Nebraska W Jahrgang 27. Grund Island-, Repr» 5. Juli 1907. (:kweitcr Theiu I—.— Nummer 45. ———— Vie Natur. Gleich einem Buch ist die Natur, Und glüctkich preise ich die Wesen, Die es verstehen. voll Genuß Und Freude stets darin zu lesen. Da wird man weise, wird man klug, Der Heezensstiede kehrt uns wieder! Der Wald kaunt Märlein wunder hold. Die Vöglein jauchzen Liebeslieder! Dir Sterne tdauen Trost herab, Die Blumen hauchen Kosenamem Es ist ein reizend Lenzgedicht Der Bach im jungen BlüthenrahnienI Geschichten weiß Der Sommetwind Von Ernst und Lust und Leid aus Erden Gleich einem Buch ist die Natur Und wer es liest, wird glücklich wer den! W— Das Briefgeheimnißl .—-— Reise-Siizze oon P a ul A. K ir« st e i n. f Frau Dr. Mödius war nun also or · Es war diesmal nicht so glatt und leicht gegangen, wie in all’ den Jahren vorher-, wo sie einfach. wenn dieSchul ferien begannen, für sich und ihren Mann, den Oberlehrer Dr. Walter Möbius, die Koffer Partte und mit ihm zusammen an irgend einen schön gelegenen Ort fu r—- o nein, dies mal hatt-e es Kampfe gegeben. die immer weiter sich augdehnten und immer schroffere Gestalten annahmen bis endlich Herr Dr. Möbius erlärte, überhaupt nicht mitfahren zu wollen« und allein zu Hause blieb. So war Frau Dr. Möbius dann auch allein auf die Reife gegangen. Es war ihr zwar schwer auf die Seele gefallen, als sie ganz einsam für sich die Vorbereitungen treffen mußte, als sie niemand fand, mit dem sie to nach allen Richtungen hin das Wie und Wq einer Erholung-steife erörtern konnte. Das gerade war sonst immer so nett gewesen. Wochen und Wochen vorher hatte sie schon mit ihrem Mann Karten und Pläne duchstudirt, hatte die Vaedeier aller Gegenden durchar fehen und sich lange Zett, belior die Ferien lamen, an den Wonnen neu-er Gegenden kerauscht. Und wenn fie dann endlich ein be stimmtes Ziel hatten -—· wie hatten sie das nach allen Richtungen hin beleuch tet, wie hatten sie sich auf die bestimm ten Punkte gefreut! Alles blieb da hinter zurück. Sie freuten sich. dor her so viel wie möglich zu entbehren und zu sparen, nur um dann die er sehnten Schönheiten recht von Herzen und so lange als es nur ging, genießen zu können « - Und diesmalY Wie war das alles, alles anders! Wie lalt und nüchtern im Vergleiche zu dem heißen Verlan gen, das sie in den früheren Jahren verspürt. Allein mußte sie diesmal gehen, und in ein kleines Dorf aus Rügen, das sie taum dem Namen nach gekannt, und das sie nur aufsuchte, weil sie ja allein taum in ein größe res Seebad gehen konnte, und weil sie eben auch sparen wollte und mußte. Wenn er, ihr Mann, der es doch am niithigsten hatte, sich schon die Reise nicht gönnte, dann wollte sie wenig stens auch nicht als Verschwenderin leben. ! So hatte sie sich zum diesmaligen Ziel Sellin erwählt, »das tief, von dichten Wäldern eingeschlossen, weit vorn auf der Jniel Rügen liegt, und eigentlich mehr Dorf als Korort ift. Kein Steg, der hinaus in die dort ganz heftig pochende Oftfee geht, und das Aniegen der Schiffe erleichtert, iein Rathaus in besserem Sinne, teine Reunion——nichts. Nur schöne freie Luft und weite, harmonische Spazier . gänge. Als sie nach dem kurzen. etwas tühlen Abschied endlich in Stettin an- i langte, da war ihr Muth fchon ziem-» lich geschwunden. Die lange Watte-! zeit in der ihr unbekannten Stadi," die Angft sich zu verlieren oder ihr Gepiick nicht richtig wieder zu erhal ten, aben ihr teine ruhige Minute Ahr fchien es wirklich schon ais eine Titleichterung, als sie den frisch ge fcheuerten Boden des etwas breiten Schiffes unter ihren Füßen spiirte, und sich nun für eine Weile geborgen fühlte. Aber auch hier tam sie nicht recht sur Ruhe. Sie mußte immer daran deuten. wie sich ihre Reisen in den früheren Jahren geftaitet hatten. Da ftand ihr tenntnißreicher Mann neben ihr, und was auch immer dem er staunten Auge auffiel, das wußte er ihr mit klaren und leichtverftiindlichen Worten zu erklären. Dabei verging dann die Zeit auf die angenehmste und nettefte Weile, und ehe sie sickfs ...