
ganzen Welt dürfte sich jedoch in einer
rumänischen Stadt befinden, wo er
unter dem Namen »das Todtengebein«
bekannt ist. Er stellt ein Skeleti von
fünfzig Fuß Höhe dar und ist voll
ständig aus Flintenmetall erbaut. Der
Echlauch wird durch das Rückgrat der
Figur geleitet, und der Rauch findet
durch die Oeffnunan des Schädels
ieinen Ausgang. Den unheimlichen
Schornstein hat sich ein exzentrischer
Millionär in einer tollen Laune wohl
nur deshalb erbauen lassen, um feine
Mitmenschen zu ärgern und zu äng
stigm.
W
,
»
it:
«
i
J
»Ac- .i.
Roofevclt’s erste Rede.
Theodore Roofevelt hielt seineerste
Rede, als er 10 Jahre alt war. Er
fchwärmte damals fiir den Beruf
eines Seemeanns und las mit Vor-liebe
See-geschickten So viel er konnte,
trieb er sich am Hafen von New York
umher und lernte dabei zahlreiche See
-leute jener Zeit kennen. Derjeniae un
ter feinen Helden, den er am höchsten
schätzte war Kavitän Doane, der
Kommandeur des Kutters »Rival«.
Dieser alte Seebär erzählte dem jun
aenPbantasten die wunderbarsten Ge
fchicbten iiber die Gefahren auf See,
Stürme. Schiffbrüche und ähnliches
Der-Knabe wollte sich dankbar er
treifen nnd sammelte unter feinen
Verwandten und Freunden einen
Fonds eurn Antan einer Bibliothek
siir die Besatzuna des ,,Ridal« deren
Mitglieder fämmtlirli feine Freunde
Waren. An der Sditze einer aus
Knaben bestehenden Delegation be
suchte er an einem Taae des Jahres
18t38s das Schiff, als es eben in den
Hafen einaelaufen war, und über-·
reichte mit großer Feierlicbkeit die
aus 45Viinden bestehende Bibliot bet
dem Ranitan Dabei bielt er, erst
10 Fabre alt, feine erfteRede. Der
Präsident erinnnert sich heute noch der
Worte, die er damals sprach. und
meint, aueb die Mitglieder der Befah
nna des Schiffes, soweit fie noch am
Leben seien, tdnnien die Rede nicbt
vergessen haben, da sie damals alle
sehr aeriihrt waren. »Ich fand, es
war eine can-, famofe Rede,« faate
der Präsident »und Kavitiin Doane
war ganz derselben Ansicht.«
—---..—
Bis-haft
Kaufmann lwelcher schon öfters
Bantrott geinacht): »Wie find Sie ei
gentlich zu den vielen Schulden ge
kommen, Herr Baron?«
Schwiegersohnt »Ich frag Sie ja
auch nicht, wie Sie zu Jhrem Ber
mögen lamen!«
i