Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 21, 1906, Sweiter Theil., Image 12

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    otsksxmdsoss Oc
Die Frau des djiestdasttcn.
KkiminalsRoman von A. O. Klaußmanw
Rucken-'s
I- 0I01
(15. Fortsetzung) i
In rer That litt Joseph Partei
der an den Genuß geistiger Getränlei
so wenig gewöhnt war, sehr empfind-— «
lich unter den Nachwirkungen der ges
strigen Ausschweifung. Ader trag des z
dentete ihm dies körperliche Unbeha-(
gen neben der Qual, die seine Seelel
zerriß, seitdem er Mariha Wintertiz
Schicksal und die Ursache ihrer Ver-;
hastung erfahren hatte! Er hielt sichs
nicht nur sür ren- elendesten und ver- ;
worsensten, sondern auch für den.
diirnmstrn und töpelhaitesien aller
Menschen, weil er diese Folge seinerl
Handlungsweise nicht vorausgesean
nnd das angebetetse Mädchen ins Un
giick gestürzt hatte, statt ihr einen
ienst zu erweisen. Am liebsten
wäre er gleich aus dem Bureau weg
. dem Untersuchungsrichter gelau
xty am ihn über die Herkunst des
ansendnrarkscheins aufzuklären nnd
damit Marthas Freilassung zu erwir
. Aber er hatte sich natürlich ge
sagt, daß et einen solchen Schritt
nicht thun könne, ohne damit sich selbst
an das Messer zu liefern. Und dazu
fehlte es ihm denn doch an dem nö
thigen Muth. Umsonst hatte er nach
einem anderen Mittel gesucht, sie aus
ihrer schrecklichen Lage, die er sich in
den schwätzesien Farben ausmalte, zu
erretten. Und nachdem er wieder wie
an jenem Abend, der die Unglücksidee
geboren hatte, eine Stunde lang plan
los in den Straßen herumgelaufen
trat, hatte er seine Herzensangsi uni
die Vorwürfe seines Gewissens in
dem Dunst nnd Lärm einer obstnren
Kneipe zu betäuben gesucht. aus de
ren rffenen Kellersenstern die heiseren
Klänge eines verstimmten Klar-ists
nnd der Gesang ioiderwärtig trei
schender Weiderstimmen zu ihm her
ggsgedrungen ·waren. Er hatte die
narrnen Getranre veneuy und yaue
wie ein Unsinnigser Glas auf Glas
hinabgestiirzt, obwohl er jedesmal
erst einen heftigen Ekel überwinden
mußte. Die Wirkung war auch nicht
ausgeblieben, aber sie war non ande
rer Art gewesen, ais er es erwartet
hatte Statt ihn tie Ursache feinert
Aufregung vergessen zu machen, hatte
der rasch zunehmende Rausch seine
Phantasie mit allerlei Schreckaestalten
erfüllt, deren tolles Durcheinander
ihn nach grausamer peinigte als vor
«n die Vorwürfe seines Gewissens.
in verfiörtes Aussehen und sonder
lares Benehmen hatten ihn endkich zu
einer Zielscheilse für den Spott der
Ihrigen, den niedrigsien Schichten
In gehörigen Gäste gemacht. Und als
er dann mit der sinnlosen Wuth des
Trunkenen auf einen der Srötter los
eeiahrens war, hatte ein Dutzend träf
iger Fäuste s sich feiner bemächtigt,
um ihn ziemlich unianft auf die
Straße hinauszukefördern. An alles
dies, wie an das-. was dann noch wei
ter mit ihm geschehen war, hatte Var
tel heute nur noch dunkle, unbestimm
te Erinnerungen. Er wußte nicht
mehr, wie er den Heimweg gefunden
hatte und-wie er in sein Bett aeta:n
men war. Und deshalb peinigte ihn
ietzt zu allem anderen auch noch di
zurcht daß er in seiner Veransch
it irgend eine Dummheit gemacht.
sich vrurch irgend ein unvorsichtig-ges
Wort verrathen Haben könnte. Es
felkltc ihm an Muth, seine Wirthin
Tiber die Umstände zu befragen, un
ter denen er nach Hause gekommen
war; aber er suchte in ihrem Gesicht
u lesen, ob sie vielleicht einen Ver
t gegen ihn hege, und die auffal
ten e Aengftlichteit, welche die Frau
unter seinen farlchenaen Blicken ge
zeigt hatte, war sehr wenig danach
cngethan gewesen, seine Beiorgnisse
zu zerstreuen.
