Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 07, 1906, Sweiter Theil., Image 12

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Die Frau des Rendantm
KriminaliRoman von A. O. Klaußmamw
(13. Fortsetzung.
Wahr-schriftlich hatte es ihn auchinT
das Reich der Träume begleitet; denn
seine erste bewußte Geistesregunsg kseim
Etwachen war ein Gedanke an den
Roman, dem er die Gunst seiner ersten
begliickenden Unterredung mit Mai-E
the Winter zu danken gehabt. Als er
nun erinnerte, daß er den zweiten
and dieses Wette-z ja noch immer in
spinem Bureau Verwahrte, weil es in
den furchtbaren Aufregungen der letz
ten Tage selbstverständlich weder
Martha noch Hermine eingefallen
war, ihn zurückzufordern, kam ihm
mit der Plötzlichkeit einer glücklichen
l-««"5ufallseingebung ein großer Ent
ichs-iß
In so fröhlicher und unternehmen
derStirnmung, wieer sie seit langem
nicht gehabt hatte, begab er sich an
fein- Tagetverk, nachdem er zuvor eine
ganz besondere Sorgfalt aus seine
ohnehin stets tadellofe Toiiette ver
wendet hatte. Und als der Glocken
schlag der zwölften Stunde den Be
"ginn der mittägigen Arbeitsunter
vechun angezeigt hatte, entnahm er
seinen-i ulte den sauber eingeschlage
nen Romanband und begab sich mit
ihm nach der Winter«icl)en Wohnung
hinüber.
!
Dah Dienstmädchen, dem Frau
Hermine übrigens noch immer nicht
gekündigt hatte, öffnete ihm die Thur
und erwiderte freundlich seinen
Gruß, da sie ja Von feinen früheren
Ausboechungsversuckien her noch im
mer auf einem ziemlich vertrauten
Fuße mit einander standen Als er
mit gediimpfter Stimme fragte, ob sie
ihm wohl eine Möglichkeit verschaffen
!«örme, Fräulein Winter unter vier
Augen zu sprechen, nickte sie verständ
nißvoll und öffnete ihm eine der in
den Korridor aus-mündenden Thüren
»Das Fräulein hat in der Küche
u thun, und wird in den nächsten
fünf Minuten wohl noch nicht obtain
men können. Aber wenn Sie nicht
gerade was Wichtige-Z versäumen,
können Sie ja hier in ihrer Stube
auf sie warten.«·
Bartel versicherte daß ers durch
aus nicht eilig habe und trat ein. Mit
einer beinahs andächdigen Empfin
dung sah er sich in dem einfach aber
freundlich und gefällig ein-gerichteten
Stäbchen um, das für ihn den inte
ressasntIeften Raum in der ganzen Welt
bedeutete, da jsi jeder Gegenstand da
rin irgend eine nahe Beziehung zu der
Person des geliebten Mädchens hatte.
Jn der Ecke arn Fenster stand unter
dem wohl-gefüllten Bücherregal ein
kleiner Schreiktisch, der seine beson
dere Aufmerksamkeit erregte, da er
sich vorstellte, daß Martin hier wohl
den größten Tbeil ihrer Zeit zubrin
gen mochte. Auf den Fußsbitzen trat
er zu dem aus gewöhnlichem Nuß-—
bautnholz in tunfttosen Formen ge
fertigten Möbel und streichelte es
zärtlich, wie ein lebendiges Wesen.
Eines der Schiebföcher war ein we
nig geöffnet, und bei dieser Wahr
nehmung schoß es wieder blit artig
durch Partei-Z Hirn: »Dies ift die er-—
sehnte Gelegenheit, das Geld in ihren
Besitz zu bringent ohne daß sie den
Absender errathen könnte. Jch darf
sie nicht-—ungeniitzt vorübergehen las
sen, denn nie wird sieh mir eine gün
stigere darbieten«
Er horchte ein paar Sekunden lang
mit äußerster Anspannung feiner fei
nen Sinne. Und dann, da draußen
ases ftill blieb, riß er mit zitternden
Fingern fein Portefeuille aus der
rnßtaschh entnwhm ihn den zusam
mengeferlteten Tausendrnartschein und
die Schiean behutsam auf. Er
fes, das sie mit Brieer und Papie
ren llt war und steckte die
sanan zwischen die untersten
«-s-«h-" --- k- L-.k- - ..... «- il -----
DEVIIIsssSutq IU VII-so nut- bsu scheust-·
brauner Zipfel hervorlugte.
