Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 27, 1906, Image 6

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    Der Deserteutz
Roman von O. Elster.
, (8. Fwtlceuuw ,
Efspllte ihr in das heitere. glücklich
lachende Antlis sehen. seine eigene
Sorge verbergend, feinen Verdacht
verbeimlichend und mit ihrem Vater
weiter verkehren .als sei nichts gesche
ben..· nein, das vermochte er nicht!
Das erschien ihm als eine Täuschung
ihres Vertrauens, ein Betrug an
ihrer Liebe. Lieber blieb er ihr ganz
fern, obgleich er sich sagte, daß auch
dieses sein Fernbleiben sie tief ver
letzen mußte.
Aber was sollte er machen? Er
durfte als Ofizier und Ehrenmann
nicht anders handeln. Um allem aus
dem Wege zu gehen, wollte er den
Kommendeur um Urlaub bitten:
Ober«tleutnant von Gimberg wiirde
ihm den Urlaub in Anbetracht der
Umstände wohl bewilligen Kehrte
er dann nach einig-en Wochen zurück,
würde sich die ganze Sachlage .ell«(irt
haben. An Henriette würde er chrei
ben, daß eine Erkrankung »seiner
Mutter ihn zur schleimigen Abreise
nöthige. Später, wenn sich alles ge
lliirt und die Unschuld Hauvillers er
wiesen war. würde er ihr alles sagen
und sie würde ihm verzeihen.
Mit diesen Gedanken beschäftigt
schritt er in seinem Zimmer aus und
ab, als sein Bursche ibm den Besuch
eines Herrn meldete.
»Wer ist der Herr?"
»Ich kenne ihn nicht« Herr Leut
nant. Er behauptet, er habe eine
dringende Angelegenheit mit Herrn
Leutnant zu besprechen.«
»So laß ihn eintreten« «
Ein in einen einfachen Touristen
anzug actleideter Her-r von etwa vier
cilg Jahren trat ein. Sein scharf ge
gnittenes Gesicht zeigte eine gelbliche
lässe; den Mund bedeckte ein starker
Schnurrbart; unter den dichten
Brauen schauten zwei scharfe graue
Augen hervor, die mit einem raschen
Blick das ganze Zimmer umfaßten.
Sein Auftreten war sicher und ru i ,
seine Bewegung leicht und geräusckå
es
»Verzeihen Sie, Herr LeutnantJ
begann er niit leicht verschleierter
Stimme, »wen ich Sie störe...»
mein Name ist KriminaltommissJrH
Baunert ans Straßburg . . . .«
»Krirninaltommifsar . · .?'·
»Es wundert Sie, mich zu sehen,.
nicht wahrli« fuhr der Beamte mit
einem leichten Lächeln fort. »Im all
gemeinen hat man nicht gern mit
Leuten in meiner Stellung zu schaf
fen. Dehalb habe ich mich auch ir:
das Hotel-Frenidenbucb als Photo
raph eingetragen, welcher einige
usnahmen der hübschen Gegend
inaclsen will. Jch bitte Sie, mich auch
nur als solchen zu kennen, sollten wir
uns in der Qeffentlichteit wieder be
gegnen."
»Ich verstehe nicht, Herr Kom
missar...«
»Was wir mit einander zu thun
haben? —- Oh, Sie werden es
leich verstehen. Der Herr Oberst
eutnant hat Sie ja schon von der
chwebenden Untersuchuna wegen-« der
sertionen in Kenntnis gesetzt und
mich Bat man hierher geschickt, um
eini echerchen anzustellen«
» s habe ich damit zu thun?«
»Ich bitte nur einige Fragen stel
len zu dürfen.«
»Ich möchte aber nicht mit dieser
Ungelegenheit bebelligt werden«
. verstehe, here Leutnant; aber;
es t t mir aufrichtig leid, aus mein
Verlangen bestehen zu müssen. Es
mitß anen ja auch daran liegen,
diese Asfaire aufzuklären und dann
—- es diirfte fiir Sie doch angemes
sener sein, mir diese lFragen zu lee
antworten, als dein ntersuchungs
richtet oder dem öffentlichen Gericht.'«
»Jch»,hosfe, herr Kommissar, Sie
wollen mir nicht drohen?« .
