Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 22, 1907, Sweiter Theil., Image 8

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    LFIM
Jsiwa Buchholr Warschau.
Fi- Weben alle unter strenasfer
M in das Gefängniß non Krus
It abgesiihrt«Sämmt1ich zu
Jahren Zwangsarbeit ver
kt... Es waren ihrer dreiund
zig, darunter auch Frauen. Hin
Federn schritt ein zur iFstorte gehö
( Soldat, der seinen ,,Arrestan-;
fu« mit der Aufopferung eines ans
»Wuchean Kindermädchens be«
·lwchte, — Schritt für schrktt folge
» et den Spuan des inm anvertrauten
-Iindleins, in steter Angst, daf) es
iher entfliehen und, auf diese Weise
ihn selber der Freiheit berauben
könnte.
Der Zug hatte die letzte Etappe er
reicht; nur wenige Messen trennten
sie noch von Krasnojargh wo ihrer
das dunkle Gefängniß, Zwangsarbeir,
eiserne Verschlußketten, fchonunas
lese Tisziplin harrte (7nrf1iek)en!..
das war der Traum eines jeden von
ihnen!... Kein-en gab es, dessen Jn
. Mrrs nicht von dem heißen Wunsch zu
fliehen verzehrt worden wäre .. Er
begleitete sie während des ganzen Jan
gen Weges. Und nun war die letzte
Etappe erreicht; —- entkarn man nrcht
ihrs-ne so war es morgen zu spär,
und das Gefängniß würre sich gleich
einem Sargdeckel über dein junaen
Leben schließen.
-·Alle waren sc von Penseioen Ern
F«
msnoungen beseelt, oteieloen Gedan
ieir und sehnsii ,tigen Wünsche erfüll
ien sie, und jeder war bemüht, feine
Etregnng zu verbergen, weil er fürch
Me, das Fieber der Nerven seinem
Fährer zu verrathen, dessen Wack
anikeit sich vor der letzten Etappe noch
Ieigertz dessen Benehmen sich nun
durch eine unerträgliche SorgfamieiH
eine ansdringlirhe Höflichkeit und eine
zuvor-kommende Liebstnswijrdigteii
anszeichnetr.
-·Entsliehen, um jeder- Preis ent
szieherri Fliehen, selbst wenn man es
mit dem Tode bezahlen «niißte!«
Mit besonderer Beharrlichteit Pochte
ssps im Hirn und im Herzen eines der
Verm-theilten und er beschloß, auf
jede Gefahr hin zu fliehen. Jetzt,vor
der lenken Etappe zu fliehn!
Man hatte fast alle Verurtheilten
sgtrepvenweisie mit ihren Führern in
Bauernhiitten unteraebracht, nur er
und einige Kameraden waren zurück
geblieben Sie mußten nun einzeln
oder uzweien mit ihren Sokdaien
ans tuben vertheilt werden.
»Komm mit mir!« sagteer zu sei
nem Soldaten, »der Kamerad aus der
Gruppe-, die am Ende des Dorfes be
herbergt isi, hat meinen Tabat behal
ten,-— bei einem anderen, dort an der
Landstraße, habe ich mein Zigarefiew
papier gelaisen. . und in der Frauen- 1
Eppe hat eine meine Tücher.« n(
rAbsichi lag es, den ohnehin er-l
Inkdeten Soldaten physisch zu erschö
M: — andererseits hatte er denj
TMsQ die Kameraden noch einmal «
«.dielleichi das letzte Mal, zu sehen, ih
Its fester die hand zu driicken tiefer
in die Augen zu schauen und Abschied
sts nehmen
Es schien ihm sodann, a: g objederi
»Es-diesen feftcn Händedruck Versianden
nnd ihn in der Seele gefranet hätte.
Der Soldat war erschöpft; wider
-. ptuchslos erfüllte er die Wünicbe"
s nes «Pvlitischen", rannte mit ihm
krnu Hütte zu Hütte, wo die Verm
gib-isten untergebracht waren, —- von
, einem Ende des großen Dorfes zum
,2i-cnderen, —- bis zum späten Abend.
