Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 21, 1906, Sweiter Theil., Image 14

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    —
Weihnachtsfeier.
Von Inakgarethe Stadien
—
er Brieftriiger steigt mit seinem
B langsamen, gemächlichen Schritt
bis zum vierten Stock empor.
An feinen Sohlen haftet der Schnee
unv läßt unvertennbare Spuren auf
dem dicken rothen Läufer zurück, der
die Treppenftufen bedeckt. Was thut
es. es ist ja Weihnachtsfchnee, wie er
draußen vor der Stadt, weiß und
glänzend mit Millionen Diamant
stetnchen aus Cis besät, die Felder
deckt. Der Briefträger denkt unwid
türlich daran, wie er als kleiner Knabe
mit der Mutter, die ebenfalls Boten
gänge versah und rie Lanvpoft beför
derte. manch liebes Mal stundenweit
über den Schnee gewandert ist, auch
am Chriftabenv, an welchem es beson
ders viel zu thun gab, und er zur Feier
des heiligen Abends mit heller Stimme
alle Weihnachtslieder gesungen hatte,
die er wußte. sodaß es durch den ver-«
ehneiten Tannenwald schallte und Ha
en und Rehe behutsam aus ihrem Ver
siecl herausäugten Das waren ganz
vergnügte Abende gewesen, wenn es
auch ein-bißchen talt war. Aber die
Mutter hatte ihm eine warme Kappe
gestrielt und dann wärmte auch die
Aussicht auf die fröhliche Weihnachtss
seier im Guts-hause wo das halbe Dorf
zu einer Bescheerung und warmem
Abend-essen versammelt war. Das-zwar
llllll lllllgc Mk UND fclllc cigllcll still
der hatten es besser, Gott Lob!
Damit ift er oben angetommen.
Frau Paftor Brehm steht auf dem
weißleuchtenden Porzellanscknld.. ebenso
wie auf seinem Paciet,- und die Em
pfängerin öffnet selbst und nöthigt ihn
einzutreten, um ihm ein Weihnachtsi
schnitt-schen mit auf den Weg zu geben«
das er mit einem höflichen Kratzfnß
entgegennimmt. Denn er weiß, was
sieh gehört. Die Frau Pastor schwatzt
noch ein wenig mit ihm über das Wet
ter und die durch das liebe Christfeft
vermehrte Arbeit, dann gibt sie ibm
eine große Diite für seine Kinder mit
auf den Weg. Sie hat das noch so in
der Gewohnheit, von ihres Mannes
Lebzeiten her und an solchen Bräuchen
hält sie treu. Sie sind ja das Einzig:,
mass man festhalten kann, sagt sie und
legt das Packet auf ihren Weihnacht5
tifch. wo terzenbefteckt das Bäumchen
steht, gerade unter dem tannenbeiränz
ten Bilde des seligen Paftorsk Das
Hauptereigniß, das Geschenk ihres
Sohnes, der nun hoch oben im Thü
ringer Walde schon selbst die eigene
Pfarre verwaltet, ist bereits am Vor
mittag eingetroffen, aber auch dies-s
Packet ist lieb und werth, es tommt
von der zukünftigen Schwiegertochtet,
die in England, in einem vornehmen,
reichen Hause als Erzieherin thötiz
ift, um sich die Aussteuer zu verdienen.
Nun, nächftes Jahr um diese Zeit
feiern wir, fo Gott will, den Heiligen
Abend schon zusammen am eignen
Herde der Kinder, beschließt sie ihren
Gedankengang Aus diesen Gedanken,
denen sie nicht müßig nachhiingt. son
dern indem sie den zierlichen Theetifch
ordnet, mit Meißner Tassen, selbstge
baetenem Kuchen und Marzipan im
altrnodifehen Silbertörbcben tes stammt
von ihrer silbernen Hochzeit und ihr
Blick ruht mit zärtlichem Ausdruck auf
dem eingraoirten Datum) neben Tan
nengriin und Chriftrofen — weckt sie
ihr junges Dienstmädchen Minna, das
bei den beiden Flurnaehbarinnen gewe
fen ift, um sie zur gemeinsamen Christ
feier einzuladen. Eine Empfehlung
vom gnädigen Fräulein v. Rabenhorst
und sie würde sich gern das Vergnügen
machen, aber erft nach der Befeheerung,
plappert sie eifrig. Die Frau Paftor
lächelt. Lieber Gott! Das kleine für
fie betimmte Deckchen hätte das gnä-.
dige riiutein ruhig annehmen ists-I
nen. ber sie liebte es nicht, Aufmerk
samteiten zu empfangen und zu erwei
sen. Nun, und Fräulein Bönicke?
