Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 30, 1906, Sweiter Theil., Image 10

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(12. Fortsetzung)
»Da haben wir’s,« sagte sie mit
bedender Stimme. »Noch vor Ab
lauf der nächsten Stunde werde ich
vielleicht eine obdachttlose Bettlerin
fein. Aber mag es darum sein-! Jch
bin bereit, den Leidensielch bis zum
leiten Tropfen zu leeren.'«
Sie beauftragte das Mädchen, den
Generaldireitar in das sogenannte
Empgangszimmer zu führen. Aber
sie olgte ihm nicht sogleich dahin
nach. Denn obwohl ihr die Anwe
senheit ihrer Wgrin bei der be
vorstehenden -Unterredun-g keines
wegs sehr erwünscht war, wollte sie
doch unter allen Umständen verhin
dern, daß Zermann Schröder und
Marthe- allein miteinander blieben.
Darum erfuchte sie die junge Lehre
rin, sie zu begleiten, und wandte sich
entschuldigend an den Besuchen »Wir
dtirsfen den Mann l nicht warten
lassen, MAY-gen ii reiten-Leder -
ungeran tro- « « un er
Schicksal abhängt. Der ich werde
Sie bald wiedersehen — nicht wahr?
Sie werden einen Theil der Freund
schaft, die Sie noch immer fur Ger
ard hegen-, auch auf mich übertra
n und werden mich nicht ganz ver
assen?«
»Gewiß nicht!« erwiderte er, frei
lich mit einem Zaudern, das Hermine
im innerften Herzen empörte. »Ich
ziehe Ihnen wie Fräulein Winter
mmer zur Verfügung Sie haben
don mir jeden Beistand zu erwarten,
den ich leisten kann und darf.«
Hermine verstand den Sinn dieser
Einschränkung; aber sie verrieth
nicht, was in ihrem Innern vor
ging. Der warme Händedruck, mit
dem sie Hermann Schröder verab
schiedete, schien ihm vielmehr für seine
Zuiage innig zu danken. Als sie dann
gleich darauf mit Martha das Em
pfangszimmer betrat, war sie in Hal
tung und Gesichtsousdruck neur noch
die sanfte, gebeugte Dulderin, die
mit Ergebung ihr grausames Schick
sal trägt.«
Ein einziger rascher Blick auf den
Generaldirektor hatte sie über seine
Absichten beruhigt. Denn der atlte
rr, der irn Umaang mit Männern
a knurrig und bärbeißig war, setzte
Iedeömal eine ganz andere Mienes
auf, wenn er mit jungen und hüb
schen weiblichen Wesen zu thun hatte.
Die Ritterliehlseit gegen das schim
che Geschlecht, die fast allen Hagestol
zen in vorgerückten Lebensjahren ei
en ist. war bei ihm in sehr hohem
aße ausgebildet Für die junge
Frau des Rendanten, die bei ihren
gelegentlichen flüchtigen Begegnun
n niemals versäumt hatte, sich ihm
on der angenehmsten Seite zu zei
n, hatte er vollends eine ganz be
ondere Sympathie. Wenn er wäh
rend der ausregenden letzten Tage
jemals irgendwelchen Verdacht- ge
gen sie gehegt hatte, als könne sie
mit ihrem verbrechetiichen Gatten
im Einverständnis gewesen fein, so
war dieser Verdacht jedenfalls voll
ftändig wieder gescluounden. Er be
rüßte sie so freundlich. als wäre er
diglich gekommen, um ihr einen
Beiletdöbesuch abzufiattern Er lei
stete ihrer mit ersterbender Stimme
gehauchten Einladung sich u setzen,
nicht eher Folge als bis te selbst
auf dem Soia Platz genommen hatte.
