Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 04, 1907, Sweiter Theil., Image 10

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    W
(17. Fortsetzung) Y
»Sie ben einen bestimmten Ani
golt da lit? Etwas Thatsächlichcs,
as dazu dienen lönnta ihn zu über
fährenkesp
»Ja, fal« erzählte sie hastig. »Ich
hatte vor Wochen einmal beim Betre
ten des Hauses ein Buch verloren, den
ersten Band eines Roms-us Den et
Gd und mir am nächsten Tage auf
Straße zurückgeb. Er hatte ihn-,
über Nacht gelesen und legt-: in aller
lei ziemlich unverständlichen Reden err.
io geteßesspJntekesse jxjt den Inhalt an
sa- xag, das-C auch aus Sei-. su iu
Ichleit fiir den erwiescnen Dienst ver
tet glaubte, ihm auch den zweiten
nd zur Leitiire anzubieten Jch
ließ ihm das Buch durch meinen Bru
der zukommen und hatte über den
schrecklichen Aufregungen, die bald
nachher ans mich einstiirmien, die un
iedeutende Angelegenheit völlig ver
gessen, als mir eines Mittags —- es
mag drei oder vier Tage nach meiner
Rückkehr von dem Gute gewesen sei n
— das Dienstmädchen meiner Schwä
in meldete, der Buchhalter Bartel
ei da und wünsche mich zu sprechen.
Ich befand mich gerade in der Küche,
nnd sie hatte die Ungeschicklichleit tsc
sangen den fremden Menschen it.
mein Zimmer eintreten zu lass-: n. Als
ich die Thiir öffnete, glaubt e ich den:
lich zu sehen, daß er sich an meinem
Schreibtisch zu schaffen machte. Aber
ich war meiner Sache doch nicht fr
sicher, daß ich ihn hätte zur Rede stel
len können, zumal ich ja auch an
nichts Schlimmeres als eine aller
dings sehr unschickiiche Neugier dachte.
Er erklärte, daß er gekommen sei,
mir das geliehene Buch zurückzubrin
en. Aber obwohl ich mich rechtschaf
en bemühte, den zudringlitden Men
chen sogleich wieder los zu werden.
onnte ich doch nicht verhindern, daß
er mit seine Theilnahme ausdrückte
nnd mir seinen Beistand zur Wieder
erlangun meines kleinen Vermögens
anbot. rst auf eine sehr deutliche
Ablehnung hin entschloß er sich,
ghen Er muß der gehei mnißvolle
pender des Tausendmarkscheines ge
wesen sein, denn ich erinnere mich ge
nau, daß ich die Schieblade mit den
Briefen während meiner kurzen Ah
tkesenheit nicht verschlossen hatte. —
sher dann —« diese weitere Folge
rung kam ihr erst jetzt in den Sinn
—».,dann wäre er ja auch der Kassen
dieh gewesen«
«Eriftes,« sagte Hermann Schrit
det sehr ernst, ,.und er ist vielleicht
noch etwas viel Schlimmeres als das.
Ich glaube« Fräulein Winter, wir sind
nn Mariff, die Lösung des Räthsels
Fu finden. Aber Sie müssen verzeihen,
Denn ich mich jetzt keines Augenblick
slanger aushalte, denn hier ist rasches
nnd rnergisches Handeln geboten.«
Er reichte ihr die Hand und drückte
auf den Knon des Telegraphen, der
IenSchließer benachrichtigte Mit du
Gefangenen zugleich verließ er das
irnmer nnd lehrte hefliigeltenSchrit
s zu dem Untersuchungsrichter zu
rück, von dem allein die erforderlichen
Maßnahmen zur Verfolgung der auf
gefundenen Fährte ausgehen konnten.
s-——-—-——-—·——--—-—
einen ganzen Tag !ang hatte Js
seph Bartel den Brief an den Staats
ankoalt mit sich ltserumgetragem eheer
den Muth sand, ihn in den Kasten zu
werfen. Alter fast schon in dem Augen
· blick, da er seinenHäiiden entglitt,
» trat ihm die Reue gekommen über sein
X allzu kühnes Beginnen. Das sehn
iichtige Verlangen, dem geiiebten
- Fideier einen Dienst zu erweisen und
ihm vielleicht die Freiheit zu verschaf
fen, hatte ihn dazu getrieben. Nun
aber. als der Gedanke zur That ge
worden war, stellten sich feinem Geiste
die möglichen Folgen in den schreck
haftesten Bildern dar. Und wenn ei
ein Mittel gewußt hätte, sich wieder in
den Besitz seines Briefes zu bringen,
gutoiirde er gewiß nicht gezögcrt ha
, sich seiner zu bedienen.
