Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 22, 1907, Sweiter Theil., Image 10

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    In den Dielen.
Roman von Margarete Yokff Weder-.
(9· FortfekungJ
Liede aber, die daran den Groß
vater genau ansah, gab es jedesmal
einen Stich ins Herz. Die Gestalt
war gebeugt und so überaus hager«
das Gesicht war pergamentfarben,
das Kinn noch mehr vorgeschoben,
und nur die Augen unter der vorges
bauten Stirn leuchteten in solchen
Momenten des Humors noch in
ihrem alten Siahlglanz. Aber Hede
hatte sie auch oft schon anders, so
fieberglänzenv und weiß gesehen,
und bisweilen waren dann wirre
Reden von seinen Lippen gekommen.
Sie ängsiigte sich, daß eine heimliche
Krankheit an seinem Marke zehrte,
und wenn auch der Arzt ihre Sorge
enbe riindet fand, sie wurde dersel
ben och nicht ledig und mühte sich
depd,«0rohp-ater jeden wirthschastlii
chenAerger fern zu halten. Wenn
er das merkte, lachte er nnd meinte:
»Unser gehört zum Leben. So ein
ordentliches Donnerwetter, das so
über den Hof hinschallt und sämmt
lichen Döshänsen Beine macht, zeigt
mik, daß ich noch nicht ausgespielt
Tabe. Und das macht mich zehn
Jahre jünger, kannst es glauben.·'
Aber wenn sie das auch glaubte, ihre
Sorge und Fürsorge blieben sich doch
gleich. Und Elsbeth und Karl Adolf
und Haus und Hof gehörten da auch
nochghinein-.-- So der.Æer...
W Wetter darüber: wenn der
« Briesiräger kam und ihr, ihrer stren
gen Weisung gemäß« die-ans Berlin
rommenoen an ne aorejnrren Miete
persönlich aushändigte, dann fuhr sie
faft immer zur Stadt und gab Geld
zur Posi. Große Summen waren
es nicht, mal zwanzig Mart, mal
dreißig, aber sie stand dann jedesmal
tagelang im Wirbel hochgehender
Gefühtswogen, und die siauten sich
in der langen, langen Zeit vor den
fest-verschlossenen Lippen wie wilde
» Wasser vor dein Wehr- Jn solchen
Tagen umgab sie die Ihren mit
noch größerer Aufmerksamkeit. ihre
Augen spähten noch schärfer auf den
Acker. Siefelbst aber zitterte und;
hehre und wartete des BiitzschiagesJ
Und einmal in dieser Zeit quollen
die Wasser über das Wehr
Karl Adolf feierte seinen Ge
burtstag Er wurde acht Jahre alt.
Von Thchentin war die Gräfin mit
ihren Töchtern herübergetommen,
nnd Pastor Olsen mit seiner Frau
waren auch da. Etwas später tain
dann auch Ernst Olsen von der
» Universitätsftadt herüber, wo er in
I etnee·P-rivatkltnits Assistenzarzt war.
Die Kinder hatten sich bereits an
Laffee und Kuchen und allerlei
Lesercien gütlich gethan nnd waren
an den Bach gelaufen: vie Zwillingtz
Karl Adolf und die ihm gleichaltrige
Margarete. Elsbeth und Erita aber,
die ja nun auch schon junge Damen
waren, unterhielten sich neckenv mit
Ernst Olsen, während die älteren
gereschaften von Otto Detlof von
nchen sprachen. der jekt an der Ber
liner Universität so ein wenig Rechts
wifsenschaft studirte. Die Gräsin
sprach wie immer mit großer Liebe
»von dein Sohne. Hei-e allein sasz
s « d- -«da. Jn sihrers Tasche
brannte wieder so ein Brief. Er
war gestern gekommen. Märtyrer
fte Schilderungen in ihm und
·animern und Klagen, Drohen und
Ketten-. Er schloß dam- mit einem
Gliickwunsch fiir Karl Adolf. Wäh
rend man um sie herum redete und
« stach-, - stampften sich - ihre«Gedae-.ton
in den Sinn des Briefes hinein, ein
iferingschötzeirder. bitterer Ausdruck
a rte sich um ihren Mund und eine
Lamme zitterte in dem Blick ihrer
" u n.
