Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 31, 1906, Sweiter Theil., Image 12

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" Plale Mitgift
Roma von Gurt garmsdorsi
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» (19. Fortfetzung.i
Betnd hielt sich nicht mit weiteren
tagen aus. Mit wenigen Sätzen die
teppe hinauseilend, stieß er die
Thür des Schlafzimmers auf. Und
fein erster Blick traf den mitten auf
dem Tische liegenden Brief, der sei
nen Namen als Adresse trug.
Er stärzte dar-Ins zu und riß den
Umsckilag auf, um wie durch einen
Schleier zu lesen:
»Mein Hei-er Bernd!
. Jch gehe, um nie wieder zur-In:
zutehren. Vergieb-1nir, aber es
konnte nicht anders- sein. Frage
mich nicht, warum es sein mußte,
und laß Dir an der Versicherung
genügen, daß ich nicht bleiben durf
te. Versuche auch nicht« mich zu
rückeuholern denn es würdsein ver
geblichse Bemühen sein, und wenn
Dir etwa das Gesetz die Macht gä
be, mich zu zwingen, würde es uns
beiden nur zum Unglück gereichen.
danke Dir aus tiefftrw Herzen
iir alles Gute, das ich von Dir cr
fabren, für all Deine Großmuth
und Geduld. Jch kann iie Dir jekt
durch nichts anderes mehr vergelten
als damit, daß ich Dir Deine Frei
heit zurückgebe. Gönne mir die Ge
nugtlfuung des Bewußtseins, Dir
den Weg zum Glück wieder geöffnet
Zu haben.
Jch erkläre mich von vornherein;
mit allem einverstanden, was Du»
für zweckmäßig hältst, eine Lösung;
uns-su- cffu brktiisksiikson Chor-!
Zustizrath Neuling, ein altexj
rennd meines Vaters, wird von
mir beauftragt werden« Deine Wil
lensäußerungen in meinem Namen
in Empfang zu nehmen und danach
zu handeln. Es ist selbstverständ
lich, daß ich alle Schuld ans mich
nehme, wie ja auch in Wahrheit
von Anfang an alle Schuld bei mir
gewesen ist. Noch einmal also:
vergieb rnir nnd laß mich meinen
Weg in Frieden gehen. Es ist fai
so am besten für Dich und für
mich(
Mit den heißesten -3egenwiin
schen fiir Deine Zukunft und in
unauslösehliehers Dankbarkeit
7Nalde.«
Bernd griff sich an die Stirn. Es
fiel ihm schwer, an die Wirklichkeit
dessen zu glauben, was er da erlebte.
Vor seinen Füßen hatte sich plötzlich
ein Abgrund aus ethnn, dessen Tiefe
er nicht zu erme en vermochte. Was
in der Welt sollte noch Glauben und
Vertrauen verdienen, wenn die Liebe
seines Weibes ein Betrug gewesen
war, wenn diese Stimme, dies Lä
cheln, diese Blicke ihn vielleicht schon
vom ersten Tage an getäuscht hatten!
Er rief sich den Abschied ins Ge
dächt-riß zurück, den er gestern von
i genommen, ohne zu ahnen, daß es
i er Meinung nach ein Abschied siirs
Le gewesen war. Und jetzt ge
wa natiirlich jedes ihrer Worte siir
ihn-eine ganz andere, besondere Be
deutun . Deshalb also hatte sie sich
so ent chieden dagegen gewehrt, daß
er den beabsichtigten Ritt aufgab, um
ihr Gesellschaft zu leisten! ZhrFluchL
platt hatte ja ohne allen Zweifel schon
festgestanden, und ihr Kopfweh, wsir
nur-»ein Vorwand gewesen, der es ihr
ermöglichen sollte, ungestört ihre Vor
bereitungen zu treffen·
phne die Mittheilungen Hillenees
wurde er vor diesem Entschluß seines
Weibes wie vor etwas Unfaßbarem
gestanden haben. Jetzt aber, da er
noch unter dem Einfluß der ersten lei
denschaftlichen Erregung iiber jene
Enthüllung stand, glaubte er, weder
über die Beweggründe, noch über das
Fie! ihrer Flucht im Ungewissen zu
ein. Und nun erinnerte e: sich plötz
lich des Briefes, den er ihr gestern ge
bracht hatte, des Briefes, der viel
leicht in einem entscheidenden Zusam
menhange stand mit ihrer Flucht.
