Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 17, 1906, Sweiter Theil., Image 16

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    Her Desertemz
Um- mi O. Elster.
AL- - — - - — « « m-M---—---.-.--— L
(11. FortsesungJ
16. Kapitel.
Die Flucht.
Ali Herr Oauviller in der größten
st sen Zimmer verließ und die
reppe hinuntersprang, um diehaus
thin zu erreichen, handelte er unter
dem ersten Eindruck des Schreckens
Eber die Nachrickt welche ihm seine
Tochter gebracht hatte
Aber schon an der Tbür seines
Hauses erlangte er die schlaue Kalt
Jliitigleit wieder, welche ein hauptzug
seines Charakters war. Ehe er die
Straße betrat, luate er vorsichtig
hinaus, ob er nichts Verdachtiges be
merkte. Und richtig, da sah er an
beiden Endpnntten der Straße je
einen Polizisteak die anscheinend be
schäftigungslos aus- und abgingen,
von Zeit zu Zeit jedoch einen beo
bachtenden Blick nach dem Hause
Zauvillers sandten. Dann kam eine
lilitiirpatroille die Straße entlang
und marschirte nach dem französischen
Thor, durch welches Hauviller seinen
Weg nehmen mußte, Inenn er die
sranzösische Grenze erre«chen wollte.
Er vermuthete, daß« e beiden ein
igen Thore der Stadt militärisch be
tetzt würden, um ihm das Entweichen
urch diese unmöglich zu machen. Da
die Stadt als sriibere Festung noch
mit Wall und einem tiefen Graben
umgeben war, so war kaum ein an
derer Ausweg möglich, wenn man
nicht den gefahrvollen Wea durch den
Graben nehmen wollte. Dazu waren
aber Vorbereitungen nöthig, jeden
les bedurfte man einer Leiter, um
n äußersten Grabenrand zu erklim
men. Und dann war es noch sehr
raglich, ob der Graben nicht durck
« trouillen besth und beobachtet
wurde, wie das schon bei den beiden
Thorens der Fall war.
« Entmuthigt,· oe«rzweifeind· kehrte
paaviuer in fein Zimmer zurua. er
fand henriette nicht mehr vor, die sich
wohl zu ihrer Mutter begeben hatte.
Er sank in oen Sessel vor seinem»
Schreibtifch nieder und ftiitzie im fin
steren Brüten die Stirn in die Hand.
Sollte er sich wirklich der Schmach
der Verhaftung aussetzen, der Qual
der gerichtlichen Verhandlung, dis
sicherlich mit der Verurtheilung zu
einer langjährigen entehrenden Zucht
hausftrafe endigen würde? — ollte
r, der reiche Grundbesitzer-, der bor
nehme Herr, der an alle Bequemlich
keiten des Lebens gewöhnt war, fein
Dasein in der öden Zelle eines Ker
kers, in Gesellschaft von gemeinen
rohen Verbrechern zubringen, gequält
und gemartert von dem Gedanken an
feine arnilie, die cr zu Grunde ge
richtet Sollte er den verhaßten
Deutschen den Triumph lassen, ihn
eföiengksem ihn besiegt, ihn überlistet zu
n
Jn trotzöggr Verzweiflung fuhr er
empor! —- ein, es blieb ihm noch
ein Mittel, der Gefangennahme, der’
entehrenden Strafe zu entgehen! i
Rasch öffnete er ein Seitenfachi
feines Schreibtifches, griff hinein und;
z einen Revolver hervor, den er mit T
let t behenden Händen lud!
as swar das lehre Rettungsmitteb
welches ihm blieb!
Weshalb noch zögern? — Er hatte
denTod feines Sohnes gerächt, indem
er- ein Dutzend deutsche Soldaten übxsr
die Grenze geschafft, indem erfie de:n .
Tod und Verdreben in den glühenden
Sandwüften Afrilcs entgegengefchickt,
er hatte den Marien feines Sohnes
mehr als ein junges blühend-es Leben
Jan Opfer gebrasikt...er hatte feine
ache gekühlt —- und was- blieb ihn.
Joch zu thun übrig? —- er konnte ster
en . . .s «
» Schon hob er den Revoloer, als sich
die schilt öffnete und feine Frau,
penriette und Julie hineineilien. »
. Mit einem Auffcheei des Schreckens T
fiel Frau Hauoiller ihrem Gatten th;
ten em. ’
O---:- k--- —!«s1 - « » · (
»Oui«-, usu- Wuql Du kuullx — ;
»Laß mich«, —- stiseß er hetvor.:
»Ich will Euch und mich vor derj
Schande retten!« !
