Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 21, 1906, Sweiter Theil., Image 15

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    Weihnachtslied «
Tie Winde lsmnfen nnd then
lleuer Omde nnd Este;
Hin Nin-ten die Eln-1nn—:«rnsen
Vlnlnl lnsnnlieh unter dem Zehn-U
dein-lieh Ieje in den THE-ihnen
OJ leise treibt nnd drängt;
Oennllch nne sj·15·.e·.«- Ttiinxneln
Tags dämmernd den Etnn ninsijn-«n,
Wenn angs- der Luft, der klares-«
Weilnmelncigelijnte filnnedh
Vllis lnjtten vor vielen Jahren
Echon einmal wir gelebt,
All-J lyiille unsere Lippe
Zelkon damals- dacs alte Lied
Gesungen. nlxe Vor der Jltjvpe
Wir weinend niedergelnicU —
Als lnilten wir selber gesehen
Tes- EterneH le11d)tellde-;- Licln
Ueber der Hütte stellen,
llnd Mariens reine-c- lslefielm —
Und die Strahlen, welche flirrien
llin des lKindes lslondloelinesv Haar,
Und die Könige nnd die Hirten,
Und der Engel jmnmendc Sclnmr s-—
Mai-r Müller-.
Die astbettsche Blutwmst
Von hekmann Sud eman
un hatte sie ihn doch gepackt
N jene Welt, der er so lange mit
Vorsicht aus dem Wege gegan
gen war. Jene Welt der behandschuh:
ten Bosheit, des schiefen Lächelns, der
zur Wohlthat gewordenen Lüge-. Jene
Welt zwischen zwei Welten, die fremde
Arlstolratien topirt und in mißver
standenem Hoston schislert, in der die
Gedanken der Zeit zu Bonbonz geba
cken und deren Schöpfer als Tafelaus
sähe herumgelieben werden. Jene
Welt, die schon manches Talent ver
schlungen und als Marttwaare wieder
ausgespieen hat
Den Anlaß bot sein vielgerijhmtes
Pild »Das Proszeniun1«, ursprünglich
e ne Farbenstudie, in der er, der Ro
lorist von Gottes Gnaden, den Wider-«
schein hellgoldener Flammen ans dem
Dunkelpurpur von seidenen Loaens
brüstungen und dem Mattweiß von
Frauenschultern zu eigener Lust und
Liebe hatte festhalten wollen, und die
sich dann allgemach zu einem standard
wort herausgewachsen hatte.
Nachdem die Jahresausstellung er
öfnet worden war, hatte er das Ver
gnügen, eines Morgens als Berühmt
heit zu erwachen. Die Zeitungen«
schrieben halbe Spalten über ihn, gas- l
sende Schaaren urnstanden sein Wert,
und selbst der Theilnahmloseste fühlte
sich verpflichtet, seinem Namen das
durch die Suggestion der Massen ab
gezwungene Schferlein von Bewunde
rung darzubringen.
Puyig war’g zu beobachten, wie sein
borstiger Bauernstolz unter der Gna
densonne dahinschwand.
Mit einem halb schlauen, halb ge
schmeichelten Lächeln betrachtete er den
neuen Stand der Dinge, den er zwar
Anfangs in unserem engsten Kreise als
einen verruchten Schwindel vorzustel
len liebte, der sich ihm aber allgemach
in etwas Längstgewollteg, Längstoor
hergesehenes, in das naturaetiiäße
Endziel eines planiniiszigen Strebens
zu verwandeln schien .. Seine Stirn
salten glätteten sich, seine prallen Ba
cken verloren die schweißige Blässe, sei
ne Stimmung, die insolge stetiger Ue
berarbeitung zwischen grauen Melan
cholien und zornigem Wollen zu wech
seln pslegte, ging in psissige Versöhn
lichteit über.
Alsdann kam det Antaus des Bil
des durch einen unserer tneistgenann
ten Großindustriellen und die daran
sich schließnde Einladung in das viel
umworbene Heim, in welchem eine der
dedeutsamsten Galerien Berlins sich
zusammengesunden hatte . . .
