Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 07, 1906, Sweiter Theil., Image 16

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Die Göttin des Glü ckS. «
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Des tat-te Li, " eines grauen Re
Mges ekfiillte das Aktien aUz
hart-o aus seinem kurzen Schlummer
erwachte Beim Anbkuch des Mor
us erst hatte er Clemens Herbolds
tkrvezimmer ve:lafse1«., in dem er die
Ion Nacht hindurch treue Todten
Mt gehalten-, um sich erschöpft und
Erdenstmurig auf dass harte Ruhe
tt sinken zu lassen, Das da in einem
Mkl der schmucklosen Künstlern-ert
"tte stand. Die Aug-en waren ihn-.
« oft auf der Stelle zugefallen uno
etwa zwei Stunden lang hatte er im
bleischwer-en, txaumlosen Schlamer
getegen. Nun schaute er verwirrt
made-h unfähig, die Wirklichkeit so
gleich zu begreifen, bis ein Blick auf
ie halb zerstörte Gruppe inmitten
des Akiiets ihm mit einem Schlage
winke ins Gedächtniß zukückkief. »
TM kausstohnend barg er das Ge
ficht in den nden. Nie zuvor, nicht
einmal am odestage seiner heißae
lxbten Mutter, wsar ihm das Leben
o leer, die Welt so trostlos öde er
chienen als lsci diesem Erwarte-n
hin war, als sei mit dem edlen
Manne, ans dessen Seite er lisier so
oft in froher und reine-r Begeiiekung
gäckxassem alles gestorben, wag seinem
sein Reiz und Inhalt verliehen
Ein nie geksannteå Bangen chlich
durek seine Seele, ein dumpfes
Grauen vor der Zukunft machte ihn
fröftelnd erseht-nun
Dann aber trieb der Gedanke an
Crit-a und die Sorge um sie ihn von
seinem Lager empor.
Welche Angst hatte er ais-i verflos
senen Abend ihretwegen ausgestan
den! Unmittelbar nach dein Hin
scheiden des Professors war sie in
eine schwere Ohnmacht gefallen, und
erst nach langem Bemiihen hatte der
eilig gewlte Doktor Reimers sie ins
Bewußtsein zuriick können-. Man
hatte sie sogleich in ihr Schlafkirniner
gebet-Bot das dem jungen Bi dhauer
natürlich verschlossen bleiben mußte,
nnd nur durch das Mädchen. das ihr
niit groß-er Hingebung Beistand lei
stete, war ihm von Zeit ziiZeit eine
Nachricht iiber ihr Beiinden zuge
kommen. Wohl hatte er von dem
Arzte, als derselbe gegen Mitternacht
das Haus verließ, die beruhigende
Versicherung erhalten, daß Erita nach
seiner Ueberzeugungs nicht eigentlich
krank sei: aber Doktor Reimers hatte
sich doch verpflichtet gequt, hinzu
zufügen, die Nerven des iungen Mäd
chens sckiensen in hohem Maße ange
griffen, und» er könne deshalb nicht
dafür båirgen, daß sie die unvermeid-,
lidsisei Aufregungen dkr .äcl7sten Tage
ohne ernsen Schaden überstehen
Heda Für diese Nacht hoffe er ihr
durch ein Stlakmittsei die Vor allem
nothwendisae Nuje rersckasft zu haben
und trorgen werde er natürlich wieder
nach ihr sehen. Später hatte Harre
noch von der Dienerin gehört daß
Erita anscheinend ruhig schiasex mie
kergeirlsen hatte er sie bis zu diesem
Qlugenllick nicht und er fühlte danach
i-; tzt ein so h- ßes Verlangen, daß er
hastig seine eiroas deranxrirte Toiiette
ordnete. um unrerziisgslich in die Woh
nur«-g hinüberzneilem
Eins Geräusch hinter seinem Rücken
veranlaßte ihn. urnzsusclfsauen., und er
sah srste daß er ivahrend seine;
kurzen gchstlurnimers nicht allein ge
lte-sen war Ter alte Krutfckiste war
es, dar da aus einem Winkel hervor
gekommen war-, wo er allem Anschein
nach die ganze Rai-i zugebracht hatte
Er sal; sehr nieder-geschlagen und be
tlirnirert aus. und sein graues Haut
war gelenkt irie unter einer schweren
Last. Mit sckceppenden Schritten
tara er Orts den jungen Bildhauer zu
smer reist-te ihm die Hand, eine Ber
traulickskeih die er sich vorher niie
heran Herkommen hatte.