»Ernst Olsen, der sie heimlich beo
bachstiet hatte, richtete jetzt eine Fragel
san e. I
Sie zuckte zusammen
»Aber hebe«, sagte er leise.
»Ich war so in Gedanken«, ent
schttidigte sie sich.
»Wir wollen spazieren gehen,
Lede, ob Du mit willst?« erklärte
und fragte jetzt Elsbeth.
Hehre nickte und erhob sich. Gehen
ins Freie hinaug.... Nicht sc
den Blicken ausgesetzt sein-« ,,Ja«,
sagte sie jetzt laut und sah Ernst
Dlsen an und hatte es- nun eilig,
vegzutommen
Ernst Olsen schritt neben hede her,
während Elsbetb und Erikn Arm in
Arm wrjhnen gingen
Sie schlugen den Weg ein, der
quer durch den Wald zum Bodden
fährt-. Im Walde sin Elsbeth an
zu sin n und sang fo recht aus
wser edle. Dann trat man aus
dems.Watd hinaus, und der Bodden
breitete sich vor ihren Blicken. Er
war so wunderschön schattirt heute,
vom reinsten Blau bis zum tiefsten
Migriin nnd weiße und sonnen
etdme Wellentämme rollten dar
·det hier« Und da rostbraune Segel
usddgein leuchtend weißes und
IM««Ueine Boot-, mit slatternden
I n in den Farben der ver
« denen Studentenderbindungen ..
trd die sitsdem Hier ein wunder
, Den-sicher Wald im Sonnenlicht da
fwk
v - Iswwsvvwsz v
blikender Sand, da Schatten Da
hinten dann, als hätte es nur Sonne:
Rügen. Deutlich war der weißlech
tende Thurm des Binzer Jagdschlo
fes zu erkennen.
Schweigend standen sie und laben
hinaus
Plötzlich breitete Elsbeth die Arme
aus-. Eine unbegrenzte Sehnsucht
flammte in ihren großen Augen.
»Ich möchte, ich möchte-. » ich weis-,
nicht wass« rief sie. »Ich möchte wie
der Vogel fliegen und im Dahinflie
gen singen tönnent'«
Und es sagte keiner ein Wort·
Erika setzte sich in das Waldgras
nieder und faltete die hände und
schaute hinaus. Nach einer ga n
Weile wurde ihr Gebet laut: .ch
ich möchte malen können
alles so ..... solch Blau ..... solch
Griln ..... solch Weiß» .und die
Sonne dazu.« Sie sprach nicht so
leidenschaftlich wie Elsbetb. see sprach
mit verbaltener tiefer Jnnigkeit.
Elsbeths Augen aber wollten ihr
Leuchten und Flammen nicht lassen.
»Hede'«, rief siexe " t und breitete die
Arme aus und um chlan die Schwe
ster, »bede, im nächsten Fabre möchte
ich fort. Ja? Musik studieren. Ja?
O. sage es dem Großvater Ja?«
Sie bettelte so beiß.
werde mein mö lichstes beim
»Er-o thunk s Stimme
klang so gepreßt. über ihr Gesicht
ging ein Schatten
Dann bin ich froh«, jubelte Els
betb und zog Erita vom Boden hoch.
Und die großen Mädchen, die bis
zum Knochel reichende weiße Kleider
trugrn umschlangen sich, spran en
und tollten wie die kleinsten Kin
umher und liefen in den Wald hin
Icllb
! .Was muß das schön sein,« sagte
bebe und sah Ernst Olsen an
«Was, Hede2«
»So eine -Sehnsucht!«
Sie schwiegen eine Weile und gin
gen langsam in den Wald hinein.
»Sage, hede«, Lug Ernst an, »als
ich draußen in r Welt war. habe
ich ost an Dein stilles Leben hier ge
dacht. Sehnst Du Dich nicht hin
ansi«
Es vergingen Setunden, ehe sie
antwortete. »Ich sehne mich auch
hinaus«, sagte sie dann leise. »Aber·,
es zitterte etwas hinter ihrer Stimme
und sie wandte sich um, wieder dein
Bot-den zu. den sie noch sehen konn
ten, und zeigte hinaus: «Siehit Du
die Miit-cui So ein Hihendes Etwas
schießt sans und verschwindet.s So
ist meine Sehnsucht, so blitzschnell
nur, und dann bieihen meine Gedan
ten wieder, wo sie find, in Stein
selde.«
Er sah sie nur an und was in
seinen unreifen Jünglingsjahren er
wacht war, oder vielleicht schon viel
früher, lag seht wie ein quellendes
Licht in seinen ernsten Augen. Aber
er sagte nur: »Du hast es nicht
leicht.«
Sie wanderten weiter.