»Sie wird fie nicht sogleich finden«,
dachte er, »in-seicht erst nach einigen
Lager-. Und darin wird sie trotz alles
Kopfzetbrechens nicht mehr heraus
bringen können, wer sie dorthin ge
legt hat«
« Aeußersi zufrieden mit feinem ge
vielen Einfall, brachte er die Schied
lade wieder genau in denselben Zu
stand, in dem et sie gefunden Aber
ei hatte die Hand noch an dem klei
nen Bronzegrifi. als ein leichtes Ge
räusch wie von dem Oeffneii einer
Thiir ihn erschrocken zufammenfahren
Mit einer blitzschnellcn Bewe
Essig kehrte er dem Schreibtisch den
ücien und trat ein paar Schritte
von ihm» hinweg. March-a stand auf
der lle; aber er war sicher, daß
sie nichts gesehen hatte.
»Das Mädchen theilt mir rnit, daß
Sie mich zu sprechen wünschen, Herr
Bad-Mc sagte sie mit einem leichten
Mc isg m Befremden in der Stim
«Aber es war eine Ungeschickt
» M das sk- Sse hier hergwgesiiiykt
Wolle n wir nicht in das Wohn
its-IM- litan wo sich auch
« - seit-e Mein befreit-textsm
bitte um Verzeihqu wandte
ein, »aber ich enge
Hei-sit si- is me
nicht Lange aufhalten, Fräulein Win
ter, den-n i kam nur, um Ihnen mit
meinem beten Dank das geliehene
Buch zurückzugeben«
Mit einem leichten Neigen des Ko
pfes nahm sie das eingewickelie Päc
chen in Empfang und legte es auf den
Tisch. »Sie hätten sich deshalb nicht
selbst bemühen follens«, sagte sie· »Es
wäre ja genug gewesen« wenn Sie es
im Vorbeigehen dem Portier zur Wei
terbeförderung übergeben hätten«
Sie fah seinen Besuch damit offen
bar a s beendet an.
Aber BarteL dessen Augen wieder
mit leuchtender Bewunderung an ih
rem Antlitz hingen, zögerte noch, sicb
zi-. entfernen. Jawohl — aber ich
möchte bei dieser Gelegenheit gerne
noch eine Frage an Sie richten, Fräu
lein Winter —- eine gut gemeinre
Frage, die Sie mir hoffentlich nicht
der-übeln werden«
»Da es, wie Sie sagen, eine gut
gemeinte Frage ssein soll, haben Sie
das nicht zu befürchten..«
»Sie werden mich auch nicht an
den Herrn Generaldirettor verrathen,
nichtw ahe? Denn er hatte mir aus
drücklich befohlen, es als eine vertrau
liche Mitthci lang zu behandeln —- ich
meine die Sache mit Ihrem beschloss
nahmten Privatvermögen, für das
Sie unglücklicherweise keinen Esth
titej «cuf«zeigen- könnenz«
» -
Die Haltung ver Jungen Ueyrerm
war bei seinen letzten Worten noch
tühler und abweisender gewordenals
zuvor. »Was wünschen Sie mich in
dieser Sache zu smgem Herr Bartel?«
»Ich möchte Ihnen so gerne zur
Wiedererlangung Jhres Eigenthum-J
dehilslich sein: denn daran, daß es
wirklich Jhr rechtmäßiges Eigenthum
ist, besteht sür mich natürlich nicht der
leiseste Zweifel. -Wenn Sie mir nur
irgend einen Fingerzeig geben lösen
ten, einen ganz kleinen Wint, wie ich
es anfangen soll, Ihnen —«
Sie ließ ihn gar nickn zu Ende
kommen-. »Jhre Absicht ist ebenso
freundlich als das Vertrauen« das
Sie in die Wahrheit meiner Worte
setzen. er danke Ihnen dafür, aber
ich bitte Sie, aus alle Bemühungen
in meinem Interesse zu verzichten. So
lange man meinen Bruder für einen
Dieb hält-, wiirde ich das Geld nicht
einmal annehmen, auch wenn man es
mir vbne weitere Beweise aus sreien
Stücken zurückgeben wollte.«
»Aber Sie idnnen doch eine solche
Summe nicht einsach verloren geben.