,.w«1m Dinger-, Herr Vatrvk
sagte er. »Jetzt ist er also todi Was
ollen nir« nun ohne ihn unfanaenZ
Und was w rd aus alle Dem hier
werden«-«
»Ich weiß «·k«ncn auf da S ein-: so
wenig zu antworten als auf Das an
dete, nein guter KruschkeZ Jch weiß
r.,m d- ß wir beide mit ihm ein Stück
von unserem ein enen Leben verloren
haben und baß wir eine lange lange
Zeit brauchen werden, es zu über
windenk
»O Sie werfen es schon überwin
den, Her-e Hiero! Sie sind ja noch
io jun-! Jch aber wollte, daß ich
statt feiner auf det Bahre läge. Seit
mehr als dreißig Jahren habe ich hier
mit ihm gelebt Und wie oft er mich
suche cMurnhqt , ich habe doch
seinen schen auf der Welt so lieb
Naht wie ihn. Denn ich habe sein
gekannt Und es war ein got
tsenet Herz, Heer Haut-F
»Bei war es. Niemand weiß es
Ieiset als ich. Jst mit mit ihn doch
Teich dee Baker und der treuer
km nd genommen W«
»ne- zu W daß ei vielleicht
» Jst-ichs Wege-ten wissen —
M ihn M · gu- Weite
» » Wissen könne« W nicht
»so- W we w ess
Haken —- sie ist ja weh-l Jhre
I's;1:euni’xin«.?"
»Von wem sprechen Sie Kraft-ist«
Dxch nicht von Fräulein Sylmndet?«
Er hatte es in strengem Tone ge
fragt, in einem Tom. der jeder umhe
erbieiigen Aeußerursg über Hamm
vorbeugen sollte.
Hatte hatte wohl nicht das rechte
Mittel gewählt, diesen Zweck zu er
reichen Der stufende Beweis im
Klanc feiner Stimme schien vielmehr
den mühsan niedergehajiemn Groll
in der Brust des alten Mannes zur
hellen Flamme angefacht zu hoben.
Jngrimmig fuhr et auf:
»Von wem sonst, als von ihr! Jst
es etwa ein Verbrechen, von ihr zu
:eden?«
Ich muß mir jedenfalls aus-du
ten, Kruschtr. daß Sie den Namen
der jungen Dame nicht anders als
mit der schuldig-en- Hockyachtung nen
nen.«·
Der Alte lachte kurz aus.
- »Hochachtung? Müßte nicht, was
ich ihr davon schuldig wäre! Und
wenn- Sie gestern hier gewesen wären,
als das geschah —« er machte eine
Handbetregung nach der zerfchlagenen
Gruppe hin« —- so würden Sie wahr
scheinlich auch nichts derartiges von
mir verlangen.«
Harro dachte an die Anspielung-en
des sterbenden Meisters, die er fiir
krankhafte Ausgebutten feiner schon
von den Schatten des Todes verdun
kelten Phantasie gehalten, unsd ein
furchtbarer Argwohn regte sich in
seinem Herzen.
«,,Der Professor hat den Abg-aß
zerschlagen«. sag-te er unsicher, »weil
er ihm mißfiel und weil die Gruppe
neu geschaffen werden sollte. Fräulein
Snlvander hast damit nichts zu
tls,un."
»So? Meinen Sie wirklich, daß
sie nichts damit zu thun hatte? —
Run. ich weiß es zufällig besser. Sie
mochte ja glmlben, daß sie mit dem
Professor allein wäre und daß nie
mand etwas von ihrer Unterhaltung
hörte. Aber ich war zuriickgetommen
»und saß drüben im Vormund Jedes
Wort habe ists verstanden, das see mit
einander gesprochen«
»Und Sie wollen behaupten, daß
Fräulein Styls-ander den Meister an
»gest;stet hätte, das slWert zu zerstö
ren-« «
l »Nicht so gerade heraus und mit
deutlichen Worten. Aber ein nichts
iciirdiges fchiindliclkes Spiel hat sie
sinkt ihm getrieben — das sæae ich
!ihr, wenn es sein muß. ins Gesicht.