Damit war der Eintritt in die Ge
sellschaft gegeben, in der unser Freund
—- sein Name thut nichts zur Sache
— anderthalb Winter hindurch eine
dielbeneidete Rolle spielen sollte . ..
Der Unsug. den Berlin bisweilen
snit einem plöhlich in Mode gekom
menen Schooßtinde treibt, wickelte sich
tn den üblichen Formen ab, die dieser
soder jener aus unserer Freundegschaar
später noch aus eigener Erfahrung
kennen zu lernen Gelegenheit hatte.
Später vermochten wir — - oder wenig
stens unter ung, denen es just passirt
----- rnildherziger darüber zu dentcn,
damals aber waren und blieben wir
unerbittlich·
Wir lächelten hinter ihm drein,
wenn er seine massiven Schultern in
den tneifenden Schnitt eines sashiona-s
blen Frackg hineinzwängte, wir ver
höhnten das schmachtende Löclchen,
das sich als Wahr-reichen aesunlener
Mähnenpracht gefällig in die Stirn
hinunterlriiuselte, und ultten ihn an,
wenn er Nachts im Cafe die treuher
zigen Tatzen mühsam aus den allzu
engen Ballhandschuhe schalte. Daß er
auf dem Parlett eine höchst sragtviirs
dige Rolle spielen mußte, war uns
klar, aber wir täuschten ung, toie wir
gelegentlich erfahren sollten.
Sein Naturburschenthuni, anstatt
ihn in seinen gesellschaftlichen Erfol
gen»zu hemmen, war nur ein Grund
mehr, um ihn zum allgemeinen Lieb
ling zu stempeln. Man genos; seine
derben Einfälle als eine töftliche seu
riosität und reichte sie mit Behagen
weiter, zumal Mutterin und ein
blitzschnelles Erfassen der Situation
ihn vor groben Stilwidrigteiten behü
Und et wußte sich unentbehrlich zu
machen. Er detotirte Säle, stellte le
bende Bilder, zeichnete Kostiime, malte
Coulissen und verschasste Proloae und
Geleitsmusilz er lentte die Gläser der
Laterna Magica, liesz die Beleuchtun
gen spielen, bewachte den Vorhang und
lies zwischen den Garderoben hin und
her, um zu schminlen, zu garniren,
den Frisuren den letzten Schliss zu
geben und mit einem lustigen Worte
den im Lampensicbr Erstarrten neues
Leben einzuslößen·
Aus unsere Baden, in unsere Hinei
pen lam er immer seltener. Er ent
schuldigte sich mit ZeitmangeL und in
der That, wo hätte er bei diesem Trei
ben. das ihn achtzehn Stunden täglich
in Hetze hielt, die Zeit hernehmen sol
len, die Witzeleien grollender Kumpane
iiber sich ergehen zu lassen?
So verging der Winter. Als die
häufen in denen er aus- und einzu
gehen pflegte, ihre Pforten geschlossen
hatten, wischte er den Staub von sei
ner Stasselei und machte sich daran,
das »ländliche Fest«, an dem er seit
langem bostelte, zu vollenden. -——— Aber
die Unruhe sasz ihm im Blute. Er tam
nicht vorwärts. Und als ihm der
Austrag wurde, die Halle eines modi
schen Landsiyes mit einem Kinderfrie
se auszumalem nahm er dies als will
lommenen Vortvand, die laltgetvorde
ne Arbeit in den Winkel zurückzuschie
ben.
Er ließ sich etliche Ilanellanziige
machen, sauste sich ein Nacket und suhr
von dannen.
Bis zum Herbst hörten wir nichtsl
von ihm. Dann tauchte er wieder aus.
Höchst fidel. Braunroth· Jn der
Krawntte einen Brillantadler, der ihm
in Baden-Baden siir das Arrangement
eines Blumenwageng von einem fürst
lichen Gönner verliehen worden war . .
