Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 05, 1907, Sweiter Theil., Image 10

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    Die Weint-.
· Jenseitercueiztnsit
»Dtuußn kam der Schnee in gro
« weißen Flocken aus den grauen
« Lautloz legte sich einer der
« - " , n Punkte nach dem anderen ins
W, glisernde Bett das der Winter
. hatte. An den Grenzen der
igerfteige schichteten sich hohe Mau
Ists auf· Die spitzen Zacken der Gar
Mitter trugen grotest geformte Kap
sie-: und gleich Rüschen kostbaren
Bei wertes heftete sich die helle Masse
insöchmalen Streifen an die Fenster
»Prsiise. Durch die todte Willen
Itaße flog nicht das leiseste Wehen
?
M Windes Hinter den feingeroeb
ten Spidenstores schien alles zu schla
da auch im Freien die Natur
M Schneemantel seft um Menschen
nnd Dinge fchlug
XII Ernst Heinemann mit dem
;M die schwere Pforte öffnete
jrii te ihn der Portier, der gerade den
gilt otgärtchen aufgehäuften Schnee
Mach mit dein breitflächigen hols
zWaten nach der Straße zu abfchob.
"Der stäminige Mensch, dem die Nase
, einem stets gerötheten Fleifchtnopf
Alt-L unter dem der rothgelhe
Werbart wie eine schlecht gepflegte
. 7s hing, zog die Mütze mit jenem
» druck scheuer Demuth, mit wel
M man gern demjenigen begegnet,
» Mjiingft ein Unglück betroffen hat.
anft legte leicht die Hand an den
sIItL Da sagte der andere mit sei
· senkt-arten, wie in den Stimmhän
. setn roftig gewordenen Baß: »Ach,
si Ort heinemanrn et war ne Dame
« jsI.·« Ernst öffnete die theilnahms
Zeer blauen Augen zu einem müden
Blick und zog den Handschuh aus, um
«« sneit ganz mechanischer Geste den klei
IAL kurz gehaltenen Oberlippenhart
Inn der Schneenassr zu reinigen.
zxpneDameI Hat sie ihren Namen ge
ZMMK Er fragte das so gleichgül
CI- als ob ihn dieser Besuch absolut
.--MZ anainae. Der Vortier hob die
Ihr-Meer Schultern und bewegte sie,
ZMI verlegen: »Nee Aba wieda
III-muri wollte se. Se war ja nich erst
xgdben 1ejangn. . Jleich bei mir hat
?
ds
» Iesragt, ob Herr Heinernann ze
- hause wär’n Un wie ick sagte
na denn meinte se: »Ja frage
» Im noch mal«, und denn jing se.
"» Mescheene blonde Dame . Ernst
Mit sich über die Persönlichkeit des
« ssnnvethossten Besuches nicht erst lange
denKops zerbrechen. Seine Gedan
sen bewegten sich wirklich in anderen
hnen. So nickte er nur, so zer
Kreut wie er jetzt alles that, Und
«Iss»agte: »Danle schön. Ach so »
Izu-eh die iibliche Cigarre als Lohn siir
Jdie Bestellungk Dann ging er etwas
) gebückt die Treppen hinauf.
Oben strich bald unter dem runsdge
Tibeppeltem mattgriinen Schirm hervor
, du gedämpste Schimmer der Studie
ice-we durch das Arbeitszimrner, ließ
TM Licht ganz auf dem sattbraunen
KLEMM des weichen Perserteppichs,
« » Mchelte die schweren, modernen,
» drinirlgrauen Möbel mit glitzernden
Wen Schatten und bedachte am
- Mklichsten die ernsten dunklen Bitder
« den Wänden, die nur ein paar
pschende sunkelnde Reslexlichter em
« » » s gen Ernst saß im Schreibstuhl,
s- den Rücken gegen die Wand des
els gepreßt, die Hände auf die
enlehne gestützt und sah der Zim
: decke entgegen, an welcher der
- e schwarze Schattenstreif zitterte.
saß er nun täglich seit vier Wo
s, wenn er sich von den zwecklosen
renungsoersuchen außer dem
» s se wieder in die Abgeschlossenheit
».-: s« Wohnung rettete um die Kette
Mr Gedanken abermals an die
son seiner todten Frau anzuschlie
Et war sich klar, daß bei dieser
wenig zu welcher er sich täglich
. » -' um die gleiche Stunde von inne
.- - Trieben gezwungen sah, teinei
Leidenschaft die letzten, seeli
» Nachklänge oerströmen ließ.
