Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 25, 1907, Sweiter Theil., Image 9

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    Yebraska
ZWEITEN
zmd Verole
Jahrgang 27.
Grund Island Nest» 2.I. Januar 1907 (Zweitek Theil.)
Ro. 22L
Stille Gedichte.
Er- giebt eine Art von stillen Gedich
.n,te
Die nichts ersinnen und nichts be
richten
Die wie rnit schlankem blossen, wei
chen
Fingern über dir Stirne Dir strei
chen,
Die wie ein Hauch mit zagem Weh’n
Träumend öffnen der Seele Thüren
Und schwebend Dur-? Deine Seele
ge ’n,
Worte hauchend im Berweh’n,
Die Dich jählings zu Thränen rühren.
Muth.
Van von MuhlenseH
Frl. Helene Arnald, die Tochter ei
nes deutschen- Großgrundbesitzers in
Chile« war von ihrem Vater aus dem
Dorne-see »Hercdot« eingefrbisst wor
den. Sie sollte allein nach »driil)ens«'
reisen.
Sie war in Chile geboren, aber ihre
Eltern, die als junge Leute in das
»Wind des sonderg« gegangen waren,
um dort ihr Gliick zu versuchen. wa
ren gute Deutsche geblieben. Die
deutsche Sprache wurde in ihrem
Hause hochgehalten, deutsche Ge
bräuche, die den chilenischen Sitten
nicht entsprachen, hatten sie treulich
bewahrt, und ihre beiden Kinder soll
ten auch »Deutsche« werden« Kurt,
der älteste, stuoirte in Berlin Mevi
Jst-, und Helene, die jetzt 19 Jahre
alt geworden und ein selbstständigeg,
tluqes Geschöpf war, sollte siir ein
Jalr zu Onlel Ernst, dem Bruder
ilxres Vaters-, Ver auch in Berlin
wohnte.
Man ließ fie nhne Angst die große
ttteise allein unternehmen, man ver
traute sie dem deutschen Kapitän des
»Herr-dot« an; man wußte ja, das; sie
auf dem Dampfer tvie in einein guten,
deutschen Hatel lebte, und wenn nicht
ein unvorhergesehenes Mißgeschick
tan« war nichts zu befürchten.
Fräulein Hei-ne Arnold fühlte sich
bald heimisch auf dem großen »Va
r-or'«, der sie men sieben Wochen lang
beherbergen sollte. Außer einer alten
Dame war sie der-einzige weibliche
Passagier an Bord, und da sie eine
sehr anmuthige, immer fröhliche junge
Dame war, wurde sie bald der Mit
tclpunli des kleinen Kreise-.
Zie waren nur wenige Tischniiste
in dein großen Speisesaal: der lustige
itapitiim der ncch junge. etwas steife
nnd viel zu ernste Schiffsdottor, der
erste Ofsizier nnd der Ingenieur,
außerdem die alte Dame, Heime Ar
nald, ein alter sinnsul und noch ei
ner —- -— —- —
Jn, das war mertwiirdia, daß auch
er an Bord war. Von seiner Anwe
senheit wußte Oele-ges Vater nicht-,
ian auch sie war starr gewesen« als er
sich in Punia Arenag einschiffte. Es
war Hermann Kragen auch einGroß
arlindbesiszerslind aus« Cbilr.
Sein Vater besaß große, umge
delznte Farmen, einen gewaltigen
Viehsiand und eigene TampserJ er
trat-ein reicher, ein sehr reicher M:nn,
nnd sein Sohn Herinann durfte es
fich erlauben, in Santiaao und Val
paraiso als großer »Caballero« Jus
»;!1treten.
Er hatte seii einem Jahr demFriiu
·ein helene Arnald feine Huldigungen
’r.1rgel)racht, und sie hatte ihm ziem
lich rathlos gesseniitergestnndem denn
sie wußte nicht. ob sie ihn liebte. Sie
lsatte sich eine Beventzeit ausgebeten,
als er sie unt ihre Hand l:-at, nnd
darum war ihr Erstaunen, als sie ihn
plötzlich an Bord ihres Schiffes sah,
iein lleineö.
Ihr Vater liebte den jungen Krö
act nicht sonderlich; er hielt ihn fiir
einen obersliichlichkm energielosen
Menschen, aber er wollte seine Tochter
nicht beeinflussen, er ließ ihr freien
Willen.
