Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 23, 1906, Sweiter Theil., Image 10

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Die Frau des chdantcn.
KriminaliRoman von A. O. Klaufzmanm
(11 FortsegungJ
Nach einer turzen Pause fuhr der
Untersuchungsriebter zum Kommissar
gewendet fort: »Ich wiederhole, des:
ich auf Grund der empfangenen Ein
drücke die Ueberraschung der Frau
Winter wie ihre Verzweiflung und
ihre Eutriistung gegen den verspreche
rifchen Gatten fiir durchaus ungehin
xtelt hath Wenn die Frau von der
lbsicht ihres Mannes Kenntniß ge
habt oder ihn gar dazu aufgestachelt
hätte, würde sie jetzt auch viel eher
deiniiht sein, ihn zu entlasten, statt
ihn so rückhaltslos preiszugeben wie
sie es im Gegensaii zu ihrer Sehn-ä
gerin gethan hat«
»Im Gegensah zu ihrer Schnsäges
rin, Herr Raths«
»Nun ja! Die Schwester glaubt
eben noch immer an seine Sehn-div
sigteit, oder sie schämt sich doch einzu
gestehen, daß sie nicht mehr daran
glaubt. Für verdächtig aber kann ich
darum auch sie noch nicht halten. Tie
Ferlsershelferinnen eines gemeinen
Diebes pflegen anders auszusei;e.i,
als diese junge Lehrerin.«
»Sie wünsche-i also nicht, daß di e
beiden Damen polizeilich beobachtet
werdens-«
»Wenn Sie es fiir nöthig oder
Rveckmiißig halten —- meinetwegen!
ur möchte ich wünschen, daß es in
möglichst riietsichtsvoller und unauf
fälliger Weise geschieht. Wenn fe
keinen Antheil an der Sache haben,
Lfind sie wahrhaftig ohnehin schwer ge
nug heimgesucht.'«
»Man wird selbstverständlich mit
paller Schonung und Distretion zu
Werte gehen Und fiir etwaige schär
fere Maßregeln wie erneute Heu-Zin
changen oder dergleichen, serde ich
mich rorher jedesmal di- Zustiin
mung des Herrn Untersuchungsrich
ters bersichern. — Jst iibrigens ocL
Nummernverzeichniß der Kassenschei
ne schon gedruckt?«
»Ja. Jch habet mir eben eine An
zahl von Abzügen geben lassen Da
— ich stelle sie Jhnen zur Verfü
ngUg
Tier Kommissar ils-erflog mit ra
schern Blick eines der in Form der ge
wöhnlichen polizeilichen Laufzettel be
dturtten Blätter. ,Die Nummerirung
är Hunderimartscheine ist mit ver
hältnißnieißig wenigen Ausnahmen
eine fortlaufende,« sagte er »Es muß
sich also um ganz neue, direkt voifder
ei sbaeit getommeneNoten handeln,
die ich noch nicht im Vertehr befun
den haben. Das könnte uns mög
licherweise von großem Nutzen sein.«
»Doser wir es!—— Aber nun tön
nen wir, wie ich denke, auf eine wei
tere Inanspruchnahme dieses Zim
mers verzichten. Meine Anwesenheit
hier im Hause hat leinen Zweck mehr
und ich werde alle weiteren Verneh
mungen zu dieser Sache im Gerichts
gebäude bewian Haben Sie mir
noch irgend etwas zu sagen, Herr
Kommissar?«
»Nein-bis auf eine Frage. Daß
der Pförtner Nitschle außer Beobach
tung estellt werde, haben der Herr
Unteruchungsrichter ja bereits ange
ordnet. Jch möchte mich aber auch da
riiber informiren, ob gegen den Buch
halter Bartel noch ein Verdacht vor
liegt, der sein-e Beobachtung nothwen
dig erscheinen läßt. Jch habe augen
blicklich nur wenige Beamte zur Ver
fügung und möchtei hre Kräfte nicht
gern an eine zwecklose Aufgabe ver
geudei sehen.«
,,Lafsen Sie den Buchhalter in Got
tes Namen unbehelliat feines Weges
gehen. Seitdem wir die Kombination
mit- dem Morde aufgegeben haben,
entfällt jeder Verdacht gegen den
Mann.«
»Das war auch meine Ansicht. Der
Hamburger Brief des Herrn Rendan
ten hat uns wenigstens davor be
wahrt, nnsere Zeit noch länger auf
einer falschen Fahrte zu verlieren.«
12.Kapitel.