Mit wüstem Kopfe machte er fich!
auf den Weg nach feinem B:1reau.
Es würde ihn kaum überrascht haben,
wenn er dort bereits die Polizeibeam
ten vorgefunden hätte, die gekommen
traten, ihn zu verhaften. Aber es
war niemand da als der alieNischile,,
der wie immer anf seinen Posten vor«
Der Hansthiir stand und ihn Init
einem lässigen Griff an den Mützen
fchirm stumm begrüßte. Denn das
Verhältnis der beiden Männer war
nicht mehr so freundlich wie ehedem.
Bartel hatte seinMißtrauen gegen den
Pförtner nicht überwinden können.
Wenn er ihn auch nicht mehr für den
Dieb Hielt, so fürchtete er in ihm doch
noch armer einen Mitwisser feiner
Schulb, der eines Tages mit der dro
henden Forderung eines Schweige
fldrs an ihn herantreten könnte. Und
seint Kessel-M sätetwas unvethh
«n eiqes e, ging er i m
deshalb nach Möglichkeit aus dein
IV e. Dem arten Manne aber hatte
er Veränderung in dem Benehmen
des ehedern so leutfeligen Buchhalters
nicht entgehen können, und da .er
nicht ohne Ehrgefiihl war, zahlte er
ihm seine Unfrenndlichteit mit glei
cher Mtinze zurück, so daß sie wäh
rend der letzten vierzehn Tagen bestän
dig in einer Art von heimlichem
Kriege miteiander gelebt hatten.
Heute iiirnknrrte Bartels sich wenig
um die verdrießliclce Miene des Pfört
—n»er5. Er begab sich hastig in das
Kassenziiötnxrr und nahm mit einem«
wahren Feuereifer seine Arbeit auf.
Eine halbe Stunde später empfing er
den Besuch des Gseneraldirelrurs. der
an diesem Morgen in noch weniger
rosiger Laune war als sonst und der
ihn in seiner nicht eben rücksichthol
len Weise wegen einiger Versehen zur
Rede stellte.
»Man möchte wahrhaftig alauben,
Daß Sie aestern Nachmittag Ihre
fünf Sinne nickt mehr beisammen ge
habt hätten«, polterte er. »Wenn
Sie noch öfter solche Böcke ishieszem
können wir bei Jhrer Kassensiihrnng
ja hübsche Dinge erleben. Jch muß
mir dringend ausbitten, daß derglei
chen nicht wieder vorkommt. »Oder«
—- er sah ihn mit seinen scharfen
Augen durchdringend' an « »oder
sind Sie etwa trank?«
Ohne von seinem Buche auszahlt
cken, murmelte Bartel eine Mrsiches
rang, daß er sich volltominen wohl
fühle, und daß er sich künftig gewiß
vor ähnlichen Jrrthiimern hiiten wer
de. Aber sein Herz klopfte beinahe
dernehtnilich, denn es war ihrn immer,
als ob die glänznden Augen des un
bequexnen alten Herrn sich bis in den
Grund seiner Seele bohren tönnten.
und er hatte vor keinem Menschen so
große Angst als vor ihm.
»Wenn er doch erst wieder draußen
wäre!«' dachte er, und er athmete auf.
als ein Klopfen an der Thiir des
Kassenzimer die etwa beabsichtigte
Fortsehung des Berhörs abschniti.
«Herein!' rief der Genus-Wirkl
tor, und seine grimrnige Miene wurde
etiras freundlicher,« als er den Ein
tretenden erkannte.
«Guten Morgen, Herr Rechtsan
walts Bin ich es, den Sie suchen?
Schöne Neuigkeiten, nicht wahr? Das
werden Sie dem hübschen kleinen
Miidel mit dem unschuldigen Tau
beniiirbchen verrauthlich auch nicht zu
gctraut haben» - ,
»Mein, nrk hatte es ihr ebensowenig
vorher zugetrant, als ich es ihr jetzt
zutraut Die Verhaftung ist nach
meiner Ueberzcugung der ungeheuer
lichste Mißgriff, der jemals began
gen wurde. Und was ich thun kann,
um seinem Urheber zu dem verdienten
Lohn zu verhelfen, das soll sicherlich
geschehen«
»Nun, nun, Verehrtester -- Sie
sind ja ganz aufgeregt. Geht Ihnen
die Sacke so nahe? Jeh für meine
Pers-n habe zu Ver Klugheit der Her
ten Kriminalisten ia gewiß das vent
lIar geringste Vertrauen. Aber ich
kann Jhnen doch nicht verletzten, daß
auch mit mit der Schwester unseres
sauberen Rendanten manches- nicht
ganz richtig vorgekommen ist. Sollte
mich iibrigens aufrichtig freuen, wenn
sieh herausstellt. daß ich ihr damit un
recht gethan habe.«
»Es wird sich herausstellen, —- ver
lassen Sie sich darauf, Herr Direktor!