»Nein — nein gielö mir denI
Revolver!.—-Jch lasse Dich nicht...1
gieb —- gieb (
Und sie rang mit ihm, Bis er, bonI
Revolrer fallen lassend in den Sesselj
zurücksank und in dumpfes Ver weis-(
lung sagte: »Nun gut —- so ii erlie-l
fett mich dem Kerler...ich bin be
reit . . . .«
Seine Frau kniete neben ihm nie
der und verbarg schcuchzend das Ge
sicht in die Hände.
»Was haft Du gethan —- was hast
Du gethan«, wimmerte sie.
.Dn kannst allerdings nicht verste
u, set-Z WITH Zepllte ers-Z ZEIT
e ne n. n —- u s
sey nie verstehen können...« «
Er stieß heftig ihre band fort,
Oele-se die Heinige umklammern wollte-.
Da trai» henrietie auf die Eltern
und, den Arm wie wissend um
Mutter legend, sprach sie mit Isc
W ZW: »Du haF kein
IM. meiner Mutter einen otwnrf
» " . mein Daten Du allein
»U- Mkd- wir un ll
bist Mk I
7 »So laßt mich sterben! Dann seid
Jbr mich lo5.« »
»Du sprichst in Tro und Verzweif
lung, Vater, Du darf nicht sterben,
um nicht noch größere Schuld auf
Dich zu laden. Entfliehe...«
.,Woziin? —- Die Thore find be
se t. ein Haus wird ourch Pol
zi en bewacht...«
»Zulie weiß einen Ausweg-«
» u, Juliesst
»Ja, Dntel«, entgegnete diese. »Der
Zufall hat mich denselben finden
lassen. Du weißt, daß if) gern in
fdem alten Gemiiucr, das an unseren
Garten stößt. berumtletierte, dort
fand ich einen geheimen Gang, der
; ins Freie führt . . .«
) Ein Strahl neuer Hoffnung blitzte
;in den Augen Hauvillers auf
, »So iornni!« rief er. »Führe mich
.es ift keine Minute Zeit zu ver
lieren .. . ."
Er raffte den Revolver auf und
steckte ihn in die Tasche; dann ent
znahrn er feinem Schreibtifch ein Ta
jschenbuch, welches mit Bansnoten ge
J fiillt war.
»Komm —- ich l-in bereit . ,.«
s Schweigend, ernst, ohne eine
Thriine zu vergießen, aber bleich wie
zeine Todte, stand Henrieite da. Sie
fühlte, daß in dieser Stunde ihr
«Gliick, ihre Liebe zu Grabe getragen
wurde: sie fah nxit bitteremSchmetze.
wie ihrVater in fchmachvolter Selbst
sucht nur an sich gedacht und auch je t
nur an sich dachte, fand er doch ni ,t
einmal ein Wort des Abschiedes für
feine Gattin und Tochter.
Ja, er stieß seine Gattin rauh von
» sich, als diefe ihn umarmen wollte.
.Es ist ietzt keine Zeit zu sentimen
taten Abschiedsfzenen!« rief er. »Wenn .
man Euch cfrieden läfrt in fnlat mis- .
nach Nach . . . komm, Julie! —- Lebt
wahl...«
Frau Haupiller sank ausschluchzend
in die Arme ihrer Tochter.
«Beruhige Dich , meine liebe
Tante«, sagte Julie herzlich. »Ich
führe Onkel sicher in das Freie....
in einer Viertelstunde bin ich wieder
bei Euch« -
Dann trat sie zu Haus-Wen der
voll Ungeduld schon an der Thin
stand. —
Die eine Seite des Gartens be
ctenzte ein altes Gebäude, welches
stahek von den Mititiikrehskdcn ais
Wagenschuppen benudt worden war.
Jetzt befand srch in ihm nur altes Ge
:ümpel, Räder, Handivertszeug, alte
Fenster und Thürer kurz alle mögli
chen Gegenstände, welche von dem Ab
bruch der Festungswerle herrührten
und vorläufig in diesem Schuppen
aufbewahrt wurden. ·
Nach der Seite des Garten-Z war
dies alte Gebäude von dichtem Ge
büsch verdeckt. so daß nur das Dach
daraus hervorragte. An mehreren
Stellen zeigten die Wände starke
Risse; an einer Stelle war ein Loch
entstanden, durch welches man ke
quenr in das Innere des Schuppens
gelangen konnt-.
hierhin führte Julie ihren Oheim
und sschliitxsfte gewandt wie eine
Eidech e durch das Loch.