Der Generaldireltor hat mir selbst ge
sagt, daß die Gesellschaftteinen An
spruch darauf Mitte. Jch kann Ihnen
nur dringen-d empfehlen, sie mit allem
Nachdruck zurückzufordern.«
»Sie werden mir erlauben, dzriiber
meine eigene Meinung zu haben. Jni
übrigen verspreche ich Jhnen zu Ihrer
Beruhigung gern, diesen Beweis Ih
rer freundlichen Theilnahme als ein
Geheimnisz zu bewahren«
»Ach das ist schließlich nicht so
wichtig. Man könnte mich doch höch
stens sottjagen. und das wäre das
schlimmste noch nicht. Der Gedank,
daß Sie in Verlegenheit, vielleicht gar
in kath reratäen könnten, ist-mir viel
unerträglicher.«
,Sie dürfen sich darüber beruhigen.
Herr Variet! Zwar bat man mir ke
reits nat-gelegt noch während der Fe
tien um meine Entlassung aus der
bisherigen Stellung einzulvnirnen;
aber ich werde schon wieder eine Be
schäftigung sinden, die mich vor dem
Verhungern schützt-«
Daß sie Vertrauen genug zu ihm
hatte, ihm eine solche Mittheilung zu
machen, steigerte seinen Muth. »Je
denfnllss werden Sie immer einen
Freund haben, Fräulein Winter, der
zu Jhrem Beistand bereit ist,« ver
sichert-e er mit terselben verrathemchen
Wärme, die ihr schon einmal eine ge
wisse Sckeu vor ihm eingeflößt hatte.
»Wenn Sie rnir nur gestatten woll
ten ·—'«
»Es gibt nin einen einziaenFreund
ichaftsdiensi. Herr Bariel,« fiel sie
ihn- rasch in die Rede, »den ich von
Ihnen oder Von sonst jemand anneh
men dürfte. Und cerade diesen einen
Vermag mit, wie es scheint, nieman:
zu erweisen«
O, scmen Sie mir nur, was Si
sneinen Wenn es nicht von vornherein
süßer Menschenkraft hinausgeht werde
ich es fertig bringen«
»Aber es gebt wohl über Menschen
kraft. Helfen Sie mir dazu, bei-Weit
die Schuldlosisgkeit meines unglück
lichen Bruders zu beweisen, unt-Si
werden mich auf ewig zu Ihrer dani
bqren Schuld-wein gemacht haan
Er hatte wohl etwas ganz anderes
erwartet; denn er suhrr bestürzt zu
samtnen Und tnckte in stoitnnder Ver
legenheit nach Worten.
»Aus-ich allerdings —da3 —
«DEZ ist etwas Unmögliches —
nicht womit-Nun so lassen wir ei
also bei Ihre-n guten Willen bewen
den« Nehmen Sie noch einmal meines
Dank, Herr Bartelt Und entschuldi
en Sie, wen-n meine häusliches
Messen mich hindern, länger hier se
net-weitern« -
Er hoffte, daßsie ihm wenigst-i
ihredond W würde; abersiethn
'
W
es nicht, und er mußte sieh wieder mit«
einem leichten, verabschiedenven Kopf
nicken begnügen-. Aber er war den
noch zufrieden mit dem, waöer durch
diesen Besuch erreicht hatte. Jeht wa
ren die tausend Mart in ihrem Besitz.
ohne daß et Gefahr lief, als der
Spender entdeckt zu werden. Da es
niemand Fab, denker das Geld würde
zurückstellen können, wenn fie eseines
Tages in ihrem Schreibtisch entdeckte
würde ihr feiner Meinung nach doch
wohl nichts anderes übrig bleiben,als
es zu behalten.
1 4. K a p i t e l.
Balle zehn Tage hatte Frau Her
mine Winter geduldig daran gewar
tet, daß der Rechtsanwalt aus eige
nem Antrieb seinen Besuch wiederh
lers würde. Denn es war i: unmög
lich, daß er ihre taunr verfchleierte Er
klärung nicht verstanden haben sollte.
Its-e weibliche Eitcieeit empökte sich
gegen den Gedanken, der lockende
Preis, den sie ihm für seine Unter
stützung ihrer auf eine Ehescheiaung
gerichteten Wünsche oerlxißen, könnte
etwa inzwischen allen Werth für ihn
verloren haben.
