Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 30, 1906, Sweiter Theil., Image 14

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Die Göttin deS Glücks-.
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(11. zortsejungJ
» denke, seine Aufregung und der
Sæv iiher den bevorstehenden Ver
lust en Ewigen ihn hinlänglich Du
hast ihm die schlimme Neuigkeit ja
nicht eben schonend heigebracht, liebe
hanna.« -
»Ist er denn ein schtvachnerviges
Weit-. daß ich daraus hätte bedacht
sein müssen? Und Du siehst ja, der
Schrecken hat ihn nicht um bracht
Hast Du Dich in der We ling’schen
Angelegenheit mit ihm verständigt?«
»Er hat mir unbeschränkte Boll
macht gegessen, nach meinem Ermessen
zu handeln. Und da habe ich auch ei
was für Dich, Damia! Dies Tele
geransm ist vor einer halben Stunde
r mir eingelaufen."
Sie nahm hastig das Blatt aus sei
ner Hand nnd las:
»Ich bitte, mich morgen Vormittag
zu persönlicher Auseinandersetzung in
iTxlzrem Bureau zu erwarten. Wede
ng.« .
Ihre Lippen waren fest zusammen
gepreßt, und ihre feinen Nasenslügel
bebten, als sie ihm die Depesche zu
riick ah.
« aus« fragte er. »Bist Du gar
nicht iiherraschti Dies beweist doch
eigentlich einexviel größere Geneigtheit
Zur gütlirhen Verständigung als wir
es erwarten konnten«
»Ja,« erwiderte sie. »Und nun
wird alles von Deiner Klugheit und
Geschicklichkeit abhängen, Bernhard!
Du mußt Deine ganze Diplomatie
aushieten, um einen Sieg zu erringen,
ohne daß es dazu eines langwierigen
Prozsses bedürfte.«
«Ob mir das gelingt, hängt wohl
zumeist von der Persönlichkeit dieses
Herrn Regierungs-Assessors ab. Jch
gestehe, daß ich selbst einigermaßen ge
spannt bin auf den Verlaus.unserer
Unterredung.«
»Wissen die Restorps von dem Te
legramm?« ·
»Ich hielt es siir meine Pflicht, sie
unverzüglich davon in Kenntniß zu
seyen« .
»Ah, das hättest Du nicht thun
sollen.« — ,
»Und weshalb nicht, Donau H-- ·
»Weil das Unbegreiflidx Benehmen
Deiner Braut Dich hätt-e zur Vorsicht
mahnen sollen. Sitz stellt sich ja
wahrhaftig noch immer, als hielt-e sie
die Auffindung des Briefes für das
größte Ungück. das ihr uwd ihren
wgehörigm hätte widerfahren kön
neu-"
- 1 - Jus-« c-- m-i.1-—
Ucocl MS As lWI Mr sauft-usi
walts legte es sich wie ein Schatten
»So sagt ihr Vater. Denn Jnge
selbst ist ja seit dieser Wendunci der
Dinge für Dich loie für mich so gut
wie unsichtbar geworden Oder hast
Du sie vielleicht heute gesprochen?«
»Nein. Aber ich traf Herrn von
Restes-n als ich zu Professor Hex-hold
ging. Und er vertraute mir daß er
sich schon so früh vorn Hause fortge
macht habe, weil ihm die Jammer
miene seiner tranken Frau uno Jngeå
sonderbar-es Benehmen nachgerade un
erträglich geworden seien.«
»So sprach er gestern Abend auck
zu mir. Er sagte, es käme überhaxpt
kaum noch ein Wort über Jnges Li P
pen, und sie ginge mit entzündeten
Augen umher-, wie wenn sie ganze
Nächte durchweint hätte Selbst da
mals, als sie unter Zurücklassung
ihrer ganzen Habe von Klitzorv fort
gemußt hatten, sei sie nicht halb so
ekümmert und niedergeschlagen ge
wesen wie je t. Hast Du dafür eine
Erklärung ema?«
« »Nein-e andere, als daß sie ein
schwirrt-ei nervöses Geschöpf ist —
eine von jenen Duldernaturen, für die
ei nichts Entsetzlickeres giebt als die
Vorstequ eines Kampfes. Jetzt, da
sie sieht, daß es Ernst werden soll mit
dem Streit um Dietrich von Restorps
crbe, stellen sich ihrem Geiste natür
lich nur alle schlimmen Möglichlseiten
dor, die auf diesem Streite entstehen
tünntern Und sie würde es vorsieht-»
in Armuth und Dunkelheit weiter zu
leben. all sich diesen vermeintlichen
Gefahren auszuschenk
Bernhard schüttelte den Kopf, als
wolle ihm diese Erklärung nicht ein
leuchten, und nachdem er ein paar Se
kunden lang stumm vor sich hin ge
litt-It hatte, trugsagte er zögernd:
»Willst Du mit eine ossene Frage
eben-so ossen beantworten, liebe
sams«
»Wenn ich dazu im Stande bin,
Wißt«
»Den-I vierundzwanzig Stun-,den
W B ihn von der Auffindung
—UWinKennt-tßges thatte,
W mir Herr von eorp —
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»Jch ahnte es. Und ich will Dir
glauben» daß Du es gut gnmeint hast.
