Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 07, 1906, Sweiter Theil., Image 11

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Staats-Zuzeiger und Yeroljt
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Grund Island Acht» 7 Drzember1906 (ZwetterTbetl)
M
» wiedersehn» ,
Denn man sieh trtsst nach langen
« Jahren,
Das ist ein eigen Wiederfeh’n;
c o lange durch die Welt gefahren,
Mag man sich tief in’s Auge feh’n.
Was man geträumt in jungen Tagen, i
Was man erstrebt mit tühnern Flug,
Wer mag das sagen, wer mag fragen!
"Das Haar ift grau, das sagt genug. .
Und doch von neuem htüht’s im Her
zen
Wie FriitJKngsbtnmen nach dem
Schnee,
Nach Walten glüht’s wie Sternenkr
zell
Hin ift der Schnee, hin ift das Weh.
Wie manch’ Mal haft du·s schon erfah
ren,
Und machtest trofttos weiter gehn
Wenn man sich trifft nach langen Jah
ren,
Das ist ein eigen Wiedersehn
—-..
»Sturmo:-czei5« Stiftungsfest
Von Ernst Konrad.
Jn der großherzoglichen Kreis- und
Amtsstadt Faltenbach an der Neben
bahnlinie Felsthal - Riefenheim, 4989
Einwohner, schönes Rathhaus, altes
Schloss, Obersörsterei. Leder-Fabrik
u. s.w. —mact,e sich etwolche Aufre
gung bemerkbar. Und zwar geschah
dies ob des-Inhaltes der gelb-grünen
Sezessions-Platate, welche an den
Straßenecken angepappt waren. Durch
die Platate wurde dem P. T. Publi
ium tund und zu wissen, daß am
Mittwoch, den Xten Februar die Rad
sahrer - Vereinigung »Sturmvogel«
ihr Stiftungsfest feiern werde durch
ein großartiges Kostiimiest in den
Gelammträumen des Ratbs - Keller-s.
Es wurden ungeahnte Genüsse in
Aussicht gestellt: Kunstfahren, Grup
pirungen, lebende Bilder: Jn der
Schmiede. ein Ball im Walde, eine
Mainfahrt u. a. m.
Die Arrangement-s all’ dieser Ver
anstalpingen hatten den »Statut
vögeln' schon reichlich viel Kopfsc
hrechen gemacht, und in den ist-mite
Sitzungen hatte es sehr hitzige Debat
ten gegeben. Einer der lautesten Ru
fer im Streit war der erste Junge
Mann« der Firma Werner Wittwe
und Sohn, Herr Alfons Miilzer, der
schon Großstadtluft geathmet hatte.
Er erklärte, daß et einen »solchen
Kitt« schon wiederholt mitgemacht
habe, und um seinem Genie teine Zü
gel anzulegen, wurde ihm die Aus
firksrurg kec- anuptclou übertragen.
Nun begannen für Alions schwere
Tage, um se mehr, als sein Chef dem
Nadfahrersporte und allem, was drum
und dran hing, wenig freundlich ge
genüberstand Er vertrat die Ansicht,
daß die jungen Leute von heute mit
dieser Sportfexerei ihre Zeit nur un
nöthig vertrödelten. Und nun gar
erst die radelnden Damen: die waren
ihm so zuwider, daß er seinem Töch
terchen Alma Zin- siir allemal auf das
Strengste verboten hatte, ein Fahr
rad auch nur zu berühren. Und
Almachen war groß geworden in Re
svelt und Gehorsam vor ihrem Vater.
Freilich in diesem Falle fiel ihr das
Gehorchen redlich schwer und wenn sie
sah, wie Herr Mälzer so schneidig da
her geradelt tam». . · .
,- msss .« Ast .
uccåckycllpl Meter Urt- Igrurzeh ur- -
sons Mülzert Der hatte so was ei
genartiges an sich, etwas wirklich groß
städtiscle Erst heute Morgen hatte
er sie wieder begrüßt: ,,Eine Ueber
raschung habe ich sür Sie, gnädigsteg
Fräulein, eine Ueberraschung . . .
Und dabei hatte er sie so merkwürdig
tomisch angelächelt, daß sie merkte,
wie ihre Neugierde rege wurde. ,,Dars
icfs leynens die hervorragende Neuigteit
unter drin tiefsten Siegel der allerwei
sten Verschwiegenheit anvertrauen?«
hatte er recht vertraulich gesragi.