Fräulein Bönicke wird bald tommen,
xte mischte nur erst die Heste zu Ende
orrigiren, damit sie in den Ferien
Ruhe hat. Minna schweigt und lächelt
geheimnißvoll.
Nun. was hast du denn noch?
Jch weiß, was sie der Frau Pastor
mitbringt — eine neue Kasseetniitzel
platzte sie herauf-, froh, dies wichtige
Geheimniß los zu sein. Aber Minna,
du darfst doch nichts verrathen! So,
geh’ nur jetzt in die Küche, während ich
aufbaue: sowie deine Mutter und der
kleine Bruder kommen, wird bescheert.
Und nach dem Abendessen tochst du für
euch Drei noch eine große Kanne Scho
tolade, den Kuchen dazu wird das
Christlind wohl mitbringen!
Damit setzte sich die Frau Pastor
in ihren großen Lehnstuhl und liest
ihres verstorbenen Gatten letzte Weih
nachtspredigt: Eines aber ist noth!
Daß Ihr Liebe untereinander habet!———
Klinglinglingling! Der Briefträger
steht am zweiten Stockwerk und der
Bursche mit dem echten Wasserw
lacengesichh öffnet. Gott sei Dant,
die Packetet klingt ei aus dem Hinter
stund, und die hübsche junge Frau
Oberteutnant faßt selbst mit an, als
, der sehnlichst erwartete Schatz —- die
Weihnachtsgriisse vom elterlichen Gut
—- Mntraniportirt wird. während
Ihr Gemahl dein Wtthsboten ein
me staunen Themis-z um seiner
O Fest, das in des Winters Dunkel
hineinwitft seinen hellen Schein
Und mit des Lichtekbaums Gefunkel
Zieht in der Menschen Häuser ein«
Mit dir, o Christfeft, ist verbündet,
Was auch den trübsten Tag erhellt,
Ein neuer Lenz schon wird verkündet
Durch dich der blüthenlosen Welt.
Ein Engel kommt, der bietet Frieden,
Den Haß und Hader scheucht er fort,
Und ruhig wird-I und still hienieden,
So·fiiß erklingt des Engels Wori.
Still wird es wie auf weiter Heide.
Wie in dem wintetftarren Wald,
Dann aber nimmt das Wort dir Freude,
Und lauter Kinderiubel schallt.
Was fiir ein Jubel, welch Entzücken
Schon auf der Kleinsten Angesicht,
Wenn sie zum erstenmal erblicken
Den Tannenbaum in so viel Licht,
Sie, denen unbegrenzte Fernen
Noch nicht erschließt des Himmels Ranm,
Und die noch greifen nach den Sternen
Wie nach den Lichtern an dem Baum.
Was kann zur Freude vessek Laugen
Was kann uns Liebereg geschehn,
Llls daß wir in der Kinder Augen
Den Abglanz dieses Festes sehn?
Und ob ein kleiner Baum nur stände
Bot ihnen, wie sind sie beglückt,
Wenn einer Mutter liebe Hände
Ihn haben für sie ausgeschmückt!
Gesegnet set die holde Stunde,
Die all die Freude hat gebracht,
Da niedettlano aus Engelsmunde
Die Botschaft in der heilgen Nacht.
Daß sie in jedes Herz sich schriebe,
Die uns aufs neu’ frohlocken läßt:
Es ist das Licht und ist die Liebe,
Was uns bescheert das Weihnachtsfesi.
Johannes Trojan.
Gattin dann in den Salon zu folgen,
wo man aufgebaut hat. Wenigstens
steht mitten im Zimmer ein ziemlich
langer, weißgedeckter Tisch, auf dem
sein hübscher Tannenbauni, vorläufig
Ein einsamer Größe, seinen Platz-, gefun
den hat. Die junge Frau sieht ihren
Gatten glückselig an: Gott sei Dani,
daß die Packete da sinds Ich war in
kentsetzlicher Angst und Verlegenheit.
idenn ich hatte garnicht5, selbst für dich
Nichts« Schatz. Die Handarbeit ist na
stiirtich nicht fertig geworden --—- der
IJunge macht zuviel Arbeit. weißt du!
s— und vom Wiktyschaftsgsxd einen
sNerzpelz sitr dich zu ersparen« das ist
lnoch nicht gelungenl
)
l
i Der Gatte seufzt verfiändniszvoll.