Es war am vierten Tage nach ihres
Mannes räthselhaftem Verschwinden,
als Frau Hermine Winter emsig
schreibend in ihrem Zimmer saß. Der
Eifer, mit dem sie sich Dieser Beschäf
tigung hingab, hatte ihre Wangen ge
töthet. und sie sah wieder so hübsch
aus, als wäre das furchtbare Ereigniß
und der anfangs so bedrohlich schei
nende Krankheitsansall völlig- spurlos
an ihr vorüber gangen.
Dabei hatte ich inzwischen nichts
ereigner, das danach angethan gewesen
wäre, sie freudiger und hoffnungs
voller zu stimmen. Das Dunkel, das
Tiber dem Vers-leih des flüchtigen
Rendemten schwebte, hatte sich nicht
liest-e Mem hanc seit jenem in
äcmbnrg ausgegebenen Bei-se kein
benizeichen mehr von ihm erhalten
Wenn sie nicht ängstlich vermieden
hätte, eineseitnng zur Hand zu neh
m, wiirde Dennine in allen Blät
tern seksen habet-, daß der Kassirer
jkk psyusnesdeäschaskcan alles
DREI-s Mk sc I e Un
verwaisten Diebe sei, von dem die
« M Krisninalksiik zu berichten
, »Ist s» san-er hatte die schru
dar mit einer benei
-—- — ---—-----"--"
kdenswerthen widerstandsfähigen und
« elcistischen Natur begnadet, wo sie sich.
te, verzehrte sie sich nicht mehr in
zweckloser Verzweiflung und unfruch«
barem Jammer, sondern arbeitete
überlegt und zielbewußt daran, sich
auf den Trümmern ihres «zerstörten
Lebens«, wie sie den gegenwärtigen
Zustand in den ersten beiden Tagen
tausendmal genannt hatte, eine neue
Existenz auszubauen.
Welcher Art ihre Pläne und hoff
nungen waren, würde sie wahrschein
lich auch dann als ihr Geheimniß be
wahrt haben, wenn ihr Verhältnifz zu
Martha freundlicher gewesen wäre,
als es sich in der That seit der ver
hängnißoollen Katastrophe gestaltet
hatte. War sie doch selbst ihrem Gat
ten gegenüber niemals sehr mittheil
sank gewesen-und hatte ihn von ihren
Entschlussen in wichtigen wie in un
wichtigen Angelegenheiten gewöhnlich
erst dann unterrichtet, wenn sie zu
vollendeten Thatsachen geworden wa
ren.
Sicher war nur, daß sie in ihrer
Bedriingniß zunächst an den aus Ame
rika heimgetehrten Bruder gedacht
hatte. Schon am Morgen nach ihrem
Eintresfen aus Spindelrniihte hatte sie
an George Millers Berliner Adresse
ein Telegrarnm mit der dringenden
Bitte abgesandt, daß er unverzüglich
nach Breslau kommen möge, weil sie
in einer oerzweiselten Lage seines
Beistandes bedürfe.
Aber erst nach Verlauf von vier
undzwanzig Stunden war seine te!e
graphische Antwort ein etrofsen. Sie
hatte Hersmine eine gro Gurt-ansch
ung bereitet, denn sie lautete: »War
verreist. Kann im Augenblick leider
nicht abkommen. Brief solgt."
»Er will nichts mit mir zu schaffen
haben, weil er fürchtet, daß ich ihm
zur Last fallen tönnte,'« hatte Her
mine voll zorniger Bitterkeit txtme
pfang dieser Ablehnung gedacht. Es
waren nicht eben freundliche Empfin
dungen fiir den offenbar ganz in
»amerilanischen« Anschauungen leben
den Bxuder gewesen, die ihre Seele be
wegt hatten. Sie erinnerte sichLessem
was er ihr aus der Fahrt vom Bahn
hose über die verwandtschaftliche Liebe
gesagt hatte, und sie zweifelte nicht,
daß der oerheißene Brief von dersel
ben Art fein werde wie das Tele
grarnm, mit dessen Abfendung er je
ldyejrtitfalls absichtlich so lange gezögert
c.