yUm den Verstand gebracht hat sie ihn
jmit ihrem Schmeichelei und Girren
sund Lachen« daß er zuguterletzt alles
ivergaß seine Krankheit und seine
i grauen Haar-: und daß er eine Toäjter
Ivon zwanzig Jahren hatte. Ah- wie
’ es mir in den Fäusten geiuckt hat, als
,ich oasaß und das alles anhören
« inußte.«
»Sie hat-en geträumt, Kruickle,
oder Sie haben eine-m harmlosen
Scherz diese unsinnige Deutung ge
geben Niemand wird Ihnen Glau
len schenken, dein Sie das erzählen«
»Es ist mir a-leichgiiltia, ob man
nsir Glauben schenkt. Aber was ich
gehört habe, das habe ich gehört. Und
es war kein Scherz, sondern bitter
ernithastheint —- wenigitens bei
unserem armen- Proiesiryr. Jch habe
ja ruht alles behalten. was sie ilyrn
saate Und ich kann es noch weniger
mit so schönen Worten wiedergeben,
wie sie gebrauxtr. Aber einiges da
von ist mir doch im Gedächtniß ke
blieken. Und Sie wär-den wenig
Freude daran haben, wenn ich’s le
snen wiederholte.« ·
.- -- « - —
»Wie-Gmel —- lcy Numme, ookz vie
se thun. Wäre es auch nur, damit
ich Sie von der Thorheit Ihrer An
tlagen überzeugen kann«
»Nun gut, wenn Sie es so wollen.
Sie sagte ihm, daß sein Leiden gar
nicht gefährlich sei —- daß er sichernch
wieder ganz gesund werden wütdc,
und daß er ja eigentlich noch ein
junger Mann sei. Er müßte aus
seiner Zurückgezogenheit heraustreten,
sagte sie, müßte des Leben genießen
Und dabei machte sie allerlei Andeu
tungen, daß et sich ju noch einmal ver
heirathen könnte.«
»Und we:ter?« drängte Hatw mit
heiser tlingender Stimme. »Wa: das
alles-«
»O nein! Dann fing sie an, ihn
gegen Sie anszuhe n.«
’ , »Gegen mich? ie waren nicht bei
Sinnen, Kreisel-in als Sie das zu
; hören glaubten«
»Nicht daß sie was Schlechtes von
; hinen gesagt hätte — nein, so meine
Z ch es nicht« Aber sie fand es nicht
Hecht, daß der Professor Sie an
; seinem großen Wert hatte mitarbeiten
lass-kn. Sie stellte ihm vor, daß kein
anderer einen Antheil ben dürfte
an seinem Rat-im Und meinte-«
i « Ansichte» genug! Und
darauf t der Meister die ganze
Gruppe zertrümmert?«
Mit-is W fflike-.- iwinnen eine M
M I MMM DOM
ich den West-r fee-sah ob sie seine
Mich-volle, Werd-as Wert
Nod ein«-et von vorne W se
»
.
—
stagte sie auch wohl noch etwas aus
Ums: aber Ns war so leUisc daß ich
es nicht verftebkn konnte. Aber daß
sie ja sagte habe ich ganz deutlich
verstand-m Und »dann —-— nun-, dann
hörte ni- ekscn einen Scklaa nnd ein
Siiingem als ob eine Givsform in
Stüaeni ging-. Jch lief kerzu, so
schle ich konnte und woilte ihm in
den Arm fallen, als et den vierten
oder fünften c klag führte —mit
dem großen Hammer-, Herr Dokto.
der fetbst fiir einen starken. gscsunden
Mann fast zkt schwer ist —-— aber da
stöhnte et mit einem-male ans und
taumekke zurück Hätte ich ihn nicht«
anfgcsanaeu, räre et zu Boden ak
stützt. Die Puson alter — entschw
isigen Zie, das-K Fräulein Salt-ander
—- fiand in ihrem schönen Hand-n
Va. mit sinczn so thing-n Gesickt. H
ols tax- Ganze He Tak- nicksts Mal-Ins
Und erst al: Ob iin in meiner Hm
zeusanast zafchth Er iEier Sie inkc
doch — sei-en Sie bot-n nicht« da .;-.(
ihn Im: gebrat: innen — —- —
»Wie st. .th;te --- das haben Sie
ihr zn sagen ausmqu
.,)--, soc rette trotzt noch ganz nn
nerrg Hei-»Ist in des-: Augenblick mer n
ich nich cedocht harte. dasz der Pro
fessor zkch Helle-its noch Bewußtsein
genug baden tonnie, es zu hören. Sie
erwiderte nein Visit, aber sie kam-nnd
irr-r mir behilflich ihn in den Lehn
stuhl zu fette-n Auch von der Medi
zin fiößte sie ils-m ein paar Tropfen
ein. die Fräulein Erika immer zu
diesen verdammten Sitzungen mit
brachte. Und dnnn sagte— sie, ich sollte
biniiier gehen-, die Tochter des Herrn
Professors zu rufen.