»Steine-wegs, here Leutnantt Wie
Lilie ich dazu tomment — Jcb wollte
ie nur aus die Unannebmlichleiten
aufmerksam machen. eventuelt als
se vernommen zu werden.«"
But — ragen Sie —·lntte, neb
inen Sie VI »
Der Knminaltoinmrssar verbeugte
leicht, M einen Stuhl heran und
ette sich t dem Rücken noch dem
ritter. Es war dies so eine Ge
wohnheit, um besser beobachten zu
können. harald bemerkte .es wohl
und lächelte ein wenig spottis . »
Sollte er wirklich als ein erdach
tiger vernommen werme Er blieb
vor dem Kommissar stehen unt sagte:
«Nun, was haben Sie zu fragen,
sein Herri«
·Der Beamte zog ein Nottzbuc
heraus und nahm en Bleistift in die
nd, als wollte er alle Antworten
ogleich aufschreiben.
»Ich hoffe nicht, daß Sie ein Pro
tokoll aufnehmen wollen«, fagje et.
,Vekzeihen Sie...nein, das liegt
nicht in meiner Absicht Nur beson
ders aussallende Punkte möchte ich
wisse Mieen...mit Ihrer Erlaub
. «
»Bitte —- also was wollen Sie
Leut-ums verkehrten im
hin III Denn Louis Hanvillerkf
«th Ihnen niemals aufgefallen,
daß Vauviller Heimlichkeiten hattes«
»Nein —- ich pfle e mich nicht um
die Privatangelegenlseiten der Fami
lien zu helünnnern, bei denen ich ver
kehre.«
Der Kommissar lächelte.
»Ja diesem Falle«, sagte er, »wäre
es jedoch ganz natürlich gewesen,
Herr Leutnant.« "
Harald ertötlsete leicht.,Er er
kiethJ daß der Beamte auf sein Ver
hältntß zu Henriette anspielen wollte.
»Dock, lassen wir die Privatan ele
genheiten bei Seide«, fuhr er Fort.
«Bemerkten Sie nicht, daß noch ans
,dere Personen im Hause verkehrten?«
J »Ich achtete nicht auf vie Leute,
nelcke geschäftlich mit Herrn Hau
viller zu thun Hatte«
»Sei-r wohl. —- War in der Fa
mikie nicht zutreilen die Rede von der
Ferme La terre noire?«
Einige Make. Die Damen woll
ten gern, daß die Ferme wieder auf
gebaut würde, Herr Hauviller metnte
f1edoch, baß es sich nicht lohne. Er
; hakt die Ferrne neulich besucht Und sie
Egan zerfallen gefunden.«
F »Za, sie ift nur noch ein Trümmer
) haufen. Jch war ebenfalls dort. Nun
Ieine andere Frage. Kannten Herr
»Lentnant die Zofe der Mademoiselle
kHentiette?«
»ga —- dem Ansehen nach."
ie hieß Jeanne Gasvard und:
»wa: ein hübsches Mädchen?«
» ch «c,laube.«
»ewi; lauftz aus TnacyW
» wei es ni t."
»Was-ten Sie, Herr Leutnant, daiz
Jhr Bursche Friedrich Reimer, dec
jetzt desertirt ist, ein Liebesverliöltniß
mitgkiesem Mädchen unterhielt?"
« ein«..
»Ja, sehen Sieg Die Poxizki weißT
ostmals mehr, als die zunächst Be
theiligten«, sagte der Kommissar
lachend. »Mir-en Sie den Vater
Jeanne Gaspards, den alten Fühler-«
meister Pierre Gasward, zuweilen in
dem Hause gesehen?«
«Einmal.«
»Wann war das?«
»Vor acht Tagen.«
»Also drei Tage vor dem Ver
schwinden Friedrich Reimerst ——"
»Wußten Sie, was Gaspard bei
Herrn Hauoiller wollte?«
.Man sagte nur, daß er seine
Tochter abdolen wollte. die nach
Hause zurückkehren sollte.«
»Ziel Ihnen nichts dabei auf?«
ein. was sollte ich Ausfall-nierl
dabei finden?n
»Waren Sie
noire?«
»Nein.«
»Aber wie lornmt dieser Handschuh
mit Ihrem Namen dann dorthin?«
Bei diesen Worten zog der Beamte
einen alten Militärhandschuh hervor
und zeigte ihn Harald. Aus der «"n
nenseite des Handschuhs stand Za
ralds Name.