Die Aufträge regneten. »Ich werde
demnächst Nummern ausgeben müs
sen,« erklärte er lachend.
Wir hatten ein böses Gewissen, weil
wir in der Zwischenzeit gar zn un
barmherzig über ihn hergezogen wa
ren, und lieben ihn laufen, ohne zu ei
ner srenndschnstlichen Aussprache den
Weg gefunden zu haben.
Und die Wirthschast des vorigen
Winters begann richtig von Neuem.
s - Alsbald zog dieser oder jener von
uns triumphirend ein Zeitungsdlatt
hervor, in dem sein Name als Comm
initglied siir nahende Wohlthätigkeits
seste mitten unter lauterNotabilitäten
siegreich prangte.
Dann kam ein Gerücht uns zu Oh
ren, das ihn mit der Tochter eines
großen Finanzmannes zusammentops
pelte.
.,,Allll III ck lolcll sclllg, Dclkcllllcll
rwir.
s Jn der ersten Dezemberwoche traf
sich ihn eines Vormittags auf der
jStraße — eilig, verdrießlich, mit
Sorgensalten auf der Stirn.
»Glaubst du, ich weiß nicht, wie ihr
tiber mich denkt?« sagte er; »ihr
fglaubh ich schwimme ewig in einer
süßen Saure. Aber ich kann euch ver
sicheru, es ist ein Hundeleben . .. Eine
Verantwortlichkeit hat man --— der
reine Gekdbriefträger·«
Und ehe icb ihn nach seinen Verlo
bungspliinen hätte fragen können, war
er von dannen gelaufen
« Aber von anderer Seite betam ich
Nachricht darüber-.
An einem Abend in der ersten De
zemberwoche nahm mich Leitner, der
bissigste ans unserer Bande, beiseite
und sagte leise:
»Di-, der Salonmann war bei mir.«
»Weßwegen?«
»Er hat über seine Heirath mit mir
reden wollen.«
»Warum erzählst du das nicht
laut?« fragte ich.
»Weil der arme Kerl mir leid thut.«
»Wenn er dir schon leid thut,« sagte
ich, »dann muß es miserabel um ihn
stehen.«
»Jawohl. Er geht vor die Hunde
-- rettungslos. Und das Schlimmste
ist ——-- er fühlt es. Aber er tappt in
einer Art von Nebel . .. Ansichaltung
gewisser Gehirnsunltionen . .. Par
tielle Willenlähmuna . .. Er starrt die
ungeheure Vornehmheit seiner künsti
gen Sippe an wie ein hhpnotisirtes
Huhn.«
»Und seine Braut?«
»Er hat mir ihr Bild gezeigt. Jn
Ballunisorm . .. Kühl -- hoch --—
blond Salziäller dünne Aermi
chen und eine hochmiithige Vogelvis
sage. Sie will ihn -—-- ihn, den
Bauernsohn. Das geniigt.«
»Und wag hast du gesath« fragte
jich.
i ,,..,ag tan it du dir wohl denken
PAber er erklärt, er kann nicht mehr
czuriick —« Sonst wird er versemt --—
bohtottit unanständiger Kerl —
Iwas weiß ich? tlnd dann liebt er sie
tia auch... Sie, die Erhabene, die so
himmelhocb über iqu steht, die fo viel
Herzensseinheit und so pietfeine Ma
nieren hat. Wie lann man da an
der-se .. Jch bitte dich.
»Und dann die Mitgift!« sagte ich.
» ,,Nee, da hält er auf Reinlichteit,«
Ieiwiderte er. »Am liebsten möchte er
;sie aus seine Arme nehmen und in
Esein Heim tragen... Er malen und
;sie Rassee kochen-» Aber sie is to
Ymisch Sie will nich... Armee Kerl!«
,,Armer Kerl.«
I
l
)
Der Weihnachtsabend kam heran,
»den wir Junggesellen nach alter Ge
wohnheit im Hinterzinnner unserer
»Stanuntneipe zu feiern unternahmen.