Ida es Zeit wurde, sich zur Ruhe zu
T««degeben.
sz « Endlich waren sie in ihrer Stube
««k"-angelangi. Es toar die einzige, alter
Stoße Stube einer Bauernhiitte, mii
- tnem riesigen Ofen in der Ecke, au
die ganze Familie schlief; in
kmkm otcllell Bericylag ruyxe ein
alter Mann, und nn der Wand gegen
til-see der Thür, stand eine ebenfalls
breite Bank, auf der der »Volitische«
mit feinem Soldaten untergebrachr
set-den sollte.
s" Der begleitean »Er-It ist ver
Xsflichteh den Verlsrechek die ganze
Nacht hindurch zu überwachen; er bat
y»sicht das Recht, auch nur fin eine
Minute einzuschlafen, wenn er mit
W Vetbtecher allein ist Aber der
Soldat konnte vor Müdigkeit nicht
" Auf den Füßen stehen.
»Ich werde mich ein wenig hinlegen
ohne mich auszulleidenf sagten
Und war nicht einmal im Stande, fei
nen Mantel abzunehmen »Schlafen
herbe ich nicht, mich nur ein iveniq
aufstrecken». ich falle um vor Mii
beseit» .« Er streckte sich seiner gan
Länge nach auf ver Bant aus«
Es neben ihm an der Wand legte sich
«Palitifche« nieder.
Eise kleine Vetroleumla tnpe
items-te die ganze Nacht Man durfte
M Licht nicht auslöschen, wenn ein
Ithsiltek in der Hätte war. Die
viiiie schlief noch nicht. Um nicht
Tchlummem führte ever Soldat
Unterhaltung und kämpfte, so
« seine Kräfte teichten, gegen den
au. Sie sprachen von der
von den augenblicklichen Ge
eiten nnd von Orten, wo das
De bilti t wäre. Der Soldat
non einer Familie und da
ie the-m das Leben« fei
— unterhielten sie sich so bis
Schlaf sie Magiltig ähermannie
et ist doch nicht schlimm. ein
- - n,« dachte der Sal
n Augenlider fielen
Wilh-( von selbst zis.
biet arme Wicht
ist hoch auch miide... « wo sollte er
fest an Flucht denien... er hat sich
ganz anzgezogen... ich werde auch
ein Bizchen schlafen...morgen vor
Tagesanbruch geh« doch weiter....
habe so viele Nächte nicht geschlafen
..·.hnhe teine Kraft mehr.« Seine
sGedanlen begannen sich zu verwirren,
sie rissen ab und entglitten, als oh sie
in einen dichten, finsterm Nebel hin
abgefrsnten wären. Er fühlte diesen
Nebel, und es schien ihm, als ob er
selber mit der ganz-en Last seines mit
ver schweren Uniform bekleideten
Körpers hinabsänle, während die ab
gerissenen Worte in dünnen Klang
strömen aus seinem halbgeöffneten
Mund hervortamern Diese Klänge
wuchsen an und erfüllten die Stube
bald mit kräftigen gefunden
Schnarchlauten, dein Schnarchen ei
nes Menschen« der einen langen, hel
denhaften Schlaf zu thun gedenkt.
Vom Ofen tönt-en ebensolche Laute
herüber, wenn auch nicht so start
sJtur der Alle schlief nicht. Man
hörte, wie er sich unruhig hin und her
rälzte, wie er alle Heiligen anrief.
dis: ihm helfen möchten, einiuschlafen
und wie in diesen schlailosen Stunden
leise alten Feinden ihn fchonungslos
überfielen. Die Unruhe und die
Schlaflosigleit des Alten quäkten,
reizten und brachten jenen Mann zur
rasenden Verzwieslung, der vor Tilnaie
und dem fehnsiichtigrn Wunsch aliihi
te, ans der Stube zu entfannpsen nno
usbemertt ans diesem Reich des
Schlaer zu entkommen.
Er lag wie lang-schmiedet nn der
Wand, neben seinem Soldaten nnd
wartete mit verhaltenern Atlxern da
taus, daß der nngliickselige Greis end
lich einschlafen möchte. Aber der Alte
schlief wie zum Trotz nicht ein. O,
wie gern würde er ibn erdrosselt ba
ben, t-:n alt-en Teufel dort! Um je
nes millen, weil jener nicht einschla
fen konnte. soll er morgm der Frei
heit ans ewig Lebewabl sagen, auf
ewig von dem Leben scheiden! Wel
ches Dasein stand ihm bevor! Jrn
Gefängnis-» in Einzel-hast« dreizehn
Jahre lang, bei Zwangsarbeit und
strengster Disziplin! Plötzlich wurde
das Stöhnen des Alten seltener Eine
Stitnme verstummte, und endlich
herrschte tiefes Schweigen ans seinem
Lager.