einer von
sagte er er
,.Das ist allerdings
meinen Handschuhen«,
staunt. »Ich schenkte sie vor einiger
Zeit meinem Burschen, da sie mir
nicht mehr gut genug waren.«
»Sie schenkten die handschuhe
Friesrich Reimers?«
ve- a·«
»Als-) muß er den Handschuh dort
verloren haben.
einmal in terre
Er war mithin- in .
der Ferme. Als er desertirte, nahm?
er seinen Weg iiber die verfallene
Ferme.« I
»Das ist wohl möglich Aber wag «
wollen Sie dadurch beweisen?«
»Vorliiusig noch nichts. Jck
sammle nur Bemerlungen und Anzei
Mu.
lein Weg nach der Grenze oder einer
Grenzstatiom Ein dichter Wald
Von dieser Ferme gebt aber
schließt sich dem Garten der Ferme
an, der noch über die Grenze reicht
und dort an die Felder von Hayan e»
stößt. Dieses »Gut gehört ebenso 's
Monsieur hanoiller. Sie haben
wohl auch davon gehört?«
? »Ja der That nannte man in der
amilie einige Male diesen Ranun.
ber ich bitte Sie, was geht alles das
mich an, und wie können Sie daraus
eine Schuld des Herrn Hauoiller »inn
struiren. Wenn der Deserteur seinen
Weg durch die eirgarnen Wälder von
terre noire und ayange nahm« so
erscheint mir das ganz natürlich. Er
erreichte da in der tiirzesten Zeit und
ungesehen die Grenze. Daß die Be
sitzungen hanoilleti gerade an diesem
Theil der Grenze liegen,,»erscheint mir
denn doch kein genügender Grund, urn
einen o schwerwiegenden Verdacht auf
den ann zu werfen«
F »An sich mögen Sie Recht haben
aber es liegen noch mehr Beet-achts
qriinde vor. Und dann Jesen Sie
diesen Brief« den ich ebenfalls in der
ekenne s.and Er steckie in dem
ZandLchuh und wurde mit diesem ver
locen.«
Der Beamte reichte Mian den
Brief, welchen Feanne an Friedrich
Reimers geschtie en hatte und der
die een zum Besuch des einsamen Ge
h« is bewog.
»Der Brief isi doch nur ein Be
weis, da Rein-ers ein Liebesverhält
nisz mit « eanne Gasvard unterhielt«,
sagte er dann. »Ich bin erste-um« daß
Sie sich nicht an diese und an ihren
Vater wenden.«
Der Kommissar lachte. »Ja, wir
hättendas s on längst geihan«, ent
gegnete er. « ber, ats ich das Paar
verhaften wollte, war es nicht zu sin
deu. Es hatte sich über dte Grenze
in Si rbeit gebracht und soll nach
einem ericht unseres geheimen Be
richterstatters in Nancy gesehen wor
den sein. Es ist also nichts zu ma
chen· Wir müssen den herr- han
viller weiter beobachten, ob er noch in
Verbindung mit den Gaspards steht,
denn meiner Ueberzeugung nach ist er
der intellektuelle Urheber «—— er hat
Jeanne Gaspard veranlaßt, ein Lie
besverhältniß mit dem Reimers anzu
fangen, dann durch diese den leicht
sinnigen Burschen über die Grenze
locken lassen, wo er nun wahrschein
1ich, wie das mit den meisten Descr
teurs der Fall ist, in die Fremden
legion gesteckt wird.«
»Ich kann nicht glauben, daß Rei
mers sich dazu verleiten läßt«, sagte
..Harald, bekümmert über das räthsel
ihaste Schicksal des braven Burschen.
LEr war stets ein braver Soldat und
Ttreuer Deutschen Jclz möchte eher
Tannebmem daß ihm ein Ungiiick zuge
stoßen ift.« «
j »Wenn dieses der Fall wäre, so
«miißte er doch aufgefunden sein.