Hauviller zögerte nicht, ihr zu
folåem
iese Dämmerung herrschte in dem
Schuppen, dessen lleine vergiiterte
Fenster von Staub und großen Netzen
Von Spinngewelzen verdunkelt wur
den. Uederall stand und lag das alte
Gerätnpel umher-, so daß Hauvillee
oftmals anstieß, als er Julie fol te,
die rasch und geschickt zwischen gen
Ge enstiinden hindurchschliipfte.
Zu einem Winkel stand sie still und
fah sich lächelnd nach ihrem Oheim
um
»Hier ist der Eingang, Ontel«.
slüsterte . »Du mußt aber die
Their auf den, fli: mich allein ist sie
zu schmt.«
Hauvillee erfaßte den eisernen
Fing, und hob dies-knickt ohne Arr-J
Null llllg cMPDL Ulllc ITMlllc, voll
Feu tigteit fchtiipfeige Treppe zeigte
sich
,.Wos,sin führt die Treppe?" fragte
Hauviller.
»Ja einen alten Minengang, de:
in ein Theil des Grabens mündet,
wo man den Steinbtuch angelegt hat
Jch habe-den Wea selbst mehrere Male
verfolgt. Da in dem Steinbruch .
nicht mehr gearbeitet wird, kann man
ungesehen dort ins Freie getangen.«
Fauviller s ah seine Nichte mit einem
lei ten Lächeln an. »Hast Du diesen
Weg oft benutzt, um in den Wald La
kenne fontaine zu gelangenk fragte
er. -
Julie etröthete.
»Das war nicht nöthig-T entgegnete
sie lachend, »He-nieste kennt diesen
We übrigens nicht; sie hätte ihn auch
wo l nie zu benutzen gewagt.«
»Ja. ja, Henrieiie liebt ni t ge
heime We , das muß man i r z-!
its-rein Aus-ne lassen. —Doch einerlei,
n welchem Zweck Du diesen geheimen
usgang benutzt hast, ich danke Dir,
Tdaß Du mit ihn fest zeigst. Wirst
Du mit nett kni«
Es ist n« t nöthig. Du kannst den
Weg nicht yet-schien iet in der
Wische steht ein Keiner gewisses-«
»G, ei. .». Des wird ja immer ra
Wunsche-»
Julie erröthete abermals-. Dann
zündete sie den Wachsstock an und gab
ihm ihren Lheini.
»Hier lieber Onkel-und nun in
Gottes Namen vorwärts-. Glück auf
den Weg . . . ."
»Mädchen, ich war oft hart und nn
sreundlich zu Dir —- veraieb mir dass
»Es ist nicht der Mühe wertv,
Onkel. Geh nur, ehe es zu spät
wird.«
» ch bin Dir Dank schuldig, Kind
.. «- U bist arm . . . ich werde an Dich
denken . . .«
»Ontel — Onkel — geh, geht«
Und hastig drängte sie ihn nach der
engen Treppe.
»Gut, gut. Jch danke Dir melxr
als mein Leben . . . ich wette es nicht
ver ssen.«
r verschwand J-: der dunklen Oeff
nunF. Julie beugte sich nieder, um
zu orchen, wenn er den Gang er
reicht hatte. Dann schloß sie mit
einiger Anstrengung die Fallthiire.
vreßte die Hand auf das tlopsende
Herz, kutschte eine Weite, ob niemand
in der Nähe frei, und eilte dann wieder
au;1 demselben Wege zurück.
is sie in das Haus trat, prallte
sie erschreckt zurück. Zwei Polizisten
standen ihr eaensiden
»Halt, adeinoiselle!«s rief der
Eine. »Wer sind Sie?«
Die reiolute Julie faßte sich rasch.
»Mon dieu. wie Sie mich erschreckt
hat-ent« entgegnete sie. »Was wollen
Sie von mir't«
»Das werden Sie schon erfahren.
Sind Sie s räulein Julie Haier, die
Nichte des rrn Hauviller?«
,, a."
,, her kommen Sie?«
»Aus dem Garten, wie Sie sehen.«
»Wast haten Sie dort?«
»Mon dieu, was thut man ini
Garten?«
»Er-den Sie Herrn Hauoiller nicht
gese, n?"
»Nein.... ich glaube, er wird in
seinem Arbeits-immer sein«
Der Polizist wandte sich an seinen
Kameraden.