» als er nach der Beerdigung·
s ersten Male hier allein gewesen«
hatte er keineswegs die zuckende,
zliche Qual eines jener breiten
.e empfunden die das Schicksal
spmeosft in das Leben schneidet,
« deren Wirtun die Pulse stocken,
zschlag ause etzt. Zwischen die
er und dem anderen, lnnten
»- «nEnde des Korridors, dessen
» dig e Farbenpracht von dem
schen Prani Böcklinscher Miit
r die legte, be eisterte Verklä
eebielt, hatte si? nie ein Bands
Gesö gesponnerr. Eine
m m psychische-: Sinnes
Iss III-Uns ssOI II »I- -«- h
.««
« Wes-.
.,....« ........ ...,»» « « .«
Jahren, zögernd wie ein Schul
» » « die Schriftstellerin Bertha Mei
« gebeten hatte, ihr Geschick an
seine zu schließen. Es war nichts
vorher gewesen, als er unterj
saggestiven Einfluß ihrer Ver-H
keif, dieser nervösen, empfind-T
Persönlichkeit, die ihn wie einen
hinter sich heilt-selig die ihm«
ich bei der Wahl seiner Um
kreise einzig maßgebend war,
einen erfolgreichen Roman ge
." hatte dann unmittelbnr hin-;
«fein Stück, das seinen Anfangs
zu einem Triumph ausgestaltete.
,- II fählie et, daß in dieser über-«
·« Frauengestalt mit dem
Unsitich der Kleidung
diesen, wie dabei-weißen
« jedes Fluidum schlummern .
. sk- Hei-et Indesan empor-E
i
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I
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Ziel bereits ganz nahe vor sich . . .
das wußte er! Auch gab sie ihre
Schaffenskraft in seltsamen. tnappen
Gedichten aus, die mit ilangvollen
Bildern und volltiinig sich aneinander
schmiegenden Worten das Ohr be
strickten, seinem Geschmack indessen
durchaus fremd blieben. Aber ihr
Wesen, dieses worttarge, wie unter
dem Zwange einer erlebnißreichen
Vergangenheit noch jetzt gebeugte
Wesen, diese Augen mit dem räthsel:
vollen, an irgend welchen dunklen
Fernen haftenden Blick, hatten ihn ge
fangen genommen. Das war persön
liche Suggestion,. thnose, keine Liebe
jgewesm Arm gieichgintig, wag es
k war. Es trieb alles, was seit Jahren
tin ihm lebte, an’s Tageslicht. Eine
Berührung mit dieser schmalen. sein
porigen, weißen Hand ließ ihn Tau
isend Dinge sehen, die ihm sonst ver
borgen waren. Schaffen war seine
Sehnsucht, war sein Glück. Da nur
Isie in ihm vie Möglichkeit zur Pis
k duition wecktg nur sie —- lraft irgend
lwetchek unbestimmbaren Eintrijsse .—-—
I in ihm Gedanken und Pläne in diesem
,reichen, unverständlich reichen Maße
ferstehen ließ, so wollte er sie ständig
Idei sich haben.
l Sie war dann auch zu ihm gekom
"men. Als er stotternd, schon wieder
wie benommen von ihrer persönlichen
Eigenart, vor ihr stand, um ihr alles
zu erklären und demüthig um sie zu
werben, hatte sie mit einer leichten Be
wegung der feinen Finger seinen
Redefaden zerrissen. Dann war in
die Tiefe ihres Blickes ein Leuchten
gekommen, wie es nur die Bision
mittheilt. Mit jener zarten, leisen
Stimme, die so selten lau wurde. Die
sman immer nur in stillen Dämmer
Hstunden hören wollte, so fest wehte sie
kdeu Hörer in Träume ein, und deren
JEindruck die Anwesenheit eines gro
ßen Kreises zergehen und zerflattern
ließ »Ich liebe Sie nicht,'· hatte
sie gesagt. »Aber ich will Sie stützen,
wenn es wahr ist, daß ich Sie stutzen
kann. Geben Sie mir als Ersatz da
fiir ein Obdach. Denn ich bin trank,
sehr lrant.« Ernst war unter der
Wirkung dieser Antwort beigestanden
wie gebannt. Wirte Stimsmungen«.
Dankbarkeit, Mitleid, die Tapferkeit,
die die guten Vorsätze schafft, tobten
in ihm durcheinander. Und dann hatte
er ihr das freudigste, prächtigste Heim «
geriistet Und dann war sie gekom-«
inen zu zwei Jahre umfassendem,"
langsamem Verwellen und Absterben-H
Seine Schaffenssreudigieit war mit
ihr gestorben in diesen zwei Jahren.