Und das hoffentlich noch heute. Jch
kam hierher in der Absicht. mit Frau
Winter in Sachen Jhrer Sanriigerm
Ritcksprache zu nehmen· Aber die
Date-e hatte mich nicht empfangen,
und so möchte ich von Ihnen noch ei
nige Austiinfte erbitten, ehe ich mich
bei dem Untersuchung-seichter melde.«
.,Stehe gern zu Diensten. Wir tön
nen ja, neun es Ihnen recht ist, in
mein Bnreau hinausgehen. Ader was
wollen Sie denn beim Untersuchungs
tichter? Haben Sie etwa die Absicht,
ihre Bertheidigung zu übernehmen?«
»Diese Absicht Mbe ich allerdings-,
sofern Fräulein Winter überhaupt
noch eines Vertheidigers bedarf, und
vorausgesetzt daß sie meine Dienste
nicht verschmäht,«
Weiter hörte Bartel nichts mehr;
denn kei Schriöders letzten Worten
hatte sich bereit-z die Thiir des Kas
senzimmer-s hinter den beiden Herren
geschlossen Aheeer hatteoteine Silbe
ver Tusci- gququen unxel:)auuug
verloren. Und"· der Generakkirektor
würde sich wahrscheinlich auf-Z- neue
über die Zerstreutheit des provisori
fchen Rendanten entrüstet haben,
wenn er hätte schen können, wie lange
Joseph Bariel rnii nachdenklich ge
iurchtcr Stirn unthätig vor sich hin
ins Leere starrte.
Au- die Erikarung hin, daß er be
absichtige, sich ihr als Vertheidiger
zur Verfügung zu stellen, hatte der
Rechtsanwalt Schriider die Erlaub
niß zu einer Unterredung mit der Un
tersuchungsgefangenen Marthe Win
ter erhalten, aber nur mit der Ein
schränkung daß diese Unterredung
im Sprechzimtner des Gefängnisses
und in Gegenwart eines überwachen
den Beamten stattfinde.
Wohl fürchtete er, daß das unte:
so iraurigen Umständen stattfindende
Wiedersehen dadurch fiir Mariha zu
einem noch peinlicheren werden würde;
doch es war nicht in seine Macht ge
geben. etwas daran zu ändern, und
ais sie dann in den kahlen, durch eine
behe Bacriere getheilien Raum ge
fiihri wurde, in dem er sie bereits er
wartete, da sah er mit einem einzigen
Mid, daß sie um vieles ruhiger und
gefaßter zwe, ais er selbst.
Es huschte sogar wie ein Lächeln
iilsser ihr Gesicht, ais sie seinen Gruß
erwiderte und als sie, seinen Erklä
rungen zurorkommend« sagte: »Ich
—
Idante Ihnen fiir Jbr Erscheinen.
»Herr Rechtsantralt. aber ich nehme
Han, daß Sie nicht getommen wären,
i wenn Sie mich fiir eine Verbrecherin
Ilsielten. ler Besuch ist die erite Er
niuihiizung, die mir aus der Welt
da draußen zutlzeil wird.«
Oermann Schröder war aus Thräs
nen und rerzstreifelte Klagen gefaßt
gewesen. Um so aufrichticere Be
wunderung nöthigte ihm darum diese
tviirdige Haltung des jungen Mäd
chens ab, an dessen Schuldlofigleit er
noch nicht einen Augenblick gezweifelt
hatte. Wären sie miteinander allein
seines-n, und hätte er sich nicht in ie
tem Augenblick gegenwärtig gehalten,
das-, ja ihre Liebe einem anderen
Manne gehöre, so wiirde eraxic unter
dem eriten Eindruck dieses Ueberse
Eber-g seiner Theilnahme wahrschein
lich in viel wärmeren Worten ver
sichert Haben als sie sonst zwilchen
einem Anwalt und feiner Klientin
üblich sind. So aber mußte er sich zu
beherrschen und bei aller Herzlichteit
des Tones feinem Benehmen doch
einen gewissen eeschäftsmäßigen Cha
rakter zu bewahren.