«Durcbsuchen Sie den Garten,
Millbrandt«, befahl er ihm.
Der Polizist entfernte sitt-. in den
Garten. Der andere wandte sich an
Julie.
»Sie werden mir folgen.«
»Aber ich bitte Sie.« . ..
«Lassen Sie dir unnützen Worte.
Sie werden vor dem Untersuchungs
richter Jhre Aussage machen könne«-»
Vorläufig muß ich Sie eriuchen, in
Jhr Zimmer zu gehen und dasselbe
nicht zu verlassen.
»Aber was soll das Alles bedeuten?
Wo ist meine Tante?«
»Madame hauvillet mit ihrer
Tochter befiner sich ebenfalls in
»Aber so lassen Sie mich doch zu
ihr-en geh-ein«
»Das ist wider meine Instruktion
Machen Sie leine Weitläufigsleiten,
Fräulein. Sind Sie nnschuldia, wer
den Sie schon wieder freigelassen«
Julie sah ein, daß« es das Beste fei,
sich schweigend zu fügen- Ihran
pochte gewaltig, aber sie zwang sich
zur Ruhe und entgegnete lZchelnd:
»Nun gut —- hier ist mein Zink
mer.«
»So treten Sie ein·«
Sie trat in ihr Zimmer, dessen
Tbiir der Polizist hinter ihr verschloß.
Sie hörte ihn die Treppe hinausgehen,
wahrscheinlich nach dem Arbeitsziw
mer gauvillerT Vielleicht auch zu
ihrer «ante, deren Schlafzimmer sich
im ersten Stock befand.
Gewaltsam zwang sie sich zur
Ruhe. Jbr Onkel war gerettet, das
wußte sie, denn niemand tannte diesen
alten Minengang, niemand wußte den
Zugang u demselben, niemand kannte
die Mun una deflleben in den verlas
senen Steinbruch.
Wenn er diesen erreicht hatte-.
konnte er sich bald in den Wald ret
ten, da dichtes Gebüsch die dortige
Seite des Glacis bedeckte und sicb iast
bis an den Wald zog. Hatte er ein
mal ten fchiihenden Wald erreicht,
konnte er in zwei Stunden jenseits
der Grenze sein.
Sie lächeltekietztksagar Liber» den
s--Lk-s--— tI
sonnen-tu Durst uns-»Ist Olcllslllsct
des Polizisten, der den Garten durch
suchte und den si-: von dem · nster
ihres Zimmers beobachten onnie.
»Suche nur«. flüsterte sie. »Nu: einer
außer mir kennt jenen geheimen Gan-g
und dieser eine wird mich nicht ver
rathen...«
—
17. Kapitel.
An der Grenze.
Hauviller eilte rasch in dem dunklen
Gange weiter, den er allerdings ge
bückt durchschreiten mußte, da der
Gang nicht ganz mannshoch war.
Von demselben zweigten sich noch klei
nere und engere Gänge ad, die jedoch
durch Brettetoerschlä e verschlossen
waren. Es handelte ich also augen
scheinlich um ein vollständiges Minut
syslern, das aber schon lange nicht
mehr in Benitsung gewesen und der
Ver ssenheit andeirngefallen war.
Na etwa zehn Minuten ichsnmmte
dem Flüchtigen das Tageslicht entge
gen. Er hatte die Mündung des
Gan es erreicht, die mischen Dornen
gebiisch o versteckt ag, daß sie oon
außen s r zu entdecken war.
Hauviller stand still, um sich zu
orientiren. Steintriimnier und Schutt
stillten hier den Graben aus, Reste des
Steigt-weiss den man hier vor eini en
ahren lett-Ideen dann aber verla en
atte. Diese Steintrtimmer ermög
chten aber leicht den Abstieg in den
Graben nnd das Empoclleteern am
jenseitigen Rand.
W
Rafch bewerkstelligte der lüchtling
den Abstieg Pliitzlch stan er er
schreckt still, fein herz pochte fast hör
kar; dort unter einem überhangenden
Felsenstück stand ein Offizier und sah
aufmerksam nach der Seite, von der
sich haudiller näherte.
Dieser duckte sich hinter einenBuich.
Er erkannte denOffizierz er hatte ihn
oft mit Harald zusammengesehen und
nach seinem Namen gefrag:. Es war
re: Oherlentnant Krumbhoi .