Der »Politiscl;e« bebte. Er hatte
schon längst unter der Decke feine
Kleider angezogen. Vor Erregung
rnit den Zähnen ilappernd machte er
mit vorsichtigen Bewegungen eine Ge
stalt zurecht, die an seiner Stelle ne
ben dem Soldaten unter der Beete
liegen sollte; als Kopf konnt-e sein
kleiner Reisetorb dienen Dass in
der Stube herrschende Schnarchen
half ihm, sich mit unvernehrnbaren
Schritten der Thür zsi nähern. Nun
stand ihm das Schwerste bevor-, da
von hing sein Leben, seine Rettung
oder sein Untergang ab. Die Thiir
war mit einein großen, eisernen Rie
gel geschlossen; ntn ihn lautlos zu
rückzuschiebem bedurfte es großer Ge
wandtheit und Vorsicht Wie ne
liihrnt stand er an der Thüre. Es
schien, als ob alle seine Lebenskraft
geschwunden wäre. Er iiiragete das
Schwß nur zu berühren. i-: Sie
tunden seiner Unentschiossenheit er
schienen ihm wie Stunden Er fühlte
einen kalten Schauer in seinem her
zen, das den Puls aussestes er sitt-lie,
wie in rein eisigen Angstschauer seine
Haare emporstrebten, sich einzeln er
hoben, und-wie alle seine vomSchreclen
gebannten Glieder zitterten und beb
:ten bei dem Gedanken, daß im näch
lsten Ali nblick der Soldat erwarten,
ihn fa en konnte. und daß er dann
verloren märel . . . Mit kalter, zittern
der Hand berührte er das talte Eisen
...Wie viel Zeit er damit verbrachte,
sden Riegel lautlos zurückzuschieben——
Ldas wußte er nicht mehr. Leise öff
lnetk e: die Thük und kann-· izk de
lsinsteren Flur hinaus. Ur schloß vor
Esichtig die Stubenthiihund schob mit
sgleicher Vorsicht den Riegel der aus
drne Flur in den Hof siihrenden Thiir
zurück·
Auf dem Hofe herrschte lautlose
»Stil« und tiefe Dunkelheit Auch
ringsherum schien alles in Dunkel ge
hüllt. Der Himmel mit den schweren
Walten hing wie ein schwarzer Ozean
iiiber der dunklen, grauen Erde. Die
ELuft war mit kalter Feuchtigteit
s durchträntt.
Schnell näherte er sich dem Zaun
und kletterte auf die Straße hinüber.
Aus der Straße makes ebenfalls still
und dunkel wie aus dem Hos, aber
bald erglänzte in der Ferne ein Licht,
das sich langsam näherte. Es war
der Wächter, der ihre Hütte bewachte.
Der Flüchtling wußte nicht, daß jede
Hütte. in der sich verurtheilte »Poli
tische" befanden, auch von außen be
nacht wurde. Wie eine Katze sprang
fee schnell wieder in den Hof zurück.
Als er mit seinem Soldaten seine
Kameraden aufsuchte. hatte er be
merkt. daß ihre Hätte nicht weit vom
.Feldr.»itand; ohne einen Augenblick
zu ngrrh kletterte er rasch aus das
Dach eines kleinen Schuppens und
sprang von dort in den Nachbaer
binner Hier siel er, in eineSchlamm
psütze hinein. Jn der Ferne bellte ein
Hund. Er regte sich nicht« bis dieses
un betene Hundesebell verklang. Mit
S entity bewi, schritt er langsam
nach dem anderen Ende des Hofes und
kletterte iiber einen spitzen, geflochte
nen » tin zun- nächsten Has: hier be
gegn "e ihm-der Hund mit ver weiseb
Its-in seiten Doch war der Flächeting
snnt der·sunde-Psnchologie gut ver
traut; er reinste, daß die Hund-, vie
W
Nachts den größten Lärm mathem
seige sind und mehr aus Angst hellen.
als urn jemand Böses anzuthnn
Gleichgültig, gelassenen Schrittes
ging er an dem bettenden Hund vor:
bei und kletterte auf eins der Hot
dächer. Der Hund begann nun noch
lauter und anhaltenver zu hellen. Ir
gendwo tnarrte eine Thür, aber der
Fitchtling war bereits im nächsten
Hof, von wo aus er über den letzten,
nach dem Felde fünrenden Zaun hin-«
irrertprang. Andere Hunde schlossen
sich dem Bellen an. uni- der Chor war
noch lange nicht verstummt, während
er in dem Graben laq, in den er hin
eingerathen war, als er iiber den Zaun
sprang.