Harro hatte feine ganze Willens
trnft ausbieten müssen, um dem Man
ne nicht zu verrathen ums bei der
Erzählung in ihm vorging. Die
liebereinstiinmnng dieser von einem
so tiefen Groll durchzitterten Dar
stellung mit den hzlben Andeutungen
des Sterbenden gab ja den Vorgän
gen des geitrieen Tages fiir ihn ein
ganz andere-·- Aussehen als sie bis do
hin in seiner Phantasie gehabt hat
ten. Nun konnte er in der That nicht
länger mehr daran zweifeln, daß
Hering einen entscheidenden Anihtil
an der Herbeiführung der verhäng
nißvolten Katastrophe gehabt, und
er sah sich Vor etwas Unfaßbarem
und Unbegreiflichem, das ihn mit
Schrecken und Entsetzen erfüllte
War er noch vor einer Viertelstun
de entschlossen gewesen, die —- wie er
meinte —— von einem krankhaften
Wahn gebotenen Anklagen des Pro
fessor-i Piir immer als ein unver
briichliches Geheimniß in seiner Brust
zu verschiießen, so erschien es ihm
jetzt geradezu ais eine heilige Pflicht,
Aufklärung und Rechenschaft über
Die geistigen Ereignisse von ihr zu
fordern. Und heute noch, nein, gleich
jetzt auf der Stelle mußte er es thun.
»Ich kann Ihnen auf Jhre seltsa
me Geschichte jetzt nichts erwidern,
Siruschte«, sagte er, »otmohl ich sicher
bin, daß Sie fast allem-. was Sie ge
hört haben, eine falsche Deutung ge
ben. Aber Sie müssen mir mit Wort
und Handschlag geloben, daß Sie zu
niemandem sonst davon- sprechen wer
den. Nicht blon um unseres geliebten
Todten, sonrern auch um Fräulein
Erst-IS willen. Es soll tein Schatten
cui das reine und herrliche Bild fal
len, das sie von ihrem Vater in der
Erinnerung bewahrt So ist es doch
auch Jhre Meinung — nicht wahr?«
Die harte, ausgebreitete Hand des
aiten Mannes-sing schon in der seini- —
gen
,.So wahr mir Gott helfe, Herr
Hono, — ich werde zu seinem Men
schen davon reisenr«
»Gut, Kruschkel —- haben Sie die
zerschksagenen Stücke· aufgehoben ?«
Alles bis aus den letzten Brocken;
Aber es läßt sich nicht wieder zusam
mensetzen; es ist garnicht daran zu
dcnieu."
»Min, wir wollen sehen. Und
wenn es nicht geht, so beginnen wir
even von» neuem. Denn Clemens
Herbotds Werk ioll der Welt nich:
verloren gehen. Es ist in seinem
sit-Ich s-- will-nd- ZIO hssä tust-«
Vermächtniß, das er mir hinterlas
sen hat«
Der Alte sah mit einem fast zärt
licken Blick zu ihm auf und schüttelte
tkoetlos seine Hand. Dann verließ
Hart-o das Welten um noch einen
Blick aus die Zng seines todten
Meisters zu creefen und sich nach den:
Besinden Eritas zu erkundigten, ehe
er Dann-a aufsuchte.
Leise öffne-e er die Thür des Ster
bzzitnmets, und betroffen blieb ee auf
der Schnelle stets-n. als er sah, daß
Erila neben dem Lager des Todten
lniete. Er hatte es nicht gewagt, ihre
schmerzvolle Andacht zu unterbrechen;
aber sie hatte seinen Eintritt wahr
genommennnd richtete sich langsam
anf. Sie war sehr bleich nnd das
Aussehen ihrer Augen vetxieth, daß
sie viel geweint hatte; ihre Züge aber
hatten einen Ausdruck starver Ruhe,
auch war in der Art« wie sie ihm
eiligan ging und ihm die Hand
reichte.
»Ich habe gehört, daß Sie die ganze
Nacht hier durchgemacht ben.
danke Ihnen, Hand-da «e und ·st
alle-I, was Sie meinem Vater bis zum
lehten Augenblick seines Lebens gewe
sen sind. Ich wekde Ihnen das ge
wiß me en.