Und ais sie dann mit echt weibliche-:
Klugheit seinen etwa beabsichtigten
Mittheilungen dadurch zuvortam, daß
sie voll demüthiger Ergebung sagte:
»Ich danke Ihnen-, Herr Generaldi
reitet-, daß Sie sie selbst bemüht ha
ben, um mir mein Schicksal zu ver
» künden. So werde ich es inuner noch
leichter tragen, als wen-n ich es aus
dem Munde eines unbarmherzigen
remden vernehmen wüßte« — da
tte sie dem alten Herrn geknübey
der sich herzlich f auf die Diplæ
matie des zarten Ge chlechts verstand,
das Spiel schon gewonnen
»Aber was denken Sie von mit,
meine liebe Frau Winter«, prote
siirte er verlegen. »He-be ich denn
etwas so Schaefrichtermäßiges in
meinem Aussehen? Von der Ver
kündigung eines Schicksals ist gar
nicht die Rede. Mein Besuch hat
viel ehet den Zweck, Sie wenigsten-Z
über Ihre nächste Zukunft zu beru
higen. Ihr Man-n —- von dem wir
im übrigen nicht weiter reden wol
len wenn es Ihnen recht ist —- Ihr
Mann hat Sie ohne nennensweethe
Mittel zurückgelassen nicht wol-tit«
»Don nicht, hetr Gepesaldirettori
äeh besitze noch etwas Geld. Und ich
tte es, wie Sie sehen, bereits ein
sepcckt, um es Ihnen zupft-klein«
Sie zog ein kleinei, vers-gelte
iickchen aus der Tasche, auf dem
iftnann, als sie es vor ihn auf den
ifch iegte, in der That seinen Ra
ssen les. Er musteete ei mit unge
Wem Mick und fragte nach eint
Räufpekm »Ein-as Geld sagen
its-sm. wievielistdenn wohl
MO«
Ists-OW
dreihunderiundzwanzig Denn drei
ßig Mart habe ich dazu verwendet,
dem Dienstmädchen den« rückständigen
Lohn- auszuzahlem weil ich es doch
wahrscheinlich heute oder morgen
werde entlassen müssen.«
Mit einer energischen Handhabe
gung schob der alte herr das Bäck
chen zurück. »Wir sind keine Blut
sauger, verehrte Frau! Wenn ich
dies Geld nehmen wiirde, wovon
wollten Sie denn morgen lebens«
»Ach, darauf kommt es ja jeht nicht
an. Es ist doch selbstverständlich daß
ich alles hergeben muß, was ich be
sehe. Sie können die Möbel abholen
lassen, wann es Ihnen beliebt. Auch
meine Schrnucksachen sind zu Ihrer
Verfügung. Es befinden sich noch
einige wertheollere Stücke aus mei
ner Mädchenzeit darunter. —- Jch
habe nichts bei Seite geschafft —
Sie dürfen es rnir glauben-«
»Aber das ist ja rein zu toll!« pol
terte er um seine Rührung zu verber
gen. »Womit habe ich es verdient,
daß Sie mir solchelllnerbietu n ma
chen? würde mich wahrha tig da
für ·be nten, Direktor einer Gesell
schaft zu sein, die es fertig brachte, sich
auf solche Art fiir einen armseligen
Bnechtheil ihres Verlustes schadlos
izu halten. Nein, wir werden Ihnen
sehensowenig Jhre Möbel fortnehmen
zwie Jhre Schmucksachen. -Und aus
; die Straße sehen wir Sie auch nicht,
; wie Sie es von uns erwartet zu ha
Iben scheinen. Sie können ruhig hier
I bleiben, bis Sie etwas anderes, Pas
sendes gefunden haben. Selbst wenn
auch noch einige Wochen darüber ver
- gehen sollten.«
Herrnine verbarg das Gesicht hin
ter dem Taschentuche Der General
direitor sah, daß sie heftig schluchztsr.
ICr fühlte sich offenbar immer unbe
haglicher in dieser Rolle eines erbar
znungslosen Gläubiger-s, zu der er
sich do ganz gegen seinen Willen ver
urtheilt sah.
»Helfen Sie mir doch liebes Frau-«
lein, Jhre Frau Schwägerin zu be-(
ruhigen«, wandte er sich an M«artha,’
die hinter einem Stuhl bei der Thit·r4
stehen geblieben war. »Oder baltenl
auch Sie mich vielleicht für einen (
hartherzigen Kerl, der einer schu -
Tosen, verlassenen Frau ihr lehtes di - l
chen Habe wegnehmen könnte?«
»Nein. Herr Direktor!" erwiderte
die Gesoagte mit einer herbheit, die
ihn überrascht aufhorchen machte.