Hede hatte roß in die Männer
augen hineinge ehe-. doch ihr Blick
war wie der Blick eines itn Fieber
sbewnhtlosen Menschen. So leuchtete
sdas Licht, das ihr entgegenquoll,
nicht in ihre Seele hinein. Da
kosten betäubend die gestauten Was
er. ,
»Ernst«, zitterte es jetzt leise über
ihre Lippen, und nun stand sie still.
Sie hebte am gänzen Kot r und
gkiss in die Zweige eines oßstraw
ches, als suchte sie eine Stütze. ,El"e
beth hat eine so große. schöne Sehn
sucht, und ich hin so schlecht . ich
ich ich hasse den eigenen
Vater!« Mit hestig gehendetn Athem
stand sie da, ihre Augen glühten.
«hede«, lagte ee erschrocken und
ergriss ihre hand. «mein Gott Dede.«
Jst »stiiestens-Thtänen« über das -
Gesicht.
»Sprich Dich nn-s«. bat er.
; Sie hehetrfehte sich gewaltsam,
:entzog ihm ihre Hand nnd bat leise
Imii heiseoer Stimme: »Daß uns
iweitergehenk
Sie schlugen einen Seitenpfad ein
und gingen ganz, ganz langsam
dahin.
Du sie die Lippen wieder so fest
verschlossen hielt, sing er nn: »Ich
weiß, daß Dein Vater hier war,
Hei-«
Sie nickte. »Ja...oor zwei Jah
ren im Winters Seit-der Zeit
schreibt er....nicht oft.... wenn er
durchaus etwas Geld braucht Er
will dann immer etwas anfangen
nnd es fehben ihm paar Mart dazu.
Er findet aber nie einen Anfan2...
es gelingt ihm nichts-. Ali aneb
tor will er es aber nicht versuchen.
Den Vorschlag, den ich ihm schon
oft machte, verspottet er. Wie er
spottet...wag er für Anzdrüeie ge
branclj»..Ach, Ernst....er sagt,
der Großvater hätte..· hätte ihn·
-... Steinpide nennt er
den is seiner Väter . . .. Er schmäht
und verlämndet den Großvater. Ich
habe ihm das verboten. Da schmäht
er mich nnd erinnert daran, daß.er
mein Baker ift... Vater.»« ein
Zacken ging um hedes Lippen. Sie
holte einen zusammengetmätterten
Brief ans der Tasche und reichte ihn
Ernst hin.
Abetmals blieben sie stehen. Ernst
Olsen las den Brief, und hede lehn
,t.e mit dem Rücken am Stamme einer
Eiche und mühte sich ab, den heißen
Strom in sich zu dämpsen.
»Denie, ein Kranter schreibt so«.
sagte Ernst Olsen jetzt und reichte
ihr das Briefblatt zurück.
Die Flamme in ihren Augen
sprühte verzehrend aus. »Nein, ein
stranker ist er nicht!« Sie schüttelte
den Kon und fuhr leidenschaftlich
fort: »Ich denie jetzt so oft über
alles nach. Daß er damals so heim
lich fortgehen konnte. Die Mutter
traut. Wir klein. So alles dem
Großvater überlassen konnte. Nicht
ein Wort zu sagen.... o, wie war
das feige! Daraus ist dann alles
gewachsen. Aber seine Briefe sind so
berechnend. Den Großvater will er
in meinen Augen herabse n, sich
fchönsiirben.... O, ich ha e ihn!«.
Ihre Erregung hatte sich noch gestei
gert. Den Brief hielt sie in der rech
ten geballten hand zusammensetnikl
tert, und die hand gestitulirte in der:
Lust umher. Und dieses wilde, heiße
Lichtin ihren Augen....