Umsonst wiederholte er sich immer
seist neue, daß er ja mit äußerster
Vorsicht zu Werke gegangen war, daß
Itemand in dem ungelenten linkshäm
. Usen Getrihel feine Handschrift er
«- Essen würde, und daß weder das
- " Er Schreiben benutzte Papier noch
« Briefumschlag ihm zu Verräthern
spsttden formten. Die peinigendeAngst
»Ist-We bei aller Behuisamkeit etwas
« n haben, wollte ihn trotzdem
. verlassen. Er verbrachte eine
stose Macht« in derer sich unauf
lich oorsagte, was er antworten
«. wenn man ihn etwa um seine
« von dem Briefe befragen
« « r war Fiemsatå giiiderkund
M Ists-et an eine r eit ge am
»· Ist-ei am nächsten Morgen.
s ins-mit m Tang ais sich nichts
» Mktiendej ereignete, wurde
skzwr etwas ruhig-U aber die
- de Ma, die von
FM NAWIB Mit geweer
; Es We its I eslichi
sinkt mehr « ine- gege
m at idem ten
F — -
Einsamkeit seiner vier Wände zurück
zulehtm
Es war ein drückend schmäler Tag,
Und drohende Gewittetlvollem die siaz
am westlichen Himmel zusammenball
ten, hatten es ungewöhnlich früh dun
kel werden lassen. hier nnd da zuckten
bereits fahlbläuliche Blitze in des
Wolkenwand auf, und das dumpfe
Grollen fernen Donners ließ sich ver
nehmen.
Zu den vielen gleichsam angebote
nen Eigenthütniichteiten Bartels aber
Fhsie auch hie hochgrabige»ne·tpöfe
srriiiregung uno s,zsurchr oie iich seiner
jedesmal schon aeraunie Zeit vor dein
Ausbruch eines Gewitters bemäch
tigte, und die sich während des sitr die
meisten andean Menschen so gleich
gültigen Naturereignisses oft bis zu
unerträglich qualvolleit Zuständen
steigerte.
Heute zumal, wo sein Nervensystem
ohne-dies bis zu äußerster Empfind
lich leit gereizt war, glaubte er in der
schweren Gen-i iteratmospbiire vor
Angst sast vergeben zu müssen. Und er
nahm seitie Zuflucht wieder zu jenem
ver-zweifelten Mittel das ihm wenig
stens siir sliichtige Augenblicke Betäu
bung und Vergessen verhieß.
Jn einem erbärmlichen Chantant
an der Schubbriicke, einem Berg-tit
gungslokal allemiedrigster Art, setzte
er sich zu mehreren anderen, bereits
stark angebeiterten Personen an den
Tisch, und erwarb sich durch seine
Freigebigkeit das Recht an ihrer Un
terhaltung Weil-zunehmen
Es war eine wüste und rohe Unter
haltung, wie sie unter gewöhnlichen
Verhältnissen seinem Geschmack durch
aus nicht entsprochen hätte. Heute aber
trieb er es fast noch ärger ais die on
deren und forderte durch die Menge
der geistigen Getränke, die er in wohl
losem Durcheinander zu sich nahm,
die Bewunderung seiner Zechtumpane
heraus. Bald genug stellte sich die
unausbleibliche Wirkung dieser Un
mäßigleit ein Er begann wirre, zu
sammenhanglose Reden zu führen,
under wurde händelsiichiig, ais man
ihn zu verlachen und zu hänseln an
fing. Als ihn daraufhin der Wirth
mit ziemlich unzweideutiger Entschu
denbeit aussorderte, das Lokal zu ver
lassen, mochte ihm wohl eine dunkle
Erinnerung an seine nenlichen unlieb
samen Erlebnisse ausdämniern, denn
er liest es diesmal nicht erst aus eine
Gewaltanwendung ankommen, son
dern schwankte unter allerlei halb un
verständlichen Schmäbungen ins Freie
hinaus.