»Aber wenn mein Bruder wirklich
der Dieb ist, für den sie und seine
Frau unsd alle Welt ihn ansehen, so
haben Sie, wie ich meine, gar iein
Recht, diese Anerbietungens zurückzu
weisen. Nicht auf Sie, sondern auf
ihn fiele alsdann der Vorwurf uns
um das Wenige gebracht zu haben,
das wir besaßen.«
,,Erlauben Sie, mein Fräulein —
da mischte ich denDdoch widerspre
chen. Es ist eine aute Sache um den
Grundsatz, daß wr allem die Gerech
tigkeit ihren Laus baden müsse Aber
man braucht darum die Menschlich
;ieit noch nicht ganz und gar aus der
JWelt zu verbannen. Jhr Bruder hat
i uns schändlich bestohlen, das ist außer
»allem Zweifel Und von seinem so
2 genannten Privatverniögen das er in
J der Eile mi- zunehmen vergessen hat
stönnen wir schon mit Rücksicht aus
« unsere Verantwortlichkeit Gen Aktio
; nären gegenüber nichts wieder heraus
geben. Aber es ist nach meinem per
sönlichen Empfinden damit Strenge
genug bewiesen. Wenn man von mir
Verlangte, ich solle der armen betroge
nen Frau nun auch noch das Letzte
fortnehmen, so würde ich mich mit
Händen und Füßen dagegen wehren.
Von Jhnen aber, mein werthes Fräu
lein Winter, kann bei unseren Scha
denersatzansprüchen ja vollends ar
nicht die Rede sein. Eine Schwe
hast-et nicht mit ihrem Besitzthum siir
die Verschuldungen des Bruders. «
»Aber es steht ihr doch wohl frei,
für ihn einzutreten, wenn sie es so
will Damit, daß man ihn füreinen
goerbrecher erklärt, nimmt man mir
ja ohnehin das einzige werthvolle
irdische Besitzthum die tin-befleckte
Ehre des Namens, den- ich mit ihm
theile Daneben hat alles andere
für mich keine Bedeutung. So lange
meines Bruders Schuldløsigleit nicht
sonnenllar erwiesen ist, würde ich
mich auf das bestimmteste weigern,
mein Eigenthum zuweist-nehmen«
»Aber ich verstehe Sie gar nicht.
hat man denn irgend etwas von Ih
nen verlangt oder gar genme
»Das was Sie als meims Bru
ders Hrivatvermö n mit Bes
belegt Haben, schl auch mein lei
mt Erbtheil, und die geri n Er
sparnisse m sich. die ich Ger rd zur
Unsdmahrung über eben hatte —
altes in allem v lleichi achts bis
sentelansend Mart.«
Unddassagensdenrirerstheus
nfn i -
statt-h znrtt . MÄÆ unt-Irrt
Idee staki Mag-M
glitt-Geld « DIE-Leben Sie
W, ans dem
—
des Jhnen gehörigen Betrages hervor
geht. Jch werde dann sofort die ge
eigneten Schritte thun."
»Ich wiirde Ihrem Verlangen
nicht entsprechen können. auch wenn
ich es wollte. Denn ein derartiges
Schriftstiick besihe ich nicht.«
»Aber Jhr Bruder muß doch Auf
zeichnungen darüber gemacht —- er
mut: Jshnen doch wenigstens eine
Ouittung gegeben haben.«
»Weshalb hätte er es thun solleni
Zwischen ihm und mir herrschte je-.
derzeit unbegrenztes Vertrauen-«
»Seht schön! Wenigstens von Ih
rer Seite. Er aber mußte als Kaus
mann wissen, daß man in solchem
Fall auch unter Geschwistern eine
ordnungsgemäßige Empfangsbeschei
nigung ausftellt. Wenn er Jhre Ver
trauensseligteit benth hat, um sieI
Jhnen vorzuenthalten. so hatte er’
eben von vornherein die Absicht, Sie;
um Jhr bißchen Geld zu betrügen-« s
M«artha, die sehr bleich geworden
war, richtete sich stolz empor· »Ich
lann Jhnen nicht verwehren, here
Direktor, meinen Bruder einen Dieb
zu nennen, soweit es sich um das mit
ihm zu leich verschwundene en
thuni Ihrer Gesellschaft han lt
Aber ich verbiete es Jhnen in Be ug
auf eine Angelegenheit, die a ein
ihn und mich angeht. Gerhard t
mich niemals betrügen wollen. er
das Gegentheil behauptet, der betei
digt mich ebenso tödtlich wie ,ihn.«
Der auf's äußerste betroffene alte
here fand keine Gelegenheit mehr,
ihr zu antworten, denn mit dem les
ten Wort schon hatte sie das Zimmer
verlassen, wahrscheinlich um die This
nen nicht sehen zu lassen-, die sie nicht
länger zurückzuhalten vermochte.