Um so angenehmer war dann ihre
Ueberraschung gewesen« als sie am
nächsten Morgens ein in den wärmsten
und herzlichsten Aus-drücken abgefaß
tes Schreiben erhielt, das ganz danach
angethan war, ihre Meinung von dem
Charakter des Bruders gründlich zu
andern.
wie jetzt, allein und unbeobachtet wuß- «
weinge schrieb, Satz et durch Die
schreckliche Neuigkeit, die er ganz un
vorbereitet aus einer Zeitung erfahren
habe, völlig niedergeschmettert worden
sei und sicherlich auf der Stelle zu ihr
geeilt wäre, wenn er nicht eben jetzt
durch wichtige Konferenzen, von derer.
Verlauf vielleicht seine ganze geschäft
liche Zukunft abhängig sei, in Berlin
zurückgehalten wiirde. Die Hand-—
lungsweise feines Schwagers sei ihm
unbegreiflich, wenn er auch« nicht ver
hehlen könne, daß ihn während seines
Breslauer Aufenthaltes manches in:
Benehmen ihres Mannes befremdet
und stutzig- gemacht habe. Jetzt aber
täme es ja nicht darauf an, sich über
das-, was- geschehen sei, den Kopf zu
zerbrechen, sondern darauf, den kom
mende-i Ereignissen fest und ruhig
entgegenzugehen. Er habe der Schwe
ster schon bei seiner Ankunft tein
Hehl daraus gemacht, daß er nicht
reich fei. Aber er sei doch auch nicht
so arm, daß er ihr den brüderlichen
Beistand versagen müsse, den sie in
ibrer augenblicklichen Nothlage mit
vollem Rechte von ibm erwarten dürfe.
Wenn sie Geld brauche, solle- sie es
sihm unbedenklich mittheilen, denn er
würde mit Hilfe feiner geschäftlichen
Verbindungen innerhalb einiger Tage
wohl eine hinlänglich große Summe
flüssig machen können. Jm übrigen
aber hege er in ihrem Interesse den
dringenden Wunsch, möglichst aus
führlich über alles unterrichtet zu wer
den, was mit dein Verschwinden ihres
Mannes in Zusammenhang stehe. Ge
rade weil mai sie vielleicht eines Ta
es» verdächtigen könnte, im Einver
ständniß mit dem Flüchtigen gewesen
zu sein, und weil er dann gerüstet
fein wolle. für sie einzutreten,. sei es
durchaus nothwendig, daß er von ihr
über allei, was sich bis Jeht ereignet
habe und noch weiter ereignen werde,
auf dein Laufenden erhalten werde.
»Die Zeitungiberichte,« lchrieb er,
»die ich natürlich mit großer Aufmerk
samkeit be o e, find oft unzuverlii -
sig und an r bei weitem nicht o
ausführlich als ich es wünschen mu .
Wenn ichei hätte ermöglichen können,
nach Breilau zu kommen, wär-de ich
mich is innerhalb weni Stunden
genügend informirt ha n. Da es
wie aber zu meinem größtes-Bedauern
versagt bleibt, must Du Dich schon
der peinlichen Aufgabe unterziehen.
mir die verlangten Institan zu ge
ben. Bleibe dabeietngedent daß es
für mich in dieser·Angelegenheit über
haupt nichts Geringsügiges und Be
langloses gibt. Auch das scheinbar
Nebensächliche laan unter Umständen
roße Bedeutung gewinnen. Jch er
fuche Dich deshalb nochmals drin
gend, mir nichts zu verschweigen, was
Tit über die bisherigen Ergebnisse der
Untersuchung belannt geworden ist.'«
Diesem. mit so großem Nachdrua
ausgesprochenen Verlangen suchte Her
mine heute nach besteuKriiften zu will
fahren. Sie hatte bereits acht eng be
schriebene Briefseiten mit ihrem Be
richt gefüllt, und war damit noch
lange nickt zu Ende, als sie durch den
Eintritt des Dienstmädchens unter
brocken wurde.