Das Gewitter. von dem er da drin
nen in dem läktnersiillten Raume nur
wenig wahrgenommen hatte, schien
eben seinen Höhepunkt erreicht zu ha
ben. Von Selunde zu Sekunde wan
delte sich die nächtliche Dunkelheit iit
ein Meer von grünblauem Feuer. Der
Donner trachte und tnatterte. als
stürzten unaufhörlich ganze Häuser
reiben in sich zusammen. und ein wol
kenbruchartiger, mit großen Eisstiicten
rintermischter Regen rauschte aus die
menschenleeren Straßen nieder.
Schon nach den ersten zwanzig
Schritten war Bartel völlig durch
niißt. Aber er bemerkte es gar nicht,
--.-- L-- c«-,I.A1.«--- M--s·---I-- h-- El
»e. r« »- »., me «.·......, » »
menie dünkte ihn nichts anderes als
derDonner des jüngsten Gerichts-. Die
gräßliche Angst, die trotz des Maus-tex
r.:-iei:cr wie mit Geierlrallen seine
Seele gepackt hatte, raubte ihm ankl
den letzten Rest von klarer Besinnung-»
Er stöhnte auf, so oft ein Musiker
Blitzstrahl vor ihm das Gewölk zer
riß: seine Kniee schlotterten, wenn der
Donner zermalrnend über ihn dahin
rollte, und mehr eine Aeußerung thie
rischkn Jnstinlts als eine Folge klarer
Ueberlegung war es, wenn er tret;
alledem seinen Heimweg fand.
Jn der Thürnisehe des Hauseä
stand ein Mann, der dort nothdiirstis
gen Schutz vor dem strömenden Regen
gesucht haben mochte. Jn sehr men
schenfreundlicher Weise war er dem
Buchhalter behilflich, das Hausthor
zu öffnen. Aber als er sieh sogar be
reit erklärte, ihn hinaus zu geleiten,
lehnte Bartel beinahe heftig ab.
»Was denken Sie von mir?« lallte
»Halten Sie mich siir betrunken?
Oder glauben Sie, daß es da oben
etwas zu holen gieth«
Der Mann drängte sich ihm nicht
weiter auf, und der Berauschte tastete
sieh mühsam über die dunkle Stiege
empor. Daß die Thür seines Zim
mers steh vor ihm austhat, während
er noch nach dem Schlüsselloch suchte,
erschien ihm nicht besonders verwun
derlich Er taumelte zum Tische und
griss auf der Platte umher, des
Leuchterg mit dem Feuerzeug habhaft
zu werden. Da übersluthete ein
zuckender Doppeiblitz sär den Bruch
theil einer Sekunde das lleine Gemach
mit blendender Helle, und ein gellender
Aufschrei, der selbst das Geprassel des
unmittelbar sole enden Donners über
thte, lam aus oseph Burteks Kehle-.
Unmittelbar vor sich,n an der Ande
ren Seite des Tische-, hatte er eine
hochausgeriehtete menschliche Gestalt
M z n, nnd eiga bsiir ihn keine län
7 it, des et die hogete Gestalt
Musikanten sen-est- sel.
,,(:·3n.:de! —— BatmhetzigckeiiP wim
:1;-.:te et, in die Kniee zusammenge
brockxem »Ich habe Dich doch nicht
;:nigebracht.« ,
Ein Gkiss an dek pfmma Bleiw
Iatetne, und das fahie Gesicht des
Buchhalters war mit feinen hervor
quellenden Augen und seinen verzett
ten Zügen war hell erleuchtet.
»Im Namen des Gesehes, Bariei
----«I.Ee sind verhaftet!« schlug eine
tiefe Stimme, die allerdings nicht die
des Rendanten war, an sein Ohn
»Machen Sie gefälligit keine Um
stände: sonst würden wir genöthigt
sein« Sie zu fchließen.«
Joseph Battel aber war nicht in der
Verfassung. vieleUmstände zu machen.
Stumm und zitternd, ein plötzlich et
Iniichtetter. aber vollständig gebt e
ner Mann, folgte er den beiden e
amtem welche die Thiir seines Zim
mers hinter sich mit den Polizeilichen
Vapietsieqeln verklebten. Er war mit
geworden, daß die beiden Männer,
hie ihn in die Mitte genommen hatten,
ihn mehr tragen als führen mußten.