Er fragte sie-, ob sie sich schon fiir
einen Rechtsbeistand entschieden habe,
und als sie mit leichtem Erröthen
den Kopf fchättelte, bot er ihr seine
Dienste an.
Er hatte e :w.1rtet, daß sie ohne
weiteres zustimmen würde. und es be
reitrte ihm eine schmerzliche Entlast
fchung, als sie in sichtlicher Verlegen
heit mit der Antwort zögerte.
s »Ich bitte, mich nicht fiir zudrings
plich zu halten«, siiate er hinzu, »und
fich tviirde selbstverständlich in jedem
anderen Falle aöaewartet haben, ob
Sie nicht lieber einem anderen An
walt den Vorzug geben würden. Ein
zig der dringende Wunsch, Sie so
bald als irgend möglich wenigstens
aus der Untersuchungsbaft befreit zu
sehen, hat mich zu einem Schritt be
stimmt, den ich. wie gesagt, unter an
deren Umständen fiir durchaus unzu
lässig halten würde. Und wenn es
Ihnen vielleicht ans irgend einem
.Gri:nde erwünscht ist, Jbre Interes
Ifen durch einen meiner Kollegen ver
i«--«-- ... t--... .- —-..s- :4 «.«.’;
l ssssksl ou INDI, YU OUILU IW IIULUO'
flich sehr gern den Vermittler zwi
xschep ihm und Ihnen machen-«
i Es ioar nichts von geträntter Em
beintlichteit in seiner Rede, und doch
;fiiblte Martba, daß ils-r Zaudern ibm
nich gethan habe. Hatte sie doch so
ieben in der befchämenden Erinnerung
Jan die giftigen Verdiichtigungen ibrer
Ischmägerin wirtlich mit webem Her
zen daran gedacht, seine großmütlzig
dargeboten-: Hilfe abzulehnen, so
würde sie es ietzt um keinen Preis
mehr über sich gewonnen haben, ibn
durch eine solche Zurücktrseisung zu
kränken. Nein, er batte das nicht um
sie verdient, und ob sie durch die An
nabrne seines Beistandes ihren Ruf
idem l,iitnifck,en Gerede böser Zungen
dreiegab — was hatte es schließlich
jetzt noch zu bedeuten, jetzt, wo ihre
Verbaftung und die furchtbare An
schuldig-eng die mcn gegen sie erho
ben, sie ohnean mit einem unaus
löschlichen Brandmal der Schande
behaftet hatten.
»Nein, herr Rechtsanwalt«, sagte
zsie, und der Ton ibrer Worte machte
Efiir ihn alles wieder gut, was ihr un
schliistiges Zögern verschuldet hatte,
Z «ich tenne niemand, dem ich die Wahr
nehmung meiner Interessen vertrau
cnzboller überlassen dürfte als Ihnen.
Allerdings hatte ich gehofft, keines
Nechtsbeistnndes und keines Verthei
digers zu bediirtem um von diesem
entsetziichen Verdacht befreit zu wer
den. Aber die Behandlung, die mir
von seiten des Polizeibeamten und
des Untersuchungsrichters widerfah
ren ist, hat mich bereits gelehrt, daß
ein gutes Gewissen nicht immer ein
ausreichender Schutz ist gegen bru
tale Ungerechtigkeit Wenn Sie an
meine Schuldtosigteit glauben und
aus ehrlicher Ueberzeugung siir mich
eintreten wollen, so geb-e ich mein
Schicksal gern und freudig in Jhre
Hände«
Ohne eine Befriedigung iiber ihren
Entschluß an den Tag zu legen,
reichte ihr hermann Schriider das
Vollmachtsformular, das er bis auf
die Unterschrisken bereits ausgefüllt
lkurie. «
.Wollen Sie die Güte haben, is
ren Namen darunter zu setzenl ur
wenn Sie mich in aller Form zu Ih
ren- Vertheidiger bestellt haben, kann
ich beanspruchen, daß mir Einsicht in
die Atten gestattet und die Erlaubniß
gtbeiit werde, Sie jederzeit zu spre
,en.«
Da Tinte uno zjeoer zur pano wa
ren, konnte sie seinem Verlangen ohne
weiteres willfahren.