Selbst wenn es jenseits der Gren
geschehen wäre. so würden die fra -
»zösischen Behörden uns benachrickztigt
baben.'«
»Das ist wahr! Aber was kann
man thun, um diese Angelegenheit
aufzuklären?«
»Jeht, verehrter Herr Leutnaut,
kommen wir auf den springenden
Punkt unserer Unterredung. Jch
fagte Jhnen schon, daß nur eine wei
tere Ueberwachung und Beobachtung
des rrn Hauviller Aufklärung ver
fchaf en tann Nun, er wird polizei
iicherseits gut beobachtet; er kann
teinen Schritt aus feinem Zaufe
machen, von dem wir nicht bena rich- »
tigt werden. Aber das genügt noch
nicht. Man muß ihn auch inner lb
feines Hauses beobachten Jm er
lehr mit seiner Familie läßt man sich
gehen, man spricht da öfters ein un
überlegtes Wort, man thut einen;
Schritt, den man sonft in tieer Ge
heimniß hüllen würde Man fühlt
sich sicher und verräth sich dadurch weit !
leichter. Deshalb müssen toir Jeman
den haben, der den verdachtigen
Herrn im Verkehr mit seiner Familie
beobachtet«
»Es dürfte schwer fein, eine solche
Persönlichkeit zu finden.«
»Sie ift gefunden, wenn Sie uns
helfen wollen, Herr Leutnant!«
»Wieso das?"
»Nun, Sie verkehan doch freund
schaftlich in der Familie ———?"
Harald sprang empor.
.Mein Herr, Sie mutkten mir doch
nicht die Rolle eines Spions zu?«
tiefer pört.
Der eamte lächelte.
»Gegen einen solchen Mann, der’
selbst Verräther ift, dürfte jedes
Mittel recht fein.«...
«Niemals werde ich mich dazu her
geben! Verstehen Sie, niemals!«
»Gut, gut, Herr Leutnant. Erei
fern wir uns nickt. Jch habe Jhnenl
einen anderen Vorschlag zu machen.
Ich bin überzeugt davon, daß Mon
sieur Hauviller Sie nur deshalb in
sein Haus ge ogen hat« um Sie als
Maske für fern verbrecherifches Trei
ben zu benützem Er wird jetzt nach
diesem neuesten Fall Ihrem Vertehr
in seinem Hause erft recht tein hin
derniß in den We legen, im Falle er
wirklich schuldig i ;ja, er wird viel
leicht zu noch größerem Ent egenkom
men bereit sein. Nun gut, Ja machen
Sie mich mit rrn Hauviller de
tannt. Stellen ie mich als guten
Bekannten vor, der zufällig hierher
gekommen ist, um die schöne Umge
bung zu Shefuchen — alles anderes
überlassen-s- Je dann mir.«
Darale Gesicht verfinsterte sich.
»Ich bedauere«, sagte er lühl, »daß f
ich auf Jhren Vorfchlag nichte ein ehen
kann. Zum Geheimpolizisten ha e ichj
nicht das egeeringste Talent. « i
»Bei-en en Sie, Herr Leutnant, es
liegt in Jhrern eigenen Interesse »
diese Angelegenheit aufzuklärenf
«Wiefo
; «Enttveder ist Monsieur hauviller
unschuldig. nun, dann steht Ihren
Wünschen in Be ug auf nahere Ver
kinduärg rtnit dieesär amilixsikefrå in
ertu enge-gen- er u g,
dann wissen Sie weni fteni, woran
Sie find und was ie zu thun
haben.'
.Das weiß ich auch ohnedem, mein
bester herr. Jch brauche dazu nicht
die Hilfe der Poltr
»Sie lehnen a o mein Erluchen
«Unbedingt.«
»Das thut mir leid. So mußg
auf andere Weile versuchen, mit
Familie in Verkehr zu treten.
offe Sie werden mir tein hindernih
dabei bereitenk
ab?
»Ich werde Sie uveryaupr nicht
wiedersehen, denn ich will in den
nächsten Tagen auf Urlaub« geben«
»Ich würde Jhnen rathen, Jhren
Urlaub aufzuschieben. Here Leut
nant, man lönnte Sie hier nöthig
haben.«
»Einerlei! Jch will dieser ganzen
Geschicht-Haus dem Wege qehen!«—
Jch denke, mein Herr. unsere Unter
redung ist zu End-« . ..
»Für heute ja«, entge nete der Be
amte läche!nd. Viellei t wird sich
aber bald eine neue Gelegenheit bie
ten, unsere Unterhaltung fortzuseseru
Jck muß Sie nur noch ersuchem meine
Anwesenheit ier ni t laut werden
W lassen. ollen ie die Güte
ben, mich nicht zu kennen, sollten
wir nnö be egnen.«
»Ich ho se, diese Ehre nicht noch
mals zu haben.«
Die Stirne des Kriminallommiss
sars versinsterte sich. Seine Augen
nahmen einen drohenden Ausdruck an.