Frau hermine aber ließ endlich
die Hand mit dem Taschentuch inter
und sagte in bittendem Ton: » ehen
Sie wegen ihrer dreisten Reden nicht
szu strenge mit ihr ins Gericht, here
)Generaldirettor! Sie giebt sich eben
inoch immer der trügerisch-en hoff
Hnung hin, daß sie auf solche Art an
»die Schuldlosiigsteit ihres Bruders
glauben machen tönnte.«
»Ich bin wirklich erstaunt«, be
theuerte er. »Das junge Mädchen
ist ja gar nicht wieder zu erkennen.
Es fehlte nicht viel, und sie hätte von
mir Genugthuiing dafür verlangt,
daß ich es überhaupt gewagt habe,
in unehrerbietigen Ausdrücken voii
dem Herrn Rendanten zu reden. Ja.
ist sie denn wahrhaftig so naiv, ihn
itiockå immer für unschuldig zu hal
en «
»Erlassen Sie mir, bitte eine Ant
wort auf diese Frage! Sie ist meine
Schnsiigerim und ich möchte um des
Himmels willen nichts sagen das ein
ungünstiges Licht auf sie werfen
könnte. Auch ist mir leider nicht die
Gabe verliehen, in den Herzen der
Menschen zu lesen.«
Der Generaldireitor runzelte die
Stirn und blickte eine kleine Weile
in nachdenklichem Schweigen vor sich
hin. »Das Benehmen des Fräuleins
berührt mich doch eigentlich recht son
derbar« meinte er endlich. »Was sie
.da von ihrem Eigenthum sagte, das
l»wir gleichsam widerrechtlich mit Be
schlap belegt hätten —- tönnen Sie
ses mir bestätigen?«
»Leider nein. Sie selbst hat mir
nie zuvor davon gesprochen, und ich
erinnere mich auch nicht, von mei
nem Manne jemals etwas darüber
gehört zu haben. Aber es könnte ja
trotzdem wahr sein; denn die beiden
hatten beständig allerlei Heimlichtet
ten miteinander.«
»So —- sot Nun, ich will doch ver
suchen, dieser Sache aus den Grund
zu kommen, und wäre es auch nur,
um eine gesetzwidrige Bereicherung
meiner Gesellschaft zu verhindern. -—·
gaben Sie sonst noch etwas au dein
erzen, Frau Winters Jrgens ei
nen Wunsch vielleicht, den« ich zu er
füllen vermag? Genieren Sie sich
nicht, ihn auszusprechen! Sie wer
den ja darauf bedacht sein müssen,
sich auf die eine oder die andere Weise
eine Existenz zu griinden Und wenn
wir Jhnen dazu behilflich sein tön
nen —- —-— aber zum Denker-, liebste
Frau Winter, was machen Sie denn
da fiir Dummheiteni«
Bevor er im Stande gewesen war.