»Der Herr Rechtsanwalt Schröder
fragt, ob er Frau Winter sprechen
lönnte.«
Rasch schob die junge Frau die
Brieskogen unter das Löschblatt der
Schreibmappr. »Gewiß! Führen Sie
den Herrn Rechtsanwalt .herein.«
Nocks ehe der Gemeldete auf der
Schwelle erschien. hatte ihr hübsches
Gesicht wieder jenen Ausdruck tiefer
Betriibntß angenommen, sder bei ihren
ersten Vernehmungen dem Untersuch
ungsrichter so zu Herzen gegangen
war. Bei Schröders Eintritt betupfke
sie mit dem Taschentuch die Augen,
als gelte es, Die Spuren eben vergaffe
ner Thränen zu tilgen.
,,Haben Sie Dank für Ihr Kom
men, mein Freundl« sagte sie mit mat
ter Stimme, indem sie ihm die Hand
reichte. Jch wagte taum daraus zu
hoffen, saß Sie meiner Bitte Folge
leisten würden.«
»Sie haben mir mit solchem Zweifel
sehr unrecht gethan,« erwiderte er herz
lich. «Oder sollte der Brief, m welchem
ich mich Jhnen gleich am ersten Tage
nach dem Bekanntwerden des Un
lücks zur Verfügung stellte, nicht in
breit Besitz gelangt sein?«
»Buch! Jch habe ihn erhalten. Ich
war in tiefster Seele ergriffen von
Ihren warmen und theilnehmenden
Worten. Wird man doch in solcher
Lage nur zu leicht an allen Menschen
irre. Und weiß man doch erst im Un
glück wahre Freundschaft nach ihrem
ganzen Werthe zu schätzen!«
Durch eine müde Handbewegunzs
hatte sie ihm bedeutet. ihr gegenüber
Platz zu nehmen, und er leistete der
Aufforderung Folge.
»Ich hätte Ihnen das alles viel lie
her mündlich ausgesprochen,« sagte er.
»Aber man theilte mir mit, daß Jhr
Besinden die Annahme von Besuchen
verbiete. Es gibt Situationen, in
denen man noch weniger aufdringlich
als theilnahmlos erscheinen möchte.
Nun aber. nachdem Sie selbst diese
llnterredung gewünscht haben, ist es
mir vor allem ein Bedürfnis, Ihnen
zu versicheru, daß ich Gerhard nigt
für schuldig halte-wenigstens ni t
für schuldig in dem Umfange, wie alle
Welt es jetzt noch glaubt. Jch tenne
ihn ja seit den Ta en seiner Kindheit.
Und wenn ich au in meinem Leber-.
schon manche schmerzliche Enttiiufch
ung erfahren habe — daß ich mich
über die Lgrtterleit und Ehrenhaftig
teit seines Charatters so ganz im
Jrrthum befunden haben sollte, san-i
ich doch nimmermehr für möglich h;.’.:
ten.«
»Sie wollen mich trösten, nnd ich
danke Jhnen für die freundliche Ab
sicht. Aber meine Lage ift leider nicht
derart, daßich mich in eine.wohlth
iige Selbfttiiufchung einwiegen und
meine Augen vor der grausamen
Wahrheit verschließen dürfte-. Ich
kann so wenig an die Schuldlosigteit
meines Mannes glauben, als ich trotz
allen Grübelns und Sucheng eine Er
tlärung für feine Handlunggireise zu
finden vermag-«
,Taran, daß er mit dem fremden
Gclze entslohen ist« läßt sich ja aller
rings taum noch zweifeln. Aber ehe
man mir nicht das Gegentheil bewie
fen hat, werde ich immer daran fest
halten, daß er unter dem Zwange von
Umständen gehandelt hat, die seine
Geistegtlarheit beeinträchtigen und
ihn mehr oder weniger unzurech
nungsfähig machten. Jst denn das
nicht auch Ihre Meinung?«
»Ich möchte zuvor eine Erkläruan
für diese plötzliche Unzurechnunggs
fähigteit haben, ehe ich daran lauben
tönnte. -— Nein, nein, meinz Kund,
betrügen wir uns nicht! Suchen wir
nicht zu beschönigen, was sich nach
Lage der Dinge nicht mehr beschwi
gen läßt. Der Mann, dem wir beide
unser volles Vertrauen geschenkt hat
ten, ift ein ehrloser Dieb. Und der
Name, den zu tragen ich verurtheilt
bin, ift durch ihn für immer mit dem
krank-mal der Schande behaftet wor
en.«
Sie führte wieder das Tafchentuch
an die Augen. Dann aber. nach einem
fetundenlangen Schweigen, richtete sie
sich plötzlich energisch aus ihrer e
brochenen aktunig au . »Ich habe ie
um Jheen such M ten, weil ich
Ihr-es Beiftandei bedarf. Wenn Sie
ein klein wenig Mitleid für mich füh
len, distfenS ihn mir nicht versa
gen. Man sann mir nicht zumutbem
diesen fchenachbedeckten Namen bis an
das Ende meines Lebens B tragen.