Sein eigenes Geschenk, die Phönix
palme, welche seine Frau sich für den
Salon gewünscht hatte, soll auch erst
nach Neujahr bezahlt werden Gott
sei Dani, die Packete sind da! Und
Ieisrig auspackend thürnien sie die Herr
Zlichteiten auf dem Tische auf. Obenan
liegt der stattliche Geldbrief für den
shausherrm die regelmäßig eintehren
Zden drei Hunderterlabpen —-— deren
jEmpsang das junae schöne Paar ge
genseitig rnit einem Kuß bestätigt -——'
kund huhsche. halt-seidene Bluienstoffe
ssiir die junae Frau· Arbeiten thu ich
ssie selbst. sie sind süß. Fritz, nicht
:wahr«? Kleidunasstüele fiir den Sohn
sdes Hauses, der aus seinem Kinder
iwagen mit großen Auan dem Damie
Iren zuschaut, das Weihnachtstleid siir
Jdas Mädchen. Servierhandschuhe fiir
Jden Burschen. Ha, und dies ist die
"Futteriiste, Fritz! Sieh nur, zwei
-Giinse, Fritz! Da toch’ ich die eine als
Weißsauer, bloß siir dicht Gurt nur,
and drei Hasen und vier Fasanem da
können wir endlich unsere Gesellschaft
geben, sein« was? Und hier in dem
dritten Palet nur Marzivam Kuchen,
Aevsel und Nüsse, da hilfst du mir
gleich. die Schüssel fiir das Mädchen
und den Burschen packen, ja, Schaff
Hier-, die Würfte hebe ich auf, aber
den Aal und die Spickganö essen wir
heute Abend, ich hatte sowieso nur
Essai-öco- sisod GIFUDKIAIDOI In the-f
»so-. ------ « ss s
Stunde können toie bescheeren, ach
Fritz, ich bin so froh! Was sind wir
doch siir glückliche Leute! Damit tie
aen sie sich rasch aus einen Augenblick
in den Armen.und der kleine Kron
prinz im Kindern-eigen sänat vor Ver
gnügen zu triihen und in seiner Weise
zu reden an
» Am ersten Stock geht der Brief
triiger vorbei. Dort klinaelt bereits
sein Kollege vom Drath, der Dem
schentröger, dem das weißhehaubte
Mädchen das Telegramm abnimmt,
um es aus silbernem Teller der Frau
Kommerzienrath zu überreichen. Die
vielbeschiistigte Dame selbst ist eben
von den letzten Eintiiusen nach Hause
gekommen —- bis zum letzten Tage
währte-i die Siiungen in Wohlthätig
ieitsveteinen und Sudpenanstalteni
—- und lehnt nun erschöpft, noch im
Jhut und Hermelincave im Sessel.
Was ist denn nun wieder? Ach, das
JTelegkamm von den Londoner Kin
-dern: Many havvn returns os the day
Iliest sie und leat es beiseite. Man be
"scbentt einander nicht, es ist zu um
ständlich bei den großen Entfernungen,
und man hat ohnehin aenua zu thun,
ganz besonders in diesem Jahr!
! Die Kommerzienriithin seuszt und
blickt aus die silber- und ikistallgliin
zende Iaset, deren Mitte ein amorge
teönter Baumiuchen einnimmt. Ein
seidenes Zähnchen hält er im Arm und
BiVat das Brautpaae steht in Gold
bnchstaben daraus. Der Kuchen ist von
ihrem jüngsten Sohn, er spat immer so
reizende Jdeen nnd da ihn heute, am
Verlobungcstage der Schwester, eine
wichtiqe geschäftliche Verabredung
sernhält. beweist er aus diese Weise
seine freudiae Theilnahme! Die Rä
thin wendet sich in den Solon, wo die
Bescheerung stattsindet· Man hat nur
siir die Mädchen ausgebaut, und die
Kerzen des mächtigen Tannenhanmes«
den der Haugdiener delorirt hatt nur
Lametta in langen glitzernden Silber
streifen)« bestrablen Kleiderstosse sind
goldene Uhren, Wäschestiicte und Spi
Iengarnituren Das Ehepaar beschenkt
einander nicht« meine Frau tauit sich.
was sie haben will. und ich auch. also
wozu die Umstandes sagt der Rom
cnerzienrath Den verheiratheten Kin
oern schenke ich reaelmiißiq die Bade
reise und die jüngste triegt, seit sie er
wachsen ist, nur noch Juwelen.