Aber es war ein schlecht-er Dienst den
Du mir damit geleistet, und Du hät
test es siirwahr nicht thun dürfen,
ohne Dich zuvor meiner Einwilligung
zu oersichern.«
»Die mir natürlich verweigert mor
den wäret Gerade weil ich Deinen
unpraltischen Sinn und Dein zuwei
len Säbel angebrachses Zarigefühl
kannte· habe iet- mich veranlaßt gese
hen, in diesem Falle ohne Deine Zu
stimmung zu handeln. Unzuverlciss
sigen Leuten vom Schlage des Herrn
von Restorp gegenüber kann man
garnicht vorsi tig genug zu Werke
gekmts
»Und kam es Dir nicht in den
Sinn, daß Du mich durch Deine
über-große Vorsicht um etwas viel
Besseres und Kösilicheres bringen
könntest, als es mir diese zweifelhaf
ten Hunderttausende sind — um die
Liebe und das Vertrauen meiner
Braut? Wenn Jnge von diesem Do
lument Kenntniß erhalten hat, und
von Deinem Antheil an seiner Ent
stehung. so brauche ich wahrhaftig
nicht lange nach einer Erklärung ihreg’
Benehmens zu suchen. Sie muß
nothwendig den häßlichsten Verdacht
gegen mich hegen, und ich habe kein
Mittei, sie von« der Grundlosogieit zu
überzeugen«
Mit einem ungeduldigen Zucken
szzeerbeSchultnn wandte sich Hanna zum
n.
»Ich war darauf Maßr, daß ich
für den Augenblick wenig Dank ernten
wiisrve, und darum hätte ich Dir mein
Verdienst an der Sache verschwiegen,
wenn- Du mich nichs geradezu darum
befragt hättest. An km Tage, da
Du die dreimalhunderttauscnd Mark
in Empfang nimmst, wirft Du wahr
scheinlich anders darüber denken-X
Sie verließ das Bureau, um in ihr
Schlafzimmek hinüber zu gekn, wo
sie sich nach den Sitzungen bei Pro
fessor her-bald ismzulleiden pflegte.
Aber während sie die Kanzlei passirte.
trat sie an den ersten Schreiber heran
und flüsterte ihr-: zu:
»Wenn sieh morgen der Regierungs
Aisessor huberi Wedeking bei meinem
Bruder melden läßt, müssen Sie mich
unverzüglich davon in Kenntniß
ifetzen. Werden Sie das nicht ver
gessen?«
»Gewiß nicht, gnädiges Fräulein«,
erwiderte der Bureanvorsteher, der
eine glühende Liebe für Hanna im
Herzen hegte. Sie nickte ihm mit
einem freundlichen Lächeln dankbar
zu, und noch lange starrte der Jüng
ling wie verziickt auf die nüchterne,
braungestrichene Thür, hinter der sie
seinen Blicken entschwunden war. «
11. Ki: p i te l·
Bis zum Eindruch der Dunkleheit
war keine Veränderung in dem Be
täubung-Zustande eingetreten, in wel
chern sich Clemens Her-bald dank der
vom Arzt angewandten Beruhigung-s
mittel seit dem Nachlassen des letzten
Ansalls befand. Man hatte ihn in
" sein-» Schlafzimneer zurückgedrachd,
und wie sein von dem langen grauen
Haar wirr umrahmtes Gesicht da rnit
geschlossenen Augen blutlos unsd ver
fallen in dem weißen Kissen ruhte,
glich es sast schon dem Antlitz eines
Todten. Aber er atchmete noch und
von Zeit zu Zeit war ein leises Zacken
seiner Lider wadrnehnibay wie wenn
er dem Etwa-den nahe sei.