Es Inn und ei wird ein ittel ge
ben, ni von ihm zu befreien.«
Peinlich überrascht bückte der
Rechtsanwalt auf. »Deer ich Sie
recht, Frau Winters Sie denken an
eine Scheidungk«
»Ja. Und zwar je eher, desto besser.
Mir ist, als obteh mit einer häßlichen
Krankheit behaftet wäre, solange ich
mich gewisser-nahte all zu dlefein
Menschen seher betrachten mnßk
»Ich gestehe, daß ich darauf nicht
vorbereitet warf sagte er offenherzig,
und ich möchte-Sie dringend bitten,
Jhre Entschließungen nicht u über
eilen. Wie start auch in diesem Au
genblick der Schein gegen Gerhard
sprechen mag, nochisi rgfsti bewiesen.
eDie Möglichkeit ist nicht ausgeschlos
sen, daß eines Tages eine Aufklärung
erfolgt, die Sie ilber seine handlungs
weise iehr viel milder denten läßt« als
heute.«
,,Eliiemulö!« unterbrach sie ihn hef
tig. »Was er auch immer zu seiner
Rechtfertigung vorbringen könnte —
die Schmach, die er mir angethan, die
Verachtung, der er mich preisgegeben
hat« würde ich ihm doch nimmermehr
rerzeihen Soll ich diese Verhaßte
Stlavenlette als eine Geiichtete und
Llusgestoßene weiterschlevpen, wäkk
rend er irgendwo im Ueberfluß
schweigt und vielleicht den zügellose
sten Gebrauch mackt von e. ner Frei
heit, die er sich auf verbtecherische
Messe verschafft hats«
»Wiire es ein anderer als mein Ju
gendfreund Gerharty von dem wir da
reden. so wiirde ich Jhnen vielleicht
zustimmen, dsin ich verstehe ja recht
gut, wie tief Sie sich getränkt fühlen
müssen. Aber er ist wahrhaftig nicht
der Mann, der in sorglosem Leicht
sinn die Früchte seines Verhrechenö
genießen und in ziigellosen Genüssen
schweigen könnt-. Ob ihm seineFlucht
nun gelingen mag oder nicht, er wird
doch teine ruhige Stunde mehr haben
und bis an das Ende seines Lebens
sder unglücklichsie aller Menschen
ein.
»Gott ich ilfn vielleicht obendrein be- E
mitleiden?« fragte sie höhnisch. »Wenn
es so ist, wie Sie sagen, erlitteer da-;
mit denn etwas anderes als eine hun
dertfach verdiente Strafe? Nein nein,
versuchen Sie nicht, mich umzustim
men, denn mein Entschluß ist unwi
derruilich. Undes ist Ihnen ja auch
gar nicht ernst mit der Absicht, mich
darin wankend zu inachen.«
Er hob erstaunt die Augen zu ih
rem Gesicht. »Sie halten mich für un
aufrichtig? Womit habe ich diesen
Zweifel an meiner Ehrlichkeit ver
dient?«
»O, ich halte Sie für den ehrlichsten
Menschen von der Welt und weiß sehr
wohl, daß es nichts als übergroße Ge
wissenhaftigteit ist, die Sie jetzt zur-i
Fürsprecher eines Unwiirdigen macht
Äder wir haben teine fluchten-mehr
gegen- ihtL Gerade wer wir einan
der heute reinen Gewissens in die
Augen sehen tönnen, diirfen wir end
lich diesem traurigen Versteetsviel ein
Ende machen, unter dem ich ieit unse
rer ersten Wiederbegegnung so schwer,
io unsagbar schwer gelitten.«
»Ein Bersteckspiel» Frau Winter?