Außer mit ihrer Schwester führte
Malt-e ja so gut wie gar keine Kor
respondenz. Er konnte sich wenig
stens kaum erinnern, daß sie einen
Prioatlyrief erhalten hätte, nnd es
war ihm schon gestern im ersten Mo
ment auffällig erschienen, daß die
drefse eine iikm völlig unbekannte
männliche Handschrift gezeigt hatte.
Aber wie hätte er auf schlimme Ver
muthtsngen kommen sollen, da doch in
seiner Seele auch nicht der leiseste Arg
wohn gegen sie wars Eine so geringe
Bedeutung hatte er sen-ein Briefe bei-—
gemessen, daß es ihm wahrscheinlich
nicht einmal eingefallen wäre, sie nach
dem Absender zu fragen. Jth aber.
würde er sein Leben darum ene
heden, wenn er sich über die er
m dei Vriefschreibers und über den
T erholt des Briefes hätte Gewißheit
verschafer können.
« Suchend flog sein Blick im Zimmer
wher. Es war ja beinahe Wahn
stx zu vermuthen, daß Malt-e das
fes Impromittirende Schriftstiick zu
Mffen haben könnte. Und doch
-« Der ei dem Aus regten, als könne
dtefer life-ne Abschiedibrief unmög
lich a sein-, was ihm über ihre
« W sustliiruchng ggeden fglte
—a M« " erhierize an ke,iz k
. sen-eis- iiik ihren Treu
, finde-. ehe er an die Wirklich
M II Its-Ic- M
MS
Und da gewahrte er in dem offe
nen Katnin aus den Schlacken längst
erloschener Kohlenftückc die trausen,
schwarzen Aschenrefte eines oertohl
ten Platte-T das nicht vollständig
verbrannt war. «
« Wie wenn er ein losibares Kleinod
erspäht hätte, stürzte Bernd darauf
zu. Mit äußerster Vorsicht, wenn
auch mit behenden Finger. hob er das
LBlatL dessen größerer Theil bei der
Berührung zerstob, empor und trat
damit an das Fenster, von der schwa
chen Hoffnung erfüllt, daß es ihm ge
lingen tönnte, nach einige vor derVer
Inichtung bewahrt gebliebene Schrift
Tziige zu entziffern.
- Aber der unrerbrannte Rand wa:
unbeschrieben gewesen, nur in feiner
oberen, bräunlich angesengten Hälfte
glaubte er nach einer Weile ange
ftrengten Forschens die Federstriche.
einer Namenzunterfchrift wahrzuneh
men. Und nachdem er sich vergebens
bemüht hatte, sie zu entziffern, kam
ihm der Gedante, den halb verbrann-«
ten Papierfetzen an die Fensterfcheibe
zu legen. Da, ein Laut wie ein Auf
stbhnen schmerzlichsten Zornes entrang
lich feinen Lippen —«- da konnte er.
im durchfallenden Lichte wirklich mit
voller Deutlichkeit den Namen erken
nen, der dort gestanden. Und es war
tein anderer als der, den zu finden
er gefürchtet hatte, der Name des
Msnstws2 Nin käoslssscsd .-ll- M-« su,
ßer ihm als Malves Verehrer gekannt
hatte und dem sie ietzt vor ihm den
Vorzug gegeben hatte, weil er ver
muthlirh im Stande war, ihr ein
glänzenderes Loos zu bieten, als er,
Fer« verabschiedete, völlig verarmte Of
izrer.
Bernd fühlte etwas Heißes in sei
nen Augen, etwas, das ihm den Blick
verschleierte und einen Nebel über
feine Umgebung breitete. Aber er
zerdrückte voll Unmuths über eine so
würdelose Schwäche diese unmänn
lichen Thrsinem Und als er eine Mi
nute später den Abschiedsbrief seiner
Frau in der Brusitasche barg, war
nur noch starrer. finsterer Ernst in
seinen Zügen.
Ungedeugt und straff ging er zur
Thür, denn er hatte teine Zeit mehr
mit müßigen Betrachtungen zu ver
lieren. Außer den heiligen Pflichten«
die pietätvolle Sohnesliebe ihm auf
erlegte und die gerade jeht allen an-;4
deren voraufgehen mußten, hätte er
ja noch ein-. andere unabweisbare
Pflicht zu erfüllen. Und er war nicht
gesonnen, sich ih: zu entziehen.