Er fühlte einen tneitendem starken
Schmerz am Fuße, den er sich beim
Fallen verttaucht hatte, nnd glaubte,
das-. er nicht im Stande fein wiitde,
sich zu erheben., Allmäblich aber ließ
der Schmerz nach, und auch das
Hundenebell wurde schwächen Seine
Weiden Füße, Hände und fein Ges
ficht waren mit Schmutz bedeckt. Es
war keine Zeit zu verlieren Er mußte
so schnell wie möglich den Weg ertei
chen, der zur Stadt führte. und das
Torf noch vor Tagesanbruch verlas
sen- sonst würde sein Soldat etwa
chen, man würde ihm nachsehen, ihn
fassen und zurückführen W Es wäre
also ein Leichtsinn, länaer zu zögern.
So trock. er beinahe auf allen Vieren
tät-er die alsitteEtdc aus dem Graben
heraus und gqu keuchend in der Meh
tuna zum Feld-. Tiefe Dunkelheit
. ::-.---» -i...-c.-.;«z Oel-i «- J
" IUJJ USSIIII LIUBSssshsssss Sys- d· ssst
kleines Sinnchen über das Feld ge
aan en war, bog er nach lints ein.
da einer Berechnung nach in jener
Richtung die Stadt liegen mußte. Er
leschleunigte seine Schritte, strau
chelte oft iiber ErdhiigeL Fiel und er
hob sich wieder, und das Dorf btieh
immer weiter hinter ihm zurück. Von
Müdigkeit und nervöser Abspannnng
erschöpft. irahte er weiter. Plötzlich
aber benannen irgend welch-e Töne an
sein Ohr zu drinnen. Er horchte. Sie
kamen von hinten, aus weiter Ferne,
aber sie schienen nicht zn verhallen
sondern iie wurden vielmehr immer«
deutlicher. Sie lamen immer näher.
Sein Herz benann zu pachen. Er
schlug einen Seitenweg ein und lief.
Der Gedanke, Daß man ihm nachsehen
tönnte, wehte wie ein kalter Schauer
durch sein Hirn.
Nachdem er ein Stück gerannt war·
seyteer iich auf die naikeErde nieder,
horchte auf das immer lauter wer
derive Geräusch und wartete. Zweifel
log rührten diese Töne von Rädern
her, die sich langsam nnd schwer um
ihre Achse drehten. Erleichtert oth
mete er auf; ein freudiges Lächeln
umspielte ieine trockenen Lippen
Wahrscheinlich fuhr ein Bauer mit
seinen Produkten nach der Stadt, und
er hatte richti vermuthet, daß die
Stadt in der ichiung lag, in der er
den Weg eingeschlagen hatte.
Jetzt vernahm er ganz deutlich. wie
ein schwer beladencr Wagen sich be
kriegte, wie die Räder gleichmäßig
lnarrten, er hörte das dumpfe Stam
psen der Hufe. Alle diese Klänge
schienen sich ihm zu nähern --— der
Weg mußte alio nach·der Stadt fäls
ren·
Er hatte Lust, den Bauern anzu
halten und zu fragen, aber erkannte
sich nicht dazu entschließen; falls man
ihm nachiekie, könnte man jenen aus
steigen —- Der Wagen fuhr vorüber;
schnell erhob er iich und bog in einen
Seitenweg ein. doch bald versperrten
ihm Bäume den Weg: — hier begann
· der Wall-. Der Flüchtling freute sich,
da er sich jetzt außer Gefahr glaubte,
nnd lief nun weiter-, parallel mit dem
hauptwea til-er den der Wa en fuhr.
Bald vernahm er aus der gerne be
nannte Laute das Rasseln dessele
-
"Wagens. den er bei teinem ununter. -
trockenen Laufen überholt hatte·
Er mußte die Stadt vor Tagesan
bruch, während noch alles fchlie7, er
reichen, um leinen Verdacht zu er
wecken. Er lief weiter...
Der Himmel wurde heller, und ijber
der dunklen, feuchte-i Erde erhoben sich
hier und dort grau-weiße Streifen
des Morgennebels. Ringsurn herrschte
Schweigen; tein Laut, tein Geräusch
ertlang, nur das dumpfe Echo der
rasch dabineilenden Schritte des
Flüchtlings hallte im Walde wieder.
Er zog die Stiefel aus« um Vieles
verrätherifchen Geräusches ledig zu
fein, und lief barfuß weiter, die Stie
fel unter dem Arm. Die Bäume wur
den sinnlicher-, offenbar hörte der
Wald auf. Aus dem Walde lief er
zum Weg hinüber, auf dem er noch
immer pas Rasseln des Wagens ver
nahm-.