Die jüngste steht in ihrem mit
blauer Seide tapezierten Toilettem
iimmer vor dem großen dreisachen
Spiegel, der ihre lleine üppiae Ge
stalt ZuriiclstrahlL mit dem schmalen
oitanten Gesichtchen, und prüft den
Falteniours des mattaelblichen, seiden
gesiitterten Voiletleide5, das von ech
ten Spißeneinsähen durchzogen ist«
Reben ihr aus dem Tisch liegt ein tost
barer Strauß von Orchideen nnd
Myrtenzweiqem die Gabe des Bräuti
gams. sDas Brillantentollier, das sie
soeben zusammen ausgesucht halten«
wird er ihr beim Sonper feierlich
überreichen.) Denn heute ist ihr Ver
lobungstag, nachdem man· vor acht
Tagen, »zusiillig« in der Oper neben
einander sisend den Sohn des Am
sterdamer Geschäftssreundes turaltes
erstllassiges Banthausls näher kennen
lernte, gemeinsam bei Poppenberg sou
pierte und ihn dann im Hause ent
psing. Die junqe Dame lächelt ein
wenig. Lieber Gott, sie weiß ja ge
nau, wie es gemacht worden ist, von
den Verlobungen der Schwestern her
Alles besprochen und schriftlich sestqe
setzt, noch ehe die Betheiligten einander
sahen!
Da —-— es ttinaelt, das-« sind die
Schwiegereltern, die eiaeng zur Ver
lobungsfeier herüber aetommen sind
iJm Salontvagen des Luxuszuaes ist
es ja nur ein Kasentprungh Welche
Ehre und Freude, t«o«nt es auf beiden
Seiten und langsam, das Antlitz in
den kostbaren Blüthen verbergend, be
aiebt sich des Kommerzienraths Jüng
ste in den Satan. —
Im Parterre ist alles dunkel unt
der Brieftriiger geht borbei. Es ist
die Wohnung der Hausbesitzerim aber
sie ist nicht daheim. Ihr einziges
Sohn hat von seinem frühveritorbenen
Vater ein Lungenleiden ererbt uni
muß den Winter im Süden zubringen
Und während man in Deutschland der
Weibnachtsbaum anzündet, sitzt sn
mit dem Kranken in einem der großer
venetiantschen Palazzi. die zum hote
umgewandelt sind und von deren Fen
ftern man auf das Meer hinaus blickt
auf den aondelbelebten Canale Grund(
und auf die maleriichen Linien dei
St. Maria della Salute.
Der junge Sohn liegt bis an das
Kinn zugedeckt fröltelnd auf den
Ruhebett und die Mutter hat allerle
mächtige Kleinigkeiten neben dufteni
den Blumen vor ihm aufgebaut unt
liest ihm aus einem der neuen Büchei
vor. Aber er hört nicht zu, sonderr
fragt nur, als sie einmal pausirt: Nich
toahr, Mama. in acht bis neun Werber
gehen wir wieder nach baute und ze
Ostern bin ich siehet gesandt
Und die blasse Frau im reichen
schleppenden saustleide bückt sich tiet
herab, unt die bunte Chenillendecke fes
uen die Mike des Leidenden zu wi
cleln, nnd biistelt und ichlnclt erit ein-s
mal, bis sie im Stande ist« mit klarer
Stimme zu sagen: Ganz aetviß, mein
lieber Junaek s
Der Briefträacr bat fiir den Portier
im Kellergefchoß noch ein lleineg Pa
cket abzugeben. In der Wohnung des
Haus-verwalten ist er- hell nnd freund
lich und er tritt einen Augenblick ein
Der Sohn, der zum ersten Mal auf
Militärurlaub ist im stolzen Be
sitz der Gefreitenlnöpfek —- hat einen
steifen Groa gebraut, um dem fiifzen
Ebriststollen ein berzhaftes Gegenge
wicht zu geben. Für ibn ist auch das
Partei bestimmt. das aus einem an
dern Theil der Riefenstadt kommt. Es
enthält dicke Winteriocken, ein Ge
schenk ieiner Braut, die am andern
Ende von Berlin in Dienst ist und
morgen zum ersten Male zum Besuch
zu den Eltern kommen soll.