Dienstlich schien der Offizier jedoch
hier nichts n thun zu haben. Er
hatte seine Aiiihe neben sich auf einen
Stein gelegt und tauchte ganz behag
. lich eine Cigarette. Dann zoq er einen
kleinen Brief hervor, dessen rofa
Papier haudiller merkwürdig bekannt
vorkam. Er hatte dieses lktriefpapier
auf dem Schreibrifch feiner Nichte ge
schen.
»Sieh die kleine Schelmin«, mur
nielte Hauoiller. Also dazu hat sie
die Entdeckung dieses geheimen Gan
ges benutzt-»das ist allerdings be
quemer, als der einstiindige Spazier
gana nach der guten Quelle. . .«'
»Lulu«, denn dieser war es in der
Thai, steckte das Briefchen wieder ein,
sah nach des nhspschiinkne den gänz
irarf die Cigarette mit einer Gebärde
des Mißniuths fort, letzte die Mitte
auf und entfernte sich langsam, ein
Liedchen pfeifend. .
»Aha, dem wird die Zeit zu
lang«, fliisterte Hauviller lachend.
»Heute wikd’s freilich nichts mit dem
Rendezvous . . .«
Als der Offizlcr um eine Ecke des
Grabens-v erschwunden war, feste der
«liichtling feinen We fort· Bald
satte er den entgegengesetzten Graben
rand erreicht und verschwand hier is
dem Gebüsch, das sich fast bis zum
Walde hinzog.
Da der geheime Gang indessen
nach Osten mündete, und die Grenze
in: Westen lag, mußte Hauviller einen
ziemlich weiten Umweg machen, um
aus den We nach feiner Ferme Terre
Noir zu ge angen. Aber er kannte
die umliegenden Wälder so genau, daß
Lee kanin auf den« Weg zu Uachten
f»1.-’-Uuch- Cl Ucliuslc Ausl, Ul( UT
tannteren Waldrrsege nicht. sondern
ichlu sich, ftete die westlichc Richtung
inne ltend, durch das Dickicht und
das Unterholz, da er wohl bemerkt
hatte, daß in lester it mehrere
Gendarnren die Umgegen durchstreif
ten, und er diesen gern aus dem Wege
gehen wollte. «
Ohne einem Menschen zu begegnen,
erreichte er das furnpfige Wiesenland
von Terre Noir und athrnete auf, als
er denFnß auf die Schwelle des ver
fallenen Gehöfrs feste. Er mußte sich
biet eine Weile oerschnaufen, denn er
hatte den zweistündigen Weg in kaum
einer Stunde zurückgelegt
Als er jedoch die Küche des hat-sek
betrat, fuhr er erschrocken zurück. Eine
derbe Mannesgeslalt erhob fich vom
Herde und trat ihm entgegen. Aber
sofort ertannte er einen der Knechte
des alten Gaspard und athrnete auf.
»Diable! Jhr habt mich nicht
schlecht erschreatt" fagte er. Was
macht Jhr hier-«
»So erlennen Sie wich, Mon
sieur?« fragte der Arbeiter in feinem
bteiten Patoig und vergnügt rinsend.
,,Ob i Euch erkenne! hr seid
doch der nechi tei dem alten Gas
»Ja freilich, des bin ich« Aber seit
Pierre Gaspard ein Kohlengefchäit
aufgegeben hat un als Privatier in
Nancn lebt, habe ich teine ständige
Beschäftigung meler
»Aber was macht Jhr hieri«
» ch erwartete Sie. . ."
«" ie erwarteten mi t«
»Ja — ich war in üdelbur , am
o·t;nen eine Bestellun von Klinke
aspard zu überbringen Denke
Mittag aber hörte ich schon in einer
Soldatenlneipe, daß rnan Ihnen auf
der Spur war. ch wollte Sie war
nen, fand aber J Haus unter poli
zeilicher Beobachtung, da wagte ich
mich nicht hinein. Jch dachte mir
wohl, daß« Sie Reißaus nehmen witt
den und wohin konnten Sie anders
kommen, als hierberi So begab ich
mich denn hierher und wartete
»Gut, Jhr seid ein schlauer Bur
sche! Jetzt aber führt mich rasch iiber
die Grenze, Jhr wißt ja den Schleich
Hishi-.
«J!s,r habts verdammt eilig, Mon
sieur Hauviller«, lachte der Mann.