es zu verhindern, hatte sich nämlich
die junge Frau iiber seine aus deni
Tische liegende hand herabgeneigt,
W
um sie zu küssen. Bei der schmei
chelnden Berührung der weichen,
warmen Lippen hatte es ihn durch
zuclt wie ein elettrischer Schlag. Er
war roth geworden wie ein Mädchen
und sah in seiner Berlegenbeit noch
viel griniimger aus als sonst»
Hermine aber verlor nicht einen
Augenblick ihre ltung. «,,Ihre
Güte beschämt mich o tief, here Ge
neraldirettor, und i werde niemals
aufhören. Ihnen da "r dankbar zu
sein. Aber es hieße Mißbrauch trei
ben mit Ihrer Großmuth, wenn ich
das hochherzige Anerbieten anneh
men wollte. Allerdings bin ich im
Augenblick ganz mittellos, und werde
mir fehr bald irgend einen Brot«
iverb suchen müssen , um mich vor
dein Verhungern zu schützen. Aber
ich stehe ja g ücklicherweise nicht mehr
ganz allein. Mein Bruder hat sich
bereit erklärt, mir über die ersten
Schwierigkeiten hinwe uhelfen so
weit seine bescheidenen Ytittel es ihm
gestatten.«
»Na, das ist ja auch am Ede seine
Pflicht und Schuldigteit, und es freut
inich um Ihretwillen, daß er gerade
zur rechten Zeit aus Amerika zurück
gekehrt ist. Sollte et aber für den
Anfang dennoch irgendwo hapern, so
wenden Sie sich getrost an mich. Ich
bin ja ein ungefährlicher alter Mann,
dem Sie srch ohne Scheu anvertrauen
dürfen. Einen aufrichtiFn Freund
werden Sie allezeit an mir finden.«
Er stand auf und verabschiedete sich
hastig, als fürchte er, durch einen
neiien Dantbarteitsausbruch von der
Art des vorigen abermals in Ver
wirrung geseht zu werden.
Während er dann in das Kassen
zimmer hinüberging, brummte er
vor sich hin: ,,Eine prächtige ileine
Frau — und tausendmal zu schade
ür diesen ausgepichten luntenl —
Aber die Schwester! — ie wollte sie
ja nicht blos-stellen —- aber sie hat
irgend einen Verdacht gegen sie —
das ist sonnentlarl —- Wenn sie mit
dein sauberen Patron unter einer
Decke steckte —! Den Teufel auch
——-diesem rauenzimmervolt ist un
sereiner do niemals gewachsen-«
Er fand den Buchhalter Bartel,
der unter feiner persönlichen und
ziemlich scharfen Aufsicht den Posten
des Rendanten provisorisch verwalte
te, wie immer in emsigster Arbeit·
Er wartete, bis jener die eben begon
nene Rechnung beendet hatte, ehe er
ihn fragte: »Sei-gen Sie mal, Bar
tel, war nen über die Vermögens
oerhältni e unseres durchgegiangenen
Rendanten etwas Näher-es bekannt?
Hat er Ihnen jemals davon gespro
chen, daß er auch die Ersparnisse sei
ner Schwester in Verwahrung habe?
Oder haben Sie irgendwo eine Auf
zeigreuingBdarüher gefunden?«
r uchhalter berneinte. Aber
in seinen unruhigen Augen war eine
Frage zu lesen; und in der Hoff
nung, doch vielleicht noch zu einer
Aufllärung zu gelangen, wenn er
ihm alles mittheilte, wiederholte der
neraldirettor, was er soeben von
artha gehört hatte.
»Wenn die jung-e Dame die Wahr
heit gesprochen hat«, fügte er hinzu,
»miißte ihr das Geld natürlich wie
der herausgegeben werden. Aber sie
erhebt merkwürdigerweise gar keinen
Anspruch darauf und isie besitzt auch
nach ihrer eigenen Erklärung keiner
lei Dotumente, aus denen sie ihre Ei
Mthiunsrechte nachweisen könnte.
nn sich auch unter unseren Papie
ren nichts darauf Bezügliches vor
findet, wird sie also wohlan die
Wiedererlangung dieser angeblichen
Ersparnisse verzichten müssen.«
»Ich weiß nichts von diesen Din
gn, Herr Generaldirettor«, wieder
« lte Bartel, der mit gespannter Auf
merisamteit zugehört hatte. »Aber
es wäre doch sehr traurig für Fräu
lein Winter, wenn sie auf solche Art
ihr kleines Vermögen verlöre.«
.,Allerdings —- vorausgefehh daß
sie es in Wirklichkeit jemals besessen
hat. Ich he nämlich in dieser
hinsicht gewiss: Zweifel. Nicht in
dieser Hinsicht allein, sondern —- —
aber das sind Sachen, die Sie weiter
nichts angehen-. Sieben Sie etwa
in irwndivelchen Beziehungen zu der
jurisiri Dami«
Buchhalter schüttelte den Kopi,
als gelte es eine geradezu ungeheuer
ltche Zumuthung zurückzuweisen.