Fräulein Alma fühlte sich geschwei
chelt darüber, daß gerade sie sür wür
dig erachtet tosrden sollte, in das Ge
heimniß eingeweiht zu werden« und so
überlegte sie sich die Antwort länger,
als es gerade nothwendig war.
Herr Mälzer schien diese Kunstpause
sitr eine Zustimmung zu halten, denn
er slüsterte ihr vertraulich ins Oh«·:
»Mein liebes, gnädiges Fräulein, «ck.
will Jhnen heute·Abend nach Ge
schkistsschluß alles, alles erzählen. J
werde mir gestatten, Sie ins Lese
lränzchsn zu aeleiten.« Damit ver-:
schwand der kühne Jüngling in der
dunklen Hinterpsorte des Leidens
Und Fräulein Alma? Ach, ihre
Rikly war bin, ihr Herz war schwer!
Sie beschloß. heute überhaupt nicht
zs«m Kränzchen zu gehen. Das war
Mittags. Dann beschloß sie, den
Ausdringlichm kurzer Hand absallen
zu lassen, glatt und platt. Das war
Nachmittags. Vor der Thür des
Kränzcben - Lotals promenirte trotz
des miserablen Wettser ein Pärchen
im eisrigsten Gespräche aus und ab.
Und das war Abends, und das Pär
chen setzte sich zusammen aus Fräu
lein Alma und Herrn Alsons .....
Was die beiden sich so Wichtiged
zu erzählen hatten? Es mußte etwas
außerordentlich Jnteressantes gewesen
sein« denn von ietzt ab war eine gr
wisse Bertraulichleit zwischen ihnen
ausgebrochen, die sriiher lein Mensch
sür mitglich gehalten hätte. Der Ptm
des Herrn Mälzer wurde bald offen
bart. Denn über die gelb-grünet
Sezessionsplatate war eines Morgen
quer herüber ein lnallrpther Streife
getlebt mit dem Ausdruck:
Schlußtableau der lebenden Bilder
Die Entführung aus der Feste Majn
sels und die Fahrt durchs
HöllenthaL
Zur Verwendung gelangt ein wirl
liches Automobil.
Alle Wetter, das war doch noch wag
und selbst die »Sturn1vögel« konntet
ntctkt ssmtxsim ihrem Mitgliede Mälze
für dirs-: aseniale Jdee ihre Reserenzes
zu ern-eisen. Dieselben wiederholtu
siclj aler auch während der geschäftli
chen Thätigleit des Jungen Mannes-«
so oft, daß selbst Ver Chief, Herr Wer
net, aufmerkan wurde. Der Laden
wurde von Ftöusern nicht leer, es am
geradezu ein »Es-reiße« um seines
Kommis.
,,’g ist ordentlich t«oll,« begann de
alt-e Herr wälsrend des Mittagessens
»was die Leute an diesen-. Mälzer sü
ein-en Narren gefressen hat-en . . .«
Und nicht nrit llnreclJt,« mischt
sich Fräulein Alma ins Gespräch
kenn Alfons ist auch ein sehr tüchtige
J.lkcnscks.«
,,-.Iuiong’«" dehnte Papa Werner
,Runja—, Allons-A erwiderte Almi
möglichst unbefangen wobei sie abe
nicht rerhinrsern konnte, daß eine oer
rätherische Röthe in ihren Seh-lässt
emoprflieg, ,,Alsons nennt ihn di
arti-se Stadt, und da hab-.- icb inrr’·
ebenfalls so angewö-hnt.« Und schnell
um dem Gesprächsthema eine ander
Richtung zu geken, begann sie oon al
den Herrlichkeiten zu erzählen, welch
den Besuch-ern des Stiftungs-feste
der Sturmvögel« in Aussicht gestell
traten. »Deine Dir, Para« hol
Almi besonders hervor, »ein Ball in
Weitre, eine Mainfahrt und schließlid
die Hauptnumnier: Die Automobil
fahrt durchs Höllenthal Na, das
ntikssen wir uns doch ansehen, nich
Papa-Z«
Papa brummte ettras Unverstand
liclzeg, ans dem al:er doch heraus
zuhören war, daß er die Automobil
für noch bedenklich gefährlichen Werk
zeuge halte als die Zweiriider.