Ernst stand nnd sah und sah und
schaute in dieses Licht hinein. Jn
ihm war Empörung über jenen un
gtücklichen Mann und tief schmerzli
ches Mitfiihlen mit Orde. Aber
hierüber floß der Herzstrom Sein
Gesicht röthete sich, er bog den Kopf
vor. »Du kannst hassen. sede. Du
kannst wirklich hassen. Kannst Du
lieben?« sraate er mit iitterndet
erstickender Stimme. und in den Au
gen das helle Leuchten·
Und sie in ihrem Fieber, in ihrer
Blindheit, fuhr heftig aus: »Warum
lasse ich mich denn von- dem Vater so
quälen? Jch liebe den Großvater,
Karl Adolf und Elsbetb Sie sollen
so zufrieden bleiben wie je t. Sie
sollen nicht durch ihn ungliick ich wer
den." »
In seinen Augen Schatten und
Qual. »Kannst Du mich nicht verste
hen?« murmelte er zwischen den Zäh
nen. Doch nun wandte er sich ab
und schritt schnell vorwärts. Und
sie war nun wieder an seiner Seite.
Sie meisten es ar nicht, daß sie
förmlich dahinlie en, sie merkte auch
nich-t, daß sie schwiegen. Jn jedem
quoll ein Feuerstrorn....
»Vater«. sagte Ernst Olsen später
am Abend desselben Tages. nachdem
er seinem Vater in der Laube des
Pastorenaörtchens Mittheilung von
Hedes Gestandniß gemacht hatte,
,,dies alles hat Hedes Seele gebogen
nach einer Richtung bin gebogen
Ells Weib hat sie sich noch nicht be
griffen, und sie wird doch nun bald
zwanzig Jahre.«'
Der Bastar, der in der dunkelsien
Ecke der Laube mit seiner seise sg
that ein paar .trästise iige tin
blies"nun ein weißes Wölkchen von
sich. Jetzt neigte er den Obertörper
iiber den Tisch und legt-e die Hand
aus den Arm des Sohne-: Jenupssi
Du hossnungen daran?'
Seinsdenlang feine Anmut
Nun taki sie. Aus leidenschaftli
cher Tiefe losgerissent »Es-re große
Hoffnung, jahrelang schan.«
Der Pastpr erhob sich, ging aus
dem schnnrgeraden Mittelwea hin
und her nnd rauchte sein Pseischern
Ernst aber saß in der Laube und
hörte sein herzschlag lauter nnd
schneller werden.
Der Eingang der Laube verdun
kelte fich und des Vaters Stirn-re
klang zu seinem-ungeduldigen Herz
schlag hin: »Warte noch.'«
Ernst sprang aus und blieb dicht
vor seinem Vater stehen. »Das
muß ich ja! Aber hier halte ichtes
nicht aus. Jch möchte als Schiffb
arzt ein, zwei Jahre satt-« Er schob
seinen Arm in den des Vaters und
sie gingen m au dem Mitteln-es
hin und her. Ern redete und rede
te, sein Leben drängte unruhvoll
hinaus, den Vater aber stellte er Ins
einen Wachiposten. .Beschiitze sie
mir, ich kann ei nicht.« bat er.
Der Pastar nickte und versprach
ts.
Is.
Es war aber an all der trat-regen
Luft, die auf hedes Schultern log,
nicht viel zu ändern, das sah or
Qlien setfzend ein, als er s
Antwortschreiben Jürgen Unger
mens, das er auf seinen freund
schaftlichen Brief« mit dem er jenem
so viel zu bedenken gegeben hatte«
mit dem er seinen Rath und seine
hilfe als Stellvermittler angeboten
hatte. in händen hielt. Eine Groß
manniiucht trauriglter Art sprach
aus den Zeilen. Unprsitisch, ganz
ungeeignet und nicht begehrt, nannte
Jürgen Angermann den Insel-dienen
Nath, die angebotene hilft Er
rühmte sich des Gro stadtlebens, ver
spottete, was ibrn elbst einst Sitte,
ihm selbst einst tbetrer gewesen war.
»Ich wußte, daß er so schreiben
würde«, sagte hebe und vieles floß
wieder über ihre Lippen, und inrilk
ten Augen lphte die Flamme, die
zwilchen ihr und ihrem Vater brann
te. Postor Olsen sah es wohl, rühr- «
te aber mit keiner Silbe daran, nicht
mit Priesterwort, auch nicht mit
klugem Menschenwort Er wußte,
ihre Seele würde durch dieses Duer
binburchgeben. Und so blieb alles.
wie ei war ..... hebe erhielt bald
wieder einen Brief aus Berlin. Dies
mal benötbigte Jiirgen Angerman
noch Yfiinf ig Mart zu einer größeren
Kautioni umme. um eine Stelle an
treten« u können. Dede schickte das
Geld, chrieb aber. das ihr dauern-de
Sendungen nicht möglich wären.