- .- .-- -.--«- «
Oel-Mann äcwgct userscyuueir mus
auj der Uebersabrr seine nngebetete
Freundin mit den Dartesten Aufmerk
iainteitenz er belästigte sie nie durch
seine Gegenwart und war Poch immer
zur Stelle. wenn sie ihn brauchte.
Man hatte herriiches Wetter ge
habt. Die Fahrt durch die Magd
tiaensstraße und den Smithtanal war
blendend gewesen. Die mächtigen
tsiagletscher hatten in tausend und
aber tausend Farben gesunielt, und
cer stolze Dampfer war wie ein
Smwan so alatt und elastisch durch
die schmale Wasserstraße aec«littesi.
Aber hinter Montevidseo zogen
schwere Stürme auf. hausboch ins-lu
aen die Wellen über Bord, und der
Tainrier rollte und stampfte, er
wurde ron rechts nach links und von
vorn nach hinten aeworfenz wie eine
Nusesszchale tanzte er aus ren erregten
Wellen.
Es war gar keine Gefahr vorhan
den —- auch dann noch nicht« als dich
ter Nebel sich zu dem Sturm gesellte
und das Nebelhorn schauerlich durch
Die undurchdringliche Nebelmauer
tönte.
Nein —- es war keine Gesalyy unk:
Heiene Arnald, sdie etwas bleich und
frierend im Rauchsalon faß, war
nicht ängstlich. Sie war nur nerviiij
sie konnte das furchtbare Dröhnen des
Nebelhprns nicht vertragen.
Aber hermann Krsger. der ziemlich
leefests war, lachte sie aus. Er neckte
sie, und troh ihrer Versicherung, daß
sie einer wirklichen Gefahr gegenüber
unerschrocten sein würde. nannte er
iie »ein« schwach-es nervsses Frauen
;immerchen«.
Sie war ärgerlich; es fehlte nicht
viel, so wären ihr die Thranen in die
Augen gestiegen, aber der junge, sonst
so schweigsame Schifssoottor nahxn
jetzt das W rt und vertheidigte sie.
»Er glaube fest und sicher, daß ge
rade fte bei wirklicher Gefahr Ruhe
und Fassung bewahren würdet« sagte
er, und Helene sah ihn Ioanthar an.
»Schade, daf- er immer so still ist«,
dachte tie, »er ist ein liebenswürdiger
und kluger Jll:nsch!«
Er sagte noch. daß dieses-. Nebeige
räusch auch ihm unerträglich sei, nnd
als Heim-Inn sträger nicht aufhörte,
sie zu necken. stellte er die Behauptung
auf, daf-, er Fräulein Arnold siir inu
thiger und unerschroaener halte als
ihn selbst.
Hermann Kröger erwiderte nichts.
Dieser Doktor war ihm überhaupt un
leidlich, und er war ärgerlich daß
jzsclene ihn so oft tn’53 Gespräch zog.
Die Fahrt durch die Tropen ging
aut von statt-Ist: man amiisirte sich
trotz der Hitze, so gut man konnte, und
zählte die Tage, big man Europa er
reichte. Jn Modeira war man zuletzt
an Land gewesen, nun sollte es ohne
Unterbrechung bis Haore weitergehen
Hermann Ströaer und Fräulein Ar
nolo spielten Schach. Sie hatten sich
jetzt nickt meer viel zu sagen, unt- um
die Zeit todtzulchlagrm musizirten sie
oder spielten Schach.
Er nsxr gerade im Begriff, einen
».s")auptcoup« zu machen, als ein merk
würdige-p- Geriiufch die Schachskaur
lriner Hand entfallen lief-»
»Wa:· ist Das-? Um Gotte-Z wil
len!«
sein«- sparrnerin san ian grog an.
Es schwirrte etwas, so -—— als ob ein
tttad sich in rasender Geschwindigkeit
orehe —- Dann ein Fall in’L- Wasser,
nnd es war todtenftill —-— die Maschine
stand still.
Aus dein cchifs entstand Betre
fnnnx die Mannschaft stiirmte an die
Stelle, wo das große Treibrad saß.
Die Schraube inar «;erborsten, sie lag
im Wassers das Schiff war herren
los·
Ein Herrenlxsses Schiff im Golf
von Bistancn das ist teine Kleinig
leitl Der Kapitiin beruhigte feine
Passagiere "
»Nein-e Gesal):!« sagte er: »wir lia
ben guten Wind; wir werden Notbsitkt'
nal geben, und man wird uns in’L«
Schlepptau nehmen!«
Ganz besonders- .in Helene Llrncld
sprach er bertihiaend; aber es wäre
nicht nöthig aewesen. Das junaellltiid
chen stand völlig gefaßt am Reelina:
teine Miene ir: ihrem Gesicht änderte
sich. Neben ihr stand der Doktor, der
il,-r auch ein paar berulyiaende Worte
sagen wollte, ater erfreut bemerkte er
ihre Ruhe.