Der Ehrenschild der Degerndorfszs
war rein und malellos gewesen bis
auf diesen Tag. Und er würde wahr
lieh nicht der erste seines Stammes
sein« der gezögert hätte, einen Schand
fleck auf dem Schilde feiner Ehre nach
ritterlichem Brauch und Gebot mit
dem Blute des Beleidigiers oder mit
dem eigenen zu tilgen.
22. Kapitel.
Am Morgen des vierten Tage-Z
nach ihrer Entlassung aus dem Herr
lingerschen Hause bezahlte Sigrid der
freundlichen, alten Dame, bei der sie
zunächst Wohnung genommen hatte,
den aufgelaufenen Pensionspreis und
theilte ihr zugleich mit, daß sie am
Abend anderweitig über das von ihr
bewohnte Simmerchen verfügen könn
te.« Auf die bedauernde Frage der
Pensionsinhaberin,· die nur ungern
ihre libenswiirdige, junge Mietherin
scheiden sah, erklärte sie ruhig, daß sieJ
noch heute eine neue Stellung antre-"
ten werde. Denn nimmermehr würde
ihr Stolz ihr gestattet haben, zu ge
stehen, daß ihre Baarschaft nur noch
aus einem einzigen Gulden bestand,
und daß sie darum schon morgen nicht
mehr ins Stande sein würde, ihre
Rechnung zu begleichen. Die gütige,
a.te Dante würde ihr dann sicherlich
Obdach und Wohnung in der Hoff
nung auf spätere Entschädigung an
gehoten haben, und Sigrib wollte es
oermeiden, sie durch eine Ablehnung,
wie ihre Grundsähe sie ihr gehieterisch
zur Pflich: gemacht hätten, tränken zu
müssen.
Auch tvar sie durchaus der Mei
nung. mit ihrer Erklärung nur die
rolle Wahrheit gesprochen zu haben
Denn sie mußte ja unter allen Um
ständen noch heute eine neue Stellung
finden.
Nachdem sie sich durch einen raschen
Blick in ihr Geldtiifrhchen von dem
Vorhandensein des letzten Gulden
iiberzeugt hatte, lenkte Sigrid auch
an diesem Morgen wie an je rn der
letzten Tage ihre Schritte n ch dem
abgelegenen und wenig besuchten
Kasseehause, wo sie die Wienerund
Bubapester Zeitungen auf Stellenge
bote hin zu durchsorichen pflegte.
Aus den Blättern notirte sie sich
eine Anzahl von Adressen, und schon
rüstete fis sich wieder zum Aufl-euch
um ihren Dornen a einzutreten, als
ihr Blick aus eine . ·iung fiel, die ein
sriiherer Kasseehausgalt auf dem Re
bentische hatte Ziegen lassen.
Ei war der »Herold'«, jenes weit
rerhreitete Tagrblatt ihrer Vater
Iadh dessen erbarnrungslosen These-e
dakteur sie iiir alles Unglück ihre-?
Zebenj verantwortlich machte. Troy
—
ihrer Abneigung gegen diesen Mann
tonnte sie doch der Versuchung nicht
widerstehen, ihre Hand nach jener Zei
tung auszustrecken, die ihr möglicher
weise irgend eine ioerthvolle Kunde
aus der Heimath bringen konnte. Und
gleich auf der ersten Seit, da, wo
scmst der Leitartitel begann, las sie
« in gesperrter Schrift unter der Ueber
schtifi: »Ein Wort zum Abschied«:
»Am heutigen Tage verlasse ich
meine seit mehr als zwanzig Jahren
innegehabte Stellung als leitender
Redakteur dieser Zeitung und es mag
mir vergönnt sein, meinen Leiern von
derselben Stelle aus, an der ich sonst
iiber hervorragende politische nnd lo
tale Ereignisse zu ihnen gesprochen,
ein Wort des Abschieds zuznrusen
Ich bin des langen Kampfes müde
und es verlangt mich nach Naht-. All
den Freunden, die mir in mancher
harten Fehde teeulich zur Seite ge
standen und derenVertranen mich bis
he: begleitet hat, sage ich Dank und
herzliches Lehewohi. Meinen Fein
den, soweit ihre Feindschaft nur
Hineiner Person gegolten, verzeihe ich
und wünsche ihnen aus dem Blase,
jden ich verlasse, künftig einen ebenso
« anstichiigen und ehrlichen Gegner, als
ich es ihnen zu sein mich stets bemüht
habe. Wohl tann ich mit dem Be
wußtsein aus dem öffentlichen Leben
scheiden, allezeit ein Kämpfer des
Rechts und ein unversöhnlicher Feind
der Lüge gewesen zu sein, aber diese
Stunde der Einiehr und der Rück
ichau ist trotzdem- nicht danach ange
than, mich mit eitlemStolz und selbst
zustiedener Eisenugthuung zu erfüllen.