»Aber da liegt ·a gerade der Hund
begraben! Ich ioli Euch non Pierre
Gaspard Mienen. daß die ganze
Grenze seit unserer letzten Expedition
von preußischen Gendarmen beobachtet
wird, so daß am Tage wenigstens
"ieine Maus ungesehen durchichliipien
term. Unserer-. ichönen Schleichweg
haben sie auch entdeckt und ich bin
sicher-, daß wir nach kaum hundert
Schritten einer von den Pickelhauben
begegnen würden.«
»Aber was sollen wir denn anfan
gen Ich muß über die GrenfeI
»Das isi leichter geiagt, ev e gethan.
Am Tnoe kommen wir nicht hinüber-;
wie mii en uns durch die Wälder
mehr nor wärts schleichen und in der
Nacht versuchen die Grenze zu gewin
nen. Das ist freilich ettrzas unbewe
mer und der We ist we ter. aber die
Gren ift nach orden zu nicht so
fchar bewacht.«
« so vorwärts denn! Wenn hr
mich sicher über die Gren e bringt, oll
es Euer Schaden nicht ein.«
»Ich will-, versuchen, herr. Aber
Ihr müßi» tüchtig i.iarfchieren.«
«Borworis! Verlieren wir keine
unniißen Vortei«
»So commi: Nicht dahinousi Da
laufen ver« den Pickelhanben gerade
wegs in die Sirt-ein«
Dem die Führung m Waidach-sk«
terZ hätte si hauviller bald in dem
dichten mit Unterhalz durchwachsenen
sinkst verloren. Aber mit der Sicher
eit eines Spiirhnndes durchbrach der
Arbeiter das Dickicht und hielt stets
die nördliche Richtung inne, obglerap
man von dein Himmel und der unter
gehenden Sonne, welche zur Orienti
rung hätte dienen ldnnen, teine Spur
sehen kannte.
Eine Stunde moshte man so in an
strengender Eile marschirt sein und de:
Abend senkte sich nieder, als« plöhlih
der Arbeiter inne hielt und ausmerl
sam lauschte.
»Was habt Ihr?" fragte hauviller
besor t.
»Heute nom d’nne pipe!'« sliisterte
der Arbeiter erregt. »Ich glaube, man
ist uns ans der Spur?«
»Aber wie ist das möglich? —- Was
Hört hei«
»H«rt Jhr nicht, wie dort vor uns
Menschen das Gebüsch durchbrechen —
und —- jetzt hört man auch ihre
Stimmen!«
Jn der Ferne erschallte ein Rus,
dem ein anderer von der rechten Seite
der Flüchtlinge antwortete.
Dann hörte man das Signal ein-S
Jki erhorns.
gauviller erbieickitr.
»Es sind So;daten", sliisterte der
Arbeiter, »wel e den Wald abiuehen
...raich- ter sen Abhang herunter!
Da im Ge üjch steht eine alte. verlass
sene KöhlerhiittrL Verhergt Euch . . .
irh will derweil versuchen, auszuwe
niien, von welcher Seite die Soldaten
kommen. Wenn sie nur von rechts
nnd vorn kommen, so müssen wir so
rasch wir können nach links, das heiszt
nach Weiten laufen. Die Grenze ist
etwa noch eine Stunde entfernt, viel
leicht kommen wir hinüber, ehe sie un
erreichen.«
»Aber trenn Sie Euch entdecken?«
(Fortse3ung solgt.)
W
——..
Fledermaus-schrecken
Es gibt unter den Herclden des
Frühlings voreilige, beschwingte Bo
ten die dessen Eintressen u früh ver
tiinden. Vornehmlich sind es die
Staate, die ihre Reiselust und die
Sehnsucht nach der nordischen Hei
math nicht zu ziigeln vermögen und
oft dafür büßen müssen: wer
sah nicht schon die drolligen Sänger,
vorn Schneegestöber umbraust, vor ih
ren Sommerhiiuöchen sitzen?
Wenn jedoch jene seltsamen Ge
schöpfe in später Dämmerstunde unser
Haupt geräuschloö umflattern, die trotz
ihres schwankenden Fluges teine Vögel
sind, dann dürfen wir mit Sicherheit
hoffen, daß die Nachziigler des geflüch
teten Winters uns teine eisigen Ueber
raschungen mehr bereiten.
Die Fledermäuse sind gegen Frost
sehr empfindlich und wagen sich aus
ihrenSchlupfwinteln, die sie zum Win
terschlas wählten» erst an warmen
Abenden hervor
Jn unserer heimischen Th rerwelt
finden wir nur bei den verschiedenen
Arten der Flatterthiere zwei ganz un
gleichartige Eigenschaften vereinigt,
nämlich das Vermii en, sich aus dein
Erdboden nur müssarn und schwer
fällig triechendz u bewegen, neren der
größten Behendt teit in der Lust Es
scheint, daß die statur diese Wesen in
einer bizarren Laune erschaffen hat.