Aber fein Geist war wunderbarer
Weise jeht ganz tlar. Und ohne daß
er von ihnen gefragt worden wäre,
nur aus dem Verlangen heraus, die
furchtbare Last von seinem Herzen zu
wälzen, erzählte er unterwegs feinen
Begleiåern die ganze Geschichte seiner
S ul .
Sie hörten ihn ruhig an. Aber als
er ceendet, sagte der Kriminaltonk
missar Neuburger sartastiiche »Ein
, hülfches Märchen, mein Lieber —gut
tauågefonnen und vorgebracht. Schade
nur, daß sich schwerlich jemand finden
wird, der daran glaubt. Für heute
Nacht mag es gelten-morgen aber
werden wir uns doch eine andere Er
klärung ausbittem denn wir find eini
germaßen neugierig, zu erfahren, wo
»Sie mit dem ansehnlichen Nest der
iBente geblieben sind und wo Sie die
Leiche des ermordeten Winter versteckt
haben. —- Lsder vielleicht haben Sie in
Ihrem eigenen Interesse die Witzes
»aus gleich jeht zu sagen.«
t Aber seine Vermuthung, daß von
seinem ordentlichen Verhör des Ver
lhafteten fiir diese Nacht wohl würde
lAbstand genommen werden müssen,
erwies sich als vollkommen zutreffend.
Sobald man ihn in den Aufnahme
franrn geführt hatte, fiel Bartel wie
eine leblose Masse auf die holzbant
und starrte mit leerem Blick vor Jich
hin auf die Diejen. Auf die an ihn
gerichteten Fragen hatte er teine Ant
wort mehr, und das trampfartige Zit
tern, das von Zeit zu Zeit seinen Kür
per überflog, ließ erkennen, daß es sich
hier nicht um geschickte Verstellung,
sondern um einen Zustand hochgradi
get geistiger und körperlicher Er
schöpfung handle.
Willig ließ es der Unglückliche ge
schehen, daß man ihn feiner durch
niißien Kleider entledigte. Auf dem
harten Lager der Gefängnißzelle, de
ren Thür sich sodann hinter ihm
schloß, schien er bald in tiefen
Schlummer gesunten.
19. Kapitel.
Ein herrlicher, sonniger Morgen
war nach der stürmischen Gewitter
nacht über der fchlesischen Duupiftadt
angebrochen. Nur die großen Wasser
lactm die noch hier und da in den
Straßen standen, gaben Kunde von
Lein ent-setztichenllntvetter, das so vieie
um ihren Schlaf gebracht hatte. Das
Laubwerk der Baum aber fah so frisch
und Verjüngt aus, als befiinde man
sich mitten im Frühling, die Groß
enern Male so schwach und hinfällig
I
t
i
::«mtvelroyner, rie schon in fruyer
Morgenftunde an ihr Tagewerk gin
ren, schienen die erquickende Abtiih
luna als eine köstliche Wohlthat zu
empfinden.
Früh-er als sonst hatte Frau her
:::ir-e Winter sich heute von ihrem La
aer erhoben. Auch sie hatte infolge des
Untier-lang- tot-enden Gewitters eine
nahezu schlaflose Nacht verbracht, und
sie war dadurch in einen Zustand
nett-Eifer Unruhe verseyt worden, der
ihr das Stillliegen schließlich ganz
unerträglich maittr. Sie tleidete Eh
an und ging in eines der nach r
Straße gelegenen Zimmer. um das
Fenster zu öffnen und in tiefenAthems
zügen die würzige Morgenluft zu
irinten, die sich immer als ein gutes
Vetuhigungsmittel fiir ihre aufgereg
ten Nerven bewährt hatte.
Eine Droschte, die schwerfällig die
Straße herauftam, erregte ihre Auf
merlsarnleit, und mit einem Ausruf
freudigster Ueberraschung neigte fie
sich weit zum Fenster hinaus, als fie
den Jnsassen des jetzt vor dem Ge
schäftshause haltenden Gefährts er
kannte·
Denn es war tein anderer als ihr
Bruder George, der da leicht und ela
frisch auf das Pflafter sprang und
den Kutscher ablohnte, und dann mit
rer eleganten omeritanischen Hand
tafche, die wiederum seinganzeöReife
aeräck auszumachen schien, im Jnnern
des Hauses zu verschwinden
Herrnine überließ es nicht dem
Dienstmädchen, ihm zu öffnen. fon
dern sie eilte selbst an die Wohnungs
lhiir und begrüßte ihn dort mit un
gleich röfzerer Herzlichteit als bei fei
ner ers-en Wiederkehr nachher langen
Trennung.
