W " «" eebs wohn Von Albert Traeger. Leb’ wohl und laß mich still verbluten, Schau’ aus mein Elend nie uriick, Jn meiner letzten Thränen luthen Versenkt’ ich ties mein le tes Glück. Leb’ wohl, zu stummer hmuth legt Ich Der Schmerz, seit alles hoffen wich, Und leise nur im rzen regt sich Nicht haß, nein, iebe noch sür Dich. Leb« wohl, sei tausendfach gesegnet Fiir jeden Blick, für jedes Wort, Mit dem Du freundlich mir begegnet, Nur ihrer denl’ ich fort und sort. Das Wort, das Du zuletzt gesprochen, Das eine kurze, bitt're Nein, Dies Wort, das mir das Herz ge brachen, Vergehen soll’s, vergessen sein! Ver Liebe Erwachen. Novelle von E. Grabowski. Jn dem halbdunllen Zimmer, in welchem jene mhstische Dämmerung herrscht, wie sie Krankenstuben eigen, steht in der Nähe des Fenster-s ein Rollstuhl Ein bleicher Mann mit durchgeistigten Zügen ruht darin. Ganze Stöße wissenschaftlicher Werte stehen ihm zur Seite in einem Bücher schrank, und rechts ist ein Schreibpult sitt ihn so angebracht, daß ex mit einer leichten Wendung des drehbaren Sessels es bequem erreichen kann. — Er arbeitet aber jetzt nicht. Durch die balb verhüllten Fenster hat sich ein Sonnenstrahl geschlichem und wehmü thig ruht sein Auge aus dem breiten Lichtbande, das quer über seinen Ses sel fällt. Spricht es doch zu ihm vom Er wachen des Lebens da draußen, von treibender Kraft und sriihlicher Da- , seinssreude. — Und er? — Ein Dar bender. ewig Hungriger an der Tafel des Lebens! — Da trisst sein Ohr ein Kaismn und Rauschen von Feauenlleidernx die fchwere Portiere jenseits der Thiir theilt fich, und feine Frau erfcheint im Besuchsanzuge Ein Schatten gleitet über fein Ge sicht, wie sie im tühlen, ruhigen Tone spricht: »Ich lomme mich verabschie den, Anton! Leb’ wohl! Um neun Uhr bin ich spätestens wieder da.« Er zuckt zusammen. Bis neun! — So viele viele Stunden foll er wieder einsam bleiben mit seinem qualvollen Denten. »Du gehst also wirklich, Berta2« Eine schwache Hoffnung klingt durch feine Frage Sie zuckt die Achseln. »Ich muß dem Mann der Justiz räthin doch wohl persönlich gratuli ren· Sie ist so empfindlich.« Und sie knüpft langsam die langen, rehfarbenen Handschuhe zu. Jhr Mann sagt nichts, aber seine Brauen ziehen sich diisier zusammen, und seine Lippen umspielt ein herbes Lächeln. Warum auch mufz er der hilflose Krante fein, der immer Rücksicht braucht, immer auf andere angewiesen ist! Frau Berta steht noch wartend da, als aber ihr Mann noch immer schweigt, beugt sie sich hernieder zu ihm, zieht die Decke über feinen Füßen zurecht und rückt den Sessel ein wenig näher zum Fenster. Sie thut alles mit ruhiger Gelassen heit, die ,ihr die täglich geübte Pflicht zur Gewohnheit gemacht hat. —- Die Pflicht —- nur die Pflicht gebietet ihr, ihrem Mann hilfreich beizustehen. Liebe hat sie nie für ihn empfunden. Als sie seine hand annahm, war es fein Reichthum, der sie lockte, und dann, als das Unglück über ihn herein brach, zwang sie das Pflichtgefühl, bei ihm auszuhalten und ihr junges Leben ihm zu opfern. ---- Siehats wie mit etwas Unabwendbarem, und ist feine Pflegerin geworden; nichts weiter. —- Er dentt es mit Bitterkeit, während sie mit ihren leichten-» schwe Vtkivcll Dcyklllkll all uup zweite Um- - iter geht und es öffnet. Licht, Lust und Blüthendust strömen ins« Zim mer; der bleiche, traurige Mann iann es nicht ertragen; zu mächtig spricht die Sprache des Frühlings zu ihm, zu sehr mahnt sie ihn an feine eigene Verlassenheit und hilflostgleit »Mach’ zu. mach’ zu, Bertal Das Licht blendet mich!