»Das heißt natürlich« ers-tust
Alma ihre Rede schlau und berech
nend, ,.um meinetwillen brauchten wi
nicht hinzugeben Aler Du bist-es dod
Teiner zahlreichen Kundschash di
rkkneAusnabrne versammelt sein wird
schuldig dsaszDu Dich bei einem Fest
zeigst-, ron dein schon heute die ganz
Stadt sprichst. Und damit Du nich
allein zu geh-en brai«ck:-st, will ich geri
einen Akenr opsern und Dich beglei
ten.«
Pan warf seinem Töchterchei
einen argwöhnischen Blick zu. Abe·
da dieser standhaft aus-gehalten wur
ds:,ern«achte keinerlei Misitrauen ii
ihm, sodaß er stöhnen-d seine Zustirn
numg arb: »Mit der Kundschast dar
iilfs nickt verderben. Und so selin
mir wirklich nichts anderes übrig zi
bleiben, als die Tusmmheiten diese
Raoleriixensckien über mich ergehen-il
lassen-« .
»Ja, Papa, es bleibt Dir and
nichts endet-IS iibria!« belriiftigt
Alma nochmals zum llebersluß.
If If It
Der große Abend war gekommen
Einlcesztnrten traten schon Tags zu
ist-r nickt mehr zu haben gewesen
dmn Jedermann, »der nur irgeni
ein«-»- trinst«, legte Werth daraus, i1
den Sälen dei- Rathstellers gesehm
zu werden. Alsons Mälzet besani
ful, mit unter ten Comitemitkleiedetn
meltlfe die Honneurgi machten Al
Heir Meiner mit- Fräulein Tochte
erschien-, stifteteek der Letzteren seinei
Blumenstrauß und geleitete sie au
Elzre Pläne, dkse zu den besten im gan
zen Saale gehörten, denn sie lagen i1
der zweiten Reihe
»t.’llfdnss besin doch bedeutend
Weltgrwandtlseist meinte Fröuleii
Alma, als sie sich eben gesetzt hatten
Eis-: Papa Werts-er sein Töchter-drei
aus dag Unschicklich-e dieser familiarei
Anredse aufmerksam makehen tonnte
setzte die Kapelle mit einem slottei
Eköiisnungsmnifch ein. Und nui
wurde das Programm flett und mi
solcher Verv- beriintsek-J-:spieli, daß sic«
selbst Herr Wernek zu dem Ein-ge
ständniß bequemen mußte, diese Rad
irr seien doch heillog geschickte unk
eewandte Menschen« Das heißt, da
docs7te er sich. er hütet-: sich wohl
solelxe Ansicht laut werden zu lassen
Dkriiter iriitde sich sein Meinuner
doch zu sehr gewundert haben.
Beim Kunsifahken erurden di
lchwierigsten Figuren-, die sonst nu
Berqu ahret vorsiihreru .m-it tadel
losee leannz exetutittx das Bild
»Ist der Schmiede gestaltet-e sich eben
»so iealistisch wie der »Von im Walde
und die »Mainsahrt« saebenspriichti
wirtmu Waren bis jetzt schon all
Erwartungen itbekiwssen worden« s
erreicht-: die Spannung doch- ihres
".f:i"-hevunsii, »als die »Automobil-Höl
«e««ifat;-«kt« an der Reihe war. Ein »Ah«
EIJ Staunens durchlief die Reihen
fee Publikums, als der Vorhang
aiiscinsanderraufckytr. ,
Die Dekoration war akek auctx Ver
blüfiend echt: rechts oben auf dem
Bexzsgipfel die Burg Mainfcls. Am
FJß des Berges gäithte ein dunklerN
Stollen, der in die Höllenschiucht
:niini1ete, die einmal die Bühne kreuz
te, um an 1en-erSielle, wo sonst deri
Scipffle urtastcn zu steh-; n pflegte, inJ
ein Iieblidl es Thal auszulaner. Eine
Fanfcre crtönt und- auf dein Söller
L: r Bi. tg etfckseint eine weih-linke Ese
iiolt im vollen Sporttostitm, die;
Ztaubbrille nicht Fergessetr. Das-;
Beugftäulein läßt ein weißes Tuch:
winkend im Winde Nattern-, und auf
dieses Zei chen faucht auch pustend eins
lei ltmsftiqes Automobil auss dem
Sto·sen. Unter qleichmäßigem ,,Töff
Löff« wird es gehn-mit sodaß esj
trennend und tnatiernd am Fuße des
Br ges hält, feine Anwesenheit m der
lichliclen Gegend zum Ueberfluß noch!
dier einen JZchuß ,,,eau de her-inf
milles tonitei s' kund gebend-. Einst
Etrictleiter senkt sich vom Söller und ?
wird unten vom kühnen Anton-»Mit
sinappen festgehalten Die Busegmaiid
sum ntt ch auf deuRand der Mauer
und untern-must auf der schwanken-.