»Ich muß Ihnen bemerken, Herr
Leutnant«, stäte er scharf, »daß ich
imAustrage r.. Erzellens des Denn
Statthalter-Z und Sr. Exzellenz des
lommandirenden Generals handle. Es
dürfte Jhnen gerade nicht hoch ange
rcchnet werden, wenn Sie meine
Pläne zu durchtkeuzen suchen wollten.
Jch wiederhole mein Ersuchen noch
Fnals und zwar in amtlichet Eigen
cha i.«
».ch werde Jhrem Ersuchen mit
Vergnügen Folge leisten.«
Jn den Augen des Kriminalbeaw
ten bliyie es auf. Er fiihlte den
Spott der Worte Haralds. Doch er
erwiderte nichts, verbeugte sich stumm
und verließ das Zimmer.
R. K a p i te l.
Die Entdeckung.
Es thut mir leid. Herr Leutnant.
aber ich tann Jhnen unter den ohwal
Lenden Verhältnissen den Urlaub
snicht gewähren. Sie wissen, daß die
» Untersuchung gegen Hauviller in
ivollem Gange ist; da kann man Sie
« nicht entbehren, da Sie in dem Hause
des Berdöchtigen intim verkehrten
nnd möglicher Weise wichtige Aussa
Qen machen tönnten.«
» »Ich erlaubte mir schon zu bemer
ken, Herr Oberstleutnant, daß ich
keinerlei Auf-sagen zu machen im
Stande bin«« entgegnete Harald ernst
und entschieden.
»Ich glaube es gern, lieber Heineck«,
fuhr der Konqnandeur weniger förm
lich, wie vorher, fort. »Dennoch selke
ich mich nicht in der Lage, Ihrem1
Wunsch zu willfahren. Jch habej
isten e Verhaltungsmaßregeln in die-;
sein alle und muß mich danach rich-s
ten. Wenn diese unerquickliche Auge-(
legenheit erledigt ist, steht hoffentltchl
Jhrem Urlaub nichts entgegen —- Jch !
danke Ihnen herr Leutnant.«
Damit war die Unterrednng been
det. Harald grüßte dienstlich und
entfernte sich, der Oberstleutnant
tehrte zu seiner Arbeit zurück. welche
darin bestand, mehret Alten durchzu
sehfrn welche ihm sein Adjutant dot
eg e.
Leutnant von Fuchs machte aus ein
Schreiben besonders aufmerksam.
»Ich wollte Herrn Oberstleutnant
vorhin nicht unterbrechen«, sagte er,
»obgleich dieses Schreiben sich auf
Leutnant von Heineck bezieht·"
»Was ist’s damit?«
,Der hier siationirte Kriminals
lommissar hat berichtet, daß er eine
Unterredung mit Leutnant heineck ge
habt hat, die ihn zu der Ueberzeugung
gebracht habe, daß Heineck mebr von
der Angelegenheit wisse, als er sagen
wolle...«
»Zum Kuckuck, das ist eine schwere
Verdachtigungs Das beiszt ja gerade
so viel, dasz Heineck mit diesem Mon
sieur gemeinschaftliche Sache gemacht
habe!" stieß de: Konnnandeur erregt
heraus
,.Soweit geht der Bericht nicht«,
snhr der Adjutant fort. »Es wird
aber dem Batcillonstominando de
fohlen, einen Bericht über Heineck ein
zusenden. namentlich auch darüber, ob
er den Verkehr im Hause des Herrn
Hauviller fortsetzt oder mit Mitglie
dern der gamilie weiter vertehrt. Eine
genaue eobachtung heinecks wird·
aneriidsohlen.«
«Lassen Sie mich allein«, entgeg
nete der Komanindeur, dessen fchdnes
Soldatengesichi einen ärgerlich-finste;
ten Ausdruck angenommen hatte.
»Ich muß das Schreiben aufmertsani
durchlesen und will Jhnen später
meine Ansicht sagen. Uebrigens bin
ich überzeugt. daß der schimpfliche
Verdacht, welchen der Kriniinaltow
mifsar aus heinea geworfen hat«
völlig hinfällig ist.«
Leutnant von zuchi verbeu te sich
»in gemessener Wer e und zog ich u
riick. Er war nicht so fest von e:
gänzlichen Schuldlosigleit Darale
»liber eugt, war jedoch viel zu wohl
disxfplinirn um seiner gegentheiligen
;Au assung Ausdruck su geben. «
s nzwischen atte lfzarctld " seine
hnun erre cht. uus seinem
Schreibtisch lag ein Brief mit einer
französischen Postmartr. Die Adresse
eigte eine etwas ungelente Hand
schrift, war aber sonst genau nach den
dienstlichen Vorschriften veth»
Erstaunt öffnete Harald Brief,
sal; nach der Unterschrift und einAuss
ru des Erstaunen- entsuhr seinen
Lippen. Der Brief war von seinem
früheren Burschen Friedrich Reimers
und lautete
»Hochgeehrter Herr Oberleutnant!