Aber zugleich hatte sich ihre Seele in
diesen Räumen festgesetzt. Durch
ischwebte noch jetzt diese Zimmer, aus
s denen seit ihrer Einrichtung das laute
«Wort, jegliches Geräusch verbannt ge-.
wesen war. Jn deren sernstem eine;
sieche Frau, redemiide, stets in stum-;
nrer Nachdenllichteit versunken, den«
Kalt eines zagenden Mannes als?
etwas Selbstverständliches entgegen-H
genommen hatte, ohne sich darum zu;
kümmern, welche Gaben unter der;
Fessel dieses Einschränkungszwasgeå j
bei-bluteten . . . ·
Als der Diener nach zweimaligemx
Pochen ohne Antwort blieb. öffnete er ?
behutsam die Thiir Ein leises Hü
steln das den Herrn aus seiner Ge
dankenleihargie erwecken sollte, ersiillte
seinen Zweck Ernst fuhr zusammen«
und die Hände von den Sessellehnen
tiappten auf seine Knie nieder. »Was j
denn?« fragte er nervös. »«Was isi
denn?« Da aber kam hinter der
schtvarzen Figur des Domestiien ein;
leises Lachen hervor; gedämpst, wie:
unterdrückt, aber doch ein Lachen
Ernst wandte schnell den Kopf.
Doch die schlanke, hübsche Frauenge-;
stalt in braunem Pelziostiim die jetztz
vor seinem Stuhle stand, hatte schon
seine Hand saßt und sie herzlich ge- s
schüttelt. »Ich freue mich so ";
Das Temperament einer warmen, s
innigen Antheilnahme steckte in dieser
tiefen, behenden Altstimmr. Ernst
starrte in das Gesicht, dessen Schleier
hiille doch das strahlende Feuer der
blanlen, braunen Au en nicht däm
psen konnte. »Frauan Olga« sagte
er dann: und abermali, wie im
Staunen erstarrend, als sei er noch
unter dem Druck jener diisteren
Traume, in welchen die alte Freundin
seiner Frau ihn gestört hatte, »Frau
lein Olga!« Die aber gab Pelzjacke,
Hut und Muss dem Diener der lang
sani in’i Borzimmer zurückging.
Darin trat see niiher zu Ernst. »Wenn
Si- mikb ist-It sen Stäan fu«-bo
halten wollen,« sagte sie, und gar teine ;
wehmüthige Erinnerung an das Lin-J
denken der Freundin, nur gelassenerz
Ernst, wohl auch ein wenig Schelme- E
rei waren in ihren Blicken. »Wirs
werden von ihr s rechen,« sagte der;
Mann, und er dr te die Schreibiisch- «
lampe ab und drüben in der Wand-·
ecke, dort, wo die breiten Ledersessel
um das Rauchtischchen standen, das
elektrische Licht auf, das schnell in den
Glühbirnen aufzuckte »Und von
Jhnen,« gab das Mädchen zurück, als
die helle kräftig zum ersten Male die
ledertapezirten Wände streifte . . .
Olga nippte an dem Theeglase,
beugte die strasse, gerade Biiste vor
und stellte den Becher wieder auf den
Untersas. der jetzt leise klirrend die
Tischplatte berührte. Ernst sah müde
zu ihr hinüber. Er sprach noch im
mer so leise. noch immer von der
FU» beengh der Schall des lauten
» » könmdenpemnenten Däm
Win der stunden Hinten in
fSie wußten?«, fragte er. Olga
knickte. »Als ich fortging Sie
« hatten sich ja eben verlobt war ich
mir klar darüber, wie lange es höch
stens dauern tönnte. Jch hatte auch
mit dem Arzte gesprochen, der sehr
offen war. Auch mit Bertha. Die
aber klammerte sich an hoffnungern
An vage Hoffnungen ...« Ernst
stützte den blonden Kopf in die Hand.
»Das war entsetzlich,«' murmelte er
leise. »Als habe sie nur das freie
Leben, die Möglichteit. mit der Ge
sellschaft in Verbindung zu kommen,
aufrechterhalten, so jäh brach sie zu
sammen. sobald sie hier imHause war.
Jhre Arbeit war völlig zu Ende.
Wenn ich sie sehen wollte, mußte ich
nach hinten zu ihr. Und dann sprach
sie nicht, lag stumm auf der Chaise
longue, sah irgendwohin —— so daß
ich mertte. sie habe gar teinen Theil
an mir -—, und achtete nicht auf
meine Fragen. Sehen Sie, Olga —«,
er richtete sich im Sessel auf, und die
lange gefesselte Erregung brach in
start accentuirten Worten hervor —,
»wenn sie mich so allein gelassen hätte,
wenn sie mich hätte theilnehmen lassen
an ihrem Jammer: ich hätte mich jetzt
fchnell wiedergefunden. Aber der Ge
danke: diese Fülle von Ergebenheit an
eine Fremde verschwendet zu haben . . .