Jch versichere ——— ·
i
i
l
i
l
»Ull) ockslIFkll Sie NIC..T Ukcllll
etwas Sündhaftes gewesen ist in un
seren Gedanten und Wünschen, so
nehme ichja gerne alle Verantwortung
aufmich. Jch kenne Sie hinlänglich,
um zu missen, daß cie sich unserem
Hause fertig-halten hätten, wenn Sie
geahnt hätten, welche Kette von auf
reibenden Kämpfen dieser anscheinend
so harmlose und unbefangene Verkehr
fiir mich bedeutete· Sie glaubten mich
gegen jede Versuchung gewappnet,
treil Sie mich noch immer für das
lalte und herzlose Geschöpf hielten, als
das ich Jhnen einst in der unseligen
Stunde meines Lebens aegeniiberge
treten war. Jch mußte Sie in Jhrem
Jrrthnm lassen. Als die Frau eines
anderen durfte ich Jhnen nicht verra
then, welche Wandlung diese namen
los traurigen Jahre in mir bewirkt
hatten. Es war meine grausame
Pflicht, unablässig über jedes meiner
Worte, iiber jeden meiner Blicke zi:
wachen, damit Ihnen nicht offenbar
würde, wie es ins meinem Herzen aus
sah Aber Gott allein weiß, was es
mich mitunter gekostet hat, diese Rolle
durchzuführen —- nnd wie es meine
Seele zerriß, wenn ich in Jhrer Ge
genwart die Zärtlichkeiten jenes an
ren dulden mußte, der meine Liebe
ebensowenig jemals besessen hat« als
er sie jemals verdiente·«
Vergebens hatte Hermann Schriider
zweimal versucht, den mit leidenschaft
lichem Ungestüm hervorbrechenden
Strom ihr-er Rede zu hemmen. Aber er
hatte sich, während sie sprach, mit
verlegener, ja bestürzter Miene von
seinem Stuhl erhoben. Und nun, da
sie tief aufathmend innehielt« sagte er,
mit einer ihm sonst fremden Unsicher
heit mühsam nach Worten suchend:
»Von alledem vermuthete ich aller
dings nichts. hätte mwiß nicht
zum zweiten Mae Jhr Haus betreten,
wenn ich es geahnt hätte Was aber
hre vorhin ausgesprochene Absicht
trifft-— hren« wie Sie sagen, un
widerrufli n Entschluß, eine Schei
dung von hrern Manne herbeizufüh
ren, so mu ich Sie bitten, sich dazu
eines anderen Rechtsbeistandes zu —«
«Still —- meine Schwägerint«
Wie einen zischenden Warnung
laut hatte sie es hervor-gestoßen Und
es war eben noch zur rechten Zeit ge
s hen, denn schon stand Marthai
s lante Gestalt auf der Schwelle.
»Ja-O bitte um Wer eihung, wenn
ich störe, « sa te sie, als des Rechts
anwalto an chti wurde. mit jäh er
glühen-dem Gesi . »Ich wußte nicht·
Sie schien willens sich wieder zu-;
riielzuziehen Aber hermann Schriisi
see war aus e zugeeilt und reichte
ihr seine Don .
.Guten Ia Fräulein Winter! Jch
bitte Sie- Wiese-nich nicht ver-i
scheuchen in tne Besprechun
M
Gewissenhaft
. —-,"-— « Us
»U- —- — — - sqssssrssszahksbdeH
Fötsiek (trifft Lief im Wald einen Dreher elspielet, dex fleißig Joa
i raufwö spielt): »Na, Franz, hier hört dich d kein Mensch! Was tmbst
denn- eigentlich?« » «- · » »
Drehorgelspielen »Ein neues Stück emüben thu’ Ich, here Finster.
mit Jhrer Frau Schwiigerin war in
der Hauptsache zu Ende.«
Da er ernine den Rücken wandte,
und da art s Augen den Boden
suchten, gewahr keines von ihnen den
untelnden, zotnspriihenden Blick. den
die junge Frau ihnen zuwars. Sie
merkten wohl auch nichts von der spöt
tischen Färbung ihrer Rede. als sie
sagte: »Gewiß-bleibe nur da, Du
störst uns durchaus nicht. Es wird
Dir Freude machen, zu hören, wieviel
der Herr Rechtsanwalt zu Gunsten
Deines Bruders zu sagen weiß."