,—O, ich wußte eg, Fräulein Ar
notd; ich hätte- daraus gewettet, daß
Sie so sind!« sagte er glücklich.
»Aber sehen Sies«
Hernmnn ströaer war dem Karitan
nachgelaufen Er hatte taum das
Wort «!Iiotl)sigi.al« gehört, als-E ein
Zittern ihn überstei.
Todtenbleich an alten Gliedern
schlotternd, braiite er in abaerissenen
Worten die Frage heraust »Gefahr?
Um Gottes willen, ist Gefahr, Kapi
iiin?«
Der sah ihn ein wenig mitleidig an,
saqte etwas wies »Noch nicht!« unr
ließ ihn allein.
Da sank er aus den nächsten Stank
stöhnte ties, sprang wieder aus, tlanis
rncrte sich an den Doktor und stotterte
in furchtbarer Herzensangsk
»Sie müssen es wissen, Dottorl Jst
Gesaan Um Gottes willen, tönnen
Sie dennnichtg thun?«
Der Doktor lächelte. »Wollen Sie
ein Pulver haben?«
»Ach wag, Pulver! Gehen Sie nut
Ihrer Quaclfalbereit Heraus will ich;
ich will wissen, wie ich gerettet werden
kunn!«
Eine tiefe Traurigkeit erfüllte He
lenes Herz. Q, das hätte fie nicht fiir
möglich gehalten, das war furchtbar,
irae war schlimmer als furchtbar, es
war lächerlich
So also war der reiche Hermann
Iiriiger in Wirtlichteitt Ein paar
Stunden auf einein herrenlosen Schiff
machten ihn zur Jammergestalt Jn
diefen Augenblicken wandte fich ihr
Hei-z fiir immer von ihm ab.
Zehn Stunden lang trieb derDam
pfer herrenlog im fetten ruhigen Golf
von Bistaya umher. Spät am Abend
wurde das .rufgehif3te Nothsrgnal von
einein englischen Küftendampfer be
merkt· Noch vor Mitternacht war
man an ihn, gelettet, und zwei Tage
später war der englische Hafen Fal
inouth erreicht.
Sowie die günstige Aenderuna ein
getreten war, war auch Herr Kröger
wieder in den Besitz feiner Ruhe ge
kommen; ja. er trurde fast übermü
thig, e: machte Scherze, und nur
manchmal, wenn sich das Schiff zu
sehr auf die linte Seite nei te, lief
er, ängfttich geworden, zum eling.
Helene saß in ilyrer Kajiitex sie
mochte ihn nicht sehen. Er hatte ver
sucht, sie rufen zu lassen-und als
sie nicht kam, schielte er ihr ein Billet
mit der Frage, ob sie immer noch
ängstlich ei.
Die Dampsergesellschast hatte ihren
Passagieren freigestellt, aus«-kosten des
Txampfers von Havre aus die Fahrt
mit der Bahn fortzusetzen-, doch nie
niand nahm :a«g Anerbieten an. Nur
Herinann Kröger zog es vor, aus fe
iten Boden zu tornsmen, aber bevor er
den Dampser Verließ, wollte er Ge
wißheit haben. Ein großer Korb
herrlicher Rosen wurde in Fräulein
Helena-; Raiiite gebracht, und aus ei
ner starte stand die bedeiitungsvolle
Frage: »Wollen Zie die Mein-e sein?«
Sie schrieb nur zwei Zeilen aus et
ners kleinen Bogen, ließ ihn durch den
Steward dem wartendenKröger über
bringen, und als sie gerade im Be
griff war, ir. den Damensalon zu ge
tren. wo sie vor Herrenbesuch geschützt
war, trat ihr ver Doktor in den Wen.
»Werden Sie uns auch untreu?«
fragte er zaghaft.
Sie schüttelte den stopf. Da saßtc
er wieder ihre Hand.