« bittet er. »Wie du willst,« giebt sie tiihl zur Antwort und schließt das Fenster wieder. »Du solltest dich von Joses ein wenig im Garten herumfahren las sen, in der warmen, sonnigen Luft.« »Schon gut, schon gut,'« spricht er mit abwehrender handdewegung Das ist tein Vergnii en für ihn. Da unterhält er sich be er mit seinen Büchern. Ja, wenn seine Frau des , Dieneri Stelle einnähmel Doch-es ist ein thörichtek Wunsch, den die noch immer nicht todte Liebe zu seinem Weibe geboren.hat. Es war ja auch gleichgiltiz wer ihn suhr —- der Diener oder sein Weil-. —- Sie that es ja mit derselben gleichgiltigen Ruhe wie Josef. »So leb’ wohlt« grüßte sie noch einmal flüchti zu ihm hinüber, wäh rend ihre Don schon auf dem Drücker der Thitr ruht. Er erwidert nichts. Nur ein Blick seiner Augen trifft sie, etn Blick so voll Trauer und Sehnsucht, daß sie zusammenschauert.-Ganz sachte schließt sie die Thür. Der Blick geht mit ihr. Yeöraska StaatI-3nzeigrr Und THATng JUMW AS — Grund Island Rein-» 24. August 1906 (Zweiter Theil.) No. 52." Sie sieht ihr-. aus sich gerichtet, wie sie, im eleganten Wagen zurückgelehnt, durch die lachende Frühlingsland schaft fährt, und die Ahnung von der grenzenlosen Einsamkeit ihres Man nes zieht in ihr Herz und rüttelt zum ersten Male an ihrer Ruhe. Tag um Tag der letzten Jahre läßt sie an ihrem Geiste vorüberziehen. ——— Sie tann sich nichts vorwersen; sie hat nie eine Pflicht gegen ihren Mann versäumt, und doch diese Unruhe und dies Nagen in ihrem Herzen, wie von heimlicher Schutt-! Still, in sich gelehrt, erreicht sie i r Ziel und schwer athmend verläßt re den Wagen. Sie muß sich zwingen, fett unter frohe Menschen zu treten, denn immer noch fühlt sie die todes traurigen Augen ihres Mannes auf sich gerichtet Und bald umschwirrt sie ein Stim mengewirr. Man lacht, scherzt, singt um sie herum, und schön geschmückte Frauen und lebensfrohe Männer drängen sich an sie heran. Sie aber hört und sieht nichts, als den vorwurfsvollen Blick ihres Man nes, und bald taucht sein blasses Ge sicht ganz vor ihr auf, mit dem güti gen Lächeln, das ihm gewöhnlich ei n. Ein seltsames, nie getanntes Weh preßt ihr das Herz zusammen. Zum ersten Male erfaßt sie die ganze Schwere seines Unglücks, das sie in diesem Augenblicke wie ihr eigenes empfindet· »Gnäd.ige Frau sind heute so ernst?« sagt jemand iiber den Tisch hin zu ihr. »Es geht doch hoffentlich Jhrem Herrn Gemahl nicht schlechter?« — Das ist in demselben höflich-kühlen Tone wie immer gesprochen, doch Inn- Nsksn CHbe Ich Alls PEUMAI fremd unter all den ost «gesehenen Menschen. Sie taiin es gar nicht be greifen, daß sie sich früher hier wohl besunden hat. »Es muß doch schrctlich sein, das Leben, das Sie siihrenk« sagte eine junge zrau theilnehmend zu ihr. »Solch chivere Pflichten! Jch frage mich ost, wie Sie bei all dieser Sorge und Kranienpflege nur so gesund und blühend bleiben können!