»Ich? — O nein, herr Generaldirets J
W
siettriuhklsskc
ki-· wss VII- s IT O’ s? TAFEL HU
Wa- hqom S- dem d« gnug-Its «
! SUPERNka ich wund-se mich bloß, wie der gerade biet hereinge
sammt
Ra, was ist den-a da vtinf
Natürlich a Wackrer
Dampf m Muth usw«-wissen
O«
tot! Jch kenne sie eigentlich nur vonl
Ansehen und habe noch keine fiinfzig’
Worte mit ihr gefprochen." (
»Nun, um so besser! Es ist auchi
nicht nöthig, daß Sie gegen irgenvl
jemand etwas erwähnen von dem,4
was ich Ihnen soeben gesagt fabei
Betrachten Sie es als eine vertrau-»
liche Miitheilung — und lassen Sie
sich jetzt gefälligst nicht länger in Jky
tet Arbeit fiötenk« (
13. Kapitel
Als an diesem Abend die Bureaus
der Glückausgesellschaft geschlossen
wurden, ging der Buchhalter Vartel
nicht wie sonst auf dem titrzesten Wege
nach Hause,«sondern machte einen lan
gen Spaziergang iiber die Promenade
und durch einige weniger belebte Stra
ßen. Aber es war wohl kaum das
Bedärsnisz na dem Genuß der fri
chen Abnidlust, das ihn dazu be
timinte. Der gespannte Ausdruck sei
nes Gesichts. die tiefen Falten auf set
ner Stirn und die Belprrlichleih mit
der er während des Gehens vor sich
hin auf denVoden starrte, ließen er
ennen, dass sein Geist sich in- ring
strengter Thätigbeit befand. Jn r
T t hatte der Buchhalter diese aus
ge hnte Abendpromenade nur unter
nommen, um ungestört iiber etwas
nachzudenken, das ihn seit seiner letz
ten Unterredung mit dem General
dioeltor unausgesth beschäftigt nnd
beunriihtgt hatte.
Für ihn unter-lag es nicht dem LFe
ringsten Zweifel, daß Martbas -
gaben iiber ihr tleinesPrivatvermiii
gen vollständig der Wahrheit entspra
chen, undes machte ihn unglücklich, zu
denken, daß sie durch seine Schuld
ihres Eigenthnms verlustig hen
sollte.- Denn, daß er allein schul da
ran war, wenn es geschah, war ihm
sogleich mit voller Klarheit zum Ve
tvuszifein gelommen. Ob nun Ger
Tird Winter oder irgend ein anderer
nGeldschranl geleert hatte, jeden
falls hätte ja der Diebstahl nicht ver
iibt werden können, wenn er bei der
Auffindung des vermeintlichen Tod
ten Liirm geschlagen hätte, statt der
Versuchung des Augenblicks zu unter
liegen. Er allein war es, der die
junge Lehrerin bestohlen hatte, under
mußte darum auch auf ein Mittel sin
nen, ihr das Verlorene zu ersetzen.
Alle anderen Vorwürfe seines Gewis
sens konnte er vielleicht zum Schwei
gen bringen, nur nicht den Vorwurf,
gerade ihr, die er mit leidenschaftli
ckser Inbrunst liebte, ein Ungemach be
reitet zu haben. Ossen oder heimlich,
aus geradem oder lrummem Wege, er
muss-i- sie schadlos halten siir ihren
Verlust. Das mußte aber bald ge
schehen, damit sie nicht erst der Gefahr
ausgeseht wurde, in Noth und Ver
zweiflung zu gerathen.
Er nannte sich einen blöden Dumm
lovi, daß er vorhin die leste und
nächstliegende Gelegenheit dazu une
ntin hatte vorübergehen lassen. r
hätte ja nur die Frage des General
direttors dahin zu beantworten brau
ckxin daß ihm der Rendant von den
Eriparnissen seiner Schwester gespro
chen habe, die er zugleich mit dem ei
genen Privatvertnögen da drinnen im
Tresor verwahre. Aus solches unver
diichtige fPeiignisz hin würde man sie
ihr gewi zurückgegeben haben; denn
es lonnte ja niemand ahnen, was er
siir sie empfand. Aber für dies sichere
und einfache Austunftsniittel, das zu
ergreifen es ihm im rechten Augen
blick an der nöthigen Geistesgegen
wart gefehlt hatte« war es nun leider
zu spät, und er mußte auf anderes
sinnen.