Verzeihen Sie, wenn ein Unglück
lichek, ein Ehrioset an Sie zu schrei
ben wagt. Ader Sie waren stets so
gnädig zu mir, daß ich es wage, dieie
meine letzten Worte an Sie Zu richten.
Ich bin nicht desertirt, Herr Ober
leutnant, oder vielmehr ich wollte nicht
desertiren. Jch bin verrathen worden
von einer Person, die ich von ganzem
Herzen liebte und der ich von ganzer
Seele vertraut. Sie hat Inich über
die Grenze gelwit, wo ich dann fran
zösischen Gent-armen in die hände
Bel, die mich als Deserteur nach
»amt) brachten. Ich wurde ins Ge
fängniß gesteckt. hier erfuhr ich denn
au mein Unglück und den Verrat-h
jener Person, hinter der jedoch noch
eine andere Persönlichkeit steckt. Sie
kennen diese auch, ich flehe Sie an,
hrier Herr Oberleutnant, verkehren
ie nicht mehr mit jener Person« Sie
keratxn sont auch in das Unglück.
iin ie zu warnen, schreibe ich an
Sie, damit Sie nicht auch so un tück
li werden, wie ich. Jener ann,
en Namen Sie erratheii werden«
ist ein Teufel, er hat schon me brave
deutsche Soldaten au dem wi»en,
er will auch Sie unglücklich ina n.
Trauen Sie ihm nicht, trauen Sie
Niemanden von der Familie! Jch
flehe Sie an. An mir ist nichts mehr
gelegen. Jch bin un liicklich, ich bin
verrathen von dem Isadchem das ich
heiß geliebt habe, ich mag nicht mehr
nach Deutschland zurückkehren, mein
Leben ist zerstört.
Deshalb habe ich Dienste in der
Fremdenlegion genommen. Heute
noch fahre ich mit einein Transpori
anderer Un lücklicher nach Marseille,
wo wir na Afrita eingeschifft wer
den. Was dann aus mir wird, weiß
nur der liebe Gott allein! Hoffent
lich trifft mich bald eine Kugel und
ich finde ein Grab in der Sandwüfie
Afriias, Mehr wünsche ich mir nicht.
Leben Sie wohl, geehrier Herr
Qberleninant, und haben Sie tausend
Dant fiir alle Treundlichteii.
Uriedrich Reimers.«
Harald iant auf den Stu l zuriirl
und siiinte aufsiöhnend die Stirn in
die Hände. Jn furchtbarer Klarheit
senthüllte sich ihm mit einem Schlage
!die Wahrheit. Obgleich der unglück
» liche Deserieur ieinen Namen genannt
hatte, so lonnte Harald auf Grund
dieses Briefes nnd der Mittheiliingen,
welche ihm der Kriminaltonimissar
gegeben, nicht mehr an der Schuld
»«eanne Gaspards und des Vaters
Henriettens zweifeln. Das Räthfel
des sonderbaren Wesens- des Mon
sieur Hauvillerö war init einein Male
gelöst. Er war der Schalk-im er
war es gewesen, welcher schon seit
Zahren die deutsch-In Soldaten znr
esertion verleitete, der auch den
wackeren Friedrich Reimers in das
Unglück, in di·e Schmach gestürzt, und
nun auch ihn selbst, den deutschen
Offizier, in das schändliche Gewerbe
feines verbrecherischess Thuns ver
wickeln wollte. -
(Fortse2ung folgt.)
hatten-her Iesspjetr.
s
Baireuth, im Juni. Noch wenigei
Wochen und vom Hügel des Festspiel- i
hauses. von dem man hinüberblickt zu
den waldigen höhen der Fräntischen
Schweiz, werden die Fan aren ertö
nen, werden die erhabenen und er
hebenden, die ersschiitternden und
auswühlenden Tri tanmotide, wer
den die ergreifenden Weisen vom
heiligen Gral und die hehren von
Walhall und Wotan, von Siegsried
und Brünnhilde erklingen. Sie ru
fen zur Sammlung, sie bereiten drau
ßen im vrofanen Gewitt, das sich zur
Festspielzeit vor dem Theater ent
wickelt, zu jener Stimmung vor, von
der ein jeder, der das Jnnere dieses
Kunsttempels betritt, erfüllt wird.