Tagelang zitterte und tebte sie wie
der vor dem Kommen des Vaters,
bis er schrieb, baß er das Geld erhal
ten habe und bereits in seiner neuen
Stellung thätig sei. Da rourde sie
wieder ruhiger; denn nun wußte sie
er baute neue Luftschtösser. Nur
das Feuer brannte heimiich höher...
Als die Körnerernte so recht in
vollem Gange mar, kam Ernst Olsen
zu einem Abschiedsbesuch ins Guts
baus. Er tras Großvater Fraude
un Amtszimmer am birtenenSchreib
tisch iiber Lohnlisten sitzen und rechnen»
Der Alte, »der schon von dem Pastor
wußte. daß Ernst eine Stelle ais
Schisssarzt an enommen hatte, sing
an von seiner er ten und einzi n See
reise. seinem Ausflug nach openbas
Egert, zu erzählen und von der klägli-«
chen Seefrantlzeit.
Ernst lachte, und hebe kam hinzu
und lacht-e mit. Sie war recht son-»
nenverbrannt. und wie sie nun st-l
lachte. sah sie aus wie die blühende(
Gesundheit und das srohsinnige Les
ben selbst. Und nachher standen sie
beide aus der Rampe unter dem Lin
denbaum.
»Schreibe mir auch diesmal!« bat
sie
»Macht es Dir Freude?« fragte er.
»Ja, gewiß.« Sie sah zu ihm
auf, senkte aber schnell wieder die
Lider und entzog ihm ihre Hand.
Ihre Unsicherheit..» Er hätte
ist-f sen-eben Geier-n Siebeln mein-n
Ader er war stumm. Mit strahlend
bellen Augen sah er sie an, drückte
ihre band und sliisterte: »Auf Wie-s
derfehen!'«
hebe stürzte ins dank Jm halb
duntlen Flur blieb sie stehen. Sie
hatte wie in den Kinderjahren in
den Verschlag unter der Treppe trie
chen mögen, um da zu weinen, ohne
zu wissen warum·
»hede!" rief des Großvaters
Stimme vom Amtszimmer der.
»Hede, wo bleibst Dul«
Sie strich glatten-d über ihr braun
röthliches haar bin, als sei- es ver
wirkt, verwirrt wie sie selber. Dann
ging sie in das Amtszimmer, wo der
Großvater und Jnfpettor Airchdorf
großen Rath hielten wegen des Saat
lerne-z zur herbsibeftellung und da
riiber. ob ein Wechsel nöthig sei oder
nicht. Bei dieser wichtigen Bera
thung fand see dann ihr Gleichge
wicht bald wieder. s
Dann lam die erste Karte von
Ernst Olfen an. Da aber war Hede
und auch das ganze haus in heller
Aufregung: Karl Adolf war ver
schwunden nnd nirgends auffindbar.
Dede selbst lief das Dors ab und
fragte in jedem hause nach. Aber
vergeblich Schreckliche Vorstellun
gen quälten sie: War er vielleicht
von irgendeine-n Baum gestürzt fund
lag nun wimmernv darunter? War
e: vielleicht iiber einen Graben ge
sprungen, hatte er dabei ein Bein
gebrochen und lonnte nun nicht wei
ter? Sie hörte ihn wimmern. stöh
nen, jammern.... Jni Dorfe war
noch ein iehbrrrnnen.... Sie lief
wie epeitcht vorwärts unud stand
nnd tarrte in d- srunnen hinein.
und herrschte die Kinder an mit bef
tjgei Frage, ob sie Karl Adolf gese
hen hätten. Dir verneinten uni
lotzten dumm darein ..... hebes
Halse flogen, ihre Knie wanlten. Eis
nen kurzen Augnblick stand sie
athetnlos still. Dann lief sie ins
Pastorhausx llnd da, da drängte
sich ihr der auiilendste Gedanke iiber
rie Lippen: »Ottel, wenn... wenn
der Vater dir war, und ihn mitgenom
men hatt« Es leuchtete wie Wahnsinn
in ihren Augen ans. Der Nation der
anfangs besisir die Kunde vernom
men hatte, achte es init gütlicheni
beruhigendern Zureden, aber Liede
hörte gar nicht- hfn, He stürzte wieder
hinaus ins Freie-.