« . I noch recht oersahen waren sc am Ziel ihrer Reise. . Und heute? Wie schlich das alles neben ihr hin, wie gleichgiltig und; langweilig. Was sie gern wissen mochte, das konnte sie nur mühsam; aus den Brocken hören, die von den Umstehenden für sie abfielen Sonst saß sie fast theilnahrnsi os immer an demselben Fleck. » Jhr wollten die Gedanken nicht aus dem Sinn, daß eigentlich ihr ganzes Thun unrecht und verwerflich war. Sie hatte einen so tüchtigen, einen so sleißigen und ordentlichen Mann — erst jetzt war ihm wieder eine Aufbes- « serung seiner Stellung zugesagt — und doch war sie allein fortgefahren und hatte ihn in der unwirthlichen Wohnung zurückgelassen, in der aller Zierrath verschlossen, alle Möbelver deckt und umwunden waren. Und wäh rend sie sich an der schönen Gegend erfreuen und beleben wollte, saß er, der es weit nothiger hatte wie sie, in der staubigen Stadt, der schlechten Obhut einer fremden Dienstmagd an vertraut Jhr war das Herz recht bange. Zwei große, dicke Thränen traten ihr in die Augen Warum er auch blon nicht gesagt hatte, was das eigentlich für ein Brief war, den er so hastig vor ihr verbor gin, als ne ihn zufällig fand. Jhr kam die Handschrift so bekannt vor, und gerade —«—gerade deshalb wollte sie eß wissen. Sie hatte ja auch leine Ge heimnisse vor ihm-—warum hatte er ihr nicht frei und offen die Wahrheit gesagt. Statt dessen war er bei ihrem ewi gen Fragen unwirsch geworden, hatte sie angefahren, wer weiß wie sehr-— und das Ende war diese traurige ein same Reise. Er hatte sie nicht beglei ten wollen—sie warenin Unfrieden von einander geschieden! Für fünf Wochen! Jhr ging das garn icht aus dem Kopf. Wenn nur nicht ihr TroF. ihr un bändiaer Trotz noch zu a ein hinzu gekommen wäre! Dann hätten sie sich unter Versöhnen und Lachen und Scherzen vielleicht doch geeinigt, dann hätte sie erfahren, was in dem Brief stand, und dann wären sie vielleicht doch gereift, wie in allen früheren Jahren« wo gerade ihr stetes Zusam mensein beim Reisen das Schönste Will. So aber saß sie nun einsam auf ihrem Schiff, das Weinen im Herzen näher als die Freude, und leinetiAus blick, daß sich das verlieren könnte. Sie kannte sich zu gut. Sie wußte ja, Sehnsucht und Reue würden sie nicht in Frieden lassen, sie würden ihr das ganze Vergnügen verhüllen-, und ihr nur bange Wochen voller Sorgen und Zweifel bescheeren. Sie hätte am liebsten das Schiff alrich mitten in der Ostsee wieder hal ten lassen und wäre heimgetehrt-. Aber wenn sie das auch hätte thun tönnen, was würde es ihr nützen Von selber würde sh ihr Mann nie austlären, und ihn darum bitten, wieder und wieder bitten —nein, das tonnte sie nicht! Das hatte sie als Kind schon nicht gelonnt, und sie erin nerte sich noch ganz deutlich, wieviel ihr schon damals die Laune dadurch getrübt wurde, wieviel sie entbehren mußte, nur weil sie sich nicht überwin den tonnte. Eilend durchschnitt der Kiel des Schisses die ziemlich hochgehenden Wogen. Von beiden Seiten spritztees bell auf, in. weißem Gischt, wie im Zorn über die Anmaßung und Stö runa. Vom mer niesen me ooaien, un sörrniaen Segelboote ab. Sie ließen sich aach kurzer Zeit dicht an dem