an eine Fremde, die man auch mit
dem Gottesdienst der Verehrung nicht
für eine Minute innerlicher Gemein
schaft gewinnen konnte. dieser Ge
dante hat mich zerbrochen. Davon
tam ich nicht los, während sie hier
war und ich um sie kämpfte, davon
komme ich jeht nicht los, wo sie fort
ist 's »
Aus der Kaminuhr drang der
Stundenschlag in dröhnenden, metal
lischen Tönen. Olga hatte kurze Zeit
vor sich aus den Teppich gestarrt, wie
überwältigt vor der Macht dieses
Schmerzes, von dem Bernichtetsein
dieses getnebelten Geistes. Dann
wars sie den Kopf zurück. Um die
Lippen grub sich ein Zug starrer,
stahlharter Festigteit ein. Die Ge
stalt richtete sich schnell empor mit
dem Ruck der Entschlossenheit, die eine
schwere Bürde energisch abwirft. »Ich
will mit Jhnen reden," sagte sie; und
die Stimme sand, ohne sich im Ton
sall zu steigern, lediglich durch die
Kraft des Ausdrucks ein deutliches
Echo an den Wänden. »Herbert Kö
nig hat mir geschrieben, wie Sie
leben und ich bin aus Paris ge
kommen, um Sie wieder slott zu ma
chen. Extra deshalb bin ich gekom
men!« Ernst bewegte langsam den
Kopf und senkte ihn dann drast
wärts. ,,SGlauben Sie daß das mög
lich ist?« sagte er. Olga sprang aus.
Mit kurzen Schritten. die elastische,
aertenschlante Gestalt hoch und gerade
aufyerichtet, ging sie durch das Zim
mer. Dann wendete sie sich mit knap
per Bewegung Ernst zu. »Weisen
Sie mich hinaus, wenn Sie wol
wollen ...««, die Worte bebten unter
dem Einfluß zorniger, neroöser Erre
gung »weisen Sie mich hinaus.
Aber vorher will ich Jhnen noch sagen,
daß Sie eine Sünde begangen haben.
Die schlimmste: die Sünde gegen sich
selbst. Das mag hingehen, wenn es
einen Mittelmäßigen trisst. Aber nicht
bei Ihnen. Nicht bei Ihnen, wo Sie
Ihre Gottesdienste nur an den nack
ten, unverblümten Egoismus ver
schwendet haben ..« Ernst zuste,
wie unter einem Peitschenschlage zu
sammen. Dann aber strich er mit der
Hand iiber Stirn und Augen. Lang
iam lehnte er den Rücken egen die
weiche Fläche der Sesselwang »Selt
sam,.« sagte er »Sie waren doch
ihre Freundin. Und gerade Sie haben
sie so wenig gekannt?« —- Jch habe sie
geiannt.« Jeßt schlug die Flamme
des Zorns undiimmbar durch Olgckz
Worte. »Sie wußte ihr Schicksal...
und sie wußte, daß sie niemals das
Recht hatte, einen Ausstrebendens an
ihre körperliche Agonie zu fesseln.
Auch nicht, wenn sie jenem Manne
damit nur seinen Willen erfüllte.
Glauben Sie mir: von diesem Egois
mui, der seiner Macht wohl bewußt
war, sind noch ganz andere, heißere
Wünsche erstickt worden fo heiße
Wünsche, daß sie hinter eine weite
Raumgrenze zurücksliehen mußten,
um nicht dennoch laut zu werden.
Denn auch sie beugten sich der thörich
ten cksichtnahme aus jene Leidende.«
nden Stimmlauten quoll es
fest aus von verhalte-ten Thriinen
Aber Da Ritter überwiiltigte sich
selbst. atedet wars sie mit dieser
tapferm, intensiver stolzen Betve ung
den Ko f in den Nacken Und
sprach te weiter: Also lösen Sie sieh
los, Ernst. Stellen Sie das alte,
todte Bild beiseite. Sie sind noch
nicht vollends unterjocht. Sie tönnen
das Joch wieder abschiitteln. Und
können Sie es nicht allein, es wird
manchen geden, des Jhnen helfen
will « .«
Jn stummem Werden stand Oig a
vor ihm. Jn ihren Blicken stritten
verhaltenes Weh und jene muthdolle
Unerschrockenheit, die kühn ist, bis zur
Selbstentblößung. Aber, als wären
Olgas lehte Worte nicht gesprochen
worden, so unberührt war Ernst von
ihrem deutlichen Sinn geblieben. Er
saß da» stumm und stumpf- und seine
Gedanken waren wieder an derselben
Stelle, wo sie immer waren: an einem»
Grabe, dem heute der Schnee eine
SchuWu wehte Auch Olg as;
Tychloffenex lebhaft efärbte Zil e!