Mit einer kleinen Verbeugung
nahm er das Blatt wieder in Em
pfang und sagte: »Ich werde natür
lich fofort einen Antrag auf Jhre
Entlassung aus der Untersuchungs
baft einbringen. Sollte derselbe von
der Gefiellung einer Kaution abhän
gig gemach-i werden, fo werden Sie
niir gestatten, dieselbe fiir Sie zu
hinterlegen. Einen sicheren Erfolg
meiner Bemühungen aber kann ich
Ihnen freilich nicht versprechen. So
lange die Heilunft des in Jhcern
Schreibtifch vorgefundenen Tausend
martfcheins nicht aufgeklärt ift, bes
finoen wir uns in einer recht ungün
stigen Lage. Jch darf Jhnen das
nicht verhehlen,« weil ich Ihnen als
Jer Rechtsbeiitand vor allem rück
haltlose Offenheit schuldig bin. Alle
anderen Verdalxtsgründe fiel-en auf
fo schwach-en Fükem daß sie nothwen
dig in sich elbft zusammensinken
imifssem sobald ez uns gelungen ist
ricsen einen zu entlräften. Haben
Sie denn gar keine Vetmuthung hin
sichtlich der Person desjenigen, der
die Banlnote dorthin gelegt haben
könntes«
E"·.Ikarthsa schüttelte den Kopf. »Ich
habe mir während dieser langen,
schlafloien Nacht unaufhörlich den
Kopf darüber zerbrochen, aber ich
habe nichts gefunden Es muß sich
eben während meiner Abwesenheit
jemand in das Zimmer eingeschlichen
haben, um mir diesen abscheulichen
kStreich zu spielen-«
»Die betreffend: Schieblade Jhres
Schreibiisches war immer unter
sci«1ofi"en«.’«
»Nein. Dass ist für mich ja gerade
das Unbegreiiliche, daß sie es nicht
war. Ich hatte vor einigen Wochen
einmal die Wahrnehmung gemacht,
daß jemand in meinen Brieer unr
Papisren umhergeitöbert hatte, wäh
rend ich mich in der Schule befand,
nnd ich hielt sie seitdem immer unter
Verschluß«
»Das macht die Sache allerdings
noch verwickelt—:r. —-— Antworten Sie
mir ganz aufrichtig, kräulein Win
ter: hegen Sie gegen hre Schwarze
rin feinen VertIachtP
»Nein. Einer solchen Schandlieh
leit halte ich sie nicht fiir fähig. Es
mag sein, daß sie mir nicht sehr zuge
than ist, aber ich habe ihr nie ein Leid
zugefügt. und sie batte darum auch
keinen Grund, auf mein Verderben
zu sinnen. Außerdem — woher hatte
sie denn den Tausendmartschein ge
nommen? Um sie siir die Urheberin
meines Unglücke- zu halten, müßte
man doch zunächst annehmen, dasz sie
irgendwie an dem Kassendiebstahl be
iheil igt gewesen fei.«
Las müßte man allerdings. Und
Sie halten dieke Möglichkeit sur ganz
ausgeschlossen "?«
»Ja( erwiderte Martha im Tone
einer unumstößlichen Ueberzeugnng.
»;,n dieser hinsicht bin ich ihrer Un
schul d so gewiß wie meiner eigenen.«
Dann stehen wir alio vorläufig
noch vor einem ungelöften Näthfei.
Oder haben Sie inzwischen Jhre An
sichten in Bezug auf Jhren Bruder
kränderik —- Halten Sie es für mög
lich dasz e: doch der Kassendieb ge
rrescn sei. und daß er vor feiner Abs
reife den Schein in Ihren -C---clireibtifchL
prattizirt habe, um Sie nicht ganz·
inittellos zurückzulafsen?«
»Dieselbe Frage hat gestern bereits
der Untersuchungs-richtet gestellt. und
ich war glücklich, ihm antworten zu
können, das-, eine solche Erklärung
schau deshalb nicht in Betracht
tommt, treil ich am Tage nach meiner
Rückkehr bei dem Suchen nach einein
Briefe gerade dies-es Schiebfach voll
ständig ausgeräurnt hatte. Ich habe
jedes Blättchen in der Hand gehabt,
das sich darin befand, und es ist un
rentbar. daß der Rassenscheinsmep
ner Aufmerksamkeit entgangen sein
scllte.«
»Sie hat wirklich alles nur mög
liche gethan, um sich in den Augen
des Untersuchungsrichters immer
sitirerer zu belasten«, dachte der
Rechtsannsalt, und er fühlte in diesem
Augenblick eine so schrautenlose Be
wunderuna iiir die unbestechliche
Wahrheitsliebe dieses tapferen jun
arn Mädchen-, daf; seine Ohnmacht,
ihrer unwiirdigen Lage ein Ende zu
bereiten, ihn mit tiefern Weh erfüllte.