Der iunae Mann sieht stattlich aus
in der Unifortn, und die Mutter blickt
stolz von einem ihrer Helden zum an
dern. Denn der Vater ist gerade da
bei, angesichts der feierlichen Besche
rung, die ibm einen neuen Schlafrock
und Pantoffeln gebracht hat fomie ein
Kistchei Tabak, deren Duft sich mit
dem des buntgefchmiickten terzenstrah
lenden Tannenbaumö mischt, feine
Lieblingsgefchichte zu erzählen.
Und das ist, wie er im Jahre 1870.
just atn Weibnacbtsbeiliaabend an der
Hallue int Felde stand, als das schnee
bedeckte Schlachtfeld den Weihnachts
tifch ersetzen mußte, die Kanonen den
Weihearuß donnerten. brennende Dör
fer den Festesglanz heraaben und ihm
selbst, dem braven Kriegsinvaliden,
das Bein weggerissen wurde! Aber wat
mir der Oberst nachher dafiir iejeben
hat, det is ooch nich von Pappe, fagt
er stolz und zeigt auf das eiserne
Kreuz auf der Brust. Und der Brief
träger muß mit anstoßen auf Kaifer
und Reich und ein frohes Weibnachts
fest, ehe er fortgeht, um nun selbst
endlich Feierabend machen zu können.
Nun dantet alle Gott, tönt es ihm
noch nach —- der schmierte junge Sol
dat blckft das Lied in lauaaezogenen
Tönen in den sterntlaren Weil-nachts
abend hinaus.
» W
Auch ein Geschenk.
Jin Markt Töiz war ein alter
Häusler gestorben, der ganz draußen
in einer der letzten kleinen Hütten
wohnte. Still, sast heimlich hatte er
sich aus dem Leben geschlichen, das er
nur von den unangenehinsten Seiten
kennen gelernt hatte.
Das Gericht, das bekanntlich auch
» noch beim Tod eines Mitbiirgers et
was darein zu reden hat« ordnete, da
- Erben aufsteigender oder absteigender
» Linie nicht vorhanden waren, die Ver
; steigerung des Nachlasses an, der in
» einein sadenscheinigen Sonntagsam
zug, einer silbernen Uhr sammt Kette,
s einiger Wäscht, einer Pfeife und zwei
s Paar Schuhen bestand.
Der Auitionaior, ein langer, hage
rer Mensch mit einem bartlosen
» Schauspielergesicht, hatte die irdischen
; Schätze des häuslers in einem lleinen
« Hinterzirnrner des Oberbräus vor sich
aus einein alten Wirthshaustisch aus
. gebreitet. Es hatten sich hier be
H reiii verschiedene mehr lauflustige als
; taufiriisti e Leute, Männer und Wei
; ber, einge unden. »O mei', ma’ muaß
hatt schaugen, daß ma’ sei’ Sach’ sso
billi’ wia mögli’ z’sarnm’lriagt.« Das
, war dai Leitmotiv, das sie alle herge
- siihrt hatte. Man sprach von diesem
und von jenem, auch von dem alten
- hört-lee. der durch feinen Tod die
«- j—
!
Menschen veranlaßte Geld auszugeJ
ben. s
Eben als der Anltionator mit der(
Versteigetung beginnen wollte, stol
perte der Steinbosbauer herein, ein’
altes-, abgerackertes Männchen mit
müdem Gang und gekrümmtem Nü
eken Die gelbe Haut seines Gesichte-B
sah wie Leder auS, und die start ber
lvortretenden Backenlnochen und die
ieingesallenen Wangen bewiesen, daß
er wohl nie in der glücklichen Lage ge
wesen war Fett anzusetzen Sein
kleines Bauerngut, das abseits dcr
Lenggrieser Straße lag und taurn
das Nöthige sites Leben abwars, ge
schweige, daß er daran denken konnte,
die Hypothek zurückzubezahlen hatte
ihn noch nie aus den Sorgen berauS
kommen lassen. Und von Sorgen
wird man nicht fett.