»Ach, was habe ich ihm sein können,
Erika — ech, der immer nur der
Wann-ade, der entwich-eilte
warf
St hatte wieder das helles-W
IMM das M M sei ihm
——
Eintritt iiber ilm gekommen war —
dir s unbestimmte drückende Empfin
Dnng eines irtnreren Unrechts das er
gegen sie begangen Er hätte jetzt so
gern ihre beiden Hände genommen,
Gäste ihr io gerne »in den lieben-Wem
iniiezxisen Werten non feiner Freund
fcxift tiir sie gesprochen nnd von fei
ner Bereitwilligkeit sie fortan zu
feil-innern wie ein treuer Bruder seine
Schwester schirmt. Aderes war, als
stäan eine unticktbcre Mauer unüber
iteiglich zwischen itxr und ihm. Der
Jsttt«:n, mit trelchein Kleinens Her
kold Ins dem Leben geschieden war-—
der siiiterliche Segen, den er im Au
gust-litt seines Hinfckeidens ihrem
rerkneinten Herzensbunde ertheilt
hatte, mußte jci fortan jeden unke
fmxoenen freundschaftliche-: Verkehr
zwischen inne-i unmöglich machen. Er
losm- auf ihnen wie etwas, daran sie
niemals rühren durften und dessen sie
Wi jedesmal aufs neue eingedenk
fein mußten, sobald sie einander Auge
in tstuzie gegenüber standen. Keine
erldgende Aussprache tonntesie davon
befreien. und lcines von ihnen würde
iilserdies jemals den Muth haben-Heim
iolcke Aussprache herbeizuführen
Denn such das zarteste, innigste, scho
nendite Wort mußte noch etwas De
mjitljigendes und Verletzendez haben,
irenn es diese Täuschung des Sirt
denden berührte. Dies war ein Ge
heimnis-» das sie beide in den verbor
genstcn Tiefen ihrer Seele verschlie
sxen mußten—ein gemeinsame-z Ge
heimniß zwar. doch eines, das sie ein
ander nicht tritt-er brachte, sondern sie
Tieltnehr auf ewig von einander ent
ernte.
Oarro siihlte dies alles mit tiefem
Schmerz-, als er vor dem thruren
Mädchen stand nnd kein einziges arm
seliges Wörtchen zu finde-n wußte für
alle die warmem zärtlich-en Empfin
dung:n, deren sein Herz so voll war.
Nicht einmal eine Frage nach ihrem
Ergeheiv wagte er an sie zu richten,
und nur von den- traurigen Pflichten
begannen sie Zu sprechen, die es jetzt
noab zu erfüllen galt, von all den
Peinigenden und wsisrrzärtigen An
forderungen Les unerbittlichens Lebens,
die für die Hinterbliebenen mit einem
Eterbefall unzertrennlich sind.
Jn aller Stille sollte Klenrenå Her
bold begraben werden, ohne jedes Ge
präge, ohne Musit und ohne kanniba
stiscte Leichenredr. Die Welt, die ihn
niißachtet und ihn schon beiLebzeiden
zu den Todten geworfen hatte, sollte
nicht mit heuchlerischen Trauergebärs
den an seinem Grabe stehen. So hatte
rrseibst es im Beginn seiner letzten
Krankheit vertilgt, und Harro und
Erila waren gleichmäßig entschlossen,
diesen seinen Willen zu ehren.
Ein schüchternes Klopfen unterbrach
ihre halblaut geführre Unterhaltung.
Varro ging zur Thiir nnd wechseltc
einige Worte niit dem draußen besind
litten Mädchen. Dann wandte er sich
gegen Eriia zurück
,,Ez ist Hanna Sylvander, die h
nen Ihr Beiletd aussprechen rn·· ,,e.
Walten Sie sie empfangen?«
tirita preßtc die Hände auf die
Brust. Eine Setunde lang schien sie
unschliissig. Dann aber schüttelte sie
den Kopi.
»Nein, ich tanai nicht — es geht
über meine Kraft. Zürnen Sie mir
nicht« Harre! Um Jhretwillen wollt:
ich es ja gerne thun, den-n ich weiß,
wieviel sie Ihnen ist· Aber ich kann
—"ich kann sie jetzt nicht sehen.«
»Ich weiß, wieviel sie Ihnen ist —'«
gleich einem Messerstich war ihm das
Wort durch die Seele gefahren. Die
Hälfte seines Lebens hätte er freudig
hingegeken, wenn er ihr fest hätte
widersprechen dürfen. Aber er durfte
es nicht, denn ihre Vermittlerng ent
sprach ja der Wahrheit Hanna Syl
oander war seine Braut, und das
hieß, sie war ihm das Kostbarste, was
ein Weib dem Manne sein kann. Mit
dem Verlobansgsluß, den rr gestern
aus idre Lippen gedrückt. hatte er das
Recht verwirlt, auch nur den kleinsten
Theil seines Herzens einer anderen
zuzuwenden
»Meine-nd darf Jhnen zürnen,
wenn Sie ietzt keinen Besuch anneh
men wollen,« sagte er gepreßt. »Aber
vielleicht gestehen Sie mir, dem Fräu
lein Sylvanker diesen Bescheid selbst
zu bringen«
»Jet- bitte Sie darum. Und sorgen
Sie, daß.sie meine Abiehnunsg nichk
fiir eine Unfrennsdlichteii nimmt.
habe gewiß nicht den Wunsch, jemand
zu winken der Jtmen theuer ist«
Harro wandte sich ihr mit einer un
gefiiirnen Bewegunq zu. Sein Gesicht
war tmnkelrotlk, und in seinen Augen
glänzten Thränen
»Seit-P stieß er hervor. Und es
irae, als ob er noch etwas anderes-,
Bedeutsames hätte hinzufügen wollen.