« — »Nicht wahr, Victor,« wendetfie sich an ih ren Mann, »ich sage ost zu dir, die arme Frau! Es ist nur ein Glück, daß sie trondem so gelassen und ruhig dabei bleibt. Jeder tann das nicht; ich zum Beispiel, ich glauhe, ich lebte nicht lange, wenn mir, was Gott ver hüten möge, so ein Unglück zustiesze; ich würde mich verzehren in Angst und Sorge.« Ganz langsam steigt ein seines Noth in Bertas Wangen. Sie hört einen Vorwuin aus den Worten der Dame, weiß aber nichts daraus zu erwidern. —- Es ist ja so wahr, was sie sagt. Ihre blühende Gesundheit tommt ihr auf einmal wie ein Un recht vor. Es ist doch sonderbar, wie heute alles aus sie wirttt Schon unzählige Male hat sie ähnliche Worte einer mehr oder minder aufrichtigen eTheil nahme, mit der Miene einer Märty reiin entgegen genommen. Was ist es nur-, das ihr heute die Röthe der Scham in die Wangen treibt und sie befangen macht wie ein Schulmiid ! — . Längst hat man das Thema ewech selt, fie weiß es taum. Im eben zimmer wird gesungen, aber sie hort es nicht-. . . . Sie fi t still da, den Firps in die Hand chützh und denkt-san ihren Mann. An sein armes, freudloses c-l-I5 ds. Lehm, dem hie sum-s sksrssq s-; Sonne der Liebe! O. sie weer es aus einmal fo genau! Sie ift aufgewacht aus ihrem träumenden»SchattendI fein, das sie bis jetzt gefuhrt. « »Olie5· fojang dulietsen iannf1!« sin i drinnen eine frische, fugendlickde Stimme, der man es anhört, daß der Sängerin jedes Verständnis für den Sinn des Liedes fehlt. Es ist ja auch fo natür!ich. Wai wei Ue Jugend vosn Schmerz de: Sei stankiaaeL « « »Es kommt tieIeiL es Iommt die Zeit, wo du an Gräbern stehst und kla sti« sm- Verta fährt empor —- ein zitterndek Schreck erfaßt sie. Jst den«-I der heuiize Tag ein Tag ter Offen barung frir frei — Wie sie leidet un ter der Vision—-Todt! —- Er todt! —Ertosrt;en dee göttliche Funke des Geistes, der iroy aller törxerlicher Leiden To emsig schafft zui Wohle anderer! —- Kalt und starr das edic Gesicht. gebrochen das vormurfsvolle, müde Auge! Ein Fröfieln erfaßt fie. Der Haus-— tkery der gerade vorüber kommt, be merkt e3.«-- Sind Sie krank, gnä dtge Jenas-« fragt et theilnehmend. —- jSzr ifi sznfahtg zu ·eder Antwort Jn Ihren Augen stehen ähriinem »So hat Sie jemand gekränkt?« fragt er erschrocken. »Nein, nein!« ringer sich endlich von ihren Lippen. »Es ist bloß — ach« — sie wird seuerroth —- ,,mein —- mein Mann —- ich kann es niit Worten nicht sagen, aber, wenn ich alles um mich herum sehe in heller Daseinssreuke, und er —- er —« Sie kann nicht weiter reden. »Ich mischte nach Hans, zu ihm!« sagt sie cntalich. Der Hausherr driirtt ihr stumm die Hand. -—— »Ja, verstehe«, sagt er voll Achtung vo: ihrem Schmerz. »Jn Zehn Isiinriten soll- Jhr Wagen bereit em.'· — Die Trarnse Abendsonne hiillt alles in rothes Gold, da hält der Wagen vor ihrer Wohnung. Mit einem Herzen voll überquellen der Gefühle detertt sie das Zimmer ihres Mannes. Wie still, wie düster ist es hier. Ein Grabesschauer gelt durch ihre Glieder. So einsam, Po todeseinsam hier und draußen webt und lebt der Frühling. Und aerade wie am Nachmittag drängt sich aucb jetzt ein Lichtstreisen durchs Fenster und steigt wie eine gol dene Leiter hoii und höher. Und die Augen ihres Mannes schauen so wely muthsvoll ans das Licht, so —- todess traurig. »Hanå!