»So start wie heute war der An
drang noch nir,» lautet das ewige
Leitmotiv, das man in jedem Baireu:
ther Festspieljahr vernimmt. Vor
nahezu zwei Jahrzehnten ist der große
Umschwung im Besuch der Festspiele
eingetreten, noch 1883, im Todesjahre
Richard Wagner-X gehörte ein aus-ver
taustes Haus zu den Seltenheiten,
dann verbreitete sich mehr und mehr
die Ertenntniß dessen, was Baireutb
im Kunstleben der Völter bedeutet, und
heute drängen iie sich nach Baireuth,
heute zahlen sie siir die Billette das
Fünssache, als wenn es sich um eine
ausregende Premiere handelte. Und
doch bietet Baireuth nichts Neues, ge
hören die Schöpfungen, die in seinem
Iestspielhause zur Ausführung gelan
gen tnatiirlich mit Ausnahme des Par
sifah zum Repertoire einer jeden
Opernbiihne, allein die der höchstens
Vollendung zustrebende Art, in der:
hier die Kunst geboten wird, der ge-!
heimnißvoll uns nackende Stimmun ,
die von dieser Stätte ausgeht, sie sin
»et, die die Welt immer und immer
hinziehen nach der abseits vom großen »
i Verkehr liegenden Festspielstadi.
« Einige Schritte vom Bahnhose ent- «
»sernt befindet sich die vom Geheimens
Kammer ienrath von Groß, dem Beri
reuther zinanzministey errichtete Ge
schäftsstelle deren oberste Berpattung
here von Groß in selbstloser Weise
übernommen hat. hier laufen alle
äden zusammen, hier werden die es
chiisttichen Fragen mit den Mitwir
tenden gelöst, hier wird der über alle
Erdtheile augedehnte Billettvertehr re
gulirt, der finanzielle Theil des Sti
vendiensonds geordnet und alles erle
digt. was mit dem vrattischen Betrieb
zusammenhängi. Hier erhält man den
Maßstab für die Beteiligung der ein
zelnen Nationen, und da musz denn
mit Freuden festgestellt werden, daß in
diesem Jahre Deutschland den stört
sten Prozentsatz der Baireuther Besu
cher bilden wird. Nach Deutfchland
weist Amerika die stärkste Besucherzahl
auf: die amerikanischen Parsifal-Auf
siihrun n haben die Theilnahme des
Dollar andes für Baireuth um nichts
verringert, England ist in gleicher
Weise wie früher vertreten, aus Nuß
land kommt ein lleiner Zuwachs, mäh
rend bei Frankreich eine nicht unwe
sentliche Abnahme zu lanstatiren ist;
verhältniszmä ig sehr schwach ist die
Betheiligung . talieni und die Oestek
reichs lann sich reine-weiss mit der
Deutschlands messen.
Die letten Ausführungen fanden im
Jahre 1904 statt. Auch sie waren stets
ausverkauft, erzielten- eine Brutto
einnahrne von etwa 550,000 Mart und
wiesen doch ein großes Defizit auf.
Vielleicht fühlen sich durch diese Mit
theilung all jene Niirgier und Neid
linge, die da glauben, die Festspieie
seien tiir die FamilieWagner eine
Sineiure, beruhigt und befriedigt.
Die Wagnerschen Erben nehmen tetnen
Pfennig Tantieme, und ist wirklich ein
Ueberächuß zu verzeichnen, so fließt er
dem esispieisonds zu. Aug dieseni
Fonds jiie t auch ein T il dem Sti
pendien on s zu, der usitern und
Künstlern, die es sich nicht leisten tön
nen-. den Besuch der Festspiele ermög
lichen soll, und in diesem Jahre werden«
nicht weniger als 250 Personen außer
greibilletten Mittel für Reise und
ufenthalt zugewiesen. Man rechnet
mit der Wahrscheinlichkeit, daß die
diesjiihrigen Festspiele einen Ueber
schuß ergeben werden« da Tristan und
Jsolde, Parsisal und Ring der Nibes
lungen, die das Repertoire bilden, ieine
wesentlichen Neuanschaffungen bean
spruchen, während im Jahre 1904 die
Uieuinszenirung des Tannhiiuser so
wie die hierbei erforderliche Mitwir
kung des vortrefflichen Balietiversos
»nalg vom Berliner Opernhause große
» Summen erforderte.