Mit in den Sipoß ksalteten Hän
den saß Erita am Kopfende des La
gers. Seit Stunden schon verharrte
sie stumm und regungslos in dieser
Stellung, die ihr gestatten, jede Be
weaung des Kranken und jede Ver
änderung in seinen Zügen zu beobach
ten. Kein Wort war in dieser ganzen
Feit zwischen ihr und harre gewech
elt worden, der —- durch die ganze
Breite des Zimmers von iln ge
trennt —- aus einem Stuhl ain n
ster Platz genommen hatte. iel
leicht fürchteten fre, daß durch den
kleinsten Laut die Ruhe des Leiden
den gestdrt werden könnte; aber viel
leicht auch wußten sie einander nach
dein, was dei arros heimtehr zwi
schen ihnen g Mochen worden war,
nichts mehr zu sagen.
Da pldklich wandte Clemens Her
bald den Kopf zur Seite und sah mit
weit pssenen klaren Augen in das so
gleich iiber ihn herabgeneigte·Antlis
seiner Tochter.
Meine liebe Erim« slitsierte er,
und ein ergreifender Klang weh-trit
thi r Zärtlichkeit war in seiner
St nune. Dann, indem er liebevoll
die kleine, weitl- Hand streichelte, die
sich in die seinise gestohlen, fügte er
hinz u:
ISie ist fort — nicht wahri Und
Fläep werdet sie auch nicht mehr zu nrir
a ent«
»Um meinst st,Dn lieber Vaters —
Bieileicht Fräulein Still-anders
Clensenz Dei-both nicktn
III-—- dar·
WORK-Lisette sW sch
FÆEGW
i
. »Es mir-d niemand in Dir gelas
sen werden, Lieder .Bater, ehe Du nicht
wieder zu Kräften gekommen dist. Du
brauchst Dich darüber wirklich nicht
»in beu bigen Aber hast Du viel
j leicht i nd einen Wunsch?«
i «Wo ist rot-' Ich möchte ihn
sprechen. runi ist er nicht bei
mirs«
Die Dämmerung, die das Gemach
bereits erfüllte, hatte ihn verhindert,
den jung-en Bildhauer wahrzunehmen.
Nun aber itand Varro auf und
näherte sich dem Lager des geliebten
Lehrers.
»Hier bin ich, Meisteri« sa te er
und bemühte sich rechtschaffen, feiner
Stimme einen unbefangen, belieben
Klang zu geben, obwohl die Verän
derung in dem Aussehn des Pro
fessors nnd seine Art zu sprechen ihm
das Herz zerriß. »Es war ein tüch
Zigses Schläfchen, das Du da gemacht
a t.«
»Meinft Du? —- Nsun, ich hoffe,
bald einen noch längeren Schlaf sit
thun. Aber es ift gut, daß Du da
bist. Komm näher, damit ich auch
)Dein Gesicht sehen kann. Es ist
schon so dunkel.«
! »Soll ich die Lampe bringen lassen-,
lieber Vaters«
»Nein. Aber wenn Du mir ein
,Glas Limonade bereiten möchtest —
sich glaube, sie würde mir jetzt recht
gut munden Aber Du mußt sie
selbst machen, Erila, und Du brauchst
Dich dabei nicht so sehr zu beeilen.
Harro leistet mir ja Gesellschaft —
und ich habe einiges unter vier Augen
mit ihm zu reden.«
Sie entfernte sich zögernd» Doktor
Reimers hatte ihn-en ja gesagt. daß
der Professor ten kommenden Tag
nicht mehr erleben würde, und es er
schien ihr als ein grausames Opfer.
daß sie von diesen kurz gezüljlten
letzten Augenblicken des Zusammen
seins mit dem geliebten Vater jeyt
noch einen Theil preisgeben sollte
Ein Widerspruch aber würde ihn
vielleicht aufgeregt hcrbens,·1lnd das
vor allem galt es zu vermeiden.