Zssem ais leich als ei
--- Maul
—
nun erschöpr Sie feste sich und fah
auf den gebeugten Mann, deffen junge
Schultern die Laft eines Greifenalteri
zu tragen schienen. So tief waren fie
geneigt; fv müde ftand zwifchen ihnen
der blonde Kopf. Dann aber tani
wieder die Heiligkeit eines neuen Pla
nes in ihr Antlitz Wie fiebernd zit
terten ihre Nerven. Jn den Schleifen
zpochte das Blut: die Kehle faß wie
Euntet eiferner Klammer. Und doch
faßte sie sich. Sie riielte den Stuhl
näher zu ihm, daß die Stuhlfiifze
tnirfchend über den an diefer Stelle
unbedeckten Boden glitten. Das weckte
Ernst. Er hob den Kopf und fah sie
an. »Es geht nichts« fragte sie wie
der. »Sie können nicht verwinden?
Nicht wieder fchaffen und ein Mensch
fein?«« »Ich weiß nicht,« fagte er .
aber in dem ntuthlofen Ton feiner
Stimme lag ein Nein. Da ftreckte
sie ihm beide Hände entgegen. Jhre
Augen trafen ihn, und es wurde ihm
als entzünde fein Blut sich an der
Flamme diefes Strahls. »Und wenn
ich dich lieb habe und bei dir bleiben
tvill?'« fprach sie kraftvoll, laut und
deutlich
Jetzt war Olga gegangen. Sie hat
ten sich getrennt, mit der Zuversicht,
daß sie auf dem rechten Wege seien.
Sie befeligt von dem Ernft ihrer
Aufgabe, tapfer und treu: esr von
Dankbarkeit, und der Bewunderung
dieser selbstlofen, bis zur Demuth
aufrichtigen Ergebenheit zu neuem
Leben erweckt. Wie schön sie war!
Wie er sie lieben, wie er für sie schaf
fen wolltet Und in Gedanken anz
in die Reize ihrer jungen frifz n
Schönheit versunken, ging er mit
leuchtenden Blicken, aufrecht aus dem
Zimmer, vorbei an jener Stelle, an
welcher von der Saalwand aus das
Bild der anderen mit fremden, blei
chen Blicken auf ihnherabfah .. .
—
Reiche Armuth.
i
; Sinne von Elie Ueerstedt, Hamburg
. Als ihr ein böser Bube in rohem
i Scherz das ganze »Geschäft« über den
HAon gestülpt hatte — hatte er sich zu
Z ihrem Beschützer ausgeworfen
i So hatten sie sich tennen gelernt, die
Z tleine Lola nämlich und Robert Frev.
l Lolas »Geschäft« bestand aus« einem
? viereckigen Holzlasten, den sie ans-nei
Ztem Gurt um Hals Und Schultern
i hängen hatte und der mit Konsetti und
,rothen Papierrosen gefüllt war. Ro
i bert Frey war Maler und zwar einer,
i wie er im Buche steht, hübsch, schlant,
F feurig, genial und —- arm. Alle genia
ilen Leute sind arm. Wenn sie reich
werden, dann geht nämlich ihre Genia
ilitiit zum Teufel.
I Robert Frey hatte die kleine Lola
Eschon eine lange Zeit beobachtet; er
Hstand gedeckt durch eine Waffelbude
i und ließ sich geduldig den ranzigen Ge
k ruch, der den Sprungsedern und
Spritziuchen entströmte. um sein durch
laus nicht verwöhntes Geruchöorgan
H weben. Er ließ auch geduldig die Nö
Z thigungen der süßen Wasselsee mit
dem zashnlosen Munde über sich erge
;hen: «Frisch gebacken, mein herr —
«nur in guter Butter!'· Und von der
’ anderen Seite mahnte ein Wurst-nann:
»heeße, ’nen hatben Meter lang sörn
Groschen —- Mostrich gratis!« Und
gerade, als sich das Duett zusammen
that, um den Hickfelligen Nassauer aus
dem schmalen Budengang herauszu
eteln, passirte der kleinen Lola das
Mulden-: Wie ein Tiger stürzte Ro
bert Frey aus seinem Beobachtung-spo
sten hervor, verabreichte dem Rowdn
eine Ohrfeige von rechts und, damit
die andere Seite nicht zu kurz kam,
auch von links, und hob der bestürzten
Loka, die sich mit einem schmerzlichen
«mio Dio« nach ihren herrlichkeiten
bückte, die unnatürliche-i rothen Pa
pierrosen auf.
Der Kreis Neugieriger, der sich um
die kleine Lola gesammelt hatte, brachte
Robert Frey ein Hoch aus und wandte
sein Interesse dann wieder neuen Din
gen zu.
«Oh Signore,« sagte Lola und
streckte ihm zutraulich die kleine,
schmusigr. braune her-nd hin. Ein
glückliches Leuchten lag in den nacht
schtvaan Augen und um den Mund
huschte ein tindliches Lächeln.