Aber die Worte blieben ihm in der
Kehle stecken, unt es gab eine tiefe,
vcinäiche Stille, bis er sich gesenkten
Hauptes der Thiir zukehrt-e und das
Gemach verließ.
13.Kapitel.
Banns stand an dem kenster des
Gartenzirnmers, in das· von dem
Mäbchen geführt worden war. Jhr
ist-,- ins n W gi- ssssxi
es n . eierge «n geri -
tei, aber in ihrem schönen, ruf-Fu
Gesichi ver-rieth Ienichts von den- rn
pfindnngen, d e ihn Seele bewegen
mochten Sie hatte Deier Eintritt
sberhsrn uni- .alt sie sich nun auf
einen uien Ortes neun-audie,
ich ein W Ubert-sehn daß es
—
nicht« Erita war, die fie vor sich sah.
»Er-ten Momen, Harro!« sag-te sue,
ihm freundlich die hand reichend.
Und ihreBrcmeu zogen sich fiir einen
Moment unmsrthig zusammen-. da er
diese Hand soaxeich wieder frei ließ,
ohne sie an feine Lippen zu« führen,
ja, ohne daß sie auch nur einen war
men Druck seiner Finger verspürt
hätte. »Ich war gtotnrnen, michnach
dem Brfinden des Professors zu er
kisndigen Und nun mußt-.- ich leider
von Dem Dienstmädchen hören-, daß er
bereits gestorben sei.«
»Ja, er ist gestorben. hanno »ge
stern Abend. Aber Du kannst davon
wohl kaum überrascht sein. Denn Du
sa tesi mir in schon- arn Vormittag,
da er es diesmal nicht überstehen
würde«
Sie mochte der Meinunu sein, daß
der auffällig gemesscne und zurückhal
tende Ton, in dem er zu ihr sprach,
durch die Trauer urn seinen dahinge
scksiedenen Lehrer nicht hinlänglicher
tlärt werde, denn das winzige Fän
chen über ihrer Nusenwurzel wurde
tiefer·
»Ich müßte allerdings meine Lehr
zeit fchkecht angewandt hoben, wenn
ich das Bedenklicke seines Zustandek
nicht erkannt hätte. Aber werde ich
nicht denr Fräulein Herd-old selbst
mein Beileid aussprechen dürfen?«
Gortsetzung folgt) H
Englands erster Dann-.
Mit Recht haben die Gefchichtss
schreit-er als eins der größten Ber
dienfte der Königin Viktoria vosn
England verzeichnet, dasz sie der Sit
tenverderbniß ein Ende machte, die
vor ihr am Hofe von St. James ge
herrscht hatte· sdesondere die Pe
riode der Regent chast und Regierung
Königs GeorglV.stellt in dieser Hin
sicht eins der unerfreulichsten Kapitel
in der Vergangenheit des Jnselreiches
dar. Als Prinz von Wales schon be
schäftigte Georg IV. die Oeffentlich
teit durch einen Standal nach dem an
deren, bald durch seine riesigen Schul
den, bald durch seine wechselnden
Liebschaften. Seine heimliche Ehe mit
der ichiinen Mrs· Marh Arme Fitzher
dert wurde fiir ungültig erklärt, seine
Heirath mit seiner Kousine Karoline
von Braunschnxeig fiel fiir beideTheile
unglücklich aus« und er kehrte bald zu
Marh Anne zurück, ———- ohne ihr jedoch
im geringsten die Treue zu bewahren.
Die geistige Erlranlung seines Va
ters, des Königs Georg lll., hatte zur
Folge, daß der Prinz von Wales an
seiner Stelle die Herrschaft ausüben
mußte und zur Macht gelangt, setzte
er seinen Ausschweifungen noch weni
ger Schranken als vorher. Trotzdem
war er bei einem Theile des britischen
Volkes beliebt. Man bewunderte die
vornehme Art seines Auftretens, seine
Gewandtheit im Umgange und seinen
Geschmack, sich zu kleiden. Ueberall
ahmte die elegante Welt den Schnitt
seines Rocke-s, die Farbe seiner Westen,
die Form seiner Schuhe nach. und die
Londoner gaben ihm den Beinamen
des »ersten Gentleman von Europa«.