»Fräulein Helene, ich bin nur ein
schlichter Mann, ich bin auch nicht
reich. Fräulein Helene, Sie sind so
köstlich muthig, Sie sind sein so seite
ned Mädchen: ich wünsche, ich Hätte
Sie nie, nie gesehen!«
Sie lächelte. »Warum denn, Tot
torchen?«
»O, wenn ich denken musi, das-, Sie
nun vielleicht bald Herrn Firi.iigers
Frau sein werden . . . .«
Da unterbrach sie ihn.
»Me, Doktor -—— nie, und wenn er
. mir all- Petri-ib- dn implt Mit-I ssin .
Mnnm der in Gefahren den Kopf ver-s
liert. den kann ictx nicht lieben!«
»O, .L)elen3!«
Sie reichte ils-in beide Höridr.
»Heute noch nicht uns morgen auch
noch nicht, aber einmal lrerde ich Sie
doch fragen tönnen: »Meine muthige
Helene, willst Du die Meine tverden?«
Und während die beiden, in Glück
Minntrn, sich Das Versprechen der
Treue gaben, ging Hernmnn dirs-get
leise trällerud Tiber die Landstran
Drücke.
«Dunnn is: sie trotz allein!« sagte
er zu sich selbst und dachte an seines
Vaters Reichthiimer in Ckiilr. Ell-er
dann lachte er und meinte weiter zu
fid: selbstk ,,Jst’g die nick:t, so ist’-.
rlcn eine andern-k«
Ob
brnzpeters Freunde.
HJmorJiste von kli i ch a r d B ö l; m
t e r.
Nachdentkinx s.r«,lenderte Hinz-deter
Die Straßen Der Großstadt einher CI
gedachte seiner alten Schulnenojscn,
welche sich zum größten Theil in der
Residen; niedergelassen holten, unz
dic er nun nach dreißig Jahren nuf
suchen wollte, um einme vergniitc
Stunden mit ilknen zu verlieben Ihr-«
Adressen hatte er sich durch eine Firma
zu verschaffen gewußt, lsei welclser er
seinen Bedarf nrs Cignrren, Lilith-«
,,Lätitia« lninn lann sich sret.en,
trenn sie zu Ente geht), das Stiict in
zwei Piermigeu, zu decken pflegte-.
Hinweter wohnte nämlich fern »vor-.
dem Gelvoge Ver Großstadt aus dem
platten Lande. Er hatte es nur vis
zum gewöhnlichen Zchulnreisterlein ge
bracht. Ob seine ein-frieren Schulru
uceraden ihn wohl iiberslügelt hatten?
Dai- wnr wohl sur-zunehmen- Leider
hatte ilnn der Cigarrensabritant nicht
verrathen, welche Stellungen seiiie
früheren Kollegen bekleideten. Nun,
Hinzpeter würde sich ja selbst davon
»iiber3euaen! Da war zunächst Ru
coii Brechtel Parigasse 10a Hinz
peter erinnerte sich, lvic er ihm als
Zunse ost in der Schule hatte voesa
c«en nnd ihm in manch anderer Bei ie
hung hatte helfen müssen, denn der
icliiasie war der Brechtel nie gewesen
—— Saeint mir aber doch wag ge: vor
den zu sein —-— dachte der bis-Im
Dorsschnlmeiftce beim nochmaligen
Uebersliegen der Adresse. Wenn ei
nec in der Parlstruße wohnt . .. Nun,
rsie Parlstrasze, die sich übrigens
Hinzpeier stilvoller und großartiger
dargestellt hatte, war schon zu Ende
ohne daß Hinz peier aus die Nummer
i0a gestoßen iriirr. Er tonnte iibcrs
haupi im Ganzen nur neun Häuser
zählen, welche zusammen-hängend die
Bezeichnung »Partsiraße« siihr ten.
Endlich beschs oß Hinzpeten einen
Passanten zu befragen. welcher ihn.
einen weiter abliegeusden Neubau als
richtige Nummer bezeichnete (5legint
wohnte der gute Brechiel gerade nicht,
aber immerhin gegen Hinzpeiers rem
ielige Dorswohnung kein Vergleich.
Drei Stiegen mußte der arme Dorf
schnllehrer steigen, bis er Brechtels
Wohnung erreichte. Als er aber an
gelangt war, erschrak er, denn unter
einem an der Flurthiir Vigebrachten
Brieslasten las er auf weißem Por
zellanschilde die fetten schwarzen
Letterm ,,Rudols Brechtel, Selreiär«.