Einen Tannenbaum verschmähten wir
Tnach ftilischtveigendem Ilebereinkom
"nien, weil uns sein geborgtes und
Jstimmungsloseg Gedränge als eine
lallzu dürftige Parodie jenes Zauber
sglanzeö erschien, der im tiefsten
iSchrein unserer Kindheiiserinneruw
ngn seinen unzerstörbaren Sitz hatte.
iAber wir pflegtest uns gegenseitig klei
Ine Geschenke --—nicht immer die zar
Etesten —s-- zu überreichen und über dem
Rheinweinalase vergangenes und er
hoffteg Glück an uns vorüber-ziehen zu
lassen die einen weicher, die ande
alle von dem Wunsche durchdrungen,
in diesem Zwischenstadium gute
Freundschaft zu halten.
Des ,,Salonniannes«, der sonst nie
gefehlt hatte, wurde heute kaum ge
dacht. Jn diesem Kreise scharfer Zun
gen hatten nur die Anwesenden recht,
und zum Schmälen war heute wenig
Lust vorhanden.
Einer machte gelegentlich darauf
aufmerksam, daß sich in dieser Stunde
sein Schicksal wohl erfüllen würde.
Der heilige Abend sei ja der übliche
Zeitpunkt für Verlobungen und fon
"stige Maiheure.
. Mit einem schweigenden Achselzu
Fcken wurde das fatale Thema abge
sthan.
sGegen 12 Uhr nachts klopfte es, und
sunser Freund trat ins Zimmer.
Man tann nicht behaupten, daß wir
iihm ein freundliches Willtommen be
i reitet hätten. «
s Er gab uns der Reihe nach die
hand und sagte dann: »Einen Stuhl
J ,
werdet ihr doch wohl noch ftir mich
übrig haben.«
Wir rückten zusammen und versuch
ten solzu thun, als ob in den jüngsten
Monaten nichts Betncrtengwerthes
vorgefallen wäre.
Er war in Frack und weißer Binde
und fah fahl und schweißig ans-, wie
in den Zeiten einstiaer Ueberarbeituna.
Seine Beine-Jungen waren schwerfäl
lig, pflegmathifch beinahe. Nichts
zeugte dafür, daß irgend eine Erre
aung --- freudige oder fchmerzliche --——
Oel-en durch seine Seele geganan war.
Trotzdem wich der Verdacht nicht
lvon mir und ich wußte, alle die
anderen theilten ihn daß er nur ge
kommen war, uns Von feinem neuen
HGlijckSznstand Mittheilunq zu machen.
» Endlich platzte einer mit der Frage
!heraus: »Na, du bist ja wohl nun
lgliicklirber Bräutigam?«
) »Nein,« erwiderte er nnd fah dem
ISprecher gleichmiithig ins Gesicht,
!,,Ineine Verlobung ist vor anderthalb
iStunden in die Briiche gegangen.«
E Uns blieb der Glückwunfch in der
Kehle sitzen. Wir mißtrauten ihm all
Izu sehr.
l »Ach will eitrli die schnit- ist-Höhlen«
fuhr er fort, »damit ihr nicht denkt,
ich sei da irgendwo mit Schanden
rausgeslogen und komme bloß so faute
de mieux zu euch zurück.«
Er erzählte schlecht —- abgehackt,
trocken; und doch war’s, als ob mit
den Worten Blut und Galle aus sei
ner Seele quoll... Sein Tonsall ist
mir durch alle die Jahre im Ohre
hängen geblieben.
»Wie ich da rein gerathen bin, das
fragt nicht . .. Wer von euch selber in
solche Lagen kommen wird, der wird’s
verstehen.... Die anderen nicht....