.0ss.
«·---s
» ka— -1 us
.—---«-—«s-v-—-- -q-.-..
) ein sanftes Einlaufen in die lieblichen
’ Thalgrijnde. Als das Gefährt etwa
lswsl CIIULL ULU XÅUIIlcgs
»Ah, eine Etttfiihrung...,« hört«
Herr Werner hinter sich flüsterm
irr blickt neben sich: der Sitz, -dens
bisher seine Tochter eingneommeni
hatte, war leer Zu dumm, daß sie
gerade jetzt hinausgegangen war. i
Wirklich, —eine Entführung! Kaum
bat das Burgfräulein wieder festen
Boden unter sich, als sie auch schon
vom Knappen umhalst, geherzt und
getiißt wird . . . ., soweit das eben die
Sportrilstung zuläßt. Dann wird die
Dame sorgfältig im Autombil ver
starrt, der Knappe schwingt . auf
den Chauffeursitz, die Bume wird
ecloclert und erst langsam, damit aber
mit- Volldampf voraus geht’s hinein
in das Höllenthal Bald kommt-das
Gefährt da zum Vorschein, bald ver
schwindet es dort, bald hört man das
Knattern des Motors, bald das «
nungsgekreifch der Happe, —- ein ne
benaufregendes Schauspiel Endlich
noch eine Fahrt über die Bühne, dann
die Mitte der Bühne erreicht hat, dreht
der Chauffeur mit kräftiger Hand das
Bremsrad. Aber die Geschwindigkeit
vermindert sich nicht, das Auto klap
pert weiter, die Bremse versagt . . .
geradewegs gegen die Brüstung geht
die Partie . . . das Gesplitter und Ge
tnirfch zerrissener Bretter . . . ein
scharfer Krach . . . die Vorderräder
haben den Fußboden der Bühne durch
brochen . . die Hinterräder stehen
hoch in die Luft gerichtet! Der Chan
feur ist topfüber im Souffleurtasten
verswunden, das Burgfräulein hat ei
nen kräftigen Ruct nach halblinks mit
solcher Plötzlichkeit erhalten, daß sie
über die Rampe schliddert und unfrei
willig und unsanft auf jenen Stuhl
niedergeseßt wird, der neben Herrn
Wermr vor Kurzem frei wurde . . . .
Allgemeines Halloh! Dasselbe legt
sich aber sofort, als der Chauffeur sich
ohne fremde Hülfe ans dem Loch em: Z
porrappelt, -—— der hat also keinen
Schaden erlitten. Das Burgfräulein
verläßt am Arme des Herrn Werner
den Saal, es ist also ebenfalls heil aus
der Affäre hervorgegangen. Einer
Ohnmacht ist die Dame erst nahe, alsks
H.rr Werner in der Sportvermutnis
mung sein »s— Töchterchen Alma er
tennt! Aber auch das väterliche Don
nertvetter muß sich schmerzlos entladen
haben, denn bei Beginn des Tanzes
wird die Polonaise eröffnet von -- «
Alma Werner an der Hand von Al
sons Mälzer . . .!
HQNTH cu..
Ubglestiirzi.
«Ein,6rlebnisz in den Bergen.
Um Mittag waren wir aus der
Hütte angelangt eigentlich in der Ab
sicht, sie nach ein paar Stunden Rast
wieder zu verlassen und zu der 800
Meter höher gelegenen Grünseehütte
aufzusteigen Wir wollten die Weit-i
spitze besteigen und das bedeutete
schwere Eisarbeit für den kommenden
Tag. Wenn wir die drei Stnuden
bis zur Hütte heute zurücklegten, so
sparten wir sie morgen, und es gehört
nicht zu den schönsten Momenten im
Leben des Hochtouristem wenn er sich
um 3 Uhr Morgens aus den f-euchttal
ten Wolldecken wickelt, um den Eis
pickel in die Hand zu nehmen.
So saßen wir denn, nachdem wir
unseren Hunger gestillt, in Hund-sät
meln vor der Hütte, damit beschäftigt,
in der warmen August onne unsere
nassen hemden am Lei trocknen zu
slasfen Wir warteten auf den Pro
’viant. Die Köchin ließ sich Zeit. Denn
mittlerweile hatte sich das Haus mit
hungrigen Gästen gefüllt.