Hinzpeter überlegte eineWeile, dann
entschlos; er sich zum Rück-zuge, ohne
die Schwelle sein-es ehemaligen Schul
frenndes betreten zu haben. — Jst
mir ein zu arosyes Vieh geworden,
dieser Brechtel —- meintc er verdrieß
tich ——— würde mich doch nur mitleidig
iiber die Achseln ansehen, der Herr
Seltetärl ---— Damit schob Hinzpeier
Ireiter und zoq den Zettel mit den
iibrisen Adressen hervor. Als zwei
ter stand Joses Müller nus dem Pa
ltier. Der war als Junge stets ein
großer Galgenstricl gewesen und
konnte nnmögtich etwas Gescheites ge
loorden sein. Nach halbstiindiger
Wanderung war die Wallstraße er
reicht, in welcher Müller zu Hause
war. Diese Straße iinponirte Hinz
lieter aber weit mehr, als die frühere
Parlstraße, denn sie bestand aus re
gelmäßigen hohen Hänserin ——« Sollte
n:n Ende der Galgenstrick, der Mül
ler, mule so ein hohes Thier geworden
sein wie Freund Brechtel, der Seite
!iik? — Eine dunkle Ahnung beschlich
unseren bidern Dorfschullelirer. Schon
stano er an der Tlsür der im fünften
Stockwerk qelegenen Wohinan Gott
sei Dant, an der Fllingel befand sich
überhaupt kein Schild, welches aus
den Stand des Herr-n Müller deniete.
Er ist also nicht«-— Besonderes-,
sonst hätte er wie der Brechtel seinen
Titel schon draußen an die große
Gfoele sehangeru dachte Hinzpeter und
driictte ans den Knon der elektrischen
tikinnel Ein miirrischcg Weibsbild
erschien nnd betrachtete den Stürm
sried mit nennierinen Blicken.
»Herr Tltittler Tu Hause-P fragte
Hiiizpeter lsiiftiely grüßend.
»Nein, der Herr Professor ift fort
acgangen«, sauget-; die pronipte Ani
tvort.
Einen Moment war der beitiirzte
anffchullehrer starr vorSchreck, Dann
stotterte er verlegen: ,,Dante, werde
wieder rorsprecheni« und raste hastig
dar- Treppenwert abivärt5.
tfr kennt-.- sich vrn dem ausgestan
xinenschreet tumn erboten, und deut
ie Gott« daf: ihn der Zufall nie-ist in
die Hände zes Professorg getrieben
hatte, welcher fiir ihn-gewiß nichts
ale ein initleiosges Lächeln gehabt in
tsen würde.
Was nicht alle-1 m derWelt nie-glich
ist —--ern)og Der brave Dorfschnlineister
in seinen Innern. Sollte es Jemand
fiir möglich kalten, daß dieser Strich
der Müller, der als Junge nur cum
:ne Streiche nn Kopfe hatte, es bis
zur Würde eines Professors gebracht
kat! Der Breiiitel Setretär und der
Müller Professor! Bin jetzt faktisch
neugierig, ob Otlinnnel und Kolbe sich
auch etwa »in fe- hohen Posten hinauf
gesctiwuisaen haben Aber bei denen
ifth ja ganz ausgeschlossen, waren
stets die allerdiininisten und können
er- tauin bis ium kleinsten Beamten
gebracht haben Zum Gtiict lagen die
Wohnungen der letzten beiden Schul
kollegen Hinzpeters nicht weit von der
Wallstraße entfernt. Der erste auf
dern Wege war tsttiuimeh tder als
Schüler obs einer Dummheit oft von
feinem Priixtptor uiit der Präkitate
,,Schafetopf« ausgezeichnet worden
war
»Herrengaii: 4:t« lautete die Adres
se. Wird ein schöner Herr geworden
sein, der Glimniel...iueinte Hinwe
ter und betrachtete kopfschüttelnd das
pciichtige Haus-. welches ilnn der Zet
tel mit der Adresse seines dritten
Schulgenossssen bezeichnete -—- Wie
der Mensch fein wohnt, und nur drei
Stockwerle, lzcn, ich weiß nicht, sollte
d-» nm Endo mirs-s ? Tun-nd List
daii magere Schulmeisterlein tapp
auswärtg. Kenchend stand er vor der
Entreethiir und entsetzt prallte er
zurück, denn uns schwarze-n Schlde
stand deutlict:, zu lesen: .,Gehe«.mer
ittattj«.