Nicht nur das lichtscheue, unheim
liche Gebahren der Fledermaus, son
dern auch ihre abschrettende häßlichteit
haben zu allen Zeiten Abscheu erregt
An dem kurzen behaarten Körper von
mauscrauer Farbe befindet sich ein
runder Kopf, den der weitgespaltene
Mund mit spitzen Zähnen ebenso wenig
verschönt, wie die aussallend großen
Ohren. Sie ist mit einem häutigen
Flugapparat ausge tattet, der wie ein
Fächer zusammenge tappt werden kann,
und zugleich als einhüllender Mantel
dient. Für die Zeit des Schlafs liebt.
es die lederrnaus sich verlehrt an den
hinter inen aufzuhängen
Da dieses Thierchen gern versallenes
Gemiiuer, Felsspalten und Höhlen be
wohnt, erweckt sie bei allen, die noch an
Gespenstersput glauben, Furcht und
Grauen.
Schon im Altekthum spielte die Fle
dermaus im Volks-glauben eine un
heimliche Rolle; sie galt als unheilbtin
äcnd und sogar als Verkünderin des
odes. Die grauenerregendenharpyien,
die in Reliess und Grabdenlmiilern
nachgehildet sind, tragen krallenbe
wehrte Flügel, die denen der Fleder
mäuse ähnlich sind.
Jn siidslavischen Landen ist die
Furcht vor diesen Nachtschwäkmern
eng mit dem ttestoutzelnden Aberglau
ben der Vamphre verbunden; auch die
Fledermaus steht im Verdacht, den
fehle-senden Menschen das Blut auszu
saugen. ·
Bei den ungebildeten Vollstlassen
Siziliens herrscht seit jener Zeit, tvp
häufig die Pest verheerend austrat, der
unauörottbaee Glauben, daß sich Pest
srauen und Hexen in Fledeemäuse
verwandeln, um in dieser Gestalt Un
heil anzustisten. Deshalb werden auch
die hatmlosenThiere grausam verfolgt,
an die Hausthüren genagelt oder ver
brannt. -
Die Zigeuner weesen nach den vor
heihuschenden Nachtvögeln mit glühen
den Kohlem um ihren verderblichen
Einfluß auf Gesundheit und Leben zu
entltäftem
Aus den weiten Gebieten Polent,
welche die Weichiel data-strömt hat der
lächerliche Aberglaube Verbreitung ge
sunden, daß die häßliche Nrani t des
,.Weichselzopsei« daduech enttte « daß
eine Fledermaus sich tn den haaeen
o-h.
M
festtrallt. Diese Beschuldigung ist Mk
ibiiricht. wei das Thierchen in den
c·slugl)i«iuten sehr feinsiihlige Nerven
liesist nirgen s anprallt und selbst in
finstere Nacht dem Menschen nie an den
Kon fliegt. Man bat in einem Raum.
durch den viele Fäden lurz und quer
espnnnt waren, geblendete Fledermau
fe fliegen lassen; aber obgleich ihnen
das Augenlicht fehlte, oermieden sie es,
die Fäden zu berühren.
Die Furcht vor der Fledermaus
herrschte nicht nur in alter Zeit, sie ist
heute noch beisUngebildeten vorhanden
Leute, die sich fiir mutbig u. aufgeklärt
halten, können von sinnloser Angst er
griffen werden, wenn eine Fledermaus-,
angelockt durch Nachtschmetterlinge, die
das Licht nmschwirren, im Jagdeifer
durch das offene Fenster flattert. Dann
treischen die Frauen, schlagen mit Tü
chern oder Besen nach dem unwillkom
menen Gast, und die Folge ist oft eine
umgeworfene Petroleumlampe, oder
berabgerissene Vorhänge gerathen in
Brand. .
Als ich an einem warmen Spätsom
merabend bei offenem Fenster arbei
tete, huschte plötzlich ein dunkler Schat
ten an der Lampe vorüber, dem bish
schnell ein weiter und dritxer folgten.