»Sen’ Dich hierher, Varro, dicht
an meine Seite«, sagte Clemens r
bald, sobald sie allein waren. nd
in seinen Worten war eine Weichheit
die dem lnorrigen Wesen des selt-,
same-r- Mannes sonst völlig fremd ge
sesem »Ich bitte Dich um Verzei
ung.«
m--.-!c....-- ALLO O. s
i Qual Mkpkujuug — unwe- T I-«
IMetfter, sprich nicht so! Was konnte
zich zu verzeihen haben — ich, der ich
IDir alles verdanke!«
»Bi3 heute vielleicht. Aber heute
habe ich alles wieder ausgelöfcht, was
Yich Dir jemals Gutes gethan. Weißt
’Du es denn noch nicht, Hart-o? Jch
habe die Gruppe zerschlagen.«
H »Wenn Du es gethan hast, wirft
IDU auch wohl Deim Gründe dazu
s gehabt haben. Und —- niit oder ohne
Grund —- jedenfalls ist es gut und
irecht fo. Und ich sehe nicht ein. wei
Hhalb wir gerade jetzt darüber reden
müßten. wo Du der Ruhe noch so
Ydringend bedarfst«
I »Ich werde der Ruhe bald genug
shaben und mehr als Hug. Und
Ztveshalb ich Dich um Verzeihun
bitte? Weißt Du auch, warum ««
sie gerichlagen habe. Varro?«
»Wahticheinlich, iveil sie Dir nicht
mehr gefiel. Das ist doch ganz klar.
Und sie hatte ja unzweifelhaft ihre
Mängel.«
l »Nein, Du guter Junge! Weil icv"
leifeksüchiig auf Dich war, have ich
Hie zerschlagen Weil ich ihn Dir
inicht mehr gönnte —- Deinen Antheil
lam Schöpferruhm Weil ich das
Werk noch einmal von vorn anfangen
und es vollenden wollte — ich ganz
’allein! Darum habe ich bruial zer
stört, was Du daran geschossen Eine
edle Handlung —- nicht wahr? Und
leines Mannes würdig, der Dich so
Ilange Deinen väterlichen Freund ge
nannt.«
Diesmal folgte Harros Antwort
nicht anf der Stelle, und er hatte sich
soloert in seinen Stuhl zuriickgelehnt,
daß sein Gesicht stir Clemens Herbosld
ganz im Dunkel war. Als er nach
Verlauf einiger Sekunden das
Schweigen brach, hatte seine Stimme
einen anssallend veränderten, gepreß
ten Klang.
Hatte ich Dir einen Anlaß gege
ben. Meister, mir zu zürnen?«
»Du? Nein, bei Gott, das hattest
Du nicht. Aber Du hättest es freilich
niemals in unser frsiedliches hauz
bringen dürfen, dies dämonische Ge
schöpf —- diese schöne Teufelim die
aus mir altem Manne einen blendet
brannten Narren gemacht bat und
beinahe einen Sehr-den«
Er oedet irre«, dachte Varro,
«feine Worte sind Wahns-Inn wie es
feine That gewesen« Und nun
kostete es- ihn keine Ueberwsindung
mehr, in der alten, liebevollen Herz
lichkeit zu dem Kranken zu oeden.
»Ich hätte sie nicht hierher bringen
sollen«, sa e er, »das ist wahr. Denn
Du würde dann wohl nicht aus den
Gedanken kommen sein, die Arbeit
wieder au zunehmen-, ebe Dis ganz
herge llt wass. Aber warum sollen
wir t von alledem sprechen-?
dazu nicht auch morgen-· noch Zeit
smqu
M von zornigen Unge
duld, die ihn sonst so leicht und o
oft übermannt hatte, war in der a -
web-senden Kopfbeweaung des Pro
Hers.
»Er-b mich outsian Hmv —
und schnell, bevor Geika zurückkam-ritt
ils « nichts davon obern,
S
daß the a ter, todtkranbet Hier
kurz vor feinem Ende daran gedw1
W
hat, ihr eine Stiefmutter zu geben«
»I!«tei·ster — das —- rsein, das ist
name-glich Einen solchen Gedanken
hast u- nie gehabt.«
»Seing ich Dir nicht, daß sie ein-en
Narren aus mir gemacht hat, die ge
fährliche Zauberin? Ihre Augen,
ihre Stimme. ihr Lachen —- alles wyar
Teusetsblendwert und Teufelstunst
Bei ihrem Lachen vergaß ich. daß ich
ein Greis war und ein Sterbender
obendrein. Wenn ich ihre Augen
sehen ten-nie, siihlte ich mich jung und
start genug, um das Glück zu erha
schen und zu halten —- das Glück, das
ihre Zii e hatte und ihre göttliche Ge
eirrtt. ch sah den Tod nicht, der
hinter ihr schon seine Knochenarme
nach mir ausstrekttr. Ich glaubte an
das lange, schaffenssrohe, ruhmvolle
Leben, das ihre süße, schnveichelnde
Rede mir verhieß. Und ich glaubte
ihr auch, daß ich meinen Rubin mit
leinem theilen dürfe —- nicht einmal
mit Dir.«
Er sagte das alles mit einer mat
ten tonlosen Stimme. die einen er
schüttersnden Gegensatz bildete zu dem
Inhalt seiner Worte. Aber das
Sprechen schien ihm weniger Anstren
gung zu kosten als-sonst, denn seine
Athemziigse waren ruhig und kaum
vernebmlich Und darum tonnte er
siir einen Augenblick vergessen. daß
es ein Stiesrbebett war, an dem er saß.