jetzt fest eranlerten Schiffe nieder-, um die Passagiere an Land zu bringen. Frau Dr. Möbius lramte ihre Sachen iusammen und stieg unter Herzllovsen ein. Nun war sie wieder einen Schritt weiter, aber ruhiger wurde sie nicht. Jhr war im Gegen theil als wäre sie nun von allem ab geschnitten, als hätte sich jetzt erst recht vor ihr die Berbannung ausgeihan. Leise tröpselte es vom Himmel nie der. Der srische Wind hatte Regen mitgebracht »Auch das noch,« dachte sich die arme Frau. und begann mit ausge svanntem Schirm die Suche nach einem Quartier-. Ihr war so weh, sotveb um’s beri. Sie mußte über eine Stunde lang laufen und konnte nichts sinden.Alles war schon besetzt, und was irgend vassend war, erst siir die nächsten Taae stei! Es blieb ihr also nichts anderes übria -——— sie mußte siir diese Nacht wenigstens in ein Hotel Kleider und Schuhe waren schon durchnäskL in den Atbmunasoraanen meldete sich ver stohlen ein Schnupsen —- und sonst alles ausgeweicht und finster. Sie sand stgtnicht einmal mehr ordentlich zu re . Das Zimener war schmucklos und klein« die Isinde dünn, daß man jedes Wort von nebenan verstehen mußte; und nichts, was ihr dieSituationI auch nur etwas angenehm machen; konnte. Sogar nicht einmal eines Lampe war zu haben. ; Sie fühlte sich todtungliicklich Und dazu hörte sie noch von neben- F an immer glückliches, frohes Lachen. Ein Hochzeitspärchen aus der ersten Reise, das sich freute, beim Regen für. sich im Zimmer bleiben zu können und das sich küßte» so- zärtlich, so selig nnd über alles Maß zusriedent Ach ja, damals waren auch sie noch beide so gewesen! Aber nein, nicht nur damals. Ei gentlich ja auch die ganzen, langen Jahre noch hinterher-. Jmmer glück Ioichj immer so harmonisch miteinan er. Und nun, dieser dumme Brief... Was ging er sie eigentlich anl! Jht Gatte hatte doch nie Geheimnisse vor ihr gehabt. Wenn er es diesmal hatte, mein Gott... was konnte denn da schon so Schlimmes dran sein!! Ihr Gatte, der stets so offen, so ehrlich und aufrichtig zu ihr war, daß er mit allem, was ihm durch die Seele fuhr, immer zuerst zu ihr kam cie mußte jetzt wirklich weinen üher ihren Trotz iiier ihren Eigensinn — und über ihre furchtsame Einsamkeit! ann aber setzte sie sich aus und schrieb einen langen, wenig logischen Brief. Nur lommn sollte ihr Mann, tomrnen s oschnell als mdglich Sie wollte ihn nicht mehr bitten und quälen, sie wollte ihn in Frieden lassen, und nur froh sein, wenn er wieder bei ihr war, da sie es sonst nicht mehr aus hielte. Trotz RGO Sen Und Wind brachte sie den Briesn och zur Post. Dann ging sie wieder in ihr einsames Zimmer, nnd bei Kerzenschein unter vielen Thränen und ohne Abendbrod ver brachte sie den ersten Abend aus ihrer ersten, einsamen Reise. Arn nächsten Tage regnete es im-— mer noch, Frau Dr. Möbius gab des halb immer noch das Wohnungsuchen aus und blieb im HoteL Wenn ihr Gotte kam ——·—... der wußte ja . doch leichter und schneller als sie Raths zu schaffen. Aber wann konnte dgs sein? Doch sicher noch zwei Tage! Zwei volle Tages! Und nebenan küßten sie sich immer noch, und ihr liefen die Thrä nen... » Abend-s- wurde das Wetter eiwagj besser. t Nur um sich etwas von dem vielen Weinen zu erholen, ging sie an den Strand. Der Dampfer kam wieder H die Boote legten an —- — i Aber —- was —- war denn das? — « —- Das war ja ————— Jhr Mann!! ! cie stürzte aus ihn zu. »Wa1:er’. » Jst es denn möglich?!« i Ein tiefer Seufzer entrang sich ihrer I Brust. »Gott sei Dankt Jch hielt'-:; schon nicht mehr aust« s ———- »Und du bist doch gekommen ; obne meinen Brief, ohne meine Bitt-« s ohne alles?!