Und Robert zählt-e der kleinen Lola
schwarze Ringellocken —- aus jeder
Seite drei-site ringelten sich wie die
Schiangcetn org auf oie Wangen her
ab, die das zarte Koloeit eines reifen
Pfitsichs zeigten.
»Hättest Du wobl Luft, mir Modell
zu stehen, Kleine?« fragte er, fchon
ganz gefangen genommen von der Jdee
zu einem neuen Bilde, und legt die
Hand auf ihr Köpfchen. »Du follft es
gut bezahlt betommen,« fest er hinzu,
obgleich er noch gar nicht weiß, woher
er den schnöden Mammon zu der gu
ten Bezahlung nehmen foll.
»Nicht ich Luft habe, Signore,« sagt
sie in gebtochenem Deutsch- «Lola nicht
fein will Modell —- für Geld,'· fest sie
rafch hinzu, als sie Robertö Blick be
gegnet, in dem etwas wie Unwille liegt
»Lola will fein Modell aus Dankbar
keit fiie den Signore.« fagt sie treuher
zig. Und, als-müßte sie ihren Worten
eine nähere Erklärung geben: »Modell
stehen ift nicht arbeiten, und Lola ift
jung, kann arbeiten.«
Robert lächelt. »Bist Du zu stolz,
Kleine, Dir von mit etwas schenken zu
lassen, bin ich zu stolz, etwas von Dir
anzäiäläråten obs-will Die aber einein
so . zur e ma : n me ·
umso-stumm liegt »der Yo stagn
IS
dick und in den Ecken weben die Spin
nen vergnügt ihre Rese. Frau Müller
ist halt alt. Wenn Du da ein wenig
Ordnung schaffen wolltest —- das wirst
Du sa wohl für Geld thun« —--- Robert
Frey lacht —- ,,so könnte ich mir ja
aratis von Deinem Kindslöpschen ab
sehen, was ich wollte — -—"
So siedelte Lola zu Robert Freh
über. Und die Kleine, vie sich dar
slink regen konnte. die in einer eigenen
lautlosen Weise gleich am ersten Tage
verstand, sich nützlich zu machen, be
stand vor Frau Müllers Augen, die
»fonsi nicht viel mit den Modells im
Sinn hatte«, die Feuerprobr.
Robert Freh malte. Ein seltsames
Bild. Ein Feld voll hoher, dunkler.
blaurother Rosen. über dem es wie
Fieberglnrhen lag. Jm Hintergrunde
ein Streifen blossen-Himmels und zwi
schen all’ den rothen Rosen der kleinen
Lola seines, stemdländisches Köpfchen.
mit den duntlen Ringellocken — aus
jeder Seite drei —- die kleine Lola mil
bloßen Füßen und armseligem, zer
schlissenern Röälein zwischen all’ der
Nosenpracht —— vie kleine Lola, beide
Arme voller Rosen, den Kopf geneigt
auf die feurigen« heißen Blüthen.
»Reiche Armuth« sollte das Bild hei
ßen.
Und während Robert malte, plans
derte Lola. Jhr kleiner Mund stand
nie still. Wie das Gezwitscher eines
Vögelchens hörte es sich an, wenn sie
sprach. Nur wenn Robert Freh etwas
an ihren Kleidern ordnete, wenn et
ihrem Kopf die richtige Stellung gab.
dann wurde sie still. Sie wurde roth
und blaß, und die aesentten Wimpern,
die Nasensliigel zitterten leicht.
Robert sah es nicht. Wohl war er
« der Kleinen aufrichtig zugethan. Jhr
Zwitschern war ihm zur lieben Ges
wohnheit geworden, aber seine Gedan
ken weilten bei einer schlankem blonden
Amazone, einer Ameritanerin, mit der
ganzen Ungezwungenheit, aber auch
ruhten ueoeriegenoen ihrer Masse
Mond Smith verbrachte die tneiste Zeit
l ihres Lebens aus dem Pferde. Reiten
E war ihre Passion. Und nebenbei pro
E tegirte sie die Künstler, weil es Mode
Zwar-. An einem Abend jeder Woche
; hatte sie einen Josur fir für aufstre
; bende Talente. Und wer nicht zu stolz
zwar. um sich petnniiir protegiren zu
zlassen, dem aab Mister Smirh, ihr
Vater, reichlich.
i Robert Fren war stolz —— trotzdem
; sein »Tresor« stets Ebhe aufwies. Aber
Z bei dem Jour fix Miß Monds fehlte er
Z nie. Er genoß sogar stets den Vorzug,
ZMisz Mond zu Tische zu führen. Und
? er fieberte nach diesem Vorzug.
H Und daheim « stopfte Lola seine
Strümpfe, besserte seine Wäsche aus
und träumte thörichte Träume bei die
ser prosaischen Beschäftigung.