Es giebt eben eine Unmenge Aesthetik
in der Welt, oon der wir uns nicht-H
träumen lassen . . .. Wenigstens nicht
einer wie ich, der mit neun Jahren die
Schweine gesiittert hat. Aber der
Fehler, den man macht, ist, daß man
sie für das Wesen der Sache hält,
während sie doch blos; um die Men
schen rumhängt·.. Als gleichgiltige
Lebensaewohntem als-wag weiß ich
Schmutz ist mir immer satal ge
wesen. Und Rohheit auch. Und doch
hab’ ich mein Lebtag lnietief in
Schmutz gesteckt . .. Und habe zu Zei
ten die Rohheit sogar gepflegt . .. So
könnt ihr es euch erklären, was- ich in
den letzten anderthalb Jahren getrie
ben habe . . .. Das-, ich wirklich glaub
te, eine höhere und hellere Art Von Le
ben kennen zu lernen . .. Auch daß ich
mit beiden Händen zugrifs, als man
mir so ein Lichtwesen, immer in Flor,
immer in Spitzen, immer weiß gewa
schen, aus dem Präsentirteller entge
gentrug . . . .
Innerhalb der Familie war die Za
che schon seit Wochen im klaren. Heute
Abend sollte sie auch Publit werden.
Eine Menge Menschen war eingela
den.... Seit acht Tagen wurde am
Ausbau gearbeitet . . . Der reine Jahr
martt . . . . Beim tshristbaumputzen
sollte ich auch helfen. Symbolischeri
maßen, wenn ich sagen soll, weil ich
doch nun mit zur Familie gehörte . ..
Denn den Baum putzten die Diener ..
Jn dem kleinen Speisesaal — -- bei mei
nem verflossenen Schwiegervater giebt
es zwei, einen großen und einen klei
nen ——- hatten sie ihn aufgestellt. In
meinem Vaterhause war blosi so ein
winziges Ding, nicht größer als ein
turzstieliger Besen... Dies war ein
richtiger hoher edler Waldbauni. Man
glaubte den Wind darin tauschen zu
hören.
Aesthetit, liebe Kinder, Aesthetit!
lind mir wurde ganz wohl und weh
zu Muth». Jn den elf Jahren, seit
ich nach München auf die Akademic aei
aangen war, hatte ich den Christbaum
bloß durch fremde Fenster brennen
sehen . . .. Vater todt . . .. Den Hof
hat mein Bruder.... und mit dem
steh’ ich schlecht . .. Und nun der schö
ne dunkle Baum da. . .. Und auch sür
mich . .. Beinahe extra fiir mich . ..
Das hätte der Alte erleben miisseu,
dachte ich, der todmüde vom Schweine
schlachten immer schon einschlief, wenn
noch kaum die Lichter brannten ·. Jhr
müßt nämlich wissen, daß bei vielen
Bauern des Flachlandes sich die Sitte
aus alten Qeiteu erhalten hat, um das
Weihnachtssest —-— oft am Christabend
selbst ——- ein großes Schlachten abzu
halten.
So wasg auch auf dem Hof meines
Vaters.... Ohne Schweinegequiecke,
ohne Wursttochen u. s. w. war für uns
Kinder teine Festfreude denlbar .....
Und zur Kränuna und Vollendung der
ganzen Herrlichkeit hing abends- am
Christbaum siir jeden von uns eine
schöne, blanke, wenn möglich noch rau
chende Blutwurst.
Und nun, Herrschaften, kommt mei
ne Bornirtheit·.. Oder meine Klug
heit, wenn ihr wollt. Wie ich den
Tannenbaunr da sehe ---— mit den dunk
len, unten silbrigen Zweigwedeln,
frisch aus dem Schwarzwald anges
lonunen —-- da faßt mich eine Art von
Leclrigkeit, eine Sehnsucht nach Kin
dessekude und mehr noch, mehr noch
ein Verlangen, ganz, ganz, ganz gläcks
lich zu sein« ..
Kurz: ich will eine Blutwurst da
hängen sehen . . . .
Nicht wahr, das ist doch kein Ver
brechen? Man weiß doch, wer man ist?
Man hat doch nicht nöthig, bei jedem
Worte ängstlich um sich herum zu
schielen, welchen Eindruck es machen
wird.