Der Himmel wurde bleichen Er
konnte jetzt alles deutlich wahrnehmen
Klar zeichnete sich der Weg ab, über
den er lief. Jben war iß geworden
Der eis e Nebel erfris te ihn. Seine
vom - weiß feuchten steider klebten
an seinem Körper. Auch über lein
mit Schmu bedecktes Gesicht rann
der Schwei in Strömen, aber er
mischte ihn nicht ab, er lief, er hatte
keine Zeit zu rasten.
Wie weiter noch von der Stadt
entfernt war, wie lange er noch zu
laufen hatte, --—— das wußte er nicht.
Vor ihm zeichnete sich klar eine tleine
Holzbriicke ab, zu beiden Seiten wa
ren Gräben. ,
« Möhlich wurden ganz Unerwaktet,
gleichsam als wären sie ans der Erde
«heeanigewachlen, Laute vernehmbae:
er hörte ganz deutlich das Stampten
von Zeiten« das Geräusch hurtig zur
Stadt eilender Dafe. Zweifellos war
es ein Landschaften ein Reiter, der
W
Alarrn erheben oder die Nachricht von
der Flucht des »Pclitikehen« verbrei
ten f»llte. Er mußte Deckung suchen-.
Wo? Vor ihm lag das offene Feld . . .
Wald war nicht zu sehen... beidem
andre-Lenden Tageslicht war et leicht
zu keinerlen Es blieb ihm nichts
übrig, als in dem Graben Zufluchtzn
suchen, in dem einen Meter hoch
fchmutzineg Wasser ftand... Der«
Reiter näherte sich mit Blitzesschnelle.
Der Flüchtling stürzte sich in den
Graben und hielt sich bis zur Kopfes
ksöhe darin verborgen.
Das triibe, fchznutzige Wasser drang
ilim in Rufe nnd Mund; mit eisiger
Kälte umfing eg feinen in Schweiß
gebadeten Körper; er fühlte ein Ste
chen, wie von tausend Ameisen...
Lllz er Den Kon ein wenig empor
hob, um anfzuatlimem vernahm er
dicht iiber sich lautes Pferdeftampfem
das fich wie Donnerrollen anhörte.
De Reiter letzte über vie Holzbeiicke,
nnd das matte Morgenlicht ließ ibn
den aus dem Graben hervortauchenden
Kopf des Flüchtlingö nicht bemerken.
trinen Lluaenblick später war der Rei
ter außer Sicht. Das Stamvfen der
sich entfernenden Hilfe vertiinte...
nnd nsieder versank alles ringsumher
im loutlosen, morgenirischen Nebel.
Der Flüchtling bot einen entset
tichen Anblick Das Wasser lief mit
dem Schmutz von feinen Kleidern
herunter· vom Kopf lief es til-er fein
Gesicht Ir- nllen Gliedern empfander
cme eisige Kälte von den dnrelmäfzten
Kleidern. Das Fieber schüttelte ilm
und seine Zähne tlapperte-n. Es war
keine Zeit zu zog-ein« nur immer
weiter vorwärts! Die vor Kälte er
starrten Züge wollten sich nicht lie
wegen. Die durchniißlen Kleider
hingen schwer herab. Der Flüchtling
kannte sich vor Miidiateil kaum bal
ten. Wäre er doch erst in der Stadt,
wo er sich reiniaen nnd ein mensch
liches Aussehen annehmen tonntel
Wieder rannte er weiter, aber nicht
mehr so schnell, feine Kraft reichte
nicht mehr aus · .. Nach einer Stunde
hatte er erst den Schlagbaum erreicht,
hinter dem die Stadt begann. Es
wurde hell. Der dunkle Himmel hatte
eine man-weiße Färbung angenom
men. Die Straßen waren leer. In
den Häusern schlief man nach. «
Er wollte in das nächste Gasthaus
bineingehein das er aner Wege finden
würde, noch waren alle nach efchlais
ien. Als er nun in den men chenlees
ren Gassen umherschlenderte, bemerlte
er an einer Erteein Wirthshaus,das
soeben geöffnet wurde. Eilig trat er
hinein. Jm zweiten Zimmer ließ er
fiel; an einein Tisch nieder. Er hatte
Geld. Er bestellte sich den gewöhn
lichiten Smnaps, den er eiie in seinem
Leben getrunken hatte, und trant ein
Glas nach dem andern. bis ihm warm
wurde. Inzwischen nahm er einen
Initan Nun brannte es wie Feuer
in seinem Innern. Jnfolge der Mii
digleit des getroffenen Branntwein-J
drehte sich alles vor seinen Augen -——
am liebsten hätte er sich hingelegt um
etnzuickzlafen. Er mußte feine ganze
Kraft aufraffen, um der Versuchung
nicht zu erliegen. den Flon an die
Tischtante zu lehnen unt- ein erschwere
inern... Er bat um ein Äqndtnehs
wischte iein Gesicht ab und reinigte
sich so gut es ging. Dann zog er
die durchniifxten Stiefel an und ver
lief: nach halt-stündiger Rast das