»Geor«ge! Mein lieber — lieber
Bruderl rief sie, sich in heimihe ftiiri
snifcher Zärtlichkeit an seine Brust
werfend. »O, wie danre ich Dir fiir
Dein Kommen-«
Geer e Millee hatte lieh den liebe
lles tw llen l eu;
gis-» .-. Masse-»s- lett-«
schwang ihrer Gefühle gar nicht wie
der von seinem Halse lösen zu wollen
schien, entzogoer sich doch aus ziemlich
energische eiie ihrer Umarmung
nnd Etat in das Wohnzimmer ein.
»Es war doch selbstverständlich, daß
ich Dich besuchen würde, sobald die
Verhäitnisse es mir gestatteten,« sagte
er in einem Ton, dessen kühle Fai
bnng dazu bestimmt schien, allen wri
teren Zärtlichkeitsausbriichen vorzu
beugen. »Das war einsach meine brü
derliche Pflicht. Und ich habe mich
nicht abhalten lassen, sie zu erfüllen,
obwohl ich, ossen gestanden, nichtsehc
zustieden mit Dir bin, weine liebe
Hermine!«
Sie war merilich unangenehin be
tübrn aber die ilugeErwägung, daß
sie es mit dem Bruder, der ja vorläu
fig ihre einzige Zuflucht war, unter
keinen Umständen verderben dürfe.
hielt sie ab, es ihm allzu deutlich zu
zeigen. »Du list unzufrieden mit
mir. George?« fragte sie wie in
schmerzlichem Erstaunen. »Was have
ich gethan, um Dein Mißfallen zu
erregen?« .
Mit der Ungenirtheit eines Man
nes, der keine Ursache zu besonderer
Rücksichtnahme zu haben glaubt, hatte
derAmeritaner seinen Ueberzieher und
feinen Hut auf einen Stuhl geworfen
Er trat vor den Spiegel, um feine
Krawatte zurechtzuriicken, und erst,
als er damit zu feiner Zufriedenheit
fertig geworden war, erwiderte cr:
»Die Gechichte mit der Schwester
Deine-! armes ist ja der heillofeste
Unsinn, den die tiivpische deutsche Po
lizei jemals angerichtet bat. Und nach
der assung Teines Briefes will es
mir cheinen, als ob Du einen sehr
bedenklichen Antheil daran gehabt
hättest. Man hat das arme Mädchen
doch hof ntlich inzwischen schon wie
der aus reien Fuß gesetzt?«
Alles andere würde Lnermine gedul
di hingenommen haben; diese rück
xi tglose Parteinahme ihres Bruders
iir die verhaßt-e Schwiigerin aber
brachte ihr Blut in Wallung »O
nein!« sagte sie scharf. »Das arnie
Mädchen befindet sich noch immer im
Gefängniß. Und außer ihrem Lieb
haber dürftest Du wohl der einzige
sein, der es dedauert."
George Miller, der schon wieder vor
dem Spiegel stand, drehte sich mit
einem Ruck nach ihr um. »Außer ihrem
Liebhaber — fagft Du? Was soll das
heißen? Während meines hierseins
gar doch von etwas derartigern teine
.e:e.«
»Nein. Damals hielten wir sie eben
alle noch fiir einen Engel an Unschuld
und Reinheit. Aber die Thatsachen
haben mich inzwischen eines anderen
belehrt. Der Herr Rechtsanwalt wird
vermuthlich seine besonderen Gründe
gehabt hadgh mit solcher Eilsertigleit
und solchem Eifer ihre Vertheidigung
zu übernehmen«
»Ist es der inlefuch, den Du
mein t?" warf iller geringschiihig
hin. »Na, mit dem wird man, wie
ich denke, die Konkurrenz wohl noch
aufnehmen können«
Hermine wurde roth vor Entriistung
oder vielleicht auch vor Schrecken.