«——— Fast erschrocken wendet ihr Mann ins-: nach ihr um« Das war doch die Stsmme seines Weibes? — Uber wie hat sie getlungen, wie? —— cvn seinen kühnsten Träumen hatte cr sie so zu hören gehofft; doch das ist iange her. Und doch ist es keine Täuschung. Verta, sein Weib, steht ir: der Thür, halb an den Pfosten gelehnt, als sei sie zu ichwaai zum Vorwärtäschreitem ihre ganze Haltung drückt Kummer auf-. Da erfaßt ihn namenlose Angst. Alles eigene Leid ist vergessen ,,Be:ta, weg-J- ist dir?« fragte er voll Sorge. Da gleitet sie hinüber zu dent Kranken und sinkt neben feinem Stuhl vor ins-n ins Knie. Heiße Thes nen nctzen ihre Wangen. und während sie die Arn-e sein feinen Hals ichlingi, kommt es leise, fast zaghaft von ihren Lippen: »Hast habe ich den Weg zu dir gefunder.!« —--— cinchens Reise. Lustige Geschichte von W n t d e in c« r F o r st. Aber Linchm Du mußt doch Ver nunfl sann-Meist . . . Es geht doch nun ’mal nicht!« »Warum denn nicht, Maniachenk Elly Sixius iit zu Ostern auch ganz allein nach Stettin gefahren, und Frieda Petcrs . . . .« »Wenn ihre Eltern es gestatten! . .. Aber Papa will Dich nicht allein rei sen lassen; und, offen gestanden, ich finde es auch nicht schicklich, daß junge Mäda,en so ohne iedeBegleitung in Zzie Welt hineinfahren. Zu meiner «eit . . Fräulein Karoline Brandt warf bei die en Worten ihrer Mutter triuinphi rend den Blondtopf mit den kraus-en Stirnlöckchen in den Nacken und spöt telte ein weni: naseweiß: »Ein Deiner Zeit! . ja, iamachem das ist schon etwas lange her! th sind wir ein - - - - - « fin de siecle . . . mehr . . ." »Mehr eingebildet!« ergänzte Frau Brandt im rniitterlichen Straftone, der einen merkwürdig schnellen Erfolg lsei der jungen Dame des fin de sierle l:ntte. Fräulein Karoline brach plötz lich in einen heftigen Thränenstrom J -..2 »-b. b----»- Z- ss2«fJAcö-- stcs naus- ustu est-v- lsvs w . - In das vornehaltene Talehentuch hin einzuschluelizen Einem solchen Thtänenerguffe ver max« kein Mutterherz zu widerstehen oseau Brandt streichel«e ihrem einzigen äöchterchen das- blonde Haar und suchte es zu be ruhigen »weil-, Kindl! Watte bis Papa kommt! Ja» .ja Du follst zur Tante Lotteisen fahren! Höre blos a if zu weinen — Diese letzte Mahnung war eigentlich überflüssig. Fräulein Linchen, die soeben noch .,ganz Nie-be, ganz Thräs nen" gewesen, sprang wie eleltrisirt auf und drohte die obwehxsende »Mut ter mit ihren heftigen Uinarmungei. zu ersticken, als glücklicherweise der Kindheit eintrat und die Gattin von den gefährlichen Umltriclungen seine-: aufgekeaten Töchterchens befreite Gleich daran fand ein Familienrath statt und — Fräulein Linchen hatte Pierer einmal ihren Willen durchge eilt. Di e Familie des Jngrnieurs Brandt zählte zu den angeschendsten der ab gelegen-n Previnzialftadt. Aber feil dem Anschluß an die Bahn machte sich namentlich bei der jüngeren Genet« tion der Stadt ein trankhaft austre tendes Streben nach dem »Höheren« geltend. Auch das einziae To terchen Brandt’s, das bis dahin zisch einen einfachen, lieben, hübschen Mädchen sich entwickelt, verspürte