Der Steinbosbauer war einen Au
genblick an der Thiir stehen geblieben.
Da rief ihm der Auttionator im Ton
höchster Entrüslung zu: »He Du,
wennst Dzu einer tlmtshandluna
tirnmst na tuast Dein Huat abi Re
spekt vor der Obrigkeit döS iS ’S
Erstei«
Alle Augen richteten sich neugierig
aus den Steinbosbauer. Das brachte
ihn einigermaßen in Verlegenheit
Die Obrigkeit bat ja recht sie kann
Respekt verlangen, aber wie sollte er
den Hut abnehmen. Jn der einen
Hand trug der alte Mann einen grün
lich schimmernden Regenschirm mit
einem großen Hort-griff und in der
anderen ein Packl, das in ein rothes,
weiß getupsteS Sacktuch eingewickelt
war. Da war doch der hut am besten
aus dem Kopf aufgehoben.
1
»Na wird’s bald!« donnette der
Auttionator, der eine gar strenge
Miene ausgesetzt hatte, denn er wollte
den »G’scherten«irnponiren.
Erschrocken lehnte der Alte seinen
Regenfchirm hart neben dem Tisch,
Lwo die Versteigerungsgeggstiindeaus
"gctcgl Wskclh all Mc Walld, Vllnli;
nahm er mit der frei gewordenen
Hand den hut ab 1
»So und jetzt schaugst daß D· da- «
hinta vaschwindst, wer z'letzt tinimt,j
muasz aa mitn letztn Platz zfrieden
sein!'· sagte der lange Hagere, wäh- I
rend er bedächtig eine Prise nahm.
Der Steinhosbauer gehorchte. Er
stellte sich in die hinterste Reihe. me
war es schließlich gleich, er hatte sich
ja nur eingesunden,un1 zuzuschauen,
denn er hatte noch nie eine Versteigesgå
rang mitgemacht und er wollte dacht
einmal sehen, ivie es dabei zuging
Es ist ost gut, sich bei so was auszu
lennen, wer weiß wann sein has
daranlommt dann hat er sich ichon
etwas an die Prozedur gewöhnt. (
«Etne prachtvolle Pseii’n,« begann
fett der Aultionator, indem er die
start angerauchte, am Mundstiiel zer
bissene Psejse emporbob die des ver
storbenen Muster-i treue Begleiter-in
in allen Lebenslagen war. »Fast wia
neu, g’malter Kopf, echtes Weichsel
rohe » .'sagn ma dreißig Pfennig
zum erstens«
Aber Niemand rührte sich. Einel
Pfeife hatte ja ein jeder, die brauchtel
man sich doch nicht erst aus dem Nach- l
laß des alten häuslers zu erwerben.
Und dann waren ja noch andere
Dinge da, aus die so mancher begehr
lich schielte.
»Ja, woll« ös jeht steigern. iig
G’schetten!« schrie der Auttionator
mit brennrothem Kaps. .,Moant’ss
ös, i bin bloß zum Bagniigen da daß
W
M mi’ angloct wia a zoologifch
Viechk Dann fuhr er wieder ruhiz
im gefchäftsmäsigen Ton weiter:
»Als-) dreißig Pfennigzum erften ..... "'
.Fünfadreiß’g Pfennig,« fagte eine
piepfende Stimme.
»Fiinfadreiß’g Pfennig zum ers
ften zum zweiten!«
»Vierz’g Pfennig,« rief die näm
liche Stimme.
»Vier-i’g Pfennig zum erften, zwei
ten und dritten Mat!« schlon der Aut
tionator und überreichte dem Glück
lichen die Pfeife mit den Wortent
»Du Schafston fteigekft Di’ ja fel
ba!" Aber er bekam als Antwort le
diglich ein freundliches Grinfen.
Jetzt tam die silberne Uhr sammt
Kette an die Reihe. Eine Bewegung
ging durch die Anwesenden, denn auf
diefe Uhr, die dem Verstorbenen ge
nau um fünf Minuten zu früh feine
Todesstunde angefagt hatte, weil fis
nach der mitteleuropiiifchen Zeit um
diefe fünf Minuten vorging, spekulie
»ten gar Verschiedene.
J Die Uhr war inzwischen auf 21 M.