Aler er zeigte es ihr nicht, sondern
beschränkte sieb daraus, ibr einige er«
musternd-Worte zu sag-m wie sie
wahrscheinlich auch jeder andere an
feiner Stelle in Bereitschast« gebabt
haben würde.
Dann sab er auf seine Uhr.
»Ich muß mich beeilen, wenn ich
den Untersuchungsrichter nach in sei
- nein Amtszimmer antreffen will. Sa
bald die Umstände es erheischen, wer
de ich mich wieder hier einfinden. ha
ben Sie mir ietzt noch irgend etwas zu
sagen, Fräulein Winter? Oder —-—«
und die Worte lamen mit einem
Male viel langsamer, gleichsam wi
t-erstretend, iiter seine Lippen ———
»oder haben Sie mir etwa einen Auf
trag für —- siir eine dritte Person
zu ertheilen?«
Sie oerneinte vollkommen unbe
kangeiz »Ich dante Ihnen für Ihre
freundliche Bereitwilligkeit, Herr
Nechtsanwalts, aber es giebt meines
Wissens niemand, der sich für mein
Schicksal in so hohem Maße interes
sirt. daß ich Sie deshalb bemühen
mäßie.««
-.s-:- .-:..e. -2 --«-..r:«k- ««..·.:-i.-- L
»Olk IUILU LD sung-du« »U-»n-Vs«s,
sich ohne meine Vermittlung mit ihm
in Verbindung zn ietzen«, dachte
Schneiden »Es wen thöricht, zu ver
s.nut!)en, daß sie sich dazu meiner be
dienen würde.«
Er war es zufrieden; denn wie gern
et auch seine ganze Kraft einie n
wollte, ibe beizustehen —- bie A
gabe. gewissermaßen den Liebes-bo
ten zwischen äbt und Geotge Millet
zu machen, hätte doch eine gar zu star
te Zumutbung an feine Entfagungs
fähig-est bedeutet.
Ihr Abschied war io kurz und so
gemessen, wie es schon durch die äu
ßeren Umstände dieserBtgegnung und
durch die Anwesenheit des überwa
chenden Beamten geboten erschien.
Unvetziiglikb begab sich rmann
Schröoer aus dein Gefängsni in daf
Amtsziknmer des Unteriuchungsrich
tets, um das von Martha Winter un
terzeichnete Schriftstiick, das ihn zu
ihrem Vertheidiger bestellte, zu den
Akten zu geben.
Als er von kein beabsichtigten An
trage auf haftcntlassung sein«-Mien
tin sprach, zuckte der alte Herr die
W
Achseln. »Ich glaube taum, daß Sie
mit einem solchen Antrage durchdrin
gen werden«, sagte er. »Wenn je
mals in einer Strafsache die Gefahr
der Verdunkelung vorlag, so ist es in
dieser geheimnißoollen Angelegenheit
der Fall, und ich werde «edensalls
meinen ganzen Einfluß dasitr ein
setzen, ß der Staatsanwalt Jhr
Gesuch abschlägig bescheidet«
»Werden Sie mir auch die Einsicht
in die Aktien verweigern?«' ,
in die Aktien verweigern?«
»Nein. Aber ich habe eine Bitte,
den Mittheilumjem die ich Jhnen vor
hin gemacht habe, dasz wir ein Num
inernnetzeichnisz der gestohlenen Kas
senscheine besitzen, und daß wir an
der Hand dieses Verzeichnisses die
Herlunst des gefundenen Tausend
martscheins als aus dem Tresor der
Bergwerlsgesellichaft feststellen konn
ten .Jm Interesse der Untersuchung
aber ist es dringend erwiiufcht, daf-,
rie Existenz jener Liste im großen
Publilum nicht bekannt werde. Jch
möchte Sie deshalb bitten, ihres Vor
handensein-Z gegen niemand Erwäh
nung zu thun.«
Hermann Schröder verbeugte sich
leicht zum Zeichen seiner Zustim
mung. Dann til-erflog er mit ra
schem Blick in dem ihm dargereichten
Altensaszitel das Protokoll über die
Hausfuchung sind iiber Martba Win
ters gestrige Vernehmung. Als er
weiter zurückblätteete, fiel ihm ein
beigeheftetes Briefblatt in die Augen.