Es war den ganzen Tag warm, fast
schwül gewesen. Jetzt änderte sich das
Bild. Die Höhen umzogen sich, der
Gletscher, der in augenblendendem
Glanze Vor uns lag, hüllte sich in dichte
Schleier und ein fanfter Landregen
ging hernider. »Wird sichs wieder
aufhellen, Sepp?« fo fragte ich mein-n
Führer-, der abmarschbereit am Ein
gang stand. Er schüttelte bedächiig
den Kopf. »Schlecht fchaut’s aus, aber
sag’n lann ma nix hier heroben.« Eine
erregte Debatte zwischen uns drei
Touriften folgte. Der Kleine war ent
schieden für Aufbruch und schimpfte
heftig auf unseren Kleinmuth Wir
hoben die Gründe hervor, die für AS
warten sprachen, das zweifelhafte Wet
ter, die oorgeriickte Stunde, wobei wi
die Hauptgründe, nämlich die warmen
Betten der Hütte und ihre vorzüglicke
Verpflegung sorgfältig verschwiegen.
Die Majorität war fiir Bleiben. Ber
gnügt trug ich meinen schweren Ruck
sacl die Treppe hinauf in den großen
Schlafraum und warf ihn auf ein am
Fenster stehendes Bett als Zeichen der
Besitzergreifung Mit behaglichem
Grufeln stellte ich mir die unbewirth
schaftete Grünseehiitte mit ihrem rau
chenden Ofen, ihrem feuchtlalten
Schlafraum und dem von groben Füh
rerhänden bereiteten Konservenfleisch
vor, während ich die Nagelschuhe von
den Füßen schleuderte.
Die Tugend hatte wieder einmal
nicht gesiegt-.
um e uyt seiden-IS Iakz me ganze
Gesellschaft .von etwa 20 Touristeip
um den langen Tisch herum im Gast
zinimer und verzehrte unter lebhaften
Gesprächen das Abendefsen. Es war·
ein Bild, wie es diese noch im Bereiche
det Begetationszone gelegenen, zu
Maulthier erreichbaren Gastftätten, die
den Ehrentitel der »Hätte« kaum noch
verdienen, meistens bieten. Die große
Masse der Gäste, sogenannte Thai
fchleicher, die auf bequeme Art eine
Hütte tennen lernen wollen, darunter
Wes-Je Damen in ungraziös gerafften
. Mund zerzauster Frisur. Der
Rest wirkliche Hochmut-isten die sich
unter dem großen Haufen schnell her
ausgefunden und einander genähert
hatten.
Auf der einen Tischseite führte ein.
Regierungsassessor mit preußischem
Ackeui und impertinent weißem Steh
tragen rag aroßeW3:. Auf der an
derm Seite saß ein Wiener Bergsteip
aer zind erzählte seinem Nachbar aller
lei Beraaeischicyten ,,Wifsen’s-, wann
init g’wußt hiitt’, daß der Lore!:z da»
nan a’ftie,·,’«i ist, i hsätt’ all mei Leb
taa net die Kurasch Thal-L an der
Wand ’naui;usteig’n·« «
Die Fiellnerin ging ab und zu und
brachte den« letzten Nach-züglern dass
Essen Die Unterhaltung am Tische
schien ntsatter zu werten Eg- war ge
rade 1--·-8 Uhr. Der Regen hatte auf
ziehöu und fast gespenstisctx weis-,
lsfiicktete der Gietsclker in’5 Thal her
nieder »Es scleint sich aufzullären,«
sagte einer am z enfter undi stand auf,
um in’es Freie zu treten. Die Näch:
iten folgt-en seinem «Beispiel, und in
wenigen Augenblicken drängte alles,
oon einer seltsamen Unruhe erfaßt,
tzm Ausgang Zu. Da stand Jemand
an der Schwelle, keiner hatte ihn-vor
lker gesehen, rurchniißt, mühsam sich
cn Tom-« Thau-fasten aufreclxt halten-d,
stand er unsv saate dem Nachstien ein
paar Worte. Wie ein Blitz ainsa es
durel die Gruppen: ,,Drol«-en an ier
sliteisispitze liegt Einer in einer
Schnit- «
Jm Nu war das ganze Bild ver
ändert Hastig fragend, sast schreiend,
drängte Alle-·- aus den Ankömmling
ein· Mit lreidetsleictxem Gesichte schwer
sit-wend, offenbar völlig erschöpft von
eiligem Lan-s, lehnte er gegen die
Wand und gab mit lv«einerlick:er
Stimme Antwort aus die Fragen, dsie
aus its-n einstur«m«ten: »Eine halbe
Stunde unterhalb Des Gipfels ist es
rassirt. Jn der GrünssNhiistte sind
wir übernacktet Spät sind knieen-f
aebrochem des Nobels wesen. Der
Schnee war sehr weich Er ainsa Vor.