Eines Morgens faßte Robert Frey
sie frohgelaunt unter's Kinn: »Heut’
shetornrnen wir hohen Besuch, Kleine!
Mach’ unser Atelier so schön Du
kannst!«
Lola wurde dunlelroth. Unser Ate
lier, hatte er gesagt. Unter halb ge
senkten Lidern hervor traf Robert ein
giitckftrahlender Blick. Dann huschte
sie slint wie ein Eidechslein davon.
Betroffen schaute er ihr nach. Das
war nicht mehr der Blick eines Kindes.
Jn der nächsten Minute hatte er die
Kleine wieder vergessen. Er ging un
ruhig im Atelier umher, ordnete hier
etwas, da etwas, zuleht rückte er das
Bild, das seiner Vollendung entgegen
ging, in die Mitte des Baumes, nahm
dann seinen hat und stürmte die
vier Treppen hinab. Als er zurück
kehrte, trug er einen großen Strauß
dunkler, feuriger, langstieliqer Rosen
in der Hand. Sie hatten zwar seinen
»Tresor« gesprengt, aber was that's —
Unt elf Uhr tams Maul-. Sie kam
von ihrem Morgenritt, schön und tiihl,
die Schleppe ihres Reitlleidez über dem
Arm. Lola duckte sich unwillkürlich
vor dieser . that-glichen Erscheinung.
j uno wen oie schone Dame eine Weile
E in der Thiir stehen blieb und es Lola
Z unmöglich war, an ihr vorbei zu
l fchliipsem ohne sie zu streifen —- weil
Lola es ferner als unerhört betrachtete,
neben dieser Königin —- dahin war sie
in wenigen Selunden bei der Kleinen
adancirt —- im Atelier zu stehen, so
kroch sie flink und behende wie eine Ei
dechse hinter ein Bild, das schräg an
die Wand gelehnt stand.
Sie verstand wenig von dem, wag
die beiden sprachen. Sie redeten zum
Theil englisch. Aber Lola sah, wie
der Signor, ihr Signor, der schönen
Signoran die Rosen reichte, wie er
mit leuchtenden Blicken aus sie ein
sprach. Die Rede war ihrem Seelchen
zu hoch gegeben, aber die Sprache der
Augen verstand sie zu deuten. —
Dann entstand eine Pause —.und
dann sprach die Signorina langsam,
tlar: »Sie haben zwei Fehler, Mister
Frev, die Sie nie verlieren werden —
Sie sind arm geboren und besihen lei
nen Geschäftsgeist —- zwei Fehler, iiber
die ich bei einem Gatten mit einer
Fürstenlrone hinwegsehen würde. Wie
unprattisch- Mister Fern, der Tochter
William Siniths ein Gemälde schenken
zu wollen —- ——:«
Dann eine kleine «Pause. Maird
Smitb streckte Robert unbefangen, als
sei nichts vorgesallen, die Hand hin:
»Ich hoffe, Sie bei meinem nächsten
Empfangzabend zu sehen.«
Als Robert diese band nicht erfaßte,
wandte ste sich achselzuckend, aber
durchaus nicht beletd t, zum Gehen.
vi- sit-t- schi-r sich hist-!- ji«
»He-TM FÆÄ
. Robert stand neben seinem Bitde —
steidehleich
i Scheu troch Lola aus ihrem Versteck
sherror. Scheu husehte sie zu Robert
sheran. Ihre kleine, heiße Hand he
riihrte die- seine: »Oh. Signore!«« Ros
bert schüttelte die Hand ab. Er stöhnte
Ein einziges Mal nur Aber qualvoll.
i Und Lola neigte ihren Mund dicht an
esein Ohr. »Ich hole die Signorina,
Signore — Lola bringt sie zurück
Ehe nveh Robert etwas erwidern
,tonnte flaa Lola die Treppe hinab.
Drunten hatte sich Miß Maud mit
ihres Groamg Hilfe in den Sattel ge
schwungen. Die Pferde setzten sich in
Bewegung. Wie ein Pfeil schoß Lola
auf den feurigen Rappen zu Sie
reckte ihr Fiaiirehen Die kleine braune «
Hand fiel dem unruhigen Pferde in
die Zügel. Ihre schwarzen Augen
schossen Blitm Die Worte sprudelten
von ihren Lippen. Das, was Lola
Misz Smith zu sagen hatte, hatte der«
Stolzen noch keiner gesagt. Der
Grooin sprang empört vom Pferde,
um seine Herrin von der Lästigen zu
befreien. Als er Lola hinwegziedräni
gen versuchte, bäumte sich das Pferd.