»Das hat sie nicht gesagt«, wider
sprach er. »Es ist undentbar, dass
sie etwas derartiges gesagt habe·«
»Ach, was kümmert es uns jetzt,
ob sie es gesagt hat oder nichtt Jetzt
ist ja der Zauber gebrochen, und das
Phantom ist in nichts zerstoben. Du
aber weißt nun. warum ich den Ham
mer auf Dein Werk geschwungen
hebe. Und nun bitte ich Dich noch
einmal, Harrot Vergieb mir, was ich
gethan!« . —
Seine schwache-. zitternde hand"
sachte die des Schülers; harre aber
beugte sich iiber sie herab, um sie zärt
lich und ehrfurchtsvoll zu küssen.
»Ich danke Dir, mein Junge! —
Und nsun das andere. Wenn ich jetzt
sterbe. bleibt meine arme Eriia ganz
allein nnd verlassen in der Welt zu
rück und —- ——«'
»Du wirst noch nicht sterben. Mei
ster«, fiel Harro ein. »Der Anfall isi
ja liicklich vorüberaeganaen, und Du
da st Dich nicht mit so schwarzen
Gedanken von neuem auf-eaan
»Ich rege mich nicht auf. Aber«
Du darfst mich nicht so oft unterbre
chen, mein Sohn! Ich möchte es vom
Herzen haben, ehe sie zurückkehrt
Wenn ich todt din, hat sie auf Erden
keinen Menschen als Dich- Harte!
Willst Du mir versprechen, sie liebe
voll and treu durchs Leben zu ge
leiten?«
»Bei allem. was mir heilig und
theuer ist —- ja, ich verspreche es·«
Clemens Herbold nickte befriedigt
»Ich habe mir’s niemals anders
vorstellen können, als daß ihr beide
den Weg gemeinsam machen würdet.
Und keinem hätte ich sie auch so freu
dig anvertraut als Dir. Nun werde
ich 1a den Tag Eurer Hochzeit nicht
mehr erleben. Aber es isi mir doch
ein Trost. daß ickk ihre Zukunft in
Deinen starken und treuen händen
weiß Mach mir meine Erita glück
lich,tb harrt-! Sie ist des Glückes
wer .« -
Hätte ihn nicht die Dunkelheit ver-s
hindert. das Gesicht des jungen
Künstlers zu sehen, so wäre ihm
sicherlich der Ausdruck des Schreckens
und der Bestiirzung nicht entgangen,
mit denen seine Wort-e Harro erfüllt
hatten. Daß es so gemeint sein
könnte, und daß Clemens Herbold
seinem Gelöbniß solche Deutung zu
geben vermöchte, daran, bei Gott,
hatte er nicht gedacht. Es war ihm
zu Muth, als hätte sich plötzlich eine
furchtbare Last ans ihn herab-gewälzt
—- als würde sein herz mit eisernen
Klammern zusammen-gepreßt Er
suchte nach einein Wart, das den
Kranken schauend iiber seinen Irr
thum auftliiren sollte; aber er sand
nicht den Muth, es zu sprechen. Und
während er noch mit sich selbst rang
und kämpfte, wurde leise die Thür
geöffnet, Und milder Lichtschein flu
ihete in das Gemach· Eritas hohe
dunkle Gestalt stand auf der Schwelle,
die durch einen grünen Seidenschleier
abgedämpste Lampe in der einen und
den silbernen Teller mit dem Limona
denglase in der anderen hand. Sie
war bleich wie eine schöne Marmor
tue und die großen braunen Augen«
’e mit angstvollem Bitck den Vater
suchten, leuchteten mit sast überirdi
schem Glanze aus dem satblosen
Antlitz. Der Druck, den harre aus
seiner Brust siihlte. wurde nach schwe
rer und betlemmender. Er war sich
seines Unrechts bewußt, und doch
hatt-. et die Empfindung, daß eine
schwere Schuld aus ihm laste. Er
wollte auf Erita zugehen- um ihr die
Lampe abzunehmen; aber ed war, als
hielten unsichtbare hände ihn aus
seinem Blase sest, tin-d er schob viel
mehr mit einer gst unwilltiirlieben
Bewegnng seinen tubl noch um ein
eringez zurück, damit der Lichtschein
ein Gesicht nicht erreiche.