cLlriqeseilt war-en Irirx Auf einmal
aibt s einen acwaltiaen Ruck am
Seil und ich sehe, wie er in- einer
Spalt-e Verschirindei. Jsch schlage mit
aller Kraft mein-en Pickel in’g Eis-,
sonst hätt’ eg« mich hinuntergerissen
Jet: :ief, so laut ich konnt-ie; erst hat er
cicantmortet, dann- nicht mehr. Von
der Stell' tonnt’ ich nicht denn er hing
am Seil und- zog mich immer näher
dar Stalte hin. Eine Sinn-de lang
»hab’ ich-US aus-gehalten Dann ging’g
i nimmer, sonst biitt’s mir die Brust er
drückt-. Da —— half ich- das Seil ab
geschnitten.« Todtenistillse folgte auf
diese Worte, mit denen ein« Mensch ge
stand, daß er seinen Freund in den
Abg-und gestützt. Eine junge Frau
lsra chins krsampfhiastes Schluchzen aus. s
Jn diesem Augenblick erschienen die
Führer. Wieder dieselben Fragen
wie vorhin, nur etwas kürzer, sach
tsiiinnischen Wo liegt er? TrauenSie
sich, die Stelle mäederzufinden2 Haben
Sie noch die Kraft, heute Abend mit
hinaufzugehen? Wie lang war das
Seil? Wann ist es passirt?
Als der Unglüekliche zum zweiten
Male erzählte, wie-er das Seil abge
! schniisten, ging ein Gemurmel des Un
? willens durch die Gruppe der Führer-.
Einer von ihnen, noch ein junger
.«.Ulenscf:, stürzte aus ihn los unld hielt
ihm die geballtcn Fäuste vor’s Gesicht:
»So einer san’s! Auf die Berg stei
gerte-, ohne Führer, aber wann Einer
in u Spalten sallt, nachher sch.neidsen’s
ihn ab!« Der junge Mensch war noch
blasser geworden Er sank stöhnen-d
aus einen Stuhl und deckte beide
Hände vor das Gesicht.
Die Führer wechselt-en ein paar
kurze Worte. Ein junger Tour-ist trat
aus sie zu und· sagte aufgeregt: »Ich
höre, Sie stciaen noch heute hinauf.
Iris bin Arzt, wen-n Sie mich brauchen
können, gehe ieh mit.« Der ansaersedete
Führer sckütielte bedächstig den Kopf;
,,J.dcnt Ihn-a schön, lieber Herr, aber
an Doktor braucht der da heroben
nimmer!«
Die Kellneriu brachte eine große
danipiende Schüssel herein, und mit
ernsten Mienen setzten sich- die Führer
um den Tisch, um. zu essen und-· Kräfte
zahm-mein fiir die Ausgabe, die vor
ihn-en- liaa Auch riet Gefährt-e des
Verunglürlten, ein Münchener Stu
dent, wie gesaat wurde, mußte etwas
essen
Mars-, einer halben Sinn-or Drachen
sie mis, mit langen Rettungsfeilem
Laternen und allem sonst Nöthicgen
Ariel-In Es war talt geworden, und
fröstelnd kehrte die Gesellschaft ims
(5.t.istzimmer zurück, als der Zug der
Führer in dem nächstiasen Dunkel Vier
fctjmunden war.
Dke Aufrequna die Jeden schüt
t:ite, ließ nur ein Gespräch aufkom
nrsen. Wie st nd es mit dem Vwerun
ciiiaien2 Hat er sich bei dem Sturz
ir- die eisiae Tiefe sen Schädel zer
sdiaaem oder ist er in einem Glei
:srker:vasser ertrunken? Besteht eine
’ Titualickteit daßer noch lebt? Rämpsi
er vielleicht isi diesem Augenblick dort
oben in seinem Eisterber den Kampf
mit tem ErfriertinastoDZ Alle mögli
axen "’er!nut1hunaien wurden ausge
stellt Parallelfälle aus der reichhalti
aen Chronik der alpinen Unsälle wur
den aufgsetischt Daszwsischen hinein
machte ficks isier scharfeDiskant des
Asscisorg wieder vernehmbar: »Ein
sträflicyer Leiclstsinin ohne Führer zu
stehen Aber ich habe e vorher ge
warni.« Die beiden Hochtouristen
erörterten mit ernst-er Sachlichkeits die
Möglichkeit der Rettunig und bespra
rnen die Methoden, mit denen man
Ver:::1·aliickte aus einerSpalte heraus
holen tann. Alter kaum war eine hssealk
Stunde verqanam da waren sie schon
nieder an der Fünfsingerspitze ange
man unr« Der Eine hing am Seh-mitt
iamsn und sucht-e nach Griffen
Auch bei der übrig-en Gesellschaft
hatte sich die Aufregung- etiriag gelegt.