aus einmal den unwiderstehlichen Drang, ««dic modernen Bildungsextravaganzcn nachzuahmen Am meisten störend wurde für das kleine, emancipationsi lustige Dämchen ihr Name. Karo line!! Das klang so schrecklich haus backen und altiüngferlrch!! Dem Rathe ihrer Freundinnen gemäß nannte sich die Tochter des sin de siecle jetzt stets Kara, was ihr, trotz des gntmtithigen Spottes der nachsichtigen Eltern ,,furct)tbar interessant« vorkam. Heute endlich hatte das mitleidig-: Elternherz sich zu der Erlaubniß ver standen, daß ihr Töchterchen den ersten Ausflug in die Welt ganz allein, wie eine den Kontinent bereisende engli iche Lady oder amerikanische Miß zu Tante Lottchen wagen durfte. Karolinens Gesicht erglühte von stolzer Freude, als sie den Brief, in welchem ihr Vater diese neueste Wen dungi der Dinge seiner Schwester in der Hauptstadt kurz mittheilte, zur Post brachte. Unterwegs mußte sie natürlich erst die beiden Busensrenn dinnen von ihrem Glücke benachrichti gen. Da Elty und Fried-r überein stimmend es für überaus« ,,.chic« fan den, wenn ..Kara« Tante Lottchen diesmal überraschte, so ließ sich die unüberlegte, abenieuerliche Karoline schließlich dahin bestimmen, daß sie das väterliche Schreiben nicht zur Post aufgab, sondern bei sich behielt. Endlich war der große Moment ge kommen. Das schrille Absahrtssig: nal ertönte; Karoline lehnte sich ans dem Coupesenster und erwiderte die zärtlichen Abschiedsgriiße der Eltern und Freundinnen, die sie zur Bahn geleitet. mit iscm unermüdlichen We hen ihres Taschentuches. Eine warme Frühlings-last drang durch die·herttnts:rgelassenen Fenster in Ulc clllJclllcIL Uslyclkc UcH Truges, Ucc nach einer einstiindigcn Fahrt in den Bahnhof einlief, welcher einen Kno tenpunkt für die nach allen Himmels richtun en sich kreuzenden Züge bil-. dete. Zier sollte die junge Reisende die erste Probe ihrer Selbstständigleit liefern, da sie den heimathlichen Zug verlassen und nach einem halbstündi gen Aufenthalt in den nach der Haupt stadt abdampfenden Schnellng um steigen mußte. Der Perron tvimnxelte von großen und kleinen Vergnü gungsreisendem Rai-Ante nrreickdte endlich, nachdem sie einigemal von der Brandung bei nahe verschlungen worden und nur mit Mühe die Phlreichen kleinen Ge päckstiicke gerette, die Wartehalle, wo selbst sie erschöpft auf einen Stuhl niedersank. Inzwischen fuhren vorn in der glasbedeckten Halle immer neue Züge vor, und Karoline erinnerte sich plötzlich mit Schrecken daran, daß sie noch schnell ein Billet zur Weiterfahrt zu lösen hatte. Sie stürzte aus dem Wartesaal in den langen Corridor hinaus. Die vielen Seitengänge mit den mannigfachen Schultern und Ex peditionen machten einen folch’ ver wirrenden Eindruck auf sie, daß sie erst nach vielem vergeblichen Suchen, und nachdem sie beinahe von einem hochbeladenen Gepäckkarren überfah ren worden, den richtigen Schalter ausfindig machte und das Billet er ·· . o g u W und fliegendem Athem lief Karoline in den Wartesaal zurück. Aber . . . . mein Gott! . . . . hatte sich denn der große Raum inzwischen so verändert, daß in ihm ,,rechtek und linker Hand alles vertauscht« war?! . . . . Wo war denn ihr Tisch mit den vielen Gepäck stücken, die sie sorglos zurückgelas sen?