Denn ich sehe gar manchen Jrrthum
aus meinem Wege und muß in De
muth bekennen, daß ich in menschli
cher Kurzsichiigieii oft dem Mehrw
ien bekämpft habe. Vieles, sehr vie
les möchte ich ihm hinzuthun, wenn
es nicht fiir das eine wie siir das an
dere zu spät wäre. Nicht alle meine
Jrrthiiurer taan ich hier einzeln Und
ausführlich bekennen, einer aber mirs
und soll an dieser Stelle Erwähnung
finden. weit er mich persönlich tiefer
getroffen hat ats irgend ein anderer,
nnd weil ich zugleich ein fiir allemal
gewisse Mißdeutungen beseitigen will,
denen entgegen Zu treten ich bis zu
diesem Tage keinen Anlaß genommen.
Er betrifft mein Verhalten in Sachen
der vor mehr denn Jahresfrist zusam
rnengebrochenen Handelsbant und der
mit ihr verschwifterten Vereinigten
Berg- und Hättenwertr. Daß die
Veröffentlichung in diesem von mir
geleiteten Platte den eigentlichen An
laß zu der Katastrophe gebildet haben,
ist wohl noch in jedermanns Gedächt
niß. Und meine persönliche Mitwir
tnng war derart, daß ich nur einen
geringen Theil der Verantwortlichkeit
auf die Schultern des Denunzianten
abwälzen darf, der — eus vielleicht
unedlen Motiven —- mir jene Ent
hiillungen über die gesetz- und rechts
widrige Geichiifthiihrung der genann
ten Unternehmungen zugetragen. Nie
rncls werde ich die Stunde vergessen,
da in meinem Redattionsbureau ter
Mann vor mir stand, den mekne Ans
fchnldigungen am schwersten treffen
mußten. Er hatte auf irgend eine
Weise von dem Inhalt des noch un-;
veröffentlichten Artitetz Kenntniß er-·
langt und er war getommen, den
Druck zu verhindern. Nicht daß er»
sich freiriithig und offen zu feineri
Schuld bekannt hätte! Er lengnete
alles; aber er malte mir zugleich einJ
Bild von dem namenlosen Unheil, das
ich mit meiner Veröffentiichung über
zahllofe Unschuldige bringen würde,
auch wenn ich schließlich die Genua-T
thuung hegen dürfte, einen Schuldiil
gen vernichtet zu haben· Und er be-«
urtheilte die unausbleiblichen Folge-it
meines beabsichtigten Vorgehens rich-1
tiger-, als ich sie Damals zu beut-thei-!
len vermochte. Hätte nicht der Fana- l
tismus der Wahrheit, der verwerflichs
ift wie jeder andere Fanatiömus, weil T
er unfähig macht, menschlich f.er den«-i
Ost-I nnd str- Ifsfslm Ins-non lsck «-«»
----·----- wo
druck jener Stunde das angemaßte
Richteramt in die hände der wirkli
chen, der einzig berufenen Richter le
gen müssen. Denn wäre mein Ge
wissen frei geblieben von jenem Vor
warf, der es jetzt belastet und der irii-: «
her als die Last der Jahre meine
Kampfeöfrendigkeit erstickt hat. Aber
ich glaubte mich dazu bestellt, dem
Recht ohne Rücksicht auf Menschen
ioohl und Meitschenweh zum Siege
zu verhelfen. Der Artikel rnit den
ver-richtenden Enthüllungen erschien
nnd die Folgen sind bekannt. Der
Geheimrath Gerhard Breitenbach
sühnte feine Schuld mit einem frei
willigen Tode, fein Komplize Rode
witz ergriff die Flucht und blieb ver-.
schellen; die Banldireltoren aber, die
nichts als willenlosc Werkzeuge in
den händen der anderen gewesen wa
ren, mußten ihre leichtfertige Will
fährigleit mit entehrenden Gefäng
nißftrafen büßen. Soweit wäre alles
gut und in der Ordnung gewesen.