Der "te esuch war ein F edermausg
wei en, das non zwei Nebenbublern
umschwärmt wurde! Nun begann ein
luftiges Minnespirl im Zimmer; län
gere Zeit flogen meine Nachigäste Mld
zum Fenster hinaus, bald wieder ber
ein, wobei sie mich lebhaft umschwirr
ten. Das Weibchen ließ bisweilen ei
nen leisen quietenden Ton hören und
verstand es vortrefflich, den erregten
Liebhaber-n immer wieder zu ent
schlüpsen ss
Den modernen Volksschulen danken
wir es. dafr die Kinder meistens frei
sind von abergläubischer Furcht; auch
die kleinen Japaner zeigen vor den
Thieren keineScheu und locken sie durch
einen Gesang, der in unsere Sprache
übertragen lautet:
,.Flederrnaus, Fledermaus!
Bergviesser sollst du haben; ·
Unter der Weioe das Wasser solln du zu
trinken haben,
Das Waiier hier ist fügl«
Ein anderes Svriichlein lautet:
»Fledernraus komnH
Wenn du berabgeslbgen bist,
WerdI ich dir Ein-riß geben«
Während des dreißigjährigen Krie
ges war bekanntlich unter dem ver
wilderten Kriegstwlt der Glaube an
das »Festmachen wider Hieb und
Stich«, die »Paisauer Kunst« genannt,
weit verbreitet. Es gab verschiedene
Mittel, z. B. Zettel mit Zaubersprii
chen und geweihte Münzen, die der
Soldat unter dem Ledertoller trug.
oder ein Hemd, zu dem das Garn eine
reine Jnugfrau in der Andrcaönacht
gesponnen hatte. Wer drei Tage lang
nur die Herzen von Fledermausen ver
speiste und mit deren Blut den ent
blösten Leib einrieb, konnte sich eben
falls »gesroren" (unverwundbar) ma
Jn jener sinsteren Zeit glaubten
Landstnechte und Jäger noch an Frei
kugeln«, die nie ibr Ziel verseblten. Um
diese zu erhalten, mußte beim Kugel
gieszen in das geschmolzene Blei die Le
ber und das Herz einer Fledermaus ge
mischt werden.
Jm Mittelalter und in der Zeit der
hexenversolgung war sür verbrecheri
sche Weiber ein eintriigliches Geschäft
die Bereitung von Liebesträntem die
sie aus den abscheulichsten Dingen zu
sammenbrauten. Für besonders träf
tig wirkend galt die Mixtur, in der
die Asche einer verbrannten Fleder
maus enthalten war. Jbr Blut wurde
als heilrnittel gegen Vipernbiß ange
wendet. .
Wer bei Kranken wachte «und das
her-z einer Fledermaus bei sich trug,
den übermannte nicht der Schlaf.
Von Konrad Geßner wird in seinem
Vogelbach »dieser Vogel eine Speck
maus genannt, weil er den Speck isset
und die Schweineseiten durchnaget·«
Das wird vom Landvolt beute noch
geglaubt; mancher sonst gutberztgen
Bäuerin schwillt die Zornader, wenn
sie in« derL »Ra·u·chtamme»r« Fledermause
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Ort für ihren Winterschlas versteckt ba
ben. Gefangene Fledermäuse werden
bald zahm und sogar zutraulich. Sie
sind in den Biehställen vortreffliche
Fliegeniänger und nehmen auch darge
reichte Milch; dieser Umstand hat sie
wahrscheinlich in den Verdacht ges
bracht, den Kühen aus dem Euter di
Milch zu saugen.
Eingesperrte Fledermäuh denen
nur Speck als Nahrung gegeben wur
de, verhungerten bald, weil sie sieh aus«
schließlich von lebenden Jnsetten näh
ren, die sie in großer Fahl vertil en.
Jeder orftmann ollte die leder
rnäuse sch den. weil sie äußersi schäd
liche Nachtfalter vernichten, z. V. die
Fichteneule und den Riesernspinney
deren Rauber schon große Wälder zer
störten.
Auch Landsmirtbe und Gärtner sind
diesen verleurndeten und verachteten
Flatterthieren Dant schuldig; ohne de
ren wirksame Unterstützung im Ver
tilgungslanipse gegen alle Schädlinge,
würde die Anzucht edler Fruchtbäume
schwieriger sein, und noch mehr Mißs
ernten an Obst den Nationalwohlstand
schädigen. B. Ohrenberg
--
Cine Dame in Columbug, O» zog
es vor, ins Gefängnis zu geben« an
statt aus dem Zeugenstande ihr Alter
anzugeben Sie gab indes zu. daik si-·
Fa IS. Lebensjahr bereits hinter sich
k.