Man muß sich den Hof eines solchen
Herrschers als Hintergrund vorstellen,
um die sich von ihnr abhebende Figur
George Brurnmells zu verstehen, der
den Typus des englischen Dandys
schns und lange Zeit vorbildlich für
ihn blieb. Viele Jahre lang war
Brummell, durchs-Freundschaft mit dem
Prinzen von Wales verbunden, ton
angebend in allen Fragen der Mode
und des guten Geschmackes. Ja, »Beau
Vrumniell« iibte darin geradezu eine
Thronnei aus, und die vornehmsten
Lords richteten sich nach dem Urtheile
dieses Enkel-z eines Konditors. Ein
einziges Beispiel hierfür wird anschau
licher wirken, als die ausführlichste
Schilderung. Der Herzog von Bed
sord, das Haupt der stolzen Familie
Russell, ging eines Tages durch eine
Straße Londons in einem eben erst
vorn Schneider gelieferten Sommer
iiderzieher. Da begegnete er Brut-n
mell und bat ihn ängstlich, ihm seine
Meinung über das neue Kleidungs
stiick zu sagen. Brummell trat einige
Schritte zurück, sah den Herzog deli
. Its-h Its-In oft-n Iscii unt-« -- .-.L
er ihn durch leichte Winke mit dem
Finger bald nach rechts-, bald nach
links drehen ließ, schritt dann wieder
aus ihn zu, faßte ihn am Kragen und
sprach voll Mitleid nur die Worte:
»Bedso!d! So was nennen Sie einen
Ueberzieher?«
Der Enkel eines Konditors soll
George Brycm Brunimell nach den An
gaben der Einen gewesen sein, wäh
rend Andere ihm einen Katnmerdiener
zum Großvater geben. Für die erste
Ansicht entscheidet sich ein französischer
Schriftsteller, Roger Boutet de Man
vel, der es unternommen hat, in einem
Buche die Beziehungen Brununells zu
Georg UT zu schildern. Diese Bezie
hungen begannen, als Brummell noch
fast ein Kind war. Zufällig siel
er dem Prinzen durch sein hübsches
Aussehen und seine guten Manieren
aus, und der Prinz versprach ihm,
wenn er älter sein würde, eine Offi
ziersstetle in seinem Husaren - Regi
mente, in dem sonst nur Söhne alter
Adelsfatnilien dienten. Und so sah et
sich mit 16 Jahren plötzlich mitten in
die ober en Gesellschaftslreise versetzt,
eigte a r hier schon diejenige Eigen
schaft, die ihm aus seiner Laufbahn
alt Dandy nachmals die hauptsächlich
sten Erfolge eintrag. Die Eigenschaft
nämlich. sich durch nichts importiren
zu lassen, jedes Glück, das ihm wider
W
fuhr, jede Auszeichnung, die ihm zu
theilwurde. alt-etwas Ganz selbstver
ständliches und ihm gebührendes hin
zunehmen. Unter seinen Kameraden
gewann er durch die Art seines We
sens, durch die trockene Schlagseriigs
ieit seiner Sprache und durch sein Ver
ständnis für alle Frailpiten eines au
ten Anzugez, bald eine Ueberlegenheit.
Aber der militärische Dienst sagte
seinem Temperament wenig zu, und
als die husaren aus dem lustigen Lon
don nach dem öden Manchester verseht
wurden, nahm er, mit 18 Jahren Ka
vitän geworden, den Abschied. Man
darf sagen, daß von diesem Augen
blicke ab das Dantyilnmii sein eigent
licher Beruf wurde. Er wurde ihm
durch sein Vermögen erleichtert und so
führte er eine Junggesellenwiridschaft
die ganz London erstaunte. Er hatte
die schönsten Reiivserde, den besten
Koch, die edelsten Weine, und er war
einer der ersten, die sich mit Kenner
schast aus das Sammeln alten Por
zellanö verlegten. Er verkehrte mit
dem Prinzen von Waleg wie ein gleich
aeborener, fehlte in keinem vornehmen
Salon und auch in keinem der erklu
siven Spielklitbs. Die Frauen scheinen
’in seinem Dasein nur geringe Bedeu
tung gehabt zu haben, und sein Bio
gravh mag im Recht sein« wenn er dies
darauf zurückführt, daß die kühle, bla
sirte Zurückhaltungf aus der er sich
eine Rolle gemacht hatte, ihm schließ
lich wirtlich zur Natur wurde und
jede echte Leidenschaft zurückdrängtr.