« ; Er streichelte sie zärtlich. »Ich wußte sa, du hältst’s nicht aus« s Sie schüttelte nur den Kaps, und« wieder tonien die verrätheriscben Thränen. »Na siehst du, d’rum kam ich von’ selbst, gleich nachdem ich den Brief —-—« du weißt doch — erledigt!« J Sie sah ihn bittend an. —- »Ach-; Waltek ——-—" : Er lachte aus. »Und nun aber « weißt du. was drin stand? Da lies mal!« Sie schämte sich — dann aber ju-. beste sie auf. «Du guter, guter Manni! Jst es denn wahrt Du hast meine Schwester eingeladen uno sie tommt?!« »Ja, sie kommt und sogar —- mi: einem Bräutigarn».« . Jn beiden Zimmern küßten sie sich setzt-—- wie junge Baute-. --W Bei-schaust , z Frau: »Wenn Du nicht weißt, wo ;Du gestern Deinen Schirm hast see shen lassen, dann mußt Du heute noch ’mal überall dahin gehen, wo Du ge stern warst!« Mann: »Um Gottes willen ———- soll die Sauferei wieder von vorne an gehen!« Je nachdem ,,Jst der Mann, der Ihnen soeben eine Zigarke gab, ein guter Frenno von Jhnen?«' »Das weiß ich selber noch nicht! Jch muß erst die Zigarre rauchen!« Vorschlag zur Güte Gerichtsvollzieher: »Herr Spund, möchten S’ denn net mit Ihrem Freund Süssel zusammenziehen . . . die Herren thäten mit dadurch man chen Weg ersparen!« fSchidestxig-Hriiiiz;j«"«" « Novelletie von GeorgBötticher. Der alte, tinderlose längst verwitt wete Geheimrath Weigand i«n Dres den hatte, noch zu Lebzeiten seiner Gattin, den verwaisten Sohn eines Verwandten ins Haus genommen und auf seine Kosten erziehen lassen. Die serGroßnesse war erwachsen und seit etwa einem halben Jahr als Maler in Italien, wo er, bei den denkbar ge ringsten Ansprüchen, und mit einem hübschen. wenn auch nicht außerge wöhnlichen Talend gerade so viel ver diente, um durchzulommen. Escach dem Fortgang seines einzigen Verwandten fand sich der Geheimrath, der einst in puncto Frauenliebe ein großer Schwereniither gewesen und no chjetzt, als rüstiger Siebziger nicht unempiänglich gegen weibliche Reize war, mehr noch als bisher auf den linigang mit seiner Gesellschafterin, einer stattlichen Vierzigerin, angewie sen, und diese Dame, die günstige Ge legenheit erkennend und für ihre wecke bestens benützend, hatte bald in dem alten, aber noch teimträftigen (sp-·-ebei1nrathskxerzen einen Johannis trieb zu werten verstanden, der sich zunächst in von ihr geduldeter, ja er nrunterter Zärtlichkeit belundete und schließlich dahin führte, daß eines schönen Tages der Herr Geheimrath Fräulein Ettmiihl —- so hieß die Ge iellichafterin —- in aller Form Rech tan und unter der Bedingung, daß si: ihm bis an seinen Tod treue Pflege anaedeiljen lassen werde, als Tochter candtirte Vor der Lächerlichleit einer zfzeiratlx waren sie beide, scheint eg, doch Zurückgeschreckd Um Ihr darauf segnete der alte Herr dag Zeitliche. Hans Herwig, der Grrßneffe, empfing im fernen Rom die Nachricht vom Tode des anels « iualeich rnit einer Abschrift von seinem Testamente, laut dem — zur Ueberraschung des Malers, der bis l - nichts von der Adoption gehört t ti: ——Fräulein Klara Ettmühl als leopiivtoehter zur Universalevbin des keiammten Nachlasses eingesetzt ward Ter Reff-e war in dem Testament mit »der goldenen Taschenuhr des Verstor denen abgefunden, »in Anbetracht des Umstandes daß er bereits 15 Jahre lang die Unterstützung des Erblassers genossen habe und jetzt, als selbststän dizaer Mann in einldmmlichem Be rufe, deren nicht mehr bedürfe. Doch war in dem höchst umständ lichen, ganz offenbar von dem Ver storbenen selbst abgefaßten Schrift stiicta ugdriialich bestimmt, daß Fräu lein Ettrnühl über das vorhandene Baarvermösgen —- es stellte sich zu