»Wie fiihlst Du Dich, lieber Va
ter?« fragte sie, ihren Jammer und
ihre namenlose Seelenangst tapfer
verbergend. »Dort ich Dir ieht die
Limonade reicheni"
»Ja, mein Kind! Aber ·Du sinkt
mich ein wenig ausrichten, harrt-!
Aug We sinnst — witks nicht
mezr .«
et s Lippen Just-ern aber biieb
stark und weinte nicht. brend
harre das caupt seines greisen Leb
ters ie, feste fn ihn das Etat an
den und und er trank ein wenig.
Dann deutete er durch eine kleine Be-—
wegung any daß es genug sei.
Erz mich in das Ki en zuriich
mein « ohn!« sag-te er lei e, mit ast
schon verlöscheiwer Stimme. e
ugen fielen ihm zu, und kaum merk
lich noch haben in langen Zwischen
riiumen kurze, schwache Athemsiige
seine Brust. Minuten-lang
Erita re ngilas, das Glas mch
immer haltend. Da erhodt sich
Varro und nahm es ihr sacht aus
der Hand, ohne daß sie einen Versuch
gemacht hätte, es Zu hindern. -
»Muth, liebe Erita!'« rannte er ihr
zu, und sie hörte, wit welcher An
strengung er das Schluchzen nieder
hielt, das ihm die Kehle schnürte.
»Wir dürfen ihm das Scheiden nicht
noch schwerer mackynf
Ohne ihm zu antworten und ohne
ihn anzusehen, sank sie neben dem
Bett in die Kniee. Da schlug Cle
mens Herkold noch einmal die Augen
auf, und sein Btick war so klar und
strahlend wie nur je in seinen besten
Tagen.
»Seid Jhr da, meine Kinder-?
Seid Jhr beide da —- beidei Gieb
mir Deine Hand, Harro —- und Du
Eritat So füge ich —- Eure Hände
—- zusammen —- fiir’s ganze Leben
und gebe — Euch —- meinen.——· vä
terlichen Segen.«
Nur wie ein schwacher, verklingen
der Hauch noch waren die letzten
Worte über seine Lippen gekommen,
aber doch deutlich vernehmlich in der
Todtenstille, die das Gemach erfüllte.
Nun aber athmete er tief auf und
zugleich glitt wie ein Schimmer der
Verklärung ein glückliches Lächeln
über sein Gesicht. Der Glanz in
seinen Augen erlosch, und ein unheim
liches Recken ging durch seine Gestalt.
»Vater! Mein geliebter Vater!«
schrie Erita in ausbrechender Ver
zweiflung aus. »Geh’ nicht von mir!
Laß mich nicht hier zurück! O sprich
— sprich nur nach ein einziges
Wort!«
Doch Clemens Herbold hörte und
sprach nichts mehr. Die Knochen
hand des Todes hatte an sein Herz
gegriffen und seinen Mund auf ewig
ver-stummen gemacht. Seine demen
volle Kiinftlerlaufbahn war zu Ende.
Fortsetzung folgt.)
w
Deswetser aus dem Meere.
Der sich enorm steigernde Vertehr zu
Wasser und zu Lande erfordert ganz
besonders zuverlässige Sicherheitsmasz
regeln. Auf dem Lande haben diese,
im Eisenbahnwesen z. B·, schon einen
hohen Grad der Bollwmmenheit er
langt und werden durch neue Systeme
stetig verbessert. Von einem derartig
tornplizirtenArparat, ,wie er die-Entste-v
nenwege an Land sichert, tann natür
lich auf dem ungeheuren Ozean seine
Rede sein. Immerhin hat man auch
schon hier ganz bedeutende Fortschritte
gemacht. Licht- und Schallstgnale spie
len dabei die Hauptrollr.