Wer Morgens täglich drei Stunden
mit seiner Toilette zubringt, der hat
fiir Liebesabenteuer wenig Zeit übrig.
Am längsten dauerte, nebenbei bemerkt,
bei dieser Morgentoilette das Binden
der Krawatte, worin er eine unüber
trofsene Kunstfertigkeit besaß. Einft
sah ein Besucher seinen Kammerdiener
ein großes Bündel sauberer aber zer
tnitterter Wäsche aus dem Zimmer
seines Herrn davontragen, und als er
fragte, was das sei, erhielt er die Ant
wort: Ach, nur einige nicht geglückte
Schlipsproben.«
Man würde indessen Man-Brutn
mells Andenken ein Unrecht"zufiigen,
wollte man ihn nur als Modegecten
ansehen. Er stand, wenigstens in sei
ner Glanzepoche, über denen die zu
ihm bewundernd hinaufschauten, und
betannte mehr als einmal, daß es sein
Loos sei, dieTummheit seinerMitmens
schen auszunutzen. Sein tühnster Wurf
sollte ihm jedoch mißlingen.· Er ließ
es sich einfallen, auch seinen Schirm
herrn, Georg IV» zum Zielpunkte fei
nes Spottes zu wählen, und hatte den
noch besonders unglücklichen Gedan
len, die Pfeile seines Witzes gegen die
zunehmende Wohlbeleibtheit des Re
genten zu richten. Das war aber ein
Gegenstand, in dem Georg 1V. keinen
Spaß verstand. Die Spisznamen, die
Brummell ihm gab, kamen·bald zu sei
nen Ohren, ebenso wie die unehrerbie
tigen Bemerkungen, die der verwöhnte
Dandy sich über die Favoritin Mrs.
Finderbert erlaubt hatte. Aus einem
Freunde verwandelte Georg IV. sich
in einen Feind. Hand in Hand damit
ging der finanzielle Ruinz das große
Vermögen Brummells war verpraßt
und die durch das Spiel entstandenen
Schulden mehrten sich. Und als die
Schuldhaft ihm drohte, da blieb dem
Liebling des eleganten Londons im
Jahre 1814 nichts mehr übrig, als die
eilige Flucht iiber den Kanal nach Ca
lais. Ungefähr 85000 nach heutigem
deutschen Geldtrerth hatte er sich ge
rettet, und cr trat mit ihnen als
Grandseigneur auf, richtete sich pruni
doll ein und beschränkte seine Ansprü
che an das Dasein nicht isn mindesten.
Wohl griffen die reichen Freunde aus
London, so besonders dii Herzogin von
Port, eine geborenes Prinzessin von
Preußen, immer wieder helfend ein«
denn an den Namen Brummell knüpf- «
ten sich siir sie alle so viele Erinnerun
gen, daß sein Sturz ins Unglück ihnen
naheging. Sie erwirkten ihm den Po
sten eines britiichen Konsuls in Caen,
doch Lord Palmerston entzog ihn ihm
wlkoek, nacqorm ertge Drummell sm)
den Scherz geleistet halte in einem
seierlichen Berichte an die Londoner
Foreign Ossire sein Amt siir gänzlich
überflüssig zu erklären.
Und dann kamen neue Schulden,
unhöflichere Gläubiger-, denen der
Name Geortze Brummells nichts mehr
besagte, tamen das Alter, Krankheit
und —— Jrrsinn. So ausschließlich
lebte George Brummell für den Kul
tus seiner äußeren Erscheinung, daß es
siir ihn jedesmal eine Katastrophe be
deutete, so oft er, Stufe siit Stufe,
die Möglichkeit mehr verlor, diese Er
scheinung zu pflegen. Das überstieg
seine kröstr. Bereits fast gänzlich von
Sinnen zehrle er immer noch von dem
Andenken an friihere Triumphe, führ
te, znlznlos und zumTheil gelähth die
Komödie von Gesellschaftsahenden aus,
wo er erst als Laiai den Prinzen von
Wale5, hetzoginnen und Gräsinnen
und Geotge Brhan Brummell anmel
dete, um dann als er selbst mit ihnen
Konvetsgtion zu führen.
Berarmt und verlassen ist Brummell
am 30. März 1840 im Krankenhause
von Caen gestorben. Aber nicht ver
gessen. Denn das englische Volk ist sei
nen Lieblingen treu, und versteht es,
ihre Gestalten zu idealisivem Jedes
Gebildete des Bereinigten Känigreiches
weiß noch heute, wer George Brune
mell, der erste Dandv England-, war.
Er hat seinen Plan in der Geschichte
seines Vaterlandes behauptet.
A. o. Wille.