-! . . . . Itaroline —- oie nur durch eme an dere Pforte eingetreten --— verlor voll ständig das Orientirungsvermögen und den Kopf. Der Schaffner rief zum letzten Male, das Pfeifchen schrillte, der Schnellng brauste ab. Wie vernichtet sant Caroline auf einen Stuhl zusammen und brach in Thra nen aus. Was fing sie ietzthier im ,,wildfremdeu Lande« an?! . . . . Der nächste Zug ging erst in vier Stunden ab und war zudem ein Bumntelzug, der sich reichlich Zeit ließ und erst ge gen elf Uhr in der Hauptstadt einlief. Nun, das war ja schließlich kein so großes.11ngliick; Tante Lottchen er wartete sie auf dem Bahnhoft Jn die sem Augenblicke wurde es der kühnen Reisenden siedendheiß. Zum ersten Male erinnerte sie sich wieder daran, daß sie Tante Lottchen so ,,chic« hatte «iiberrafchen« wollen, und der väter liche Brief noch immer der rechtmäßi gen Absendung entgegenharrte . . . . Jetzt traf die Sünderin die gerechte Strafe des Himmel-Jst O . . o! End lich bestellte sich die Kleine bei dem Kellner, der sie fortwährend in dienst beslissener Neugier umkreiste, eine Tasse Kafsee und schöpfte aus dem be lebenden Tranke der Levante wieder Muth und Lebensluft. Ja, nach einer kleinen Weile kam sich die noch kurz zuvor verzweifelnde Provinzdame wieder höchst interessant Vor. Es fehlte-zur Vervollständigung der Situation nur noch der Held· Aber, da nahte er schont Die Pforte ·-·ofsnete fich, ein elegant gekleideter, junger Herr, der sehr ,,fin de siecle« aussah, trat hinein, musterte die weni gen Passagiere des Wartesaals mit größter Unbefangenheit, die der drei stesten Unverschämtheit zum Verwech- . seln ähnlich sah und nahm schließlich; mit einem schnarrenden ,,Gnädigfte gestatten!« an Karolinens Tische Platz. Diese begann sich ganz als ,,Kara« im Sinne ihrer emancipationsluftigen Busenfreundinnen zu fühlen und be fand sich bald daran in einer »hoch- s interessanten Converfation« mit ihrem Tischnachbar, dessen Ziel auch die Hauptstadt war. Der vornehme Gentleman —- der selbst fiir den ober flächlichen Menschenkenner den ausge prägten Typus eines Reisenden in Wein und Cigarren trug —- impo nirte der ,,Gnädigften« ungemein durch seine genauen Kenntnisse der Züge, der Stationen und einzelnen Städte, deren Pläne er förmlich aus wendig wußte. Als der Zug vorfuhr, besorgte er in zuvorkommendfier Weise das Gepäck, half der entzückten Reise gefährtin in das Coupe und stieg schließlich selbst ein. Die Lokomotioe dampste ab, und Karoline befand sich zum ersten Male in ihrem Leben mit einem ganz frem den Herrn allein; seine unheimliche Angst verursachte ihr Herzbeklemmun gen und schnürte ihr die Kehle zu, daß sie nur mühsam die vielen Fragen und Reden ihres immer gesprächiger und vertraulicher werdenden Reisege sährten zu beantworten vermochte. »Wenn doch nur noch ein einziger Passagier einsteigen wollte!« Das war das fortwährende Stoßgebet der zu Tode geängstigten, kleinen Dame. Endlich, endlich auf einer der letzten Stationen erfüllte sich dieser Wunsch. set-. c-.t.--...-«t.f»««. Lin-»n» Aus-»in Ulu quujkzuuuujpuss .« ------ , «--.--.D der «dreißiger, stieg rasch ein, kurzen »Guten Abend!