Hundert verschiedene Pläne entstan
den in feinem lebhaft arbeitenden
Geiste, und alle mußte er sie schließlich
als undurchführbar verwerer, weil
sie ihn entweder nicht mit voller Si
cherheit an das ersehnte Ziel gebracht
hätten, oder weil die Gefahren zu
os; gewesen wären, denen er selbst
ch damit aussetzte.
Ermüdet von dem langen Wegund
von der fruchtlosen, ausreibenden Ge
dankenarbeit, langte er endlich wieder
in seiner Wohnung an. ohne daß ir
gend eine seiner zum Theil sehr phan
tasiiichen und abenteuerlichen Jdeen
bis zu einem seiten Entschlusse aus
gereist wäre. Wie er es allabendlich
nach der Heimtebr that, oerriegelte er
hinter sich die Thür, hängte ein Hands
tuch iiber das Schlüsselloch und über
zeugte sich mit ängstlicher Sorgfali,1
daß das Fensterrouleaux leine Ritze
offen ließ, durch die man ihn etwa
von dern gearnüberliegenden Flügel
aus ·«tte beobachten können. Dann
erst « inete er die Schublade, in der er
in Ermangelung eines besseren Ver
steeis noch immer seinen Schatz ver
wa rie, und breitete die Scheine beim
Li derLampe vor sich auf der Tisch
platte aus.
Die furchtbare Aufregung, die sich
inner lb der ersten vierundzwanzig
Stu en nach der That seiner bemätgx
ttgt hatte. war inzwischen beina
ganz geschwunden. Nur zuweilen
noch, wean er in der Nacht aus einem
schweren Traume emporfuhr, fii te er
sich non adergliiubischen Anwan luns
n beiingsttgt. Seine Lage hatte sich
Edurch den riithse'haften Verlauf
r Dinge über alle Erwartung gün
ig gestaltet. Schon heute durfte er
ede Gefahr einer Entdeckung als be
eit t ansehen, wenn er nicht etwa
etbi eine Dummheit machte, die dien
dacht auf Im lenkte.
Aber er hatte troßdem noch immer
nicht die rechte Freude an feinem to
leicht erworbenen Miti. Diese neuen
Bantnotem die seine inger liebtosien
und die er mit zärtl chen Blicken be
trachtete, erschienen ihm noch immer
wie fremdes Eigenthum, baser eines
Tages würde herausgeben miiisem
und während ihm sonst jeder Thaler,
den er seinen largsligen Ers rnissen
hinzugefügt hatte, eranlafficilng Ze
wesen war, die herrlichsten Luftschksi
ser zu bauen, hatte sich seine Phantias
sie jetzt noch nicht einmal zu einein
-Plane aufschwingen können, wie er
seinen Schaß anlegen und zur Grund
lage für die erträumten unermeßlichei
Reichthümer machen wiirdr.
Das seltsamite aber war, daß et
jetzt nicht einmalBetriibniß empfand
bei dem Gedanken, einen wesentlichen
Theil seiner Beute wieder hergeben zu
sollen-er, den die Reue iider einen
wecklos ausgegebenen Groschen sonst
fiundenlan verstimmt hatte. Da er
lein Mitte hatte ersinnen können, wie
man die Ge ellschast ur Aushiindii
gung von arthas Zrivatvermiigeir
zu bestimmen vermöchte, düntte es
ihn selbstverständlich daß sie das Geld
von ihm zurückerhalten miisse, und
halb mechanisch beganner eine Sum
me von neuntausend Mart von den
übrigen Kassenscheinen abzusondern.
hätte es ohne Gefahr eschehen kön- '
nen, so wtirde er wahrFeinlich nicht
gezögert haben, ihr ciesen Betrag
ohne weiteres zu iibersenden.
Bartel hatte aber doch Ueberlegung
genug, sich zu sagen, daß von einer
Uebersendung der Geld-stimme ans
Winters Schwester nicht die Rede sein
könne. Denn er kannte die unbestech
liche Lauterleit ihres Charakters, und
es war während dieser letzten Tage in
seiner Gegenwart so oft von der Hal
tung gesprochen worden-, die sie der
abweichenden Auffassung der anderen
gegenüber bewahrte, daß er dadurch
hinlänglich zur äußersten Vorsicht ge
mahnt wurde.