Aber wie ich meinen Wunsch ausge
sprochen hatte, da hättet ihr mal die
Gesichter se en sollen.
Zuerst Schweigen Dann werden
die Diener mai-geschickt Und dann
geht’s log. Kein lautes Wort ·-— sehr
kühl —-— sehr höflich ——- aber s-- » ei
Hoeht . .· Ob ich bedacht hätte, in wel
schem Kreise ich mich jetzt befände, ob
sich willens wäre, mich und die Fami
klie dem allaemeinen Naserümpfen
Preis-zugeben Und wenn ich wenig
stens« gewartet hätte, bis die Diener
draußen gewesen wären, dann hätte
sman es vielleicht so einrichten können,
Fdaß die Wurst nach außen hin als ein
sGeschenk für Cheri oder Nero gegolten
hätte. Wovon jetzt natürlich keine
Rede mehr wäre.
Jch sagte »Schön Dank«. Mit den
Hunden möchte ich so wie so nicht ran
gieren.
Die Mama ——-- ganz Lebensart und
ganz Würde ——- wurde immer noch
kühlen
Zur Empfindlichkeit meinerseits
wäre nicht die mindeste Veranlassung.
Und man würde wohl noch mancherlei
Enttäuschnngen an mir erleben. Und
man hätte überhaupt mein Fühlen
nicht für so nnäfthetisch gehalten.
Jhr wißt, in Fragen der Aesthetit
-—— da versteh ich keinen Spaß. Und
das sagt’ ich ihr auch ziemlich unum
wunden.
c n» - «- - - .- - · Arn
Acclllc ICKUUI spkllllj lclll LVULL
Sie sah mich bloß unverwandt an.
Schließlich kam eine Art Versöh
nung zwischen den Parteien zu Stan
de. Aber der Stachel blieb sitzen.
Das war vorgestern. Gestern führ
ten wir einen Eiertanz aus, zwischen
lauter verletiten Gefühlen. Mit Er
solg. Wenigstens herrschte bis zum
Schlusse ein süß-sämtlicher Frieden.
Heute vor drei Stunden ----— rnir
ist’s, als wären’5 drei Jahre -——- feier
liche Bescheerung.
Eine Riesengesellschaft. Unverhei
rathete. llnd kinderlose Ehepaar-e
Andere wollten noch nachlommen. Al
les roch nach Tannen, nach Mpschlls
und nach Verlobung. Eiaentlich soll
te die —- wie«’s in Familien und Fa
milienbläitern üblich ist ——- unter dem
brennenden Baum vroklamirt werden.
Aber im kritischen Moment kommt der
aut verslossene Schwiegervapa —— um
den Mann thutsz mir eigentlich leid
auf mich zu und saat mir ink
Ohr: »Ihr macht mir beide zu muck
sche Gesichter Wir lassen’g lieber
bis zum Seit.«
Wir ginaen zu Tisch —— ich natür
lich mit meiner Braut. Von dein Au
genblick an. daß ich an ihrer Seite
war, lächelte sie immerzu, aber es
war etwas Festgefroreneg in diesem
Lächeln, das mich nicht wärmer
machte.
Wenn die dein Lebtaa mit diesem
Lächeln neben dir beraebt, dann bist
du geliefert, sagte ich zu mir.
Wir sprachen auch kaum zusammen
Und weil ich leine Lust hatte. mit
meiner andern Nachbarin Blödsinn zu
schwatzen, zog ich bald gedankenlos
das Bleistiftende, das ich immer in
der rechten Westentasche trage, heraus
und wollte, wie ichs immer thue. um
eine üble Stimmung, einen ekligen
Gedanken zu verscheuchen, iraend was
um mich ber betritzeln Aber ich fürch
tete das Aussehen, löste darum mit
dem Tischmesser den Grapbitftengel
aus der Holzbiilfe brach ein Sttielchen
davon ab, steckte es unter den Naael
des rechten Zeiaesinaers und konnte so
ganz unbemerkt auka Tischtuch flie
ren. was ich wollte.