Ohne llare kletteernnen ohne sich
eines Zielet- W in sein« lief sie
c—-—
abermals durch das Dorf. Bis zumr
letzten Häuschen kies sie und stand
dann plötzlich still. Ein neuer Ge
danke, und diesmal ein hellem, schnitt
durch ihren Kopf. Da deiiben lag das
kleine Gehölz, in deu- der Großvater
ein neues Gasihaui hatte aufbauen
lassen. Vor wenigen Tagen hatte eine
Gastwirthssaniiie ans der Stadt has
Saus bezogen. Vielleicht hatte es Karl
Adolf der beiden gleickkalterigen Zun
pen wegen dahin getrieben, er atte
beim Etnzng ver Familie eine diesbe
zügliche Ueusxerung gethan. Neu be
lebt, siog »Liebe vorwärts... bre
Vermuthnng erwies sich als ri tig.
Karl Adolf war dagewesen. »Der
junqe herr hat mit unseren beiden
Jungen gespieli, sie hatten dann aber
eine Uneinigieit und er lies davon.
Es ist woht schon eine Stunde hset,«
berichtete die Gastwitthsfraa hebe
dankte und eitte zurück. »Vielleichtiit
er geht schon z Musik« dachte siej
un klammerte si mit aller Mast anj
diesen tröstlichen Gedanken sest. Sie
war gerade an dein Pfarrhaus unb
rein hier abbiegenben Weg voriiber,
als eine helle Stimme hinter ihr ihren
»Na-neu ties und schnelle trapsende
Füße sich näherten. Hede vermochte
ich nicht zu rühren. Erft als sich
»eine kleine nd in die ihre schob,
löste sich die e Starrheit Sie neigte
sich hernieder, preßte den Jungen an
steh und tiiszte ihn. Und nun sie ihn
aufntertlam ansah, sah sie, daß ihm
etwas Außer ewiihtiiches possirt sein
mußte. In sein«-! Augen lag eine
Ab fi!
- .I I « .
Herr: »Ich kann eimnat teinkn Kniefall vor einer Dame machen.«
Dame: »Sie haben wohl zuver Stolz?«
Vett: »Mit-, bloß zuviel Gicht!"
Js
T—-——-—...——T
Unruhe. »We) warst Da, KarlAdols?«
stagte sie im Weiterschreiten.
»Auf dem Kirchhof. Er sagleeå so
troßig so. als wenn er etwas gegen .
die Schwester hätte. Seine Hand ent-.
-zog er ihr nun und legte beide Hände
aus den Rücken.
»Was nsolltest Du da?"
»Das Grab von meinem Vater
suchen.«
Ein Wirbelsturm spran in Hede
auf. Ihre Stimme klang hei er. »Was
rum trank-"
»Der Gastwirtlisjunae, mit dem ich
spielte, sagte. mein Vater hätte bank
rott macht und wäre anggelniffen
Du it doch gesagt. er iit todt.·
Ihränen stiegen in Karl Adolss
Augen.
»Er.ist auch todt...·' Hede lief
fdrmlich.
»Wer ilt denn sein Grab? Ich Habe
den ganzen Kirchhof anesucht.«
Hede schwieg. Sie nahm wieder
seine lleine Hand in die ihre und
sährte ihn ins Haus nnd in die
Prachtstube. Ta yingen die großen
Qelgenriilde der Eltern aus jener Zeit,
wo sie so unaussprechlich glücklich ges
wesen waren. Die Mutter mit Au
gen, sa scknoiirrnerilch schön. wie sie
Clcbeth zuweilen haben konnte, nnd
der Vater rnit sieanlenden« lachenden
Blauaugem so sannenklar wie die
Karl Ade-ist« Zu diesen Augen
zeigte hebe hinaus: .Det Vater ist«
todt, der iit gestorben, sern von uns.
in einer großen Stadt.« Sie sprach
mit harten fester Stimme.
»Ein Berlin?« fragte Karl Adolf.