Gaslhaus. Jn dem Arrestantemisw
zug, der in Folge des an thn lieben
den Schmutzei nicht kenntlich war,
und mit feinem nur noli-dürftig erei
niaten Gesicht mußte er einen anri
schne Anblick bieten; oie Arbeiter-, die
ihm begegnetem lachten und ftarrten
ihn an. sp«
»Kameraden.s Kameraden!«· dachte
ver Flüchtling, »ihr with nicht, über
wen ihr lacht, — wüßtet ihr’s, sfo
würdet ihr nicht lachen!«
Nun aber schnell weiters,.. »Mit
eiltgen Schritten setzte re seinen Wes-,
fort, überschritt mehrere Straßen. wo
er einigen Frühausstebern begegnete,
endlich trat er an ein Haus heran und
verschwand hinter der Pforte, die er
öffnete
Arn nächsten Tag, als die Laternen
angezündet wurden, trat aus der
selben 1leorte ein junger Mann mit
einem lleinen, ledernen Handtofier
beraus, rief eine Droschle herbei und
ließ lich nach dem Bahnbos fahren.
Es mar der entlommene, politische
Verbrechen oen man seit gestern ver
geblich überall suchte. Sehn-ersieh
hätte ihn Jemand erkannt. Er trug
einen eleganten Anzug, einen moder:
nen Dut, wie alle ehrenwerthen. zu
verlässiaen Bürger, einen lleidsamen
Ueberzieher und handschuhe. Nagel
neu und Peschrnaclooll von Raps bis
zup. Au, ver Nase hatte er einen in
od gefaßten Kneiser. In diesem
vornehmen jungen Mann schien nichts
von dein gestrigen Flüchtling übrig
geblieben.
Seit einiger Zeit aing die Wach
samteit der Gent-armen an der seh-its
sehen Eisenbahn so weit, daß sie ohne
Weiter-Z sieh von den Reise-eben die
Iahrlatten vorzeigen ließen, wobei iie
ihnen in zudringlikher Weise 1n’s Ge
sicht siarrten. «
Aus der Eisenbahn war bereite der
steckbeiesliche Erlaß bekannt. auiallen
Bahnhosen hingen-die Photographien
des Flirchtlings, doch vermochte auch
er sieh in diesen Bildern nicht wieder
zuerlennem wenn er einen Vergleich
mit seinem jehigen Aeuszern zo .
Dort. dann-ein Bilde blickte ern nee
vöses, intelligentes Gesicht rnit einem
lange-i Bart und einem dichten Haar
sehopf, »s— ietzt trug er leinen Bari,
sein Haar war turz geschoren, der
Ä
T» Sünde-thut
—-«
Hauptmann: »Romemd Schutz ist also so unlijdljch veri;eimthet?«
Leutnant: »Ja, ·mit Her Schivksm Des tfjnjäbriqen Huvcr.«
Hauptmann stopfschuttelndk Ocan diese Winiiihtigen!«
S nnrrbart war ein wenig nach oben
ger chtet. esker S nurrbart nnd der
Kneifer verliehen i m ein ein-as Jan
dymiißiges Aussehen. Kur die Aussen
hatten denselben traurigmiiden Aus
druck, in dem sich das ganze Drama,
alle Qualen nnd alles Leid spiegelte,
das et im letzten Jahre seit verlier
fchietung mit seinen Kameraden er
fahren hatte. Diese Augen verriethen
ihn. Er ließ Niemand in feine Augen
blicken, indem er sie von Gegenstand
zusBegenstand, von Gesicht zu Gesicht
schweifen lief-. —- Det Gendarm der
sich ihm mehrere-nat genähezt nnd-ihn
ausmettsam betrachtet hatte, ietzteihn
in Verlegenheit. -—— Seine Wangen
sägt-ten sich, eine netvöstbast nnd
Zerstreuung bemächtigt-en sich seiner,
er sprach viel. doch fühlte er, daf: et
nicht zur Sache redete und wurde
gleichzeiti von furchtbarer Angst ge
quält. da er sich auf diese Weite ver
rathen tiinntr. ,
Um die Verlegenheit u stricken-—
chen, begann er mit dem --.ffizier, der
mit ihm in demselben Konnte fuhr,
eine Unterhaltung· Einen Augenblick
schien es dem Flächtling, des-, der Gen
darm ihn erkannt hätte. Schon war
der Gettrenge im Begriff, sich ihm zu
nähern..., der Flüchtling wurde
tileich, doch in der nächsten Minute
klopfte er dem Offizier vertraulich
auf die Schulter nnd forderte ihn
aus« mit ihm am Buiiet ein Gläschen
Wein zu trinken. »Jen! zahle ich,
wenn Sie erlauben!« rief ers
Diese Vertraulichteit des verdächti
gen Passagiers mit Dem »Ve·:theidi:1er
des Vaterland-es und dessen Wohtikas
benheit beruhigten den Gendarm voll
tomtnen, und er betrachtete den
Flüchtting nnn qleichgiiltin, nährend
er den Ofsizter, der mit Jenseit-unter
neiaßt zum Buifet schritt, mit demü
thiget ssrgebenhzit anichantt...