Einst hatte ersie ja heiß und auf
richtig geliebt, mit dem ganzen Feuer
einer ersten schwärmerischen Liebe.
So jung sie auch noch gewesen war,
hatte sie es doch gewußt, lange bevor
seine Lippen ihr schüchtern und zag
haft das Geheimsniß seines Herzens
gestanden. Denn sie war schon als
Bartfisch klüger gewesen, als es an
dere Mädchen mit zwanzig Jahren
sind, und die ritterlichen Huldigungen
des schönen jungen Offiziers, um die
sie sich von all ihren Freundinnen heiß
beneidet wußte, hatten sie mit einer
stolzen Befriedigung erfüllt die sie da
mals wohl für wahre Gegenliebe ge
thalten haben mochte.
»
An dem Tag-, da er in ihres Ba-«
terå Haus gekommen war, um sich zu
derabschieden, weil er in den Krieg
mußte, hatten der weiheoolle Ernst
des Augenblick-E und ein zufällige-I
Alleinsein die Erklärung herbeige
führt. Sie hatte unter heißen Thränen
in seinen Armen gelegen, und ihre
Lippen hatten sich nicht satt trinken
tönncn an seinem Munde. Gliihende
Gelöbnisse ewiger Liebe und Treue
waren zwischen ihnen getauscht wor
den. Wenn sie auch überein-gekommen
waren, bis zur Beendiguna des Feld
zuges den Bund ihrer Versen noch
als ein süßes Geheimniß zu den-ad
ren, waren sie doch wie Braucleute
voneinander geschieden.
Sie würde ihm sicherlich die be
schworene Treue gehalten haben, wenn
er wiedergelommen wäre, wie fr es
erträumt hatt, ruhmgetrönt das Ei
serne Kreuz aus der Brust, ein- stolzer
gefeiert-er Held in prangender Man
nesichönbeit
Aber der Himmel hatte es anders
beschlossen, und die Nachricht von sei
ner schweren Verwunduna die ihn
nach demUrtbcil der Aerzte selbst im
günstigsten estell für immer 3urn9riip
del machen mußte, hatte mit einem
Sitz-lage alle ihre sonnigen Zukunfts
träume zerstört Nur war es ihr nicht
mehr schwer geworden, vor den Eltern
und Freundinnen das Geheimniß je
nes in der Trennungsstunde geschlos
senknfzerzensbundes zu dewalzrenx
denn nun war es ja ihrem klagen,
elkrgeiziaen Köpfchen sogleich zur un
umitößlichen Gewißheit geworden.
daß dieser Verlobung niemals eine
Heirath folgen könne. Sie hatte ver
sprocken, die Gattin eines glänzenden
Ossigiers Zu werden, nicht aber die
Krankenpslegexin eines vertritt-selten
Invaliden. Rein unter falschen Vor
anssetzungen geleisteter Treneschwur
konnte sie zwinqen, sich zu einen-« Ge
genstand des Mitleids zu erniedrigen
siir die, von denen sie hatte geseiert,
Pewundert oder beneidet werden sol
en.
lsks war ein- schmerzlicher Verzicht
gewesen, und ein paar Wochen lang
hatte sie allnächtlich ihr Kopftifsen mit
bitterm Thränen genetzt Asder das
Herz war ihr doch nicht darüber ge
brochen, und ehe noch Demanwa
der wach langem Krankenla tax-er als ge
heilt aus deknLazasoekh ent ssen wor
den war hatte sie es schon til-unmer-J
Hat
- Uhu
P
Während ter ganzen- Dauer seines
Martyriurns hatte sie ilyn nicht ein
einziges Mal geschrieben. Als sie ein
ander wieder Auge in- Auge gegen
ijberstandem mußten-ihm ihr erster
Blick, ilyr erstes Wort offenbaren, daß
sie von seiner Einsicht und feiner
Ritterlichteit erwarte, nie me.,-r an
jene zärtliche Abschiedsstimde erinnert
zu wer-den
Und er war ganz so einsichtig und
ritterlich gewesen« als sie es nach ihrer
Kenntniß feines Charakters voraus
gefest hatte. Keine bittere Anspie
lung, kein anliagendes Wort hatten
» ihm auch nnr einen einzigen Au« -
» blick peinlich-er Berlegenheit bereitet.