Ader es ging nicht nur das in Er
füllung, was ich gewollt und voraus
gesehen, sondern in fürchterlichem Ums
fange auch das, was ich nicht gewollt
hatte und was ich doch ebenfalls
hätte voraussehen miifsen, wenn ich
wirklich die Qualifikation gehabt
hiiite fiir das hol-e und verantwort
knngsvolle Ami, das ich aus eigener
Machtvolllornmenheit übernommen
Millionen gingen in der Panit des
unvermutheten Zufarnmenbruchi ver
loren nnd die Schuldlofem die Bethiw
ten und Irrgefithrten waren ei, die
sie eint-tilgten Vor mich hin oder tra
ten Männer, die ebenso reinen Her
W
zenz waren wiei und ebenso unbe
itechliche Vortämp er des Rechts und
der Wahrheit, um mir zuzurusen, daß
ein Theil der Schuld auf mich falle.
So sprachen meine Antliiger. Und
e- ner unter ihnen, der meinem Herzen
näher stand als sonst ein menschliches
Wesen, der Sohn der Frau, die das
Licht, die Sonne meines nun zur
Rüste gehenden Lebens gewesen ist —
er ging noch einen Schritt weiter als
tie. Jn heiligeni Mitleid mit den
Hinterbliebenen des unglücklichen
Breitenbach, für die ich selber in mei
ner fanatischen Verklendung tein Er
iarmen gehabt hatte, wollte er mit
Daransetzung seiner ganzen Kraft vor
-cller Welt den Nachweis erbringen,
daß wenige Monate genügt hätten, um
die verfahrenen Unternehmungen der
Vereinigten Berg- nnd Hüttenwerte
zu glänzenden Erfolgen empowrzufiih
ren. Er ais-g bin und übernahm die
Leitung der ozlengrnbem die inzwi
schen silr ein Spottgeld in die Hände
eines neuen Finanztcnsorteums über
gegangen waren. Er that es, obwohl
er, der mit wahrer Sohneslieke an mir
hing. not-aussah. was daraus siir
mich entstehen würde. Denn was er
mir in unserer Trennungsftnnde pro
phezeit hatte, geschah. Jm Lager
meiner Feinde erhob sich ein gewal
tiges Geschrei. Man glaubte mit
einem Male die Erklärung für mein
Vorgehen gegen die handelsbant und
ihre Tochternnternehniungen gefunden
zu haben. Nicht um der Gerechtigkeit
wi llen, sondern Jus schnöden-. schänd
lchem Eigennutz hätte ich gehandelt-—
im geheimen Einversrandnisz mit je
nen Finanzlenten die mich nun durch
die Aufteilung und die unverhältnis
mäßig glänzende Bezahlung meines
Stieffohnes fiir den Judasdienft be
lohnten. Jch hibe schwer unter die
sen Vorwürfe en gelitten viel schwerer
ais unter irgend einer ungerechten
publizistifchen Thiitigleit von meinen
Widersacher-n gegen mich erhoben wor
den ist. Aber ich habe sie dennoch
schweigend hingenomtnen, weil ich
inick nicht berechtigt glaubte, ohne
feine ausdrückliche Zustimmung de:
Lseffenllichleil isieJauteren Beweg
gründe meines Sohnes zu offenbaren
Monatclanq habe ich unter dem Druck
des Bewußtseins gelebt, meinen Feie
den und auch vielleicht vielen von de
nen, die irb bis dahin fiir meine
Freunde geha!ten, fiir einen bestoche-.
nen Soldschreiber, einen Hier-alber
journalisten zu gelten. Und wenn ich
iiir die Verblendung meines Thuns
l
neben der Strafe meines Gewissens-T
auch eine öffentliche Bestrafung ver
kienl hatte, so ist sie mir wahrlich
vollgemessen zutlzeil geworden.