« wünschend und machte es sich in einer Ecke bequem. Karoline betrachtete hinter ihrem Schleier das von einem langen, dun lselblonden Vollbart eingerahmte, männliche Gesicht, dessen Züge ihr mit dem ihres lieben Papas etwas Aehn lichkeit zu haben schienen, und ihr war zu Muthe, als wäre sie einer drohen den Gefahr entronnen, die freilich nur in ihrem übertriebenen Angstgefühl bestand. Gottlob! An diesen Herrn wollte sie sich wenden, falls ihr eine neue Unannehmlichleit auf der Reises zustoßen solltet Sicherlich besorgte ihr dieser Herr eine Nachtdroschke und be gleitete sie zu Tante Lottchen, wo dann die gefährliche Reise überstanden und sie in den rettenden Hafen eingelaufen War. Eben rollte der Zug in die von elek trischem Lichte erleuchtete Halle. Der elegante Dandy, der nach Eintritt des neuen Reisegefährten gänzlich ver stummt war, wollte Karoline beim Aussteigen behilflich sein. Karoline wars einen bittenden Blick auf den blonden Riesen, den dieser sofort verz stand. Er bemächtigte sich des Geväcks und lsob die hübsche Reisegefähriin so leicht und sorgsam aus dem Wagen, als wäre sie ein kleines, der Mutterpflege noch lsediirftigeg Kind. Eben wollte Karoiine ihren Ritter um seinen weiteren Schutz bitt-en, als ksn smhinckpndpä ,,(iiottlcis. Linchen, da bist Du cndlich,« ertönte. Es war Tante Lottchen, die gliiclsclig ihr Nichtchen in die Arme schloß. Die überang sorgsame Mutter hatte nach Abgang des Zuges zur vermehrt-en Sicherheit an Tante Leutchen noch telegraolsirk ,,Linchen soeben mit dein Schnellzupe abgefahren,« io daß die kleine, reumiiihige Siinderin mit der ausgest.indenen Angst auf der Reif-: noch gnädig t-..ivonlam. Der blonde Herr, der sich den Damen als Hütten-— ingenieur Wolfert vorstellte, zeigte sich als echter Cavalier vom Scheitel bis zur Sol)le. Er wich nicht eher von der Seite der dankbaren Damen, als bis sie glücklich in einer bequemenDroschke saßen und er selbst die Erlaubniß er lfalten hatte, sich morgen nach dem Be sinden der Damen erlundigen zu dürfen. i- s- « Ein Jahr später befand sich Karo: line wieder in dem Schnellzuge, der in der Richtung nach der Hauptstadt, zu rollte. Sie war nicht allein. Neben ihr saß ein blonder, stattlicher Herr. Das Paar befand sich auf der Hoch zeitsreise. Aus dem etwas phantafti schen Fräulein ,,Kar.1« war eine ver nünstige, kleine Frau Hüttendirektor Karolire Woliert geworden. »Weißt Du noch, Linchcn? lachte der glück liche Ebemann, als der Zug auf der letzten Station hielt. W Die »Um DU«Ier«-diekosiypfm Wohl hat man längst- die Bildst fchriften der Egypter entziffert und seit einigen Jahren theilweise nich-die Hieroglyphen der Mayas in den Wäl dern von Mexito und Centralamerikm Aber die Zeichenschriften unserer vor gesehichtlichen Klippenhöhlen-Bewoh nee, an nicht weniger ihrer hokn Felshorste, sind bis zum heutigenTage ein tiefes Rätljsel geblieben! Viele vorziglich erhaltene Schrif ten dieser Art sind im Pajarito-Park —sogenanntem— bei Santa Fe,N. M, welcher die größte Menge von FelklipnewBehaufungen aufweist- Der wissenschaftlichen Welt ist es mit eif »frigen Bemühungen gelungen, daß !sch-lieleich ein großes Landftück als ,,Cliff Dwellers’ National Pari« re iervirt wurde. Hier hofft man, dem Sinn der Zeichenschristen doch noch auf den Grund zu kommen-was um fo freudiger zn begrüßen wäre, als man ohnedies so herzlich wenig von dieser Menschenrasse weiß! ————-.