Die Sicherung des Seeweges durch
Leuchtfeuer ist so alt,wie das schissahrt
treibende Menschengeschlecht. Diese
Flammenzeichen sollten theils vor
Klippen oder Untiesen warnen, theils
dem Schiffe die Einsahrt zur ges
schiitzten Bucht anzeigen. Sie wurden
an den Ufern an möglichst weithin sicht
baren Stellen angebracht, und dieses
führte schließlich zum Bau von Leucht
thürmen. Der berühmteste Leichtthurm
des Alterthums —— eines der 7 Welt
wunder der alten Welt — war derje
nige aus der Jnsel Pharos bei der Ha
feneinfahrt von Alexandrien, dessen
Bau im Jahre 283 v. Ehr. vollendet
war. Er soll die gewaltige Höhe von
500 Fuß gehabt haben und hielt sich
bis ins 14. Jahrhundert hinein. Noch
älter, und damit das älteste Bauwerk
dieser Art, war der Koloß von Rhodos,
der schon um das Jahr 670 v. Ehr.
durch ein Erdbeben zerstört wurde. Die
Leuchtthiirsme des Mittelalters waren
höchst primitive- Art: einfache Gerüste
aus Stämmen. an deren Spitze eiserne
Körbe oder Pfannen angebracht waren,
in denen schwäläide Pechseuer loderten.
Einen gewaltigenFortschritt machte die
Leuchtthurmbautunst im 19.Jahrhun.
deri, als man anfing, Eisen und Stei
ne anzuwenden. Den Engländern ge
bührt das Verdienst, die ersten
Steinhauten dieser Art in Eu
ropa errichtet zu haben; es sind
dies der berühmte Eddystone-Leucht
thurrn an der Südtüste u. der Leucht
thurrn aus dem Beil Rock an der Ost
tüste Englands, der 1811 vollendet
wurde. Von neueren Leuchtthiirmen
Englands ist der Bi hovRockthurm in
der Nähe der Scilln- nseln durch seine
Lage eines der am meisten derSee aus
gesetten Bann-erte. Die Brandung in
dieser Gegend ist wohl die schwerste, die
die europiiischen Küsten aufweisen. —
Auch die deutsche Jngenieurstunst hat
es im Leuchtthurmbau sehr weit ge
bracht. Unter die interessantesten
Leuchtthiirrne der Welt gehört der
Rothesawsteuchtthurm vor der Mün
dung im offenen Meere. Eins 1881
unternommener Versuch der Erbauung
mißlung, da ein furchtbarer Sturm die
Anfänge zerstörte. Jn den Jahren
1888 bis 1885 wurde der Bau von
Neuem unternommen und zu Ende ge
fiihrt. Am l. November 1885 zeigte er
uerst sein Licht. Der Thurm ist aus
isen ton ruirt und hat eine höhe
von 88 Fu . Er unterhält ein vorzüg
liches elettrisches Feuer, das 17 See
rneilen Deitgesichtet werden tann. Aus
dem Thurm befindet sich auch eine Te
legrapheniiation, von welcher die Mel
dungen der Schiffe nach dem Festlande
weiter gegeben werden. Diefe Telegrai
phenftation auf dem RothsandeLeuchts
thut-m i mit dem der anderen deut
schen fer-Leuchtthiirme in r
votragender Weise bei dem Schi ft
nachrichtendienst betheiligt, indem sie
gmmtliap bei ilpi lpiesn dorbeifahtenden
chiffe dem Postarnt in Bremerhaven
zu melden haben, welches die weitere
Verbreitung der Nachrichten besorgt.
Das Licht der Leuchtthiirme ift scht
verfchieden. Sie send theils mitDrums
mongchem oder Magmfva-Licht, theils
mit rgandfchen Oellampen oder elek
trischem Licht und mit Spiegel- oder
Linfensyftem ausgerüstet und zei en
entweder ein gleichmäßigeö (fe es
Feuer) oder nach bestimmten Geseten
veränderliches (Dreh- oder Blintfeuer)
Licht, fo daß der Schiffer ohne Weite
ies verschiedene Leuchtchürme unter
scheiden kann.
Andere Meerwegweiser find die
Feuerschiffe, die namentlich in Strom
miindungen und nahe den Küsten auf
gestellt und feft verankert sind. Sie
tragen am Mast Signallaternen, die fo
aufgehäugt sind,daß trotz allerSchwan
iungen des Schiffes das Signallicht
immer senkrecht hängt und so feine
Strahlen, stets in der gleichen Richtung
entsenden kann. Die Feuerschiffe sind
auch mit Dampspfeifen versehen. Weg-«
zeichen in den Strömen sind ferner die
Leuchttonnen (Bojen oder Balen),
ichivimmende, festvekanlerie Tonnen,
die mit tomvrixnirtem Leuchtgas ge
füllt sind, das innerhalb eines kleinen
Linsengiiriels brennt. Nichtleuchtende
Seezeichen sind außerdem Balentonnen,
Spierentonnen, Spitzetonnem Kugel
tonnen, Faßtonnen u. a. m.