Auf diese Weise tatn der Fiiichtting
nach Mestatk Wenige Wochen später
war er in der Schweiz.
Aff
Dek kleine Oasen.
»Schon wiecer eine Firllette1’ «"’-ir
aeben nichtal«- riefen die Mitglieder
des ctadtiheaters, und der dicke sta
rniter meinte aani ernsthaft, wenn
diese Schnnrrerei io weiter ainae,
müßte man schließlich selber Kollet-je
machen. Endlich entschkokr man sich
aber doch, diesmal non-. eine Ans
nahrne zu machen. Der Einijerst diirt:
ng gekleidete nnd « wie er mi. be
bender Stimme erzählte -------- Durch
Echicksnlsschlae in birtere Noth gera
tnene, ehemalige Kolleae schien eine
kleine Unterstützung wosl Zu verdie
nen.
»Liebe Herrschaften« -- hatte er
jammernd gefleht -— »Nun Sie etwas
siir mich; ich habe gehungert nnd ge
darbt,- mit meiner Frau Kummer nn:
Elend durchgemacht, aline Murren,
aber ietzt«. —- Thränen eriticlten ieine
Stimme —-— ietzt tann ich nicht einmal
mein armes Weib begraben lassen."
«Na, nun werden Sie doch nsoizl
Ihre thenre Gattin bestatten lassen
lönnen?« "
Der Zug setzte sich schon in Bewe
gung, als der nach Freundlich Win
ter-de antwortete: »Ok) fa, das Geld
würde schon ausreichen, ater die
Sache bat einen kleinen haten —
meine Alte hat nämlich ein zu zäbes
Leben!«
Die stricken-riet sente.
In Zkvickelbnrg gab es eine wichtige
(tierneinderathssitznng. Denn es aalt
diesmal nicht nur einen herzlialten
Angriss aus die ideellen Güter der
Zwicketburgen nämli den Gemeinde
säael, sondern es han lte lich um eine
durch nnd durch fanle Sache, nnd das
war die uralie hat drücke, welche in
nerhalb der Erstarkung Zwtckelburas
über einen schilt-wenden Wildban
führt-« Die Beil-te — war schon liber
hundert ,Jalne alt, nnd niemand
tonnte sich erinnern, daß jemals ein
Un lück damit paisirt wäre« außer in
letz er Zeit, wo ein Fahrt-recht mit
sammt seinem Wagen due brachen
mar. nnd eine alte Beeren ammlerin
das ebedeni sa. starte Geländer durch
gedriickt hatte, als sie sich mir ihrem
schweren Korn-»ein wenig dagegen
lehnte. Solche Sachen toriimen doch
überall vor, wo es hslzeene Brücken
gibt. Als-er da war natürlich die habe
Kreisregieruna getomnien, das heißtl
sie hatte so einen lieben, gescheiaten
Ingenieure geiandl, der xsich gest nicht
genug thun konnte, vie Iwiaelbnrgei
Initiative im allgemeinen und die alt
ehrwürdige Briiete im besonderen zu
temiingeln
Doch lo fehe sich auch die Zwieiels
biirget Gemeindeälteften wanden und
ilriiubten, die alte Briiele mußte weg
und an deren Stelle eine neue gebaut
werdet-. Es handelte sieh nur darum,
ob sie aus Stein oder aus Eler her
zustellen kei. Der Jngenieur bemühte
sieh. in einer längeren lachlichen Rede
den Zwiclelburgern die Vor- und
Nachtheile leider Materialien darzu
legen; seine Meinung war iiir Stein,
selbstverständlich stimmten die Zwickel
barger tiir lkiien Um die eigensinni
gen Dicklijpie vielleicht docli noch ande
ren Sinnes zu knacken, spielte der
Jngrnieue zuGunlten seiner Meinung
den letzten Trunipi aus, indem er
sagte: »Und dann, meine Herren,
cmiissen Sie anck die andation in
Rechnung ziehen!« .