Er wußte, daß Martha das Geld
nicht stillschweigend hinnehmen wür
de» nnd er mußte fürchten, daß etwaige
polizeiliche Nachforschungen nach dem
anonvmen Absender fiir ihn leicht
verhängnißvoll werden lönnten. Da
run: galt es, allen Scharfsinn anzu
strengen, damit ihin nicht gerade diese
Recung eines Edelmuths, der seine
Ur,ache freilich allein in seiner schwär
nierifchen Liebe siir die schöne junge
Lehrerin hatte, zum Verderben ge
reiche.
Er sann und grübelte. den Blick
immer auf seine Schätze gerichtet, bis
lange nachMitternacht, und auch dann
war er noch nicht zu einein bestimm
ten Er bniß gekommen. So viel nur
war i m bei seinen gründlichen Er
wägungen llar geworden, daß er ihr
nicht die gan e Summe auf einmal
zukommen la« en dürfe, und daß er
siir die Ueberniittlung einen anderen
als den brieflichen Wegs wählen müsse.
bei dem ein Federzug, ein Poststempel,
ja selbst das Papier des Vriesums
schlag-s unter Umständen an ihm zum
Verräther werden Wnntr. Deshalb
steckte er nur einen der sunlelnaixb
neuen Tausensdmartscheine in seine
Brieftasche und brachte das übrige
wieder an dem gewohntenPlaße unter.
»Wenn ich ihr nur diese tausend
Mart unauffällig in die Hände spie
len tann,« dachte er, »so ist sie doch
wenigstens fiir die nächste Zukunft
gesichert. Und später-—später findet
sich schon Rath.'«
Seine Pulse jagten schneller, als er
sich, auf sein hartes Lager hingestreckt,
in die Vorstellungen verlor, die sich
fiir ihn mit diesem unbestimmten
»spii1er« verknüpften Das Mädchen,
das er mit so verzehrendrr Leiden
schaft liebte, hatte ja in seinen Ge
danken aufgehört. die unerreichbare
Göttin zu sein, die er wohl demüthig
anbeten, doch nimmermehr zu besitzen
hoffen durfte. Sie selbst hatte ihm
gesagt, daß dunlle Abstammung oder
niedere Hertunit fiir sie tein Hinder
niß sein würden, einem Manne ihre
Achtung zu schenken. Er wußte aus
ihrem eigenen Munde, wie warmes
Interesse sie für den Romanhelden ge
siihlt hatte, der doch nur ein eltern
loser Findling gewesen war. Und
wenn er auch nach dem Maße seiner
Bildung und seiner Anlagen nicht
gleich jenem berufen sein konnte, große
Geistesthaten zu verrichten, so stand
ihm doch nach seiner innersten Ueber
zeu sing darum nicht weniger der Weg
zu en Höhen der menschlichen Gesell
schaft offen-. Wenn nur diese Dieb
stahlsgeschiehte erst so weit in Verges
senheit gerathen war, daß er seine
Stellung bei der Vergwerlsgesellschaft
ausgeben und die sruchtbringende »Ar
beit« mit seinem Gelde beginnen
lonnte, dann miåeäiteöjls åhm lgvdl ükg
Nacht gelingen, s· ii an ensgo
xschiminernden Flügeln zu fassen. Und
dann-er lächelte beseligt, als ersieh
den Augenblick ausmalte, da er das
eliebte Weib zum erstn Male in seine
ärme schließen werde und mit dem
holden Zulunftsbild in der Seele
schlief er ein«
(Fortseßung folgt.)
»Die Eitelkeit muß man sich abge
wöhnen. wenn man ein großer Mann
fein will.« So toll bekanntlich die
Potnpadur zum Minister Choiseul ge
sagt haben. Jn Wirklichkeit darf man
»sich aber die Eitelkeit gar nicht ange
wöhnen, wenn man ein großer Mann
werden will.
·- i ·
,,Waruni wallenSie vom Geschwiste
nendienft entschuldigt lein?« fragte der
Richter. i-— »Euer Ehren, ich denke . . .«·
«Entkchnldigt! Jbr Grund ifi ein sehr
triftiger.«