Heute aber bin ich meiner Schwei
geuflicht ledig. Mein Sohn hat die
Afgabe .a·elöft, die er freiwillig auf
sich genommen. Er tat den Nachweis
geführt daß die Grubenterrains der
Vereinigten Berg- und Hüttenwerle
in der That unermeßliche Kohlenichiitze
bargen und daß innerhalb eines ein-.
zigen Jahres alle jene Gewinne hät
ten erzielt rrerden können, an dieBrei
’tenbach und Rodelvitz ihre Aktionäre
glauben machen mußten, wenn sie ihre
klinternehinnngen bis zumEintritt des
slhatfächlichen Erfolan lebensfiihia er
ihalten wollten. Nachdem er dieses
xZiel erreicht hatte, gab es für meinen
IStieffohn nichts mehr, das ihn mit
dem Unternehmen jener Finanzleute
derbunden hätte. Unter Zahlung ei
ner fiir feine Verhältnisse beträchtli
chen Konventionalstrafe ver!ieß er
trotz der verlockendsten Anerbietungen
der Aktionäre feine Stellung, uni be
scheiden in das Dunkel einer von nie
mand beachteten Thätigleit zurückzu
lehren. Von dem glänzenden Gehalt
und den Tantiemen aber. die er auf
seinem, angeblich durch meine schnöde
Bestechlichteit erlangien Posten bezo
gen, hai er nichts fiir sieh behalten.
Man darf mir das glauben. auch
trenn ich meines-. Lesern nicht Rechen
schaft darüber nebe. wozu er sie ver
n-endet.
Das ist meine Selbstanilage und
das ist es, was ich iu meiner Rechtfer
tigung zu sagen habe.
Wer nie dem Jtrthum unterwor
sen war, der werse den ersten Stein.
Diejenigen aber, die um der Ge
srechtigteit willen handeln und nicht
um der Liede millen, die dreimal hei
liger ist als alle irdische Gerechtig
keit, sie möqen eingedenk bleiben, das:
»alle Menschenintzung wandeldar ist
und daß morgen eitel Thorheit sein
kann, was heute Wahrheit schien.
Nur ein einziger sicheren Leitstem
sleuchtet uns in diesem nebelhasten
"Dun1el —- der Stern der Nächsten
; ifebci
E Seiner Führung aifein sollt ihr ver
jiraueni
Doktor Ellhosen.«
Als Sigrid diesen Artikel zu Ende
elesen hatte, tvor es rings um sie her
o licht nnd heil, als wiire der schmuck
lvsc Raum des kleinen düsteren Kas
seehauies bis in das letzte WintelchenH
vom glodigsten Sonnenschein durch-;
sluthet. z i
Als Sigrid den Vertheidigiungsard
sit-I Dom-: End-feur- im »Das-tut
zu Ende gelesen hatte, stand sie läsj
chelnd auf und legte ihren letzten;
Gulden aus die Platte des Marmor-!
tischchenii, die Absicht des Kellners,
ihr die nach Abzug der geringfügigen :
Zeche der-bleibende kleine Münze her-J
aufzugeben, rnil einem freundlichen
Knpsschiitteln zurückweisend. Sie wa: .
zic- so reich. so unermeßlich reich, daß
e eine solche Urmseligleit wohl ver-T
achten durfte. — "
Wie in« einem köstlichen TraumJ
ging sie draußen durch die voltibessz
Man muß sich zu heler wisse-L
?Gaft: »Wie ist es möglich, daß Sie bei 5 Mark per Monat bestehen kön
nen '
Kellnerim »Ja, wissen’5, wenn die Trinkgelder nicht wären und sich
unsereins nicht hie und da beim Zusammenrechnen der Zeche irren thät’,
dann könnt man auch nicht bestehen.«
lebten Straßen dahin, die ihr so
schön und heiter erschienen. wie sie
sie nie vorher gesehen. Alle die Men
schen, die da an ihr vorüberhasteten,
iatten so gute, freundliche, roth vi
lende Gesichter. Jedem von i en
hätte sie etwas herzliches sagen, et
was Liebe-I- etzeigen mögen. Ihre
miihsam zusanimenaesenchten Adresse-r
hatte sie drinnen aus dem Tische lie
gen lassen, nnd sie dachte nicht daran,
ihre sanken Bewerberngsgänge wieder
auszunehmen An einem Festtag
thut man dergieichen nicht« nnd heute
war ein Festtag. wie herrlicher und
feierlicher noch niemals einer in ihrem
Leben.