Neben dem Licht machte man sich
auch den Schall als Warnungfrgnal
dienstbar, das namentlich bei undurch
dringlichemNebel von ungeheurem Nut
zen ist. Hierher gehören die Heultom
nen (Heulbojen),-l)ei denen durch die
Seebewegung ein gewaltiger, weithin
hörbarer Ton erzeugt wird, und die
Glockentonnen, deren Bewegung im
Seegnng ein Löutewerl in Thötigteit
setzt. Es muthetderrSeereifenden lehr
eigenartig an, wenn er auf hoher See
plötzlich melodisches Geläut — ähnlich
den Glocken der Alpentiihe — hört.
Bedeutende Erfolge sind in neuester
Zeit besonders mit den Unterwafser
gloclenfignalen erzielt worden« die tei
der Handelsmarine vorn Norddeutfchen
Lloyd in Bremen zuerst praltifch er
probt und eingeführt wurden. Der
Abparat besteht aus 2 Haupttheilenx
einer untergetauchten Glorie von beson
derer Form, die dazu dient, den Schall
unter Wasser hervorzubringen und dem
»Empfänger«, mit dessen Hilfe der von
fern herlommende Schall gehört und
feine Richtung bestimmt werden kann.
Eine große Anzahl Feuerschiffe der
ganzen Welt sind bereits mit dieser
Einrichtung versehen. Gerade die Er
findung der Unterwafserglodensignale
bedeutet für die Sicherheit der Seewege
einen außerordentlichenFortschritt. Die
moderne Technik arbeitet sich immer
mehr auf dieer Gebiete ein und wird
es schließlich dahin bringen. die Si
cherheit des Weges über die Meere so
zu ervolllommnen, daß auch dieWucht
der »höheren Gewalten« fiir die
Schiffahrt so treit es in Menschen
lriiften ftehi, gemildert und abgelentt
werden wird.
(Der Leuchtturm.)
Tod der Wittwe Gounods.
Jn Paris-ist, wie von dort berichtet
wird, Frau Charleg Gounod, die Wit
we des berühmten Komponisten, in ho
hem Alter gestorben· Sie hat ihren
Mann, dem sie nicht nur eine treue Le
bensgesiihrtin, sondern auch eine ver
stöndnisvolle Helferin bei seiner Ar
beit war, um fast aus den Tag genau
dreizehn Jahre überlebt. Sie ent
stammte selbst musikalischen Kreisen
und war die Tochter des Prosessors
am Pariser Konservatoriurn Zimmer
mann, in dessen Solon sich vor fünf
zig Jahren alle Musitgriißen begegne
ten, so Meyerbeer, Ander, Rossini und
Adam. Das eheliche Schicksal der
Gattin des Schöpfers von »Margare
te« und »Romeo und Julia« war nicht
leicht. Jn Gounod steckte ein starker
äug von künstlerischer Ungebunden
it, und mit der ehelichen Treue
nahm er’s wenig genau. Wehe aber,
wenn die Gattin gewagt hätte, ihm
daraus einen Vorwurf zu machen!
Sehr charakteristisch ist in der Hin
sicht solgende Aneldotr. Eines schdnes
Tages verschwand der Meister spurlos
aus dem Kreise der Seinigen. Er hatte
sich in eine schöne Sängerin verliebt
und mit ihr eine kleine Spristour nach
England unternommen. Monate ver
ingen, ohne daß er ein Wort von sich
Hören ließ. Eines Mittags jedoch, als
Madame Gounod mit ihren Kindern
bei Tisch saß, össnete sich pliihlich die
Stir, der Vermisite steckte den Kops
zum Zimmer hinein, ries: »Auch-at
Da balichls und nahm seinen ge
wohn Plan an der Familientasel
ein« gerade so, als wäre er niemals
sort gewesen. Und keiner wagte es, ihn
zu besragen, »woher er kam derFahrt.«
Cs ist noch lange nicht alles schon
einmal dagewesen. Da hat um Bei
spiel neulich eine Schauspieerin, der
Diamanten von riesigem Wert gestoh
len worden waren, den Beweis der
Wahrheit angetreten. So etwas ist
sicherlich noch nich dagewesen. .
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