»Was sagft Du, Georgei Die Kon
kurrenz? —- Du hast doch nicht etwa
irn Ernste die Eldsicht Dich um die
Gunft dieser —- dieser Diehin zu be
werde-ist«
»Meine liebe Herminr. sie ist so we
nig eine Diehin wie Du. Du wirft
Dich wahrscheinli hinnen kurzem in
die unangenehme othwendigteit ver
seht sehen, sie wegen Deines ganz un
legriindeten Vewachts flehentlich un:L
Nara-ihnen an biet-u«
»Ich? Jch sollte sie um» Verzeihung«
bitten, diese salsche, gleißnerische
Sei-langes —- Ninimermehrl Vielleicht
lsrin t sie es ja mit ihren lotetten
Künten fertig, die Richter zu belad
reii, wie sie Dich und —und andere
bethiirt hat. Auf mich aber inacht der
gleichen leinen Eindruck, und wenn
man sie freisvriichse, würde ich ihr doch
vor aller Welt ins Gesicht hinein wie
derholen, daß sie eine Diebin und nach
Schlimmeres ist·«
»Das olltest Du Dir vor der Aus
siihrung och noch reiflich überlegen,«
sagte er gelassen, »denn es könnte Dir
unterUmstiinden recht schlimm bekom
men. Ader wozu sollen wir uns da
rüber ereiferns Sage inir lieder, wo
rauf sich Deine Vermuthaingen hin
sichtlich eines Liebes-verhältnisses zwi
schen Martha Winter und diesem hin
tenden Rechtsanwalt gründen.«
»O, ed sind mehr als Berinuthun
seines ist so gut wie volle Gewißheit!
—Jch tann Dir nicht alle Anhalts
punkte auszahlen, die ich dafür habe.
Aber Du darfst Dich getrost auf inei
nen Scharsblict verlassen. Eine Frau
täulsitt sich in solchen Dingen nie
nia s.«
»Na, das wollen wir denn doch da
hingestellt sein lassen. Es wäre also
jedenfalls ein heimlicheö Liedes-ver
hältniß, von deni noch niemand etwas
Bestimmtes weiß?«
s »Ist das nicht uni so schlimmer?
Natürlich ianner jeht nicht mehr da
ran deuten, sie zu heirathen, wenn er
sich nicht gesellschaftlich völli unmög
lich machen will. Aber vie tcht hats
er auch von vornherein gar nicht diese I
Absicht gehabt. Wenn es Dir also
Vergnitgen macht, sie gewissermaßen
aus zweiter Hand zu empfangen —-—"
«Ueber.«dai, was siir mich angemes
Len oder unangemessen ist« darfst Du
ie Entscheidung getrost mir selbst
iiverlassen, meine gute Herminei Ich
bin Dir fiir Deine freundlichen Mil
tlseilungen verbunden und werde mich
an gee neter stelle weiter zu ori i
reii ssen. —- Giebt es sonst as
Neues in Angelegenheiten Deine-z
Mannes? Jst man ilzm auf der
Spur-? Ober hat et vielleicht die Aus
merliatnleit gehabt, wieder einmal e:n
kleines Lebenszeichen zu geben?««
Eben wollte Herinine i?m von dem
goeiten Hamburser Briee erzählen,
er gestern auch ihr vorgelegt worden
war, und den sie im Gegenst-h zu ihrer
Schmägerin fiir zweifellos echt erklärt
hatte, als das Diensttpiädchen ins
Zimmer lam. ’
»Entschuldigen Sie, Frau Winter
——aber der Heirdteneralvireltor läßt
fragen, ob nicht vielleicht hier irgend-v
wo die Schlüssel zu ten drei alten
Geldschtänten sein könnten, vie auf
dem Korridor oor dem Kassenzimmer
stehen. Es ist jemand da, der sie tau
fen mischte. Aber er will sie auch von
inwendig sehen, und die-Herren wis
sen nicht, wie fix sie ausstiegen iollen.«
»Da tann ich ihnen leider auch nicht
hejfen,« sagte Hermine. »Ich habe
mich niemals um die Geichästsschliis
sei meines Mannes getiirnmert. Als-er
ich glaube, er hatte sie alle an einem
Bund; und da wird er wohl die zu :en
alten Geldichriinten zugleich mit den
Tresorschliisseln mitgenommen haben.