Ohne zu wissen, wie sie dahin ge
kommen war, sah sie sich plötzlich in
der mächtigen Radialstrasze und vor
Anton Lerriingers palastartigern
Hause. Fast lieoeoolt ließ sie ihren
Blick iiber die prunkende Fassade nnd
über die langen Reihen blinkender
iFenster dsiiingleiten Alle Bitterkeit
Hund aller ciiroll waren aus ihrem
JOcrzen geschwunden, daß sie kaum
noch begriss, wie sie den Menschen da
drinnen jemals hatte zürnen können,
diesen Menschen, denen sie doch allein
das Glück verdanlte, daß sie den edel
sten nnd hochsinnigstm den selbstlo
iesien nnd ivahrhastigsten aller Man
ner von Angesich: zu Angesicht hatte
sehen dürfen.
Am liebsten wäre sie hinausgeeiit,
ihnen dasiir zu danken; aber da sie
selbst im Ueberschtvang ihrer Em
pfindungen noch nüchterne lichem
gung genug hatte, sich zu sagen, daß
das doch woh! nicht anging, schritt sie
lächelnd weiter.
Und es iibertaschte sie kaum, als
sie an der nächsten Wegbiegung plötz
lich den oor sich-sah, dem allein ihre
Gedanken gehörten und ihrer inner
sien Ueberzeugung nach siir alle su
tunst gehören würden. Sie war ja
sicher gewesen, daß er noch nicht ganz
aus ihrem Leben-verschwenden sein'
sonne, daß sie ihn wenigstens noaz
ein einziges Mal wiedersehen würde,
um ihm Zu sagen, we: tliöricbt sie ge
wesen war, und un! ihm aus der gan
zen Fülle ihres Herzens zu danken.
Walier Puttizer ging aus der ac
genüherliegenden Seite der Straße.
aber er war ihr sast in dem nämli
chen Augenblick ansichtig geworden,
da Sigrid ihn erkannte Und es
schien fast, als ob« er üder die uner
wartete Begegnung erschrocken sei;
denn wenn er auch höflich grüßend
den Hut zog, machte er doch nicht
Miene, den Fahrdamm zu überschrei
ten, sondern Leschleuniate vielmehr
seinen Schritt, als sei ihm daran ge
legen, ihr sa rasch als möglich zu
cnischliipsen. s
Sigrid indes ließ sich dadurch nicht
beitren. Für sie gab es in diesem
Augenblick teine tieinlichen Schick
lichleitsbedenien und keine zimverli
chen Gebote inädchenhaster Zurück
haltung mehr.
Geradewegs ging sie aner über
die Straße aus ihn zu und nöthigic
ihn so, vielleicht gegen seinen Willen,
stehen zu bleiben
»Jch hin glücklich, Sie wiederzu
sehen«, saate sie ohne alle Umschweise,
»denn ich habe Ihnen ein großes Un
recht abzudiitm Aber ich weiß erst
seit einer Viertelstunde, wieviel ich
Ihnen verdaute, und darum müssen
Sie mir es verzeihen, daß die Ah
,»l-itte nicht früher erfolgt ist«
Der junge J:igenieut, der sonst
keine Schiichtetnheii lannte, sah he
sangen var sich nieder.
»Sie müssen in einein Jrrthunr
sein« Fräulein Breitenhach«. erwi
derte er unsicher. Jch weiß weder,
wosiir Sie irrt-e zu Tausen, noch wo
siir Sie mir Addiite zu leisten hät
ten.«
Aber Sigrid lächelte ihn an. und
es war sogar ein wenig Schelmerei
im Klang ihrer Stimme, als isre
sagte
»Soll es etwa meine Strafe sein,
daß Sie rnrch fest der Möglichkeit
berauben wollen, mein Unrecht zu
siihnen?««cder ist es Ihnen lieber,
mir als ern Feind zu gelten? Wenn
das der Fall ist« hätten Sie eben
Jlnen Vater rerhindern müssen vor
aller Welt die Wahrheit zu essen
;haren·« .
Piittner stutzte einen Moment
- »Sie haben also den Abschied-ar
tilel un «Herold« gelesen?«
Es rlangk wie ein Aufatbmen der
Erleichterung aus seiner Frage) Si
grid aber vernahm es nicht, und sie
hätte ja auch reine Deutung dafür
genaht, reenn sie es vernommen hätte.
»Ja«, ertliictd sie fest. »Und was
ich mir vargenesmnren hatte. Ihnen
zu sagen. Herr Minnen das ist: Sie
lscben gehandelt wie ein geoszer und
wie ein wahrtjait guter Mensch.