Das heißt, ich veriichere euch, ich
wollte gar nichts . . . . Am allerwe
niasten die Veranlassung zu einem
Etlat an den Haaren herbeizieheu.
Was ich da machte, geschah beinahe
unbewußt. Aber weil mein Gehirn
sich in diesen zwei Tagen vor lauter
Trotz und Beschämng innuerzu und
immerm mit der heimathlichen Weib
nachtsfeier beichtiftiat hatte, so ents
ftand --— ohne meinen Wunsch und oh
ne meinen Willen - -- ein Schweine
schlachten daraus.
Jch wurde dessen erst gewahr, als
irgend jemand von drüben zu mir
herüberries: »Sie, junger Meister,
was machen Sie denn da?«
Ich wollte die Schmierealie rasch
mit der Serviette zudecken, aber es
war zu spät.
Man rectte die lHälse und drängte
sich heran. Es gab ein allgemeines
Betrundern, als hätte ich aus Verse
hen etwa den Fiarton der ,,badenden
Krieger« aufs Tischtuch gezaubert.
Auch das Motiv sand man entzückend
naiv und höchst annntthsvoll Be
sonders das schiafende Bäuerlein nnd
den Hemdeiixiiiniitz, der in die arm-v
dicke Wurst hineinbeiszt . . .
Nur über das Vorbild war man
sich nicht recht im klaren. Die einen
riethen auf Oitade, die anderen anf
Jan Stern nnd ein ganz Feiner vlaii
dirte auf Terborch in seiner Frühm
riode, bevor er fein geworden war.
Jch verhielt mich natürlich schimm
sam. Da hörte ich rechts neben mir
etwas murmeln, wag wie ,,taktlos«
oder »geschmacklos« klang. Genau
konnte ich es nicht unterscheiden.
Aber Inir steig eine solche Wuth in
die Höhe-, daß ich am liebsten —— ——- —
Na, ich that nichts dergleichen, son
dern sagte nur ganz ruhig: »Meine
Herrschaften, Sie irren sich, ich schöp
fe aus dein Leben unt-Vorbilder bran
che ich nicht. Der alte Mann da ist
mein Vater, der Junge bin ich, und
das Ganze ist eine Weihnachtsfeier in
meinem Elternk,ause.«
W
i Da wurde er ganz muckestikl Fiir
einen Augenblick hörte man das Gas
im Kronenlenchtei singen. .
Dann sagte einer oder der anderes
»Seht interessant — o, seht interes
sant.«11ndirer ausgestanden war,
drlcitckie sich leise ans feinen Platz zu
iu
Mir war der Trotz in den Kopf ge
stiegen wie eine Plötzliche Betrnntem
heit . Und aus dieser Betruntem
heit ichrie es in mir: »Was hast du
nöthig, dich zu schämen? Bekenn
»Farbe! Eaal, was daraus wird.«
Und da ich 1.un einmal das Wort
hatte so behielt ich es auch und ers
zählte forsch weg wie so ein weih
isiazhtlicheg Schweineschlachten aus
ie t. .
Mir gegenüber saß ein langer,
schmaler Generalstäbler mit einem
Schädel blank wie ein Knie, vor lau
ter Vornehniheit weiß wie seine Set
viette . . . Der ließ in peinlichem
Staunen das Monocle aus dem Auge
fallen und sah mich an mit einein Lä
cheln, so nnnennbar mitleidsvoll, so
voll herablassender Seelenklage, daß
ich in meinen Schilderungen immer
noch ein bischen veristischer wurde.
Und dann plötzlich —- mitten in
mein Erzählen hinein —- klapperte
neben mir ein Stuhl und meine Braut
verließ das Zimmer . .
Meine lieben Kinder, was soll ich
euch viel sagen?—— Die Verlobung ist
nicht verkündigt worden.