Er hatte es als etwas Selbstverständ
liches hingenommem daß sie sich nicht
mehr an dieVserspteckiungen gebunden
J hielt, die sie vor Monaten einem
’ lraftitrotzendem blühenden Mann in
hübscher-, kleidfamer Unifornn nicht
einem bleichen-, hin-senden Krüppel im
schlichten Zivilanznge gemacht. Mit
- zueiietbaltender Höflichkeit hatte er sie
« ksgriißt, nnd eben-so hatte er sich von
s tln verabsckyiedeh wie sk damals mit
: einem« Gefühl der Erleichterung ge
- glaubt hatte-für immer.
7 Es war keine Lüge gewesen, wenn
7 sie ihm neulich gesagt «hatte, daß sie
niemgfchznderj old kernig PÅMM
« der "nm. , an «- n
Dznriickdenlenassnnem Aber die Be-(
O
I
schämt-us war zur Reue doch erst ge
worden, alt bald nackcher die große
Wandlung in ihren Lebensschicksalen
erfle war, der jähe grausame Sturz
aus den sonnigen Höhen des Reich
thums irnd des üppigen Wohllean
in die dunklen Tiefen der Niedrigkeit
und der Armuth. Damals hätte sie
den Verscheniihten trog feines vertritt
velten Beines nnd seines einfachen
bürgerlichen Restes so gerne zurück
gerufen Aber er war fort. Und selbst
wemr sie seinen Aufenthalt getanrxt
hätte, wär sie doch wohl zu stolz ge
wesen, dem Verlanaen ihres Herzens
nachzugehen In einem Zustande un
authörlicher Verzweiflung hatte sie ein
paar Monate hindurch den Kampf
mit dem feindlich-en Leben geführt, um
sich dem ersten Besten zu eigen zu
geber-, der ihr versprach, sie aus dein
Jammer ihrer armseligen Existenz zu
erlösen.
Aber sie hatte nicht aufgehört, mit
der Sehnsucht des unbefriedigten Wei
bes an den Mann zu denken, in dem
sie einst das vertörperte Jdeal ihrer
Mädchentriiurne gesehen. Als dann
Her-knaan Schröder unvermuthet eines
Tiges wieder auf ihrem Lebenswege
erschienen war, als ihr kurzsichtiger
Gatte selbst ihn ihr zugeführt hatte,
sich mit einfältiger Freude an der Un
terhaltung der beiden weidend, da
hatte sie sogleich alle Künste weibiicher
Klugheit ausgeht-ten um ihn zu hal
ten. Was vor Jahren vielleicht nichts
anderes als die eitle Laune eines ver
wöhnten und thörichsten Mädchens,
gewesen war, jetzt war es wieder auf
geflammt als eine große, verzehrende
Leidenschaft die um so vollständiger
von ibr Besitz ergrifer hatte, je mehr
sie ihre ganze SelHÆherrfchung zu
Hilfe rufen mußte, um sie nicht nur
vor ihrenr ahnungzlosen Gutten jen
( lc UUW UUT lklcl Mgclcstulks l lkl
heißen, fündigen Wünsche zu ver -
gen.
Sie hatte nichts Siriifliches gethan;
aber ihre Gedanken waren ftriiflich
gewesen von der ersten Stunde an.
Seit dem Tage, an dem sie aus dem
Munde des Arztes erfahren hatte, daß
ihr Mann ein hoffnungsloier Kranter
sei, da war ihr ftilles Sehnen zu wil
dern, verbrecherifchem Verlangen ge
worden, und sie hatte eine jauchzende
Freude empfunden bei dem Gedanken,
daß sie vielleicht bald wieder frei fein
Würde und die unumschränlte heran
über ihre Perfon -
Wohl war sie schon damals wan
kend geworden in ihrer anfänglichen
Zuversicht, daß auch Herrn-sann Sand
der noch immer die alten Gefühle fiir
sie ini Herzen hegen müsse. Sein Ve
nehmen trägen Marsha. das sie rnit den
scharfen uaen der Eifersucht beobach
tete, hatte sie mehr und mehr beuns
ruhigt und aufgeregt· Aber sie hatte
ihre Befürchtungen immer wieder be
ichioichiigt mit der Erwägung, daß er
ihre Schwiigerin wohl nur darum
auszeichnen, weil er feinen häufig-gen
Besuchen im Winterfchen Haufe damit
eine gewisse Erklärung geben und sie
felbft feinfühli; vor aller üblen Nach
rede bewahren wolle. Sie brauchte ja
nur in den Spiegl zu sehen, um sich
zu vergewiffern, daß sie noch nichts
rrn den Reizen eingebüßt hatte, die
ihn einst gefesselt —- daß sie einen-.