Theilen Sie das mit dem Ausdruck
meines Bedauerns den; Herrn Gene
taldirettor mit.'«
Ihr Bruder hatte sich erhoben und
war aus das Dienstmädchen zuge
schritten. «Sind Geldschriinte zu cer
laufeni habe ich Sie richtig verstan
den?« fragte er interessitt.
»Ja, die alten, die im Korridor
stehen, sollen vertaust werden« k
»Die muß ich mir doch einmal an
sehn« wandte er sich an seine Schwe
ster. »Ich brauche einen, und wenn ich
billi dazu tomine, kann das Geschäft
gleig gemacht werden. Entschuldige
mich einen Augenblick, ich bin jeden
falls sehr bald wieder da.«
Ohne hut verließ er die Wohnung
und trat aus den Hausslur hinaus.
Aus dem an den Kassenzimmer-n ent
Lang führenden Fensterganae wurde
eine bolternde Stimme vernehmlich. I
»Man ja eine derteufelte Ge-’
schickte, wenn wir die alten Kasten erst
noch mit Gewalt ausbrechen lassen
mußten. Kann’s Jhnen aber anderer
seits nicht verdeittem Brit-Der, dat«
Sie nicht die Katze im Sack taufen
wollen. t der Hallunte die Schlus
tel mitae n heißen, so bleibt uns
eben nichts anderes übrig, als wieder
einmal ein paar Schlosser aus trr
Geidschranliabril holen zu lassen.«
Er unterbrach sich, denn plötzlich
stand George Müller zwischen ihm
und dem kleinen, verschmin aussehen
den alten Manne, der offenbar der
von dem Dienstmädchen erwähnte
Kauilustige war. Dies unerwartete
Erscheinen des Ameritanets, den ihm
Gerhard Winter damals bald nach
seiner Antunst pflichtlchuldigst vor-·
gestellt hatte, seyte den Generaldiret
tor eingermaßen in Erstaunen. »Na
nu? Sie tauckxn ja so geisterhaft auf
wie ein Theateraespenst, das aus der
Versenkung steigt. Aber wenn Sie ge
kommen sind, um Jhre arme Schwe
ster ein bischen zu trösten, soll Jhtsen
in Gottes Namen derSclrect verziehen
sein« den Sie mir eben eingejagt ya
beä Hatten ez nur schon sriiher thun
w en.'«
»so-»I- -!.--...
»Ullllll"llzlclloslc Wsukuslc quuur
mich zu meinem Bedauern solange in
Berlin zurück. Ich bin eben ertt an
felommem und ich würde Ihnen
,elbstverständlich noch im Laute rcg
Vormittags meine Aufwartung ge
macht haben, Herr Genercrldirettvr,l
um Ihnen fiir die Großmuth zu den-;
ten, die Sie meiner unglücklick»en
Schwester gegenirber an den Tag ge
legt daben.«
»Ach, Unsinn! Das war die Gesell
schaft-—- nicht ich. Und wenn Sie mir
einen Gefallen thun wollen, so reden
Sie nicht wieder davon! Denn es ist
mir durchaus tein Vergnügen, an
diese fatalen Geschichten erinnert zu
werden. — Na, bringen Sie die
S lüssel?«
ie leßte Frage war an das-.
Dienstmädchen der Frau Winter ge-?
richtet, das sich eben der Gruppe
näherte. Als es die verneinende Ant
wort ihrer Herrin aus«-gerichtet hatte,
kchiittelte der alte Herr ärgerlich den
opt.
»Natürlich! —- Hake ich mirs doch
gedacht! Und der Siebenfchläfeh der
Zettel, läßt sich heute auch nicht sehen.
W
Er müßte doch schon seit einer Vier
telstunde aus seinem Posten sein. Soll
sich die Hoffnung ans die Rendaniens
siellung nur.ver5»eben lassen! Späh
buben werden sie ja am Ende alle mil
einaisder, wenn man ihnen nicht scharf
aus die Finger siebt; aber daß sie
pünktlich sind lann man doch wenig
stens von ihnen verlangen. —Na. da
werden wir uns also wohl entschließen
:niissen, die alten Eisenlisten gewalt
sam ausbrechen zu lassen.«
Tek kleine Herr Priewer nicktr. »Es
thut mir leid, Herr Direktor, daßich
Ihnen soviele Umstände machen muß.