dessen Handschrift er sofort als die
jenige Hercnines erkannte. Es war
nicht mit dem Namen der Absende
rin unterzeichnet und lautete:
»Ich halte es siir meine Pflicht,
Ihnen mitzutheilen. daß die Schwes
ster des flüchtigen Rendanten Winter,
die Lehrerin Marthe Winter, mit der
Absicht umgeht, Breslau morgen zu
rerlasfen. Jch glaube auch zu wis
sen, dasz sie von dem Verbrechen ihres
Bruders vor der Ausführung Kennt
nifz hatte und daß sie von seinem jetzi
gen Aufenthalt unterrichtet ist. Aber
es tönnte leicht geschehen, daß sie
ebenso spurlos verschwindet wie er,
wenn nicht rechtzeitig die geeigneten
Maßnahmen getroffen werden« ihre
Flucht zu verhindern; denn sie ist, wie
es scheint, mit Geldmitieln reichlich
derseben.«
»Die-«- also ist die anonnrne Denun
ziatkom auf Grund deren die Hausw
chung bei meiner Klientin vorgenom
men wurde«, fragte Hermann Schro
der, nachdem e: den Brief gelesen, in
merklicher Erreaung. »Und man
weiß nicht, von wein sie ausgegangen
r -.«
.,Nein.« -
»Nun, ich bin zufällig in der Lage,
es Jhnen zu sagen. Frau Winter
hat sich ja nicht einmal Mühe gege
ben. ihre Handschrift zu oeritellen.«
»Frau Winter — sagen Sie? Die
Frau des ftectbrieflich verfolgten Ren
danten?«
»Ja ——— sie.'« Ich besitze mehrere
Briefe von ihrer Hand, die ich zum
Zweck einer Schristvergleichung zur
Verfügung stellen werde. falls man
mir nicht auf meine bloße Erklärung
hin Glauben fchenlt.«
»Wer das ift durchaus nicht nd
thig, Herr Rechtennwalti Jch glaube
Ihnen ohne weiteres, und ich finde
auch par nichts Befremdliches darin.
Die Frau hat sowohl dem Polizei
loinrnissiir wie auch mir gegenüber
lein Hehl daraus aemacht,« daß sie
ihre Schwiigerin fiir die Mitfchuldige
ihres Mannes hält. Daß fre snicht so
gleich mit einer offenen Antiage her
vortreten mochte, ist bei ihren nahen
verwandtsckastlicheu Beziehungen zu
der Berdächtigen doch begreiflich ge
nug, selbst wenn man ganz davon ab
sehen will, daß manche weibliche Per
sonen eine besondere Vorliebe .fiir
anonhme Briefe haben. Sie sagen
ja selbst, daß sie nicht einmal versucht
hat« ihre handschrift zu herstellen.
Also wird sie auf Befragen auch wohl
ohne weiteres zugeben, die Verfasse
rin des Schreibens gewesen zu sein.«
Der Nechtsauwalt schwieg, aber
seiner ernsten und nachdenklichen
Miene war es anzusehen, daß er seine
unerwartete Entdeetun fiir viel be
deutsamer hielt, als Ie dem Unter
fuchungsrichter erschien.
17. Kapitel.
Dreimal war Joseph Bartel an die
sem Abend vor dem Haufe des Rechts
anwalto Schrift-er ooriibergegangen,
ehe er sich entschloß, die Treppe hin
aus-zustehen und die Glocke zu ziehen.
Die haushiilterim die ihm iisfnete er
—
klärte, der err Rechtsanwalt »se!
zwar zu Heu e, pflexe aber um Freie
Zeit keine Besuche mehr in beruflichen
Aegetegenheiten zu empfangen. · Und
« eesi als der Fremde, dessen schüchter
iiej nnd bescheidenes Wesen etnen sehr
giinstigen Eindruck auf sie machte, ge
radezu beweglich bat, daß sie doch we
nigstens versuchen möge, ihm eine
kurze Unterredung zu verschassen, ließ
sie sich seinen Namen nennen, um ilni
zu melden.
Einige Minuten später stand der
Buchhnlteh verlegen seinen Hut zwi
schen den Fingern drehend, jin Ar
teitszirnmer des Rechtsanioalts, der
tlm von feinen Beziehungen zu der
Gliickausgesellschast her dem Namen
und dem Aussehen nach reckt gut
tun-cic.