So wie beiisjsimmel war Hinzpeier
bei den an:ern beiden Schulsreunden
Brechtel und Müller nicht halb so
rasch wieder im Freien gewesen. Er
wischte sich mit seinem bunten Ta
schentnche den Schweiß von der Stirn
und ein tiefer Seufzer entrann sieh
seiner Brust s-— »Geheimer Rath« der
Ginsmeh dieser Esel war bis zu eine-c
Höhe gesangt, vor welcher dem armen
Hinzpeier schier schwindelig wurde.
Wo nur ’derMensch den Verstand her
genommen hatte-? Es war erstaunlich!
—war siir Oinzveter, der sich trotz
seinem ernst-gen Fleißes nur bis zum
Docspädagogen gearbeitet hatte,inek)r
ass ein Wunder! Ob e: nach diesen
Erfahrungen noch einen Versuch mit
seinem vierten Schnlgefälirtem dem
Nolbe, machen sollte? Der hatte es,
als der Diimmste von allen, vielleicht
aar zum Präsidenten aebracht2 -——
Schon stand Hinzpeter vor dem Hause
in der ,.Heinrichstraße«, in welchem
Koibe im ersten Stockwerk wobnen
sollte. Es war kein besonders vor
nehme-, Haus«-und fo beschloß das
Schulineisterchen denn, den letzten
Versuch zn wagen.-—Gott sei Dant,
Kolke’s Entreethiir trug nichts als
seinen Namen. Also dieser Mensch
schien zu keiner Würde gelangt zu
fein! —- Ein sauberes Dienstmädchen
öffnete ihm ans fein Klinaeln nnd
nöthigte ihn, in ein Zimmer einzu
treten. »Bitte einen Augenblick, der
Herr Präsident werden sofort ersechi
nen!« -
Hinzpeters Augen traten nm·8oll
weite ans den Höhlen, seine Kniee
fedlotterten, er fiiylte sich einer Ohn
macht nahe. Schon wollte ier sich,
nachdem er den ersten Schrecken über
w:1nren, unbemerkt davonfchleichen,
als ilnn ein iovialer dicker Herr den
Wes- rertrat nnd feine diirftiae Per
son mit sonderbarem Augenblinzeln
derlnstrirte. Hinzpeter gewahrte-, wie
Kolbe, den er trotz der verflossenen
dreißig Jahre trsieder zu erkennen
glaubte, abwechselnd aufi hn nnd auf
feine Visitentarte· welche Hinzpeter
dein Dienstmädchen übergeben hatte,
einen Blick warf. »Alfo »Sie sind-—
Du bist »Sie find es- wirklich, Hinz
perer?«
Dem Angeredeten schauderte Eine
innszlosettlnaft hatte ihn erfaßt« »Ach.
rerzeiben Sie nur, Herr Präsident,
aber ich wußte nicht —Sie sehen mich
gain tonsternirt — wenn ich gearjnt
hätte, Herr Präsident....«
Flotte brach in ein heiteres Lachen
ais-z. ,.Herzlich willkommen, altes
Heiin herzlich irilttomnien in meinen
vier Wänden! Nein, wird sich meine
Alte freuen. wenn sie Dich kennen
lernt, habv ihr oft von unseran lusti
nen Schulteben berichtet. Aber so
k..l. cfll L . I Oelk.
»Hu-u Use-H pur-, unu- Jungcx Zust
eni aelehrteg Hans bist Du geworden,
na freilich, hab-I immer geahnt, dass
Du ein Studirter werden würdest,
warst in stets der Gescheiteste nnd
Fleißigste von nnS allen!«
Hinzpeter ließ sich erleichtert zu
solge der freundlichen Ausnahme sei
nes honen Freundes- zögernd in einem
Sessel nieder. »Ja viel Güte, Herr
Präsident,« stammelie er verwirrt.
»Aber so nenn’ mich doch nicht irr-;
mkr »Präsident«, mein Jurige,'«
wandte der Dicke Kolbe belustigt ein,
»das ist ja nur für’5 Dienstmädchen
weißt Du —-— meine Frau ist ein dis
ctien eitel, und nseil icli gerade vor
Kurzem Präsident vom Thier-schim
oerein aeivorden bin, na, so hört sie
sich gern »Frau Präsident« nennen.