Die seelische Erschijtteruna, die nsocli
in Llllen nsachziiteirie, hielt zwsar die
Unterhaltung in ernsten Bahnen, aber
; sie brachte auch die Menschen, die vor
sher sich fremd gewesen, einander in
idcrlich näher unid schürt-e das Feuer
lder Unterhaltung zu lebhaftem Glan
zeMgkn ging spät-er zu Bett als sonst
in den Ver-ten mit dem netwnaufveit
schenden Gefühl eines Erlebnisses.
Droben am Bergabhang sah man noch
einen schwachen Lichtschein sich bewe
gen. Es waren die Laternen der Füh
rer, die in Nacht und Frost ihrer
Pflicht nachgingen.
Jn dieser Nacht hat wohl keiner von
den Hüttengästen gut geschloer. Bei
jedem Geräusch schreckte man auf in
dem Gedanken: Jetzt bringen sie ihn.
Aber Niemand kam, und auch als der
Morgen tagte, ein trüber, düsterer Ne
belniorgen, war noch keine Nachricht
eingetroffen Jm Grunde konnte das
nicht anders sein. Denn bis zur Un
sallstelle waren es mindestens vier
Stunden und vor Tagesanbruch
tonnte das Suchen nach dem Verun
gliictten unmöglich beginnen. Aber
trotzdem stand alles in dem langsam
rieselnden Regen vor der Hütte und
suchte mit den Blicken die Nebelmassen
zu durchdringen. Manchmal rief Ei
ner: »Da sind sie!« Aber stets war es
ein Trugbild der aufgeregten Phanta
sie, die in Felsblöcten wandelnde Men
schen gesehen.
Endlich —-— es war inzwischen 2 Uhr
geworden -—— nahte der Zug. An der
linken Thalsseite, noch in weiter Ent
fernung, sah man eine Reihe von
dunklen, sich bewegenden Punkten. Jn
diesem Augenblick wußten Alle: Sie,
brachten einen Todten! Sie kamen
näher und näher, und nun wurden
W «
auch die einzelnen Gestalten kenntlich
Sie trugen eine Bahre. Die Gestalt
die darauf lag, war mit einem Suche
bedeckt, nur die mit Nagelschuhen be
tleideten Füe sahen hervor. Sie la
men heran, und wie ein Todesfchaner
überlief es uns. Ein jeder entblösste
das Haupt vor des Todes Majestiit.
Ein stämmiger Tourist wischte sich die
Augen
Die Führer stellten ihre Last bei ei- ,
nem Nebegebäude nieder und näher
ten sich uns mit ernsten Gesichtern. Es
war nicht viel zu fragen und zu sagen.
Um 6 Uhr in der Frühe hatten sie ihn
gefunden. 35 Meter tief lag er einge
tlemmt, aber zu beiden Seiten ging es
noch tief hinunter. Den Verleßjingen
nach mußte er gleich gestorben sein.
Nur kurze Zeit blieb die Touristen
gefellschaft beisammen. Wir verab
schiedeten uns von unseren Führern -
und wanderten in ernstem Sinnen
thalwäris. Das Wetter war weiteren
Touren nicht günstig, und die Lust
dazu war uns vergangen. ·
---s-—.
Romantischer Kinde-Traub.