Meine Schwester und ich, wir werden
in Ihren zeitlebens den einzig-M
wahren Fremd verehren, den trie in
unserem Ungliia minnt-ein«
Da siegte auch in ihm die heiß auf
nuellende Herzensfreuke iiber alle
Verlegen:,cit, und wenn fie sich auch
cuf Offener Straße befanden, zog er
doch die tleinc, zarte Hand, die sich
ihm so frei und unbefangen darge
boten, usit einer innig-en Zörtiichteit
an seine Lippen.
»Wenn Sie mich in Wahrheit da
iiir balt:n, Fräulein Zigrid, werden
Sie mir kann von nun an auch das
schöne-Vorrecht der Freundschaft ein
räumen — das Recht, Ihnen beizu
stehen und Sie, soweit meine Kräfte
reichen, gegen jede Unbill des Lebens
zu schützen?"
»Sie baden eine seltsame Logik,
Herr Vätner«, sagte sie heiter.
,,Heisrt das eine Wodltbat veraelten,
daß man dem spendet das Recht zu
weiteren Woblrksaten einräumt? Aber
ich habe Ihnen gar nichts mehr zu
erlauben oder zu verbieten. Alles. was
Vertrauen und Freundschaft gewäh
ren können, ist Ihnen von ganzem
Herzen newäbrc. lan ich werde sehr
froh sein« treu-i Sie mich in Zukunft
nicht mehr sc ganz unausstehlich fin
den, ass ich Ihnen meinem Benehmen
nach bis-tue erscheinen mußte.«
»Una:1sstehiich'f Sie — Fräulein
Sigrid?«"
Sie salzen sich in nie Augen nud
wie eine Flamme loderte ec- in dem
schönen, von der Freude ihres Her
rens gleichsam vertläeten Anttiy des
Mädchens auf.
——,,Nun, ich dense, ich hätte mich im
Hause des Herrn Anton herrlinger
sie-t- ...... ----.. Es- fu«-»wu
Vunuw gusukj HIHUI Vu- i-« ------------
Sind Sie mir nicht eben noch des
halb so lsöse gewesen« daß Sie mir
ausweichen :rs-.)«.Iien?«
Nun lächelte auch er.
»Ach nein, böse war ich gewiß
nicht. Aber haben Sie nie gehör-L
daß man auch gerade aus dem entge
gengesetzten Grunde Die Flucht ergrei
fen kann, wenn —- wenn man Anlaß
hat zu fürchten —— dsß —- —«
Er fand nicht die rechten Worte
oder nicht den rechten Muth, den re
gonnenen Satz zu rollenden. Und
nun gingen sie eine tleine Weite
schweigend nebeneinander her —- bei
de betlominenen Herzens, voll beseli
gcnder Hoffnung und zugleich voll
zaaenden Banqeiis vor dem Großen
und Wunders-um das die nächsten
Setunden ihnen bringen mußten.
Dann fühlte Sigrgd ohne daß sie
hätte auszuschunen brauchen, wie
seine Aue-en wieder so worin und so
eindringlich, wie nach ihrer Ueber
zeugung sonst keines Menschen Au
gen zu blicken ever-mochten auf ihrem
Gesicht ruhten. Und sie meinte, in
der Erregnng der atdemraubenden
Erwartung fast vergehen zu müssen,
bis er mit eedäirnpftcr Stimme, bei
nahe flüsternix sagte: »Sie-greifen Sie
nicht, Frist-kein Zigrid, daß man
nuch deshalb vor jemandem fliehen
kann. weil man ilm allzu lieb hatt«
Sie fühlte ein unwiderstehliches
Verlangen, laut aufzutauchzem aber
sie hätte leine Evastochter iein müt
sen, wenn der Wunsch, alle Wonne
ihres weiblichen Empfindens bis zum
Grunde aus utostem nicht doch noch
stärker gen-»- märe als dies Ver
langen.
«Nein", Irividfrte sie-scheinbar
gnnz ernsthaft« »das de reife ich
nicht« Jch iiir meine Per on wenig
steni wiiete es nicht so machen —
vorqusgeiegt natürlich, daß ich ein
Mann wäre-«
Entsetzung folgt.)
»«Ader warum in eitler Welt drin en
Sie die Milch, wenn nicht sum Fests
stuck, is doch· wenigstens zum Luncht
Ei ist ießt vier Uhr mitteninnng —
. a, Madame, das iit un schon di
wilvchz die file morgen frii Welt-I
ir .
I
«