ihrem Schrecken auf nur 20,00s) Mark heraugx der Geheiinrath hatte eine sehr hohe Leibrente bezogen, die mit seinem Tode natürlich wegfiel ——so wie über die umfangreiche Bibliothek, Möbel, Geräthe und Kleidungsstücke zwar uneingeschränkt verfügen dürfe, daß sie aber gehalten sein solle, bei ihrem Ableben alles, was sich alsdann bon dem Ererbten bei ibr noch vor fände —- insbesondere auch die Tage biicher, Briefschaften und Familien bildet, die überhaupt nicht verkauft oder verschenlt werden dürften —- rein Maler Hans Herwig oder seinen Er ben zu hinterlassen Es war eine KlauseL die jedem Verständigen ein Lächeln abnötbigtn mußte, denn sie verdflichtete —wenn man von den 5——-6 Familienbildern und den für Fremde überhaupt werth losen aFmilienpapieren absah — zu rein gar nichts- Sie gestatte-te der Erbin, alle Gegenstände zu Gelde zu machen und dies nebst dem Bann-»er mögen bis auf den letzten Pfennig zu verbrauchen; denn wer sollte ihr nach weisen tönnen, daß das bei ihrem Tode etwa vorhandene Geld gerade von dem Ererbten herrühren müsse? Fräulein lfttmühl verfuhr denn auch Demgemäß. Sie beeilte sich, die Bibliothet, die Möbel und Kleider versteigern Zu lassen, und zog dann aus derResidenz in ihr Vaterstadtchem wo sie, froh des geschickt Errungenen, vund sern von den heimische-n Bemer «lungen neidischer Bekannten, fortan ihre Tage verbrachte-. Dem enterbten Neffen aber schrieb sie einen empfindsamen Brief, worin sie die väterliche Güte des Verstorbe neu pries nnd sich umständlich ent schuldigte, daß sie die Familienbilder und -papiere vor ver Hand behalte, da sie sich gerade von diesen intimen, ihrem Herzen so theilten Gegenständen nicht zu trennen vermöge, daß sie sie ihm aber treu bewahren werde. Hang Hertvig war vie! zu gut miithig, jung und leichtgesinnt. um sich aus dem Verlust von Dingen viel l zu machen, an deren Besitz seine harm Jlose Seele bisher nie gedacht hatte. H Er verheirathete sich bald daraus mit einem lieben, aber gleich ihm ar men Mädchen, und über dem Schafer in seiner geliebien Kunst und fiir die geliebte Frau, die ihm im Laufe der Jahre drei Kinder schenkte, schwand ihm zuletzt selbst die Erinnerung an die ihm einst entrückte Erbschaft des alten Osnkels Doch sollte er wieder daran erinnert werden. Sieb-zehn Jahre waren seit des Onkels Tode vergangen. Hans Herroig war längst von Jtalien nach einer kleinen thüringischen Residenz jibergesiedelt, wo er als Porträtrnaler in bescheidenen, aber ihn zufrieden stellenden Verhältnissen le,bte als er eines Tages ein versiegeltes Amts schreiben des Dresdener Erbschafts gerichts empfing mit der Mitthei lung, daß »ein Fräulein Klara Ett miihl, verstorben im Mai dieses Jah res, ihn zum Erben eines Theiles ih res Nachlasses, bestehend in 600 Mark Baargeld und einigen Gegenständen, eingesetzt habe, welche Erbschaft er an Gerichtsstelle, respektive in der Wohnu ngder Verstorbenen, Feldgasse 12 in Dresden, persönlich an sich nehmen könne. Hans Herwig hatte nicht ohne Lä cheln die Nachricht von dieser längst niVergessenheit gerathenen Erbschaft lesen können, bestätigte doch der Um snag derselben in sast lächerlicher Weise die Erwartungen, die er sich gleich damals von der sonderbaren Klausel des Testaments gemacht. Tags darauf schon reiste er nach Dresden ab. Die gerichtliche Fama litiit war bald erledigt, eine Abschrift des Testament-s war ihm eingehän diat, der Betrag von 600 Mark ihm ausan ahlt In der Wohnung der Ver bor einigen Jahren wieder nach Dres den gezogen-fand er deren Schwe ster vor, eine alte freundliche Dame, die ihm sofort die Bilder—mitheim lichem