Die junge Lehrerin blickte schüchtern
aus, als suche sie in Schröders Ge
sicht eine Bestätigung sür die letzten
Worte Herrnines. Während sie sacht
ihre Hand aus der seinen zog, sagte sie
teilvknrnem »Jstes wahr? —Sie ver
dammen ihn noch nicht wie alle die
anderen? Sie halten ihn nicht siik
einen ehrlosen Dieb«-«
Die Fassung ihrer Frage setzte ihn
in Verwirrung Denn seine Kenntniß
der Sachlage machte es ihm ja unmög
lich, ihr mit dein runden und bestimm
ten Nein zu antworten, aus das sie
ehosst haben mochte. Und doch wollte
fein Herz überströmen von Mitleid
und Zärtlichkeit siir das holdselige
junge Geschöpf, dessen Augen wie in
iehnsiichtiger Erwartung an seinen
Lipven hingen,
»Im oen uverzeugn vasz wer-dato
nicht mehr der freie Herr seiner Ent
schließungen war, als er die unseli e
That beging,« sagte er zögern .
»Seht-. Kranlheit oder irgendwelche
anderen Einwirkungen, die wir leider
bis jetzt nicht kennen, müssen die Klar
heit seines Geistes getriibt und seine
Gedanken verwirrt haben.«
« Martha war sichtlich enttäuscht;
denn mit trauriger Miene schüttelte sie
den Kopf. »Ich habe mit Doktor Weiß
gesprochen, und er hat mir auseinan
dergesetzt, von einer Geistesstörung,
die so ganz allen freien Willen und
alle Ueberlegung ausgeschlossen abe.
könne nicht dieRede sein. Jch elbst
habe auch mir vorübergehend daran
geglaubt, als das angebliche Schrei
ben Gerhards von Hamburg gekom
menwar. Es war ein Unrecht, das
ich damit egen meinen armen Bruder
beging. nn ich mußte ihn gut ge
nug kennen, um zu wissen, daß er
auch im Wahnsinn niemals zum Ver-—
brecker werden würde.«
»Aber wenn Sie diese Möglichkeit
siir ausgeschlossen halten, Fräulein
Winter,« sragte er erstaunt, »wie
wollen Sie sich dann Gerhards Ver
schwinden und-und all das andere
erklären?«
»Damit, daß man ihn um bracht
und beseitigt hat, um den rdacht
des Diebstahls aus ihn zn lenken,« er
widerte sie rasch und bestimmt, wäh
rend zugleich ihre schönen, traurigen
Itinderaugen in Thränen schwammen.
»Ist-re ich ein Mann, und nicht ein
armes schwaches Geschöpf, dessen
Stimme niemand Gehör schentt —ich
rriirde die ungerechten und verblende
ten Menschen, die ihn verurtheilen,
weil sie ihn nicht gekannt haben, ganz
gewiß davon überzeugen, daß sie sich
irren.«-«
»Und der Hamburger Brief, der so
unverkennbar die Züge seiner hand
schrist aufweist? Wenn Sie recht hät
ten, miiszte es eine von den Mördern
flhres Bruders rettibte Fölschung
ein. Aber es hieße ans geradezu über
natilrliche Fähigkeit eines Menschen
lauben. wenn man das siir möglich
, lten wollte.«
»Und doch kann es nicht anders
sein,« beharrte Martha mit einer Zu
versicht, die siir rmann Schröder et
was ttes Ergreiendes hatte. »Ich bin
nicht klu genug, tun siLr all das Un
begreisli -eine Erklärung zu finden
die auch anderen einleu ttet. Ich weiß
nur« daß es sich so verhalten muß,
wie ich lage, und daß man sich nie
mals so rausani an einem Unschul
digen ver ilndigt hat« wie an meine-n
unglücklichen Bruder.«
Niemand würde glücklicher sein als
ich, wenn sich eines Tages der Nach
weit stir Gerhards volle Schuldlosigs
keit erbringen ließe,« versicherte der
Rechtsanwalt, »ohne daß sich zugleich
die fürchterliche Voraussetzung au
die Sie Jhren Glauben stützen, als
richtig erwiese. Aber ich sehe leider
ieine Mögli leit, wie ich irgend etwas
zur Feststell n der Wahrheit beitra
gen könnte. Zieine Ueberzeugung von
Gerhards lauterem und rechtschaffe
nem Charakter hat auf den Unter
suchungsrichter, bei dem ich mich vor
gestern freiwillig meldete, ersichtlich
nur sehr geringen Eindruck gemacht.