Frauen sind fa, wie Du weißt, fiir so
Ian eingenommen-. Für Dich, mein
lieber Hinzpeter, bin ich natürlich der
Schornsteinsegermeister Kolke ans der
Heinrichskraße . . .«
Fjinzpetcr hatte bei den Entl7iillun
gen seines emehaligen Schultainern
den ein fürchterlich dummes Gesicht
geschnitten. »Aber sage ’mal, Junge,«
fuhr Herr Kolbe unbeirrt fort, ,,l)ast
Tit denn auckk schon unsere anderen
alten Scixultnnipane mit Deinem Be
surlke erfreut?«
Hinzpeter nickie traurig und zog
mechanisch den Zettel mit den« Adres
sen anszi der Tasche seines schwarzen
Oleivroctsz »Ja, .f,)err... ja, das
cis-ißt, meinen Sie —— meinst Du den
())"iinnnei oder denMiiller oder den . .«
»Nun natürlich, natürlich, diesel
ben, und auch den Brechtel aus der
Partstraske, weißt Du, den ,,Rudolf
mit den schiefen Haxen«. wie wir ihn
fcherzweife wean seinen egal schief
getretenen Stiefeladsätzen nennen.
Dem armen Kerl geht’s übrigens
schlecht, tut ein saured Brod, wenig
Verdienst, dabei starke Familie; sage
mal, haft Du auch Familie, alter
Junge?«
Olcqsvs ps- Zse h·»-I« .7!-I«»JI-’- «
»-.. » .,. »w, » ..... «
wandte Hinzpeter ein, stolbeUJ letzte
Frage iilserhörend
»Wer, der Rudele Ach so, nun ja,
Sclretär, das heißt, er nennt sich fo,
weil er die paar Schriftfachen Vom
Gefliigclzuchtchrein beforsL Dafür
belommt er nerade ausgerechnet 50
Mart und — eine YJöandel Eier im
Monats«
Hinzpeter horchte erstaunt auf.
»So. fo, Setretät beim Geflügel
zucl;t:Verein,« wiederholte er mecha
nisch, »nun, Und der Miiller, der
»Profefsor«, Lin-d der Gliinmel, der
»Geheinic Ratl)«?«
Stolbe l.ichtel aut auf. »Ja, ja, der
Müller, der rerrijckte Kerl, ja, der
nennt sich »Professor der Magie,« er
ist nämlich in einem Sommergartien
engagirt, wo er jeden Abend als
Jongleur und Zauberkiinftler auf
tritt, ift noch immer der alte Bruder
Luftig von damals!«
»Und der Glimmel, der ,,Geheime
Rath«?« wiederholte Hinzpeter, dessen
Gesicht immer freundlicher wurde.
»Geheimer Rath«, der GlimmelZ
Menschen-Blind, das stimmt wohlnichk
staan meinte der Präsident des
Tikierfel)ut«--Vereins verblüfft
»Aber er hat doch auf feinem Thür
fclzilde deutlich »Geheimer Rath«
O
— f
S
stehen,« entgegnete der Dotsschulx .
meistek mit Nachdruck.
Jetzt lachte Kolbe wieder Zustig auf; »
»Ach so, nun weiß ixlzschoth mein
Junge, was Du eigentlich meinst! Du
lxast das Firnienlschild von dem guten
Glimmel aber nicht zu Ende e
denn wenn Du es gethan hät st, to
würdest Du gelesen haben: ,,Gottftied
Gliminei. Geheimer Rath in allen
distreten Angelegenheiten u.s.lv.«Et .
ist nämlich so eine Art Privatdetektiv
und Auslunftsmensch, ver Glimmel;
verdient sich übrigens ein schönes
Stück Geld.«
Hinzpetet athmete sichtlich erleich
tert ans. Auch der letzte Schulfreund
ivar ihm wieder-gegeben »Gott sei
Dank,« kam es erlösenv von seinen
Lippen. Noch ants elben Abend kam
Hlnzpetek mits einen ehemaligen vier
Echulgencsssen im ,,Goldenen Lamm«
zusammen und verbrachte einen der
lustigsten Abend-.- in seinem ganzen
Leben.
W
Wenn einer eineRcise thut . . .
esen, : ·
Trug United-org wird gescyttcvem
Auf der Reise nach einer Nachbar
stadt bestieij ein hiesiger Geschäfts
mann auf der Bahn ein Rsauchabtheil,
in dem nur eine ältere Dame saß,
tie, nachdem der Zug sich in Bewe-.
aung gesetzt, aus ihrem Pompadout ,
unter allerle: ,Zärklichteitsbezeugun- «
gen einen kleinen Mopg hervorholte. .«
Der Herr kiimmerte sich nicht darum,
sondern zündete sich ein-e Cigarre an.