Entzücken sah er Isie Pastelle lLIthckL — Mc Øugcsuwch incl Ut rothes Leder gebundene, verschließbare Foliantm und die umsangreicheKor respondenz des Onkels übergab. Die Tagebücher zeigten Spuren der Oeff nung: aus Nebgier mochte Dame Ett niühl darin geblättert haben. Dagegen befand sich die Korrespondenz, nach Nr Versicherung der alten Dame, noch aenau in derselben Berschnürung, wie sie sich im Nachlaß des Geheimrathes orgesunden »Allzu theuer« mußten Der pietätvollen Erbin diese »intimen« Tolumente doch nicht gewesen sein, da sie sich nie die Mühe genommen, auch nur Einblick davon zu nehmen! Hans Herwig verabschiedete sich von dem alten Fräulein, nchdem er einen Dieinstniann herbeigeholt, der ihm das Ganze, in ein großes Bündel ver schnürt, ins Hotel nachtrug. Mit herzlicher Freude räuwteHans Herwia den Familienbildern den Eh renplatz an der Wand über seinem Schreibtisch ein. Und dann nahm er eines Abends auch die «errespon denz «or. Sie war non dem alten Gebeimrath, schon zur-Zeit, als er sich hatte ensioniren lassen, sorgfältig nach Jahrgangen geordnet und, ein Jahr vor seinem Tode, von ihm selbst ver pactt und verschnürt worden, wie ein Vermerk von des Onkels Hand auf dem verstaubten Umschlag des gewal tigen Biindels ausdrücklich bekundete. Der Inhalt erwies sich als sehr um fassend: es kamen fünfzehn dickleibige Qua näbtrzed pMA ss1ssR63R. pD! Quartbände zum Vorschein. Der erste Band reichte noch in die Revolutions iabre 1848 und 1849 zurück und ent ljielt, außer Privat- und Geschäfts briefen, sowie Brieflonzepten von des Onlels Hand, allerlei Kuriosa: Ori ainalerlasse des Revolutions-Comites, Zeitunagaugschnitte, vertraulicheamt liebe Mittheilungen u. dal. Beim Durchhlattern Des zweiten Bande-L der die Jahreszahl 1850 trug, stief; Hans Herwig aus eine Freimarte. die nach damaliger Sitte aus dem Vriese selbst klebte. Man pftegte in dieser Zeit Briefe nicht in ein Couvert zu stecken, sondern zu sammen zu salten nnd zu versiegeln. Beim Anblick oer Marle stutzte Hans Herivig, denn er erkannte in ihr, ohne je eigentlich Sammler gewesen zu sein, ein Exemplar der überaus selte nen rothen Dreipsennig-Mrale. ,,Hol’ doch mal,« tiefer seiner, mit einer Handarbeit ihm gegenüber sitzenden, Frau zu, ,,Oskars Martenalbum.« lind als es zur Stelle qebrachi, hielt er ihr, nach einigem Blättern, still schweigend oiie Albuinseite vor, auf der unter der Abhlidung der besagten Marke die einfache Notiz stand: Werth YOU-RGO Mart. »Soleh eine Marke lleht hier.« Beide sahen sich sprachlos an. Dann ariss Herwig nach dem Brief-Bande, blätterte hastig die nächstfolgenden Vriese auf: Und da wieder eine, und noch eine, und noch eine! Jn starker Erregimg waren beide ausgesprungen. Hans Herwig hatte seine Frau umfaßt, die ihm besorgt über die Stirne strich. »Rege dich nicht auf, Lieber, es kann ein Irr thnm sein. Es ist vielleicht eine an- - dere, ähnliche Marte. « »Nein, nein, Kind, es ist die recht-ye- ’ vertaß dich draus, es giebt keine an dere, ähnliche Elsa, liebes Weib,.-;. vielleicht, vielleicht wird uns ein tin-isl gehures Glück zu theil! Aber regeikxi " auch du dich nicht auf, laß uns ruhigF der Sache ins Auge schauen. Nicht wahr, Liebste, du läßt jetzt alles undsTF siehst mit mir gemeinsam diese Briefes- . durch?