reifen Manne heute sogar noch fchöner
und begehrenswerther erscheinen
mußte, als sie damals in ihrer tro
fpenden Jungfräulichteit dem schwär
mendens Jünglan erschienen war
Einzia feine ftrenae Ehrenhaftigteil
nnd feine Furcht, auch nur in Gedan
ten zum Verräther an dem Vertrauen
des Freundes zu werden, hatten ihn
ihrer Meinung nach fo zurückhaltend
werden lassen gegen sie und fo Zuvor
kommend gegen ihre Schevägerin
Aber sie« hatte dessenungeachxtet Maitizn
die Bevorzugung nicht verziehen, de
ren sie sich erfreuen durfte.
Hatte sie von vorn-herein tron ihr-Z
herzlichen und liebenswürdigen Ent
s« genlommens eine gewissermaßen in
iinltive Abneigung gegen die Schwe
fier ihres Gatten Wi, fo hatte sich
diefe Empfindung jetzt nach und nach
äu igjllliIem Haß gesteigert-w Seit
-.. k-— s- k- ,--k3-.
tus- wpsuuuh tu use Isc- Uøeu ( pas-«
aus die vertrauliche Verabschiedung
der beiden beobachtet hatte, war es ihr
zur Gewißheit geworden, daß sie kein
Wesen aus Erden gleicherma n ver
abscheue wie ihre Schwäer Sie
nannte sie in ihrem herzten eine sat
sche, tot-site Person, vie mit groszeni
Geschick die Tugendprinzessin zu heu
chein wisse, während sie in Wahcheit
alle weiblichenVersiihrungstiinste aus
bri, um den Rechtsanwalt in ihre
Netze zu locken. Sie nahm sich in jener
Stunde vor, ihre vermeintlichen Ab
sichten zu durchtreuzen um jeden
Preis. Was sie Hernvann Schriider
von einem entstehenden Meinst-erhält
niß zwischen ihrem Bruder und Mas
tha gesagt oder angedeutet hatte, war
die erste praktische Bethiitigung diese-Z
Vorsatzeg gewesen. Und sie hatte zu
frieden sein diirsen mit dem dadurch
erzielten Erfola
Der innig theilnehmende Brief, den
ihr der Rechtsanwalt nach dem Bes
lanntwerden der Katastrophe geschrie
ben, war ihr als eine beglückende Ve
stätigung ihrer fehnsüchtigen Hoffnun
gen erschienen. Als sie ihm dann ein
·paar Tage sväter um seinen Besuch
gebeten hatte, war es in der bestimm
n Absicht gesckehen, eine Erklärng
herbeizuführen, die über the Zukunft
entschied. An der geeigneten Einlei
tung dazu hatte sie es wahttich nicht
Fehlen ta en. Und noch immer hielt
sich ti nat, da es ihr in jener
Stundeme s n würde, seine
allzu z Gewissensskrupel zum
M
Schweigen zu bringen« wenn ei nicht
wieder das Dazwischentketen jener
oerhaßien Prfon gewesen wäre, bat
ihre Absichten burchireuzte. Unter a!
len Qualen der Eifersucht hatte sie be
obnchten müssen, daß Martha under
kenn-bar noch immer eine gewisieMacht
iiker ihn befas, obwohl er nach ihren
Andere-tangere glauben mußte, daf;
ihre Liebe einein anderen gehöre. Und
mehr noch als bisher hatte sie seitoens
in der Schniägerin ihre Todfcindin
gesehen.
Biber sie war trotz jener Wahrneh
mung weit davon entfernt, ihre Wün
sclse zu ersticken oder ihre Hoffnungen
zu begraben Von Tag zu Tag war
tete sie auf das Wiedererfcheinen des
Rechtsanivaits, der, wie sie meinte,
wohl nur eine schickliche Zeit verstrei
chen lassen wollte, ehe er seinen Be
such bei der verlassenen Frau wieder
holte. Und nun, als er auch nach
Verlauf von zehn Tagen noch immer
nicht gekommen war, nun faßte sie
den Entschlier dem Zögernben uccki
einmal behilflich zu sein und tiefem
einreiben-den« Warten ein Ende »z-;
machen, wäre es auch ein wenig auf
Kosten ihrer weiblichen Würde.