Doch sofort Verbat sich dies die Dame
in ieiner Weise, daß er ruhig weiter
tauchte mit dein Bemerken, daß er in
einem Rauchcoupe sitze, nicht in einem
Hundecoupe. Schließlich wurde die
Dame rabiai; ausspringen. dem
Herrn die Cigarre aus dem Munde
reißen, das-, ils-n Feuer und Asche um
die Aug-en stob und die Cigarre Zum
Fenster hinaus-werfen war das Werk
feines Augenblicks Doch alsbald er
griff der Herr das Mäuschen und ex
pedirte es nach bekanntem Muster
ebenso prompi durch das Fenster hin
ter der Cigarre her. Jetzt zog die
Dame die Nothleine, und bald stang
der Zug mitten auf freiem Felde. E
erschienen die Beamten und fanden
die Dame ohnmächtig vor, iihr gegen
iiber den bestiirzten Mann. der in
ein anderes Abtheil geführt wurde
Vluf der nächsten Station wurde das
Paar einem Vethir unterzogen, daf
dantit endete, daß die Dame 60 Mk.
hinterlegen mußte, die wegen des
Ziehens der Notbleine wohl drauige
den werden.
Wie Egktmomütter ihre Finder
strafen.
Die Egkimnkinder werd-en mit
großer Zärtlichkeit behandelt Kör
.ne.rl-i.cl)e .Z-ijitatja»ng-. ist .j..o...gut ist-»un
betannt bei diesem rauhen Volks
ftamm, ia man läßt dem austrjaclssen
den jungen Volke Dinge durchgehen,
cie bei nnss schwer geahndet würden.
Ueber-Juc- empfindlich aber sind die
kllkiitrer aeaen ein grundlosesSchreien
ilzter Sprößlinqe. Stimmen dies-e
ihr Concert an, und gelingt es den
Mikttern nicht« eine Ursache dafür zu
entdecken, so wenden sie eine eigenar
tine Ziichtiaung an, die vor andere-n
den Vorzug hat, daß sie nachdriicklich
aenug ist, mn eine Wiederholung
iiberfliissia zu machen. Sie entklei
den das schreiende und strampelnde
Baby all seiner uiolligen Umhiilluu
gen und setzen ess splitternackt drau
ßen vor der Hiitte in den Schnee. So
lange es schreit, muß es in dieser un
gerniithlichen nge aushalten; sieh-c es
ein, mais man mit ihm vorhat, und
irinat feine Trompetenstöße zur Nu
kje, so wird cis dereingeholt, und wie
der warm cinisemicteli. Die kleinen
Lchzreihiilse soxlen sich diese unange
nelrme Lettion ausgezeichnet merken.
Fiir andere Gegenden dürfte sich das
Mittel allerdings kaum eignen.
Der Kaiserin DiamantcnfehmuQ
Arm München schreibt man: Die
Juwelen, welche die deutsche Kaiserin
während der letzten Festlichkeiten in ,
IJiiinstten theils bei der Prunktasel in .
der Residenz, theils im Hoftheatet
und bei anderen Anlässen trug« hab-en
nach Tfjiittheilimnem die in der tat "
Residenz umlausen, einen ganz ungr- «
henrcxt Werth. Sie waren bei der «
Riiclreife der Kaiserin in mehreren .
Schmiirttoffern :«-erwat"1rt, «di-;- ein
Hofbeamter in Liesondere Obhut zu ..
nehme-i hatte und deshalb in sein Ad
thcil brinqu ließ. Der Werth dieser
Juwelen ----— hinunter die Diamant
agmfse Kaiser Napoleoii-Z, welcher
seinerzeit preußische Hutaren erbeuict
haben wird niif fünf Millillonen
Mart -:(eschätzt. Auch der deutsche
Ficiser trug Brlllantriuge von außer-—
ordcnrlich großem Werthe an der-.
Fingern, als er in München war
das Feuer dieser Steine erregte allez
meine Bewunderung
Ists s. -
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Ein verlor-euer Tag.
Wie Reu’ faßt michI an:
Nichts Böses vereite1t,
Nichts Gutes gethan,
Nichts Schönes geseh’n,
Nichts Edtes gefühlt,
Nichts Tiefes erkannt
Und nichts Großes erzielt,
Nichts erlebt, nichts geliebt
Nur in Miihsal und Plag’
Gelebt und gesorgt s—
Ein verloren-er Tag!
W
Was unsere Kinder in er er Ltni (
brauchen, das ist die Kindheiik e