Und ich habe selbstverständlich keinen
Einfluß auf die Art, wie die Unter
suchung geführt wird.«
Hermine, die bis dahin der Unter
haltung der beiden schweigend gefolgt
war, hielt es nun doch für an ezeigt,
sich einzumischen. »Aber-Sie rnd in
Jhrer Eigenschaft als Shnditus der
Gesellschaft doch wohl auf das Ge
naueste unterrichtet von allem, was in
der Sache geschieht?«
Mit einer verneinenden Gebärde
wandte Hermann Schröder sich ihr
wieder zu. »Ich habe schon seit zwei
Tagen aufgehört, Shndilus derGliick
aufgesellfchaft zu sein,'« sagte er. Als
er ihre verwunderte Miene Erwahrtz
fügte er hinquJDie freu schaftli
chen Beziehu es, die so lange zwi
schen Ihrem tten und mir bestan
den haben, und die Gesinnung, die ich
ihm bis zum unwiderleglichen Nach
weis seiner Schuld bewahren werde,
hätten mich da sehr leicht in einen
Widerstreit der Pflichten bringen-tön
nen, den ich unter allen Umständen
zu vermeiden wünschte. Der General
direltor Hoffmann hat sich der Be
rechtigung- dieser Bedenlen denn auch
nicht verschlossen und mir ohne weite
res die erbetene Entlassung aus mei
nem Vertrage gewahrt« -
Die junge Frau schien von dieser
Eröffnung nicht sehr angenehm be
rührt. »Hätten Sie mir von Jhrer
Absicht vorher Mittheilung gemacht,
so würde ich Sie dringend gebeten
haben, davon abzustehen oder doch we
nigstens noch einige Zeit mit der Aus
führung zu warten. Sie wissen, daß
die Gesellschaft meines Mannes zu
rückgelassenes Privatvermögen für sich
mit Beschlag belegt hat, und daß ich
stündlich darauf gefaßt sein muß, un
ter Einbehaltung meiner ,esammten
Habe aus dem Hause gewies n zu wer
den. Wenn jetzt statt Jhrer ein frem
der Anwalt die Interessen der Gesell
schaft tvahrnirnmt, darf ich mir auf
Schonung und menschliche Rücksicht
nahme natürlich nicht mehr die min
deste Hoffnung machen.'«
Ein Klang vorwurfsvoller Bitter
leit war in ihrer Rede· Aber noch be
vor er hatte antworten lönnen, sagte
Martha: »Sie haben gehandelt, Herr
Rechtsanwalt, wie jeder ehrenhafte
und zartfiihlende Mann an Jhrer
Stelle gehandelt hätte. Jch meine, daß
wir alle Veranlassung haben, Ihnen
dasiir zu danlen.«
Wieder sandten Herminens braune
Augen einen haßsvrühenden Blick zu
der Schwögerin hinüber. Ja, sie hätte
sich vielleicht zu einer giftigen Bemer
tung hinreiszen lassen, wenn nicht das
abermalige Erscheinen des Dienst
mädchens sie daran gehindert hätte.
Es war ein neuer Besuch. der ihr ge
meldet wurde, und diesmal war es
nicht wie vorhin ein Gefühl freudiger
Hoffnung. das ihr her-z in rascheren
Schlägen klopfen ·nrachte. Denn vor
dem Generaldireltor hoffnranm der
sie zu sprechen wünschte, hatte sie es
atles andere als eine erfreulich
fonung zu erwarten.
(Fortfehung folgt.)
Jn No 206 der Halbetstädtek Zet
tung hat das Festspieltomitee der Tri
stan-Vorstellung folgende Punkte ge
nau zu beachten. Dazu gehört Punkt
4: »Mit-etliche Gatdetobe tft abzuge
ben; die Damen werden —- auch in den
Logen —- gebeten, die hüte abzuneh
men.'« Der Zusatz war eigentlich über
übetflüssig. Denn wenn sämtliche
Gatdeeobe abgegeben werben muste,
werden die Damen doch nicht gerade
die Hüte als letztes Gatdekobenftttck
sutückbebalten haben.