Sein Huf traf die Brust der Mei
nen- -
Peinlich berührt war Miß Mond
vorn Pferde gesprungen. --—
Lola hatte erreicht, was sie gewollt
hatte-. Misir Mond stiege die vier Trep
pen zum Melier wieder hinan. Warum
: — was sie dort droben sollte und woll
?te, wußte sie nicht« Eines Unrechts
war- sie sich nicht bewußt. Sie hatte
Mistcr Frcn ihre Meinung gesagt —
es war shaeting, wenn er sich darüber
Kopffchmeuen machte. Nur Lolas
unruhige, fordernde, bittende Augen,
Ldie sich förmlich in die ihren hohrten,
lassen sie gegen ihren Willen mit sich
« t.
-
(
Z Der Graun und ein Mitleidiger
trugen das leichte Figiirchen
i Maud öffnete eigenhändia die Thiir
zum Aielier und ließ die Männer mit
der Kleinen an sich vorüber: «Lola
hrinqt Jhncn die Signorina, Signor
spLpla s- z
»Ein Unfall, der mir unendlich pein
- lich ist « unterbricht Maud Sinith
· Loln --— ihre Stimme llinai klar und
kalt — wie Glocken in schneidender
Wintkriiiltr. »Es wird selbstverständ
lich meine Angelegenheit fein, iiir einen
tüchtigen Arzt, eine geschulte Pilegerin
öU —«
s Robert Frets zeigt ohne ein Wort
z nach der Thür.
Achselzudend geht Mand. Der
s Grovm folgt ihr in gemessener Entfer- .
i nuna. Shockina ·-— diese eraltirten
Deutschen, denkt sie, als sie ihren Rap
pen besteig t
«- Und droben, die kleine Lola, steht
i· schon mit einem ihrer Kinderfiiße auf
i dem"duntlen Wege in’s Jenseits. Ro
bert Fteh iniet neben ihr. Er hiilt ihre
zuckende Hand in der feinen. Und
plötzlich beugt er sich nieder und drückt
einen Kuß auf ihre Lippen —- et weiß,
die-se Wenzehrnna macht sie glücklich;
« Und Loia fchliint die Augen auf.
Sie strahlen wie damals-, als et ihr
, den Koniettitaften füllen ließ. »Oh,
I Signa-« sagt sie mühsam- - «reiche«
E Armuth — —
----- —-——-.-.—.
seitwärts-er set-h III Ieise-.
—
Von einem seltsamen Brauch, der
sich in Persien in jedem Jahre in der
Terften Hälfte des Februar abspielt,
unsd von dem auch die in Teheran
wohnenden Europäer betroffen wer
:den, berichtet ein Mitglied der deut
schen Gesansdtfchast in Persiem »Das
Oberhaupt der Derwische in Teheran
führt den Namen Natib. Etwa 40
Tage vor dem Beginn des persischen
· Neuiahrsfestes » dieses Fest (Nau
rus) wird als Frühlingsfeier im
März begangen übergiebt er seinen
Derwifchen eine Aste-der vornehmsten
Bewohner der Stadt, einschließlich des
französischen Gesandten, mit der
üblichen Weisung, das Löfe eld vor
ihren hausern einzuziehen r ein
zelneBruder Derwifch oersthet sich mit
einem kleinen Zelt, das er am Thür
eingang der betreffenden Wohnung
aufschliigt, wobei er sich höuslich ein
richtet und auf das Geldgefchenl war
tet. Der Falir läßt übrigens mit sich
reden und begniigt sich mit wenigen
Tomans, über welche er später eine
regelrechi auf-gefertigte Empfangsbe
scheinigung seines Vorgesehien aus
stellt.» Wird ihm die Zahlung verwei
gert, so wendet er ein drasiifches Mit
tel an, urn seinen Zweck zu erreichen.
Jn turzen Zwischenpausen entloclt er
einer Trompete die unglaublichsten
Töne und gönni dem Hausherrn we
der bei Tag noch bei— Nacht die noth
.kpmdige Ruhe. Selbst eine tüchtige
Tracht Prügel würde der Fatir mit
aller Geduld ertragen, ohne sich ver
anlaßt zu fühlen. mit leerem Beutel
den gewii lten Standort zu verlassen.
Eine fol itzehandlusngd wiirde aber
von den umwohnenden achbarn iibel
vermerlt werden- denn einen Fatir
zu mißhandeln, verstoßt gegen die
öffentliche Meinung.«
—
— Forstschädlinge. »Herr
Fiirftey was versieht man eigentlich
unter sogenannten Jorstschiidlingenf
»Mupts«achlich den onnenfalter und
—- Verlobte, die ihre Namen in die
Baumrinden schneiden»
Jomplimeni herr: «Gnd«
dige haben ein tlafsisches Gegchtf
Dame: »Was heißen Sie tlass chi«
: III- YAI alt ist-«