Hede nicktr. s
»Daß er da hingelahren ist« hat der
Gaitwirthsjunge auch gefagt.« Karl«
Adolf inar vorläufig beruhigt und
faßte auch heimlich den Entschlufr, am
Nachmittag wenn er zur Schulstunde
ins Pasiorhaus mußte, Pastor Olsen
nach dein Vater zu fragen.
Hede fand noch lange leiste Ruhe
Sie lonnte auch in der Nacht nicht
schlafen und last bis aeaen Maraen
hin am Fenster. Jbre Gedanken wan
derten dnrch Jahre dahin, durch Karl
Adolis Wnchien und Werden. Würde
die spottend-, zyniiche Stimme ans
der Ferne da nicht störend hinein
tlingen?... »Sie dars nicht... sie
darf nicht!« murmelte bede. Fieber
schauer rannen durch ihren Körper.
Mortietzung saht-)
Der Mesesvsuelbsi t- Laien-.
Wer London in diesem Jahre be
sucht, wird finden, daß das Straßen
bild ein rnertlich anderes geworden ist
Es hat sich in der That in den letzten
drei Jahren mehr verändert als in
dreißig Jahren vorher. Die englische
Hauptstadt steht fest irn Zeichen der
liirmenden, rauchenden und riechenden
Motor - Dmnibussr. Ameritaniiche
Blätter haben berichtet, daß in London
die Pferde iekt so selten seien wie in
Venedig- Das sist allerdings ein
Scherz. Pferde gibt es noch genug,
und noch immer hat man den trauri
gen Anblick eines mitten lrn Wagen-re
wiihl der City aus dem Asphalt da
liegenden gestürzten Pserdes. Ade-r
zum gestürzten Pferde ist der gesinn
dete »Man-thus« gekommen. Man
macht selten einen Spaziergang in
London, ohne irgendwo etnen der gro
sser-. Motor--Ornnidusse leer und hilf
los, rauch- nnd geruchlos aus der
Straße verlassen dastehen zu sehen.
Ein Chansseur steht mit resignirter
Miene dabei oder sitt drinnen, bis
hilse lonnnt und die altjnodischen
Yysselenzer faus- den -a«ltrnodischen»
MaN-Umlllllll"cll, Mc es immer III
gibt, rufen dem Chaufieur ihre Wißt
zu. Die Londoner Omnibustuticher
standen immer in dem Rufe, humori
ften zu fein. «Gehen Sie aus
Wege mit Jlirer ruisilchen Flotte!'
rief ein solcher Omnibus-Lenler einem
Fuhrmanne zu. der ihm mit einem
Wagen voll verroitetem alten Eisen itn
Wege war. Der alte, wigige und ge
ipriichige Omnibuössiuticher wird aber
fett durch den weit jüngeren That-i
ieur verdrängt, der mit niemandem
sprechen und darum auch teine Wice :
machen Inmi.
Schneller noch als der reguläre alte ’
Omnibus wird der irreguliire »Shira
ten-Oninibus« von der Straße ver
drängt. Auf den »Piraten-Dmnibus«
fiel mancher Fremde herein und auch
mancher Londoner, der in der Eile
nicht nachsah, welcher Gesellschaft der
Omnibus qehöre. Der Piraten-Om
nibuj sieht genau so aus wie ein Om
nibuö der großen Omnibui - Linien,
nur tennt er keinen Fahrptan und
teine Taxe; er trieb sein Piraten
handwert aus den hauptstraszen in der
ert. daß er seine Jnsasien siir ihre
Uennies nur so weit subt. wie es ihm
passie. Vielleicht hat der Piraten
anibus fett schon ganz zu exisiiren
«us,;ehiirt, denn der »Motorbns« er
Ibert London immer mehr. Stille ab
zeiegen Straßen sind jeIt durch ihn
im ibre alte beschauliche Rilke gekom- (
nen, nnd die Häuser an solchen Stra
fien baden darum an Werth eingebiiszh
Er richtet auch sonst allerlei Unheil an.
Daß er bisweilen Laternenpsiihle um
rennt und Schausenster einstöszx ist
ioch das Geringste. Bei Darm-, wo
Das westliche London schon ganz länd
ieb wird, nahm ein solcher »Motor
)us«, aus dem oben ein Liebeöpiirchen
asz, einmal ein Bad in der glücklicher
ueise dort nicht tiefen Themse, und
Ins der Waterloo - Brücke rannte ein
pben und innen voll besehter «Motors- -
sus« einmal ein Stück der steinernen
sallustrade ein, und wäre beinahe mit
ziner ganzen menschlichen Fracht in
sen Strom binuntergediipst.