Aber ein großes Geschäft ist mit sol
ckxen veralteten Schränten ohnedies
nicht zu machen. Und wenn man nicht
einmal sehen konn, wie sie tonstruirt
sind——«
»Auf ich ni. r eine Frage erlauben,
meine Herren?« mischte sich Geo:ge
Mille-: ein. »J(l, sehe, baß es sich um
einen Verlauf dieser drei Geldschränke
handeln soll, nndich möchte wohl wifk
se:i, ob er bereits perseit getookdeni
Denn eigentlich war es meine Absicht,
selbst ein Gebot aus den größeren hier
- --l
zu sit-upon
»Sie?« fragte der Generaldirettor
verwundert, während der tleine Herr
Reserven unangenehm überrascht
durch die unerwartete Konkurrenz,
seine Stirn in sehr ernste Falten zog.
»Ja, was wollen Sie denn mit einem
solchen Niesentasten beginnen?«
»Er sollte mir zur Ausbewahrung
meiner Bücher und der wichtigeren
Geschäftspapiere dienen. Und ich war
sozusagen schon handelseins geworden
mit meinem Schwager,·der nur noch
«r,re Genehmigung einholen wollte,
erc Generaldireltor!«
»So?« Er hat mir aber lein Ster
kensroörtchen davon gesagt Wissen
Sie denn, wie die Dinger inwendig
aussehen?«
»Ist habe mir damals von ihm nur
den großen hier öffnen lassen, weil die
betten anderen siir mich von vorn
herein nicht in Betracht kommen konn
ten, itnd ich lann Ihnen mittheilen,
daßet nur aus den glatten vier Wän
den besteht. Mein Schwager sagte
mir, die urspriånglich vorhanden ge
wesene Jnneneinrichtung sei in den
neuen Trsesor eingebaut worden«
»Ja, das kann schon richtig sein,«
.neir.te der alte Herr. »Ich giaube mich
daran zu erinnern. Sie reflektiren
alio ernstlich ius den Schranl?«
»Ich habe in meinem Berliner Bu
rean sogar bereits alle Vorkehrungen
siir seine Aufstellung getroffen. nach
dem ich mir damals hier die Maße ge
nommen hatte. ———Aber wenn mir der
ifierr sent zuvorgekommen sein
sollte ——«
»O bitte,« fiel der Kleine etwas
spitzig ein. »Ich tause nichts, das ich
mir nicht vorher gehörig angesehen
hzksr. Und der Herr Generaldirettor
hat nrcks völli sreie Hand«
,Ja, was oll ich denn da thun?
Hatten Sie sich mit Ihrem Schwager
aucls vielleicht schon über den Pteis ge
einigt?«
George Miller schien siir einen Mo
ment unschliissia, ths er antworten
sollte. Dann aber, als er die Augen
des tleinen HerrnPrierrer mit stechen
dem Blick aus sich gerichtet sah, sag-te
er hastig: »Er meinte, daß tausend
Mart ein angemessener Kansvreti
sein würden. Und ich habe mich des
halb vortereitet, diese Summe zu
zahlen."
Fortsetzung solgU
Schon zwei Wochen vor Winters
Anfang bat del Winter seht bedeutend
angefangen.
St sit If
»Nun hat sie doch einen vekichulde
ten Edelmann geheikatet.««« - »Ja« wie
ist das getomtnen?« —---- »Auc- Vet
zweiflung. Der Kutscher ihres Vaters
hatte ihr einen Korb gegeben.« ·
II I I
»Wie macht sich Jhr neues Mädchen
jetzt!' fragte die Städtetin MAX Su
butbs. s- »-O, eben aus dem Stau
be," lautete die elegische Antwort
sf s- -.:
»Warum hat Sniggsley feine geschie
dene Frau wieder geheikatett« s- —- »
hatte aus bester Quelle erfahren, daß
sie die gesamten Alimente, die et ihr
äu zahlen hatte, auf die Bank gelegt
at."
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Der Redakteur
Js
»Hert Tsottok, Hex! Doktor, De: Stcrch hat trug Weines- gehst-NR
»Werer Sie es m den Papie«tkocb2«