»Bitte, —-— nehmen Sie Pian! Wo
mit tann ich Ihnen dien-2n?«
»Ich bitte tausendmal um Verzei
hung, Herr Rechts-ande Es iit ei
gentlich sehr ungehörikis Sie noch zu
so später Stunde zu stören. aber ich
bin ja den ganzen Tag über irn Bu
reau beschäftigt, und dann dachte ich
auchw daß es vielleicht teinen Aufschub
bis morgen dulde.«
»Was sollte keinen Aufschub dul
den? haben Sie mir eine Mitwel
lung zu niachen?«
»Nicht gerade eine Mittheilung.
Es ist eigentlich nur eine Frage oder
auch eine Bitte, wie man es nun nen
nen will. Als Sie sich heute in mei
ner Gegenwart mit dem Herrn Gene
raldirekior über Fräulein Winter un
terhielten, hörte ich zufällig, das; Sie
ihre Vertheidigung übernehmen woll
ten« und da dachte ich —--«
»Nun? Sprechen Sie sich nur aug!
Jch habt in der That die Vertlyidi
gnug. der jungen Dame übernom
men.«
Gortfetzung folgt.)
r pas-se- Tut-.
Schon vom ästhetischen Standpunkte
aus ist ein haftiges Essen verwerflich.
Unangenehm wird es von den Nächst
sitzenden empfunden, jemanden mit
haft und Gier die Speisen verschlingen
zu sehen. Wenn auch das vornehmste
Ziel bei Tisch die Befriedigung von
Geruchs- und Geichmackssinn fein soll,
so iibt es günstigen Eindruck und Ein
fluss aus, wenn das Auge dem Hirn
wohltuende Eindrücke übermittelt und
dadurch den Appetit erregt, und dies
geschieht teinesfalls, wenn man z. B.
neben sich einen Tischgast hat, der alles
mit Gier verzehrt· Am meisten indes
sfen fchädigt der Betreffende sich selbst,
kleinen Magen, sein törperlichrs Wohl
Ibefinden. Ein altes Sprichwort schon
Jsagtet Gut durchgelaut ist halb ver
Jdaut. Jede Nahrung ioll durch tüchti
fges Hauen vettleinert oder zermalmt
lwerden, damit dieselbe. mit dem Spei
chel genügend durchseyt, in den Magen
Zaelangt und der Magensaft fich leicht
Idamit verbinden kann. Hat doch die
Natur dem Menschen das dazu nötige
Werkzeug in den 32 Zähnen gegeben,
ja die ganze Anatomie des Mundes
weist daraus hin, daß die Speisen eine
Weile im Munde verbleiben sollen
Wohl die»meiften Magenverstimmuni
gen und dauernde Ertrantungen find
als Folgeerscheinungen «hastigen Es
sens« anzusehen.
Die Bewohner der Vereinigten
Staaten haben Alles in Allem ein Ge
samtvermögen von 8106,881,415,000,
sagt der Bundes-Census. Die Nach
richt wird Herrn Rockefeller doch etwas
verstimmen, sie zeigt nämlich, daß es
noch Geld gibt, das er nicht hat.
II« I O
Die Polizeirichter in Chica o wol
len ihre Gerichte auch nachts offen hal
ten. Da die Göttin der Gerechtigkeit
blind ist« iann ihr Walten durch die -
nächtliche Dunkelheit nicht sonderlich
nachteilig beeinflußt werden.
O It III
»Sie war Eintaufen gewesen und er
war natürlich nervös. »Ich hoffe, Du
haft nicht viel Geld ausgegeben, wäh
rend Du heute fort warst,« bemertte er.
— »Nicht einen Cent, ausgenommen
Fahrgeld,« erwiderte sie beruhigend.
»Ich habe alles anLchreibeLi lassen.«
Ein deutscher Schwarzseher ver
gleicht nun gar den deutfchen Kaiser
mit dem tiirlischen Sultan. Das ist
starll Wer noch so viel reden und rei
sen lann, wie Wilhelm, der ist doch
wahrhaftig lein »Herunter Mann".
Unten-sittlich.
.4·"... .
»Aber Leopold, du schütt’st das Zeug so hinunter... Denk doch an
deine Gesundheit!«
»Hast recht· Alte! Also — zur Gesundheit!«