Troh all dieser tleinen Unialle wis
en die Attionäre der unterirdischen
Eisendabnen Londonö von der bösen
ionlurrene des «Motorbus" ein Lied
n singen. Die alten, rauchiaem unter
rdischen Tunnelbahnen werden jest
lettriich betrieben, die neuen Wagen
ind elegant und bequem. und die Zuge
abeen alle zwei Minuten, aber troß
iller dieser Verbesserungen die so viele
Millionen getostet haben. fallen die
Iltien und sinten die Dividenden.
lebnlich ergeht es den erst in den lei
en Jabren erösfneten elettrischen
.Tiibe«-Babnen. deren röbeensörinige
Tunnels den Boden Londons in ver
chiedenen Richtunan durchbohren.
luch sie baden nicht inii der Konkur
enz des «Motordus" gerechnet. Auf
mi- Mncesisaueiq Its-Ins- II-- IÄODH
............. .,....,,. ...-... ...»....
iinaas und man steigt ab, wo man
Dili. Zur »Tai-e« muß man erst in
inem List herunteraelasien werden«
sachdem man ungeduldia aetvariet .
-,atte, bis der List mit Passagieren ge
iillt isix dann muß man, unten ange
ammen. allerlei Tunnels und Trep
pen vaisiren bis man auf den. unter
i«dischen, siets elektrisch beieuchteten
Zahniieia — - auf den kommenden Zug
Harten dars.
e»Der »Matotdus« ist auch denTrams
ahnen «iiher«, wenn ihm selber nichts
Jimichliches geschieht. Er sährs
riumphirend an den Tramhahneu
Ordei ---- namentlich dann, wenn der
anze Verfein- einmal völlig steckt, weil
n einem einzigen Wagen der elektri
che Matt-r den Dienst versaat hat und
tun Die skmmtlichen Trambahnwaaen
er ganzen Linie sich hinter ihm an
amtnetn nnd warten, bis die Elektro
echniser den tvideksvensiiaen ersten
Zagen der aanien Reihe wieder leben
sig gemacht taten. Es sammt aller
ings auch vor. daß ein »Motorhui«
inmal eine ganze Trambadnltnie aus
sti, indem er gerade zwischen den
Esamkahnaeleisen sahrend den Dienst
ersagt. Dach das stört die anderen
NotatOmnihnsse der Linie nicht; sie
iehmen ihrem aesirandeten Kollegen
eine Passaaiere ab und lachen iidee die
nrch den einen invaliden ,.Motorhui«
usgehaktenen 20 Trambsahnwagen
N-.-—
Wer die Wahrheit liebt, der ist fikr
nanche Leute ein unangenehmet
Neusch, doch nicht alle unangenehmen
Menschen sind wahrheitsliehend
J
Der Setzer eines im Wilden Westen
rfcheinenden Blättchens iarn in das
Eantturn des Eigentümers und ts
iasgebers und sagte: «Draußen
in Statut-, der ertlört, er habe seit
echs Tagen nichts gegessen« » Wie
tettrisiert sprang der heranqu in
sie höhe. »He-te ihn herein, Jitnrnie!«
ief er, .wenn der Kerl uns sagt, wie
r das fertig gebracht hat, tönnen wir
sie Zeitung weitere sechs Tage erschei
ien lassen-« ·
i- t O
Ein Ehe-nann, der sich gern mit
dissentchaittichen Problemen beschäf
tigt, stößt bei seiner Frau damit auf
venig Verständnis. Eines abends legte
er feine Zeitung nieder« und sagte:
»Das ist merkwürdig-« »Was dennP
fragte seine Frau. »Nun. die Feststel
lung, daß es 12 Millionen Jahre neh
knen würde, das Welt-neu triefen in
legen, wenn man 100 Gallonen Wasser
in der Setunde aus ihm herausspran
pen würde." Die Frau dachte einen
Augenblick nach: dann fragte e in al
ler Oarmlosigteit: »Bei-in w ede man
denn das ganze Wasser hinfiel-P