20 Pf. hinaufgesteigert worden und
wurde um diese Summe einem jun
gen Burschen ausgehändigt, der fie
ftolz und zufrieden unter den neidi
schen Blicken aller Umftebenden are
fein Giletweftenleibl befeftigte.
So war Stück um Stück von dem,
was noch an den alten Häüsler erin
nern konnte, in andere Hände über
gegangen und fchon wollte der Aut
OZAIIAOUI III- msffOsZsppIsnn FZII Its-n
s----ss --s w s· -- H----- ss ----s
det erklären als er plöylich schrie
»Halt, noch etwas-t« Hier ein pracht
voller, ausgezeichnet erhaltener Ne
genschirm.« Dabei nahm er das ne
ben seinen Tisch an der Wand leh
nende ParasoL
»Ein Regenschirtnt Mit ganz mo
dernem Griff, eine solide Stange . .
eine Mart zum ersten!«
Durch den Kon des Steinhos
bauern blitzte ein Gedanke. Schon
längst wünschte sich seine Alte einen
Schirm. »Wenn i amal toieda in d’
Stadt einitimm,« batte sie oft gesagt,.
«na taaf’ i ma a Regenparasol.« Da
mit iönnte er ihr also zu Weihnachten
eine Freude machen. Hat er sich doch
von seinem Bier und seinem Tabat
im Laufe des Jahres zwei Mart ab
gespart, damit er ihr, der treuen Ge
fährtin aus der Rutichbahn des Le
bens, am heiligen Abend diesen Her
zenswunsch erfüllen tönnr. Eine bes
sere Gelegenheit fand er nicht mehr,
fein Entschluß war gefaßt.
Der Schirm hatte bereits die Preis
lage von einer Mart vierzig Pfennige
erreicht. Tapfer steigerte der Stein
hofbauer mit und um zwei Mark
wurde ihm der Schirm zugeschlagem
»Da kannst z’srieden sein," meinte
der Auttionator, »so an billig’n Re
genschirm triaast net glei wieda!«
Dem Alten klopfte das herz vor
Aufregung, er hätte am liebsten einen
Juchzer ausgeftoßen. wenn es sich ge
schickt hätte, so pudelnärrisch freute
er sich über feinen Kauf. Mit zittern
der Hand legte er das Geld aus den
Tisch nnd nahm dagegen den Schirm
in Empfang
Ausmerisam betrachtete er das er
worbene Weihnachtsgeichent, aber mit
einem Mal wurde eg ihm grün und
blau vor den Augen das ganze Zim
mer drehte sich um ihn. »Ja, aber.
ja, aber. .d«os is ja mei’ Schirm!'«
teuchte er, «mei’ Geld will i wieda
ha’m mei’ Geld!«
Der Auttionator jedoch hatte das
Zimmer bereits verlassen er tonnte
das Jammern deo Alten nicht mehr
hören
Dem Steinhosbauern drohten die
Kniee zu brechen. »J hab' ja mein’
eig’na Schirm taaft i will mei’
Geld z’ruck da’m mei’ Geld!«
Alle lachten über das Mißgeschick
des Alten sie lachten, daß ihnen die
Thtänen in die Augen traten.
Aber auch dem Steinhosbauern lie
fen die Thriinen über die Wangen.
«1«uac»am yaa in1a"sz’iatnni
g’spatt miiahsam jatt is
scho’ aus heuer mikn Weihnachten ...
tit- is scho’ aust«
Und langsam wankte er hinan-,
der Lenggtiefet Straße zu.
Max Real.
M
Liebe erwacht.
Weißes Lichtschitninet
Zittett durch die Nacht,
Küßt die schinfende Liebe,
Daß sie aufs Neue erwacht.
Duftende Tannenbäutne
Neigen die Zweige Lieb
Jede winzige Nabel
Lebend die Liebe tief. —
Und nun war sie gekommen,
Rauschend, im giilb’nen Gewand,
— Aus vollen Händen streuend
Gaben über das Land.
sw-—
Ja see sucht-ansinne.
Waben Sie nicht für meine Tochter
ein recht schönes Buch, das Sie mit
empfehlen tönnen7«
»Was soll das Mädchen denn ein
mal werden?«
»Stingerin.·«
»Sp? Da habe ich etwas sehr Pas
fendes: »Der gute Ton in alles
Lagen«.
t«