Aber damit lam er den Zwietelbur
pern gerade recht.
»Meist: if«,'« erwiderte der Geinein
deverstand nnd schlug mit seinem
Krug aiif den Tisch, »was lann die
Lsrndation kalten? Die werden m’r
aucks noch Zahlen tönnen!«
lind lo wurde Iie Brücke aus lfiien
gebaut
Clsneshmeu eines Gutestun-erj
3 Als dieier«Tage der berühmte spa
nilche Maladvr Machaauito eine
reiche ameritanische Erbin heirathete,
widmeten die spanischen Blätter dein
,.Ereigniß" aanze Spalten und ers
mähnien dates dievThatlachh daß der
Stieelämpiet in Ausübung leine
EBerufes leit drei oder vier Jahren
iiber 1l-»- Million Peletas jährlich ker
dient hatte. Dabei zeigt die Statistik,
daß das bliihendeGeichöit des Stier-—
tcinples in Spanien lich noch immer
weiter entwickeln Jin Jahre 1906
wurden im Lande 272 eigentliche
Siierlänivie und JZH »Novelladoö«
lsiiimpie mit jungen Stiereny ahge
halten. Jn den eriteten wurden 1379
Stiere abgeschlasslnen deren Preis im
Turchlehnitt 1500 Peietas betrug,sp
dafi dieles Schlachtovier im Ganzen
——WM «.. «
HAVEan Vefeins loilete, nnd in den
4anderen Kämpfen wurden !500 »No
vkllos«, die einen Werth von insge
zfommt Wilhelm Pefetog darfielliern
Zvom Leben zum Tode befördert. An
riefen «,lsori-do5« nahmen TM »Mein
dors«, darunter eine Fron. und 849
andere Tereros theil· die zusammen
über k; Millionen Prsetas verdienten.
Der Werth der Pferde, die bei diefen
Kämpfen getödtet i··.«nedn. wird auf
Asstxwf Tiefetas geschätzt, und die
übrigen Reiten der Schauspiele erho
ben sich nnf 1,760,0()0 "P-.«fela.s. Jm
Ganzen ..-etrngen die Ausgaben A
Millionen, denen jedoch 12 Millionen
Petetos an Einnahmen gegen-Tiber
standen. Wie qefaan :a"g Geschäft
blüht. Im Jahre 1905 wurden 555
Corridas weniger abgehalten unv
:.«20 Stiere weniger getödlet. Trotz der
hohen Zahl der Stierliimvie und trotz
te- zahlreichen Unfälle, vie dabei vor
kommen s— ein Matador wurde vier-s
mal verwundet s—, war 1906 doch
nur ein einziger Todesfall zu ver-—
zeiehnem der »Ein-dor« Boena wurde
am U. Ottober auf der Plaza von
Sei-illa ein Opfer feines Berufs.
Die Ikemdinnem
Emmht »Du, die bildegarv macht
in diesem Winter rasend viel Balle
mil.«« .
Agnel-: »Ja, ver Arzt heil ihr eine
finenve Lebensweise ange
iathen.«
Mule
nFremder (auf ver Rheinbriicke in
Ko n.« fragt einen Jungen): Kleinen
was rfl das ier für ein Weitan
Junge: » ölnifehes Wosser.«
Sie die M.
Tänzer titiitmilch): Alex-. mein
- Fräulein, See sind wie eine reizende
- appel«
strenge Dame-»Ja und wenn man
mich lo fjarl venelt wie Sie, rufe ich
genau, wie die Puppe: .Marnal«
,
Micheli-he- Geffki0. -
»Deinen Sie sich nur: Geftern un
ter lte schmech am Telep n mit
uneeer Weilcherin« Sie wiffrrn der
but-schen Blond-me — auf einmal be
komme» Ich ienen fürchterlichen Schiag
; »Aha, von der elektrischen Les-«
tun-W
«?tee, von meiner Alten-«
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