Das wirkliche Leben bringt oft Ge
schehnisse, vor denen die Phantasie des -
Romanschreibers erblassen muß. So
hat sich dieser Tage, wie aus Paris
gemeldet wird, dort am hellen lichten
Tage die Entführung eines Kindes
unter Umständen abgespiselt, wie sie die
Ersindungskraft des gewiegtesten Hin
tertreppenromanciers nicht besser zu
ersinnen vermocht hätte. Vor einigen’
Jahren starb in Paris ein Jngenieur,
der in der Automobil - Industrie, als
diese noch in ihren Anfängen lag, die
günstige Konjunktur richtig auszunu
tzen verstand und einen Blick dafür
hatte, daß das Töff-Töff das Fahr- ,
zeug der Zukunft sei. Es gelang ihm,
ein außerordentlich großes Vermögen
zu erwerben. Und da er außerdem eine
hübsche, junge Frau hatte, so fehlte ihm
nichts zu seinem Glücke. Aber eines «
Tages raffte der Tod ihn plötzlich da
hin, —- ohne daß er irgendwelche teftak
mentarische Vorkehrungen getroffen
hatte. Kurz nach seinem Hinscheiden
gab seine Wittwe einem Knaben das
Leben, und so war dieses Kind der
Erbe seiner Reichthümer Madame M.
bewohnt mit ihrem Knaben eine schöne
Wohnung im Tuillerien - Garten und
erfreut sich in der Pariser Gesellschaft
einer geachteten Stellung. Es scheint
nun, daß von Verwandten ihres ver
storbenen Mannes die Erbanspriiche
des Kleinen bemängelt wurden, und
daß sie in steter Angst schwebt, es
könnte gegen das Kind ein Gewaltakt
unternommen werden. Falls sie es
nicht seTbst begleitete, ließ sie es nur
unter der Obhut einer zuverlässigen
Wärterin bis in den Garten der Tuil
lerien, und auch dann mußte die Wär
terin sich stets in der Sehweite der
Fenster ihrer Herrin halten. Als nun
neulich einige Bekannte der Madame
M. zum Fünfuhr-Tbee bei ihr erschie
nen waren, versäumte sie es, wie sonst
ihr Kind von ihrem Beobachtungsw
sten aus im Auge zu behalten. Erst
als ihr Salon wieder leer geworden
war, kehrte sie an das Fenster zurück
und sah ihre Dienerin schlafend auf
einer Bank sitzen von ihrem Söhnchen
aber keine Spur. Es sprechen Gründe
für den Verdacht, daß die angeblich so
sorgsame Wärterin im Dienst-e der
feindseligen Verwandten der Madame
M. gestanden hat. Jedenfalls ist es
der Pariser Polizei bis zur Stunde
noch nicht gelungen, herauszufinden,
wo der kleine verschwundene Millio
nenerbe geblieben ist.
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Eine fastende Riesen-schleunige.
Aus London wird berichtet: Die
große Riesenschlange des Zoologifchen
Gartens in London hat ihren Wär
tern soeben eine grosze Freude bereitet,
dadurch, daß sie nach vier Monate lan
gem Fast-en sich bequemt hat, eine Ziege
zu verzehren. Seit September 1905
hat die Riesenschlange nur zwei Mahl
zeit-en zu sich genommen, wobei sie mit
Rücksicht auf diese bemerkenswerthe
Mäßigkeit erstaunlich gut gediehen ist.
Das schön-e Thier, das stets den Mit
telpunkt des Interesses im Reptiltäfig
gebildet hat, mißt 25 Fuß in der
Länge und ist die größte in Gefangen
schaft lebende Schlange der Welt.
Trotz ihrer riesigen Größe ist sie eine
von den anspruchslosesten Bewohnern
des Zoologischen Gartens. Zwischen
zweien ihrer Mahlzeiten versließen
durchschnittlich sechs Monate doch
fastet sie acht und selbst elf Monate
und verschmäht das ihr regelmäßig
dargebotene Futter, ohne darum ir
gendwo Schaden zu nehmen. Jhr
Mahl ist immer von derselben Be
schaffenheit, eine lebende Ziege. Sicher
lich wiirdc die Schlange eher verhun
gern, als ein anderes Thier, etwa ein
Kaninchen, zu verzehren. Da sie jetzt
ihr Fasten unterbrochen hat, dürfte sie
bis zum April des nächsten Jahres
vielleicht noch länger nichts-fressen.
Nach der Mahlzeit, der eine Periode
ungewohnter, bei einem etwa hundert
Jahre alten Thiere ganz wunderbarer
Aktivität vorherging, zog sich die
Schlange an ihre Wasserstelle zurück
und wickelte sich dort zusammen, das-,
aerade die Spitze ihres Koper über
die Oberfläche des Wassers hervor
ragte. Nach einer früher einmal ge
machten Erfahrung dürfte das Thier
diese Stellung vor vier Monaten nich-S
verlassen. Die, Temperatur des Was
sers wird auf 82 Grad Celsius erhal
. ten.