Sie schrieb ihm einen Brief, der ar
Klarheit und Verständlichteit nichts
mehr zu wünschen übrig ließ. Sie
wieder-holte, daß sie unwiderruflich
entschlossen fei, ihre Scheidung ron
dein ohne Liebe geheimtheien Manne
herbeizuführen nnd sie hat ihn, wenn
nicht ihr offizieller Rechtsbeistand. so
doch wenigstens ihr Freund und Ve
taiher zu sein« da sie zu keinem Men-;
schen auf Erden Vertrauen habe ais-I
zu ihm, und da sir die unglücklichfte
aller Frauen sein würde, wenn et es.
über sich gewönne,.sie,jeht»zu veHatFj
"1ekt. iyut nen nur-»Im 4ng sag-Jus
wünsche sie seinen- Besuch; denn es seis
ihr unmöglich diesen Zustand liingert
zu ertragen, ohne der Verzweiflung
und dem Wahnsinn zu verfallen.
Sie zählte die Viertelstunden bis
zu dem Augenblick. wo seine Antwort
eintreffen konnte. Und er mußte in
der That seine Erwiderung unmittel
bar nach dem Empfang ihres Schrei
bens abgefaßt haben. Denn fast noch
schneller als sie erhosst hatte, bracht:
ihr der Posthte seinen Brief.
Aber es war ein Brief, der die
schwerste Enttiiuschung ihres Lebens
in sich schloß und der init der Wucht
eines vernsichtenden Schlages aus sie
wirkte. Denn bei aller Schonung und
Liebenswiirdigteit in der äußeren
Form bedeutete er nichts anderes als
eine tlare bundige Absage von un
zweideutigster Bestimmtheit Er müsse
zu seinem Bedauern daraus verzieh ten,
sei-rieb Hermann Sehröder ihr in et
aenerPerson den rxwiinsctrten Beil
stand zu leisten-, denn abgesehen do
bon, daß er ihren Entschtuß nicht bit-· s
ligen tön-,ne gäbe es sür ihn eine An
zahl triftigster Gründe, dieesihrn Ver l
bötens Es sei ihm nie in den Iiun
aetominen ihr aus der Vergangenheit
einen Vorwurf zu machen, Denn sehr-n
bei seiner Rückkehr nach Breslau sei
die Vergangenheit todt siir ihn und
abgethan gewesen, wie wenn sie til-ec
haupt nicht existirt hätte. Aber das
Todte lasse sich auch nicht zu neuen-.
Leben erwecken. Er würde sich eines
schweren Unrechts schuldig machet-»
wenn er in dieser Hinsicht irgend ein
Mißverstänan aufkommen :ies·.e.
Nicht unter dem Einfluß der Erinne
rung an das, was einst zwischen ih
nen aeschehen sti, sondern als der aus-s
richtige Freund ihres Gatten -—— und
nur als dieser — habe er gee,tuubt,
ihr seine Unterstützung in ihrer gegen
wärtigen betlagenswetthen Lage an
bieten zu dürfen. Mit dem Augenblick
aber, da er zu seiner schmerzlichsten
Ueberraschung bei ihr aus eine von derI
seinigen so weit abweickende Aussas
sung gestoßen sei, müsseresals ein
unabweisbarez Gebot der Ehre an-·
sehen, dieses Anerbieten zurückzu
ziehen. soweit es einen persönlichen
Verkehr zur Voraussetzung habe Jn
alle-n und jedem, was er ohne einen
solchen Vertehr siir sie thun könne
und ohne daß es sich dabei um sei ne
J
-,· . sp-— —»- ·- -»-«----- --7sss.-W
Ja set Verlegenheit
7.1Hlll. qrføri
»Wie kommen Sie dazu, meine Tochter zu !üssen?«
«Entfchultigen Sie, ich habe heute io was Samt-s gegessen1«
L
mittelbare oder unmittetbare Mitwir
tung in ihrer Scheidung-angewen
hiet handelt, diirsse nach wie vor
unbedingt auf ihn zii len, und er bitte
sie, ganz über ihn zu verfügen.