« Und nun begann ein DurchblätterniHE der Bande vom ersten Briefe an, derrT die rothe Marke trug. So sehr sich f beide zu bezwingen suchten, es la doch etwas Fieberhaftes in der Arthisiiss wie sie Brief um Brief, Schriftstück auf Schriftstiick durchniusterten. Und das war nur zu begreiflich, denn bei-I nahe Nummer um Nummer fand siehv die kostbare rohte Marke vor! , Hans Herwig hatte einen Zettel er-’ grifen und markirte mittels Strichen die Anzahl. Es waren meist Stadt postbriefe, die der Geheimrath emsig pfangen hatte —- nur selten einmal? g·e einer aus weiterer Entfernung mit einer Ein- oder Zwei- Groschenmarke darunter — und da die Marien aus«-LIE die Briefe selbst geklebt worden wa-;E ren, so hatte sich eine Unmenge der-Js selben in der Korresondenz angefam--T«·I nile.t Als die beiden bis zu dem-z Jahrgang gelangt waren, da diei Marte außer Gebrauch gekommen und nun-in begreiflicher Erregungjsg -— die Striche zusammenzählten, da s fanden sich 817 ,»· ,,Elsa wenn die Marke wirklich den« hier notirten Werth hat, so ergiebts das eine Summe von 60- bis 90,-000:, Mark! Träumen wir denn oder sind wir wach?!« Aber es war kein Traum. Die ta se darauf bei dem größten Markenhän ler der Stadt eingeholte Auskunft er-»,:,Z gab die Richtigkeit der Albuninotiz.««" ge« Hans Herwig war klug genug, dief Mart-en nicht im ganzen einer Hand-; lung anzubieten, sondern sie unter der Hand an einheiinische und ausländi-: sche Zwischenhändler nach und nach zu veräußern und so eine Summe zu i( NWTZ - Ieriielern die den bescheidenen Kunst-i ’tersleuten eine sorgenfreie Zukunftss sicherte, und sie noch oft voll Dankes des alten Onkels gedenken ließ. Sie ithaten es nie, ohne zugleich-im IHinblick darauf, daß der Schatz bei einiger Pietät auch von der DameI Ettinübl hätte gehoben werden kön nen-den Humor des Schicksals zu bewundern, mit dem dieses die einstige Ungerechtigkeit so glänzend wieder« weit gemacht hatte ———. .—.-—--... Wo ist das Stroh? Vom Bodensee wird geschriebend Unlänst starb hier der Kameralamts-.;I beamte Str, ein rechtes Original, dasxj durch seine gut oberschtoäbische »san-. grobe« Art und seine freimüthigen; Auslassungen bei dem Publikum eben-Z fo beliebt wie bei feinen Herrn Vor-« gesetzten unbeliebt war. Unter den vie-H . lenamiisanten Aussrüchen, die von die-· fem Herren zirkuliren, verdientes der nachstehende, weiteren Kreisen bekannt zu werden: Zu den amtlichen Oblie-. - genheiten des erwähnten Beamten ge-. hörte es auch, einen öffentlichen Brun nen zu Beginn des Winters mit Stroh umwickeln zu lassen und dieer Stroh im Frühjahr wieder zu entfernen. Die nothwendige Rechnungsablage für diese Staatsaktion lautete dann etwa so: Zwei Bund Stroh für Umtvickeln des Brunnens 80 Pfg» Umwickeln 5»0 Pfg» Summa lMark 30 Pfg. Und iuc Frühjahr: Für Abwickeln des Strobs 30 Pfg. — Ein besonders penibler Rechnungsrevisor aus Stutt gart, der dein freimütbigen Herrn-. Etr. überdies nicht sehr grün war," fand bei Durchsicht der Bücher eines; Tages eine tlaffenoe Lücke in der frag-H lichen Rechnungsablage. Er schriebs demgemäß an den Beamten: »Es ist umgebend hierher zu berichten wohink jedesmal das abgewictelte Stroh ge tomemn ift.« Unser Herr St., der fdas faule Stroh natürlich einfach iweggieworfen hatte, fand die Fragev sinnlog und schikanös, und er antwor tete nrompt: »Das Stroh dürfte sich im Kopfe Des Herrn Revisors befin den.« ——— Man darf mit Genugthuuug hinzufügen daß diese Antwort dem "" schlagfertian Herrn Str. nicht feinen Posten kostete. .-" —- - — Ein gewissenhafter Schuldner-. Hauptmann izu einem Rekrutem der trotz seines- Alters Von 21I,(·- Jah ren schon verheirathet ist): »Wie kom men Sie nur bei Ihrem jugendlichen Alter schon zu einer besseren Hälfte?« . Rekrut: »Der Herr Hauptmann·» werden entfchuidigen, aber ich war meiner jetzigen Frau 10 Mark schul Dig; die konnt’ ich ihr nicht wieder geben und da hab’ ich sie halt gehei kaihet. « x «