-.--— Aui der Sckundärlmhm Aus Greuzingen wird von einer niedlieljsen Sekundärbahnidylle berich tet: ,,.Fiiirzlich wurde dem Pfirter Zug dadurch ein Hinderniß in den Weg gelegt, daß ein Steinfuhrmann. welcher vermuthlich schlief, vor dem Zuge herfuhr und nicht aus-wich. Alle Von dein Lokomotivführer gegebenen Signale halfen nichts, und der einer Baufirma aus Altkirch gehörende Wa gen kam dem Geleife immer näher, bis er endlich zwischen zwei Schwel len vollständig festssaß und nicht mehr weiter lonnte. Was blieb dem Bähnle nun anders übrig, als auf der Strecke den Betrieb einzustellen und dem Fest eefahrenen ans seiner Lage zu helfen. Dann ging es wieder gemüthlich weiter. —--.-.-.-—— Gewitter-splittern Manche Hoffnung rächt sich an Dir, indem sie sich erfüllt. « Augenblicklich-e Hilfe ift oft Hilfe für das ganze Leben. Glück ist es, nzenn man nicht noth Ivenolg hal, oaruoet zu gkuoem Ein Mädchen ist den meisten nur dann ein himmlisch-es Geschspß wenn es irdische Güter besitz. Ein Dumnikopf kann der Welt mehr schaden, als zehn Weise ihr nützen können. Denn der Dumme macht sofort Schule. Hauöqlüth Es brennt ein helles Feuerlein, . Jch sag« nicht wem und sag« nicht wo. Vier Augen blicken still hinein, Zwei Herzen nnchtes start- nnd froh. Und immer flammt es hell und heiß, Wächst mählich auch der Aschenhauf; Denn Kinderlfände nahen leis Und legen neue eheite auf. s rnst Musllenbach Die Heimweh tu der Fremde. Wie in der Fremde sind wir dochan Erden Und dürfen nie ganz heimisch, sorglos werden. Doch weißt Du, was zur Heimath Fremde macht? Ein liebend Herz, das für Dich sorgt und wacht! Und kannst solch sorglich Herz Du selber sein, Jst aus der Erde auch der Himmel Dein! W Dutchschlagcndet Erfolg. Frau (die für die Hochzeit ihrer sTochter eine Aushilfstöchin engagirt): »Sie garantiren also dafür, daß Sie ;im Stande sind, ein seines Diner ta l dellos zu kochen?« Aushilfstöchim »O pikfeinl Vorige lWoche habe ich bei der Hochzeit des sHofopernsängers Schmelzinsky ge sellschaft applaudirt und am Schluß bin ich noch herausgerufen worden!« Bedian Gattin (sehr vergnügungssüchtig): »Paul, was soll ich denn zum Kostiim ball fiir ein Kostiim nehmen, damit mich ja Niemand erkennt?« Gatte: »Nimm-s Küchenkostiim, darin hat Dich noch Niemand gese hen." Uncrwartctet Bescheid. - Jn einem Restaurant besprechen die Herren die Gemeindewahlen, die am folgenden Tage stattfinden sollen. Jm Eifer wendet sich einer von ihnen an einen am selben Tische sitzenden Un bekannter-u »Und Sie stimmen?« »Klavier, mein Herrl« Mancher ist leicht zu täuschen, nicht weil er dümmer, sondern weil er besser ist als der Täuschende. Wie aus wildzerborstnem Felsen Springt der frische Quell hervor, So aus gramerfülltem Herzen Dringt oft mächtig der Humor. Das Denken ist so außerordentlich mühsam, daß viele vorziehen —- zu ur teilen. Erdbeben in Mexilo —- na, irgend einen Ersatz dafür, daß einmal keine Revolution ist, müssen die Leute doch haben. Von niemand läßt sich der Mensch so viel gefallen, als von —- sich selbst.