Wie einen grausamen, schneidenden
Hohn hatte Heemine diese letzte Ber
sicherung und die am Schlusse hinzu
gefügte Empfehlung eines anderer-,
durchaus vertrauenswürdigen An
waltö empfunden. Sie mußte den un
barmherzigen Brief zum- zweiten und
dritten Male lefem ehe sie volltorw
wen begriffen hatte, daß er wirklich
das Ende ihrer Hoffnungen bedeute.
Denn hier gab es keine Möglichkeit
einer Täuschung mehr, keine Unnat
heit und Zirvideutigleit an die sie
sich in eitlem Selbftbetrug noch ein
mal hätte tlammern können. Es war
dem Schreiber aanz unverlennbardas
rum zu thun gewesen, ihr nicht nur
siir die Gegenwart sondern auch fiit
alle Zukunft jede Illusion u nehmen,
die sich für sie an seine tson ge
lniipft hatte. Sie hätte geradezu ver
blendet fein müssen, um diese Absicht
nicht zu durchschauen
, »Er liebt mich nicht mehr," sagtest
sich mit jenem bitteres-, hohrenden
Schmerz, den solche Erlenntniß im
mer fiir ein verfchinähtes Weib bedeu
tet. «»D-en-n das if.t nicht die Sprache
Leg-allzu änasilichen Ehrgefiihls und
der übertriebenen Gewissenhaftigkeit,
sondern es ist die Sprache der Gleich
gültigteit. Jch habe mich ihm angebo
ten, und er kreist mich zurück-nicht«
weil ich noch immer das Weib seines
sogenannten Freundes bin, sondern
weil ich ihm nichts mehr bedeute.«
Sie sei-kif- Aon Nrisf inIstvn nnd
s
warf sich in grenzenlotem Jammer
über das Sofa hin. Aber die Thriinen,
die sie brennend heiß auf ihren Wan- -
In fühlte, waren noch mehr Thranen
r Wirth als des Schmequ. Denn
fiir ihre Frauenlogil gab es hier nur
eine einzige Ertliirung: Er liebt mich
nicht mehr-, weil sein Her-z einer ani
deren gehört —— und diese andere ist
Mastda! Sie allein hat ihn mir ge
stohlen. Sie wird triumphirem wäh
rend ich unter der Last meiner dop
pelten Schmach erliege.
Wenn Mißeriiillte Wünsche die
Macht hätten. einen Menschen giltst
ten, so würde die iunge Lehrerin diese
Stunde schwerlich überlebt habe-n
Und wenn ein böses Ungefähr sie re
rade ietzt in das Zimmer ihrer Schwö
gekin,gefiihri hätte, so wäre ihr von
der bis zunWalmsinn aufgeregt-n
Frau sicherlich eine furchtbare Szene
bereitet worden. Aber sie war glück
licherweise ausgegangen und als-« sie
nach Verlauf von Stunden heimkehrte,
hatte Hermine Zeit acnua gehabt, tre
nigstens äußerlich ihre Fassung wic
der zu gewinnen. «
Ihre Emisiindungen hatten inzwi
sxren noch nichts an teidenichaitlicker
Heftigieit eingebüßt; doch nur die
tödtliche Blässe ihres Antlitze-I- und
die nervöie Unruhe ihrer Bei-repringen
liätren Vielleicht einem schariblictrnden
Menschentenner den Zustand ihres
Innern verrathen Sie wollte sich be
herrfckem damit die verhaßte Neben
b.il:lerin nicht zu altem anderen auch
noch Gelesaenheit habe. sich an ihrem
ohnmächtiaen Zorn iiker die erlittene
Demiithiaunn zu weiden-. denn viel
leicht wußte sie alles. Vielleicht hatte
sie Hermann Schrot-er lönait darüber
aufgeklärt, daß jene Anspielung-n
Hermines auf ein Liebesverbaliniß
mit ihrem Bruder eitel Berlenmduna
gewesen waren. Während sie sich noch
in den ieligsten Hoffnungen aewiegt
hatte. waren die leiden kereitö im be
tten Einvernebmen miteinander gewe
sen und hatten nur noch ein wenig
Komödie gespielt. um sie zu täuschen.
thrtseßung folgt-)
.-,.--—
Einem Artitel der London Truth
zufolge wird Amerika in 20 Jahren
die größte Nation der Welt fein. Und
welche Nation ist jeyt die größte, etwa
die, des Mr. John Bulli