Als die Tafel aufgehoben war, ging
ich in die Gardcrobe hinaus, nahm Hut
nnd Mantel nnd verließ stillschweigend
das Haus in dem ich mich nun unmög
lich gemacht habe.
Dann bin ich anderthalb Stunden
lang durch die Straßen gelaufen und
habe Gericht über mich gehalten.
Und nun bin ich wieder da und bitte
euch, laßt alles sein, wie es einmal ge
wesen ist.« —- —— -— —— —- — —- —
Ein Dutzend Hände streckten sich ihm
entgegen —- abbiiiend und verzeihend
zugleich.
Leiiner aber lief heimlich in die
Wirthshausküche und kam nach zehn
Minuten mit einem Teller zurück, auf
welchem eine mit blauen Schleifen ge
schmückte Blntwurst lag.
»Diese Blutwnrst ist kein Verbre
chen,« sagte er. »Sie ist gänzlich sohne
Snobtrichinen nnd garantirt ästhe
tisch.«
Ob
Der Glocke Weihnacht.
Vom Tlmnn die Alte nennt man mich,
Wie tönt mein Lied so feierlich: -
» Un Licenselientindee, habet acht,
Denk ist die stille. heitge Nachtl«
Glutin l
lind nin mein klinf die Nueht dnutyhallh
Triingt in den Massen inan nnd alt,
Tie Eelnitten lmselien nm den Dom,
llnd Lichtlein schwimmen tief im STIMM
litten-Tal
kllnn lauscht die Welt der alten Mär’,
Daß Gotte-Z Sohn geboren mirs
kltnn han ieh still nnf hoher Macht
Aneh siir mich selbst der heiligen Nacht
lsllorial
Bald strahlt im niterennften stimmt
Tcr Minder thir, der Weilnmehtsjslmnin
Nin-J Tannendnft litintth fremd nnd hold,
Von Mit-erstern nnd klinnseliexiold
liilorinl
Nin In der Alten ans dem Tlinrm
klieielit nieiit ier Weihnmst Lieliecsstlirnn
:’ln meinem Fenster, tief vm·sl"l)lleit,
Wncti nnr dec; Oinnnels Tnnlelheii —
tlklorial
Trutz nnisi det Meister, der mich schni,
:’ll , Ins lnifl mit den UnneliUni
ktni triint til-ein selitit«l-"ti- ; lsitoetenfleid
Jllss Lilniitxieichenk iiir nlle sit-it:
« Glnkinl
Drum l«ns»’ jin frohnnit lantem Eilann
Ten Illienielien An ein Wohlaefntl n
lind drinne m den Hiihe Cln
aneh Hnnmelisminne still nnd leert
Gloeial
Gertrnd Fee-in le Fort.
NR
Kinderglück
Deceinberliiste, haucht ihr wieder
Jn sehnsuchtsvolle Kinderherzen
Den selig-süßen Traum hernieder
Von Tannengriin und Weihnachis
terzen?
Laßt ihr, umliiillt von hei!’gen Sagen,
Die kleinen Seelen ties crgliih’n?
Von frommer Ungeduld qetragen,
Sie heimlich schon zur Krippe fliehn-IF
Bis endlich dann, nach langem Seh
nen.
Die letzten Stunden schnell Fischwin
den,
Und unter leisen Glockentönm
Die Weihnachtleerzen sieh entzünden-—
O, glücklich, glücklich, wem hienieden,
Jni lichtuntvedter stiller Nacht,
Der unichiildgvollen Kindheit Frieden
Aus hellen Sternenaugen lacht!
Es lehrt auch Dir in solcher Stunde
Ein selig-süßer Traum zurück;
Ein Klang der alten Weihnachtstnndez
Ein Glanz von einst’gent Kindergliick.
-———--· - O-»
Wir Großen sollten uns ein Bei
spiel nehmen an den Kleinen: sie
schreiben lange Wunschzettel aus nnd
sind ——— mit irgend etwas zufrieden
II· sit st·
Je toniplizirter das Spielzeug der
Kinder ist, desto weninei m es ein
Spielzeug