. Wenn auch diesmal dieDekorationss
überraschungen fehlen, so werden doch
sowohl beim Ring des Nibelungemaig
auch beim Parsisal einige szenische
Aenderungen vorbereitet, die da bewei
sen, wie man in Bayreuth rnit allen
Kräften be trebt ist« auch nach der sze
nischen und technischen Seite hin alles
jener Vollendung entgegenzusührem die
der Meister gewollt hat, . und so wird
jetzt im Parsifal die Wandeldeioration
so gestaltet sein« wie sie einst Richard
Wagner vorgeschwebt hat. Jm ersten
und dritten Akt werden die Wandel
dekorationen, die im Bilde den Weg
vorsiihren, der Parsrfal und Gutm
manz zum Gralstempel führt« am
Schlusse Felsen zeigen, die in derMitte
der Bühne zu beiden Seiten sich öffnen
und so das Jnnere des heiligen Rau
me; gleich in seiner höchsten Weihe zei
gen. Auch der Waltiirenfels wird eine
Aenderung aufweisen: er wird blastisch
gehalten sein« und der sonst von Schilf
umrahmte Wald im zweiten Alt Sieg
fried wird sich in völlig freier Oeff
nung in seinem ganzen natürlichen
Zauber ausbreiten.
Jn stiller, ernster Arbeit, in vor
nehmer Abgeschlofsenheii bereitet sich
hier alles vor, alles Sinnen und
Trachten ist nur aus die Sache gerich
tet, und darum erfährt die Oeffent
lichteit so wenig von der Art, wie hier
jede Einzelheit aufs gewissenhafteste
ausprobirt wird, wie die anscheinend
unbedeutendste Kleinigkeit, die Be
tonung eines Wortes, die Bewegung
eines Armes, die Farbe eines Kostiims
u. s. w» mit der größten Sorgfalt
behandelt wird; denn neben dem
tünstlerischen Geist, der alle beherrscht
und belebt, waltet hier auch die Dis
ziplin, jene Disziplin, die im Kunst
werke auch dem Winzigsten Gerechtig
teit widerfahren lassen will und muß.
um für das Ganze jene harmonische
Vollendung zu erreichen, die wir an
Batreuth bewundern.
Am 15. Juni nahmen die Gesammt
droben ihren Anfang, sie währen sechs
unddreißig Tage, aber die Vorberei
tungen selbst haben schon vor länger
als Jahresfrist begonnen. Das Ge
heimniß der nirgends erreichten künst
lerischen Wirkungen und Stimmungen
von Baireuth ruht neben der Weihe
des Ortes, neben der hinreißenden,
unversiegbaren Krdst der hier zur
Wiedergabe gelangenden Kunstwerke
in der hingebenden Begeisterung, mit
der hier lünstlerisch gearbeitet wird.
Das, was ein machtvolles Genie ge
schaffen, wird hier durch gewissenhaf
ten Fleiß in höchster Vollendung der
törpert, und eine Bühne, die das eben
falls erreichen will, braucht ihre Auf
siihrungen nur so vorzubereiten, wie
das in Vaireuth der Fall ist. Dann
wären unsere Theater Festspielhäuser,
wie sie Richard Wagner ersehnt hat.
»He-i Bill bei dem lehten Einbruch
viel gemacht?« fragte ein Mitglied der
sauberen Zunst das andere. —- »Viel-i
Du lieber himmel —- so wenig, daß
ihm sein Anwalt geraten hat, schuldig
zu plaidieren.«
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Die Weigerung der Großschliiehter,
» die Fleischbiichsen mit dem Datum der
Jnspettion zu versehen, ist begreiflich.
Piorum sollen-gerade die Schlöchter
; das Material liefern fiir das Studium
» der alten Geschichte-i
s Genie sein heißt, mit ein paar Mil
Ilionen Gehirnganglien mehr zur Welt
zu kommen, als der Mensch des All
tags. Es ist gar kein Verdienst an der
Sache. Der größte Fleiß oder Ebro ·
geiz kann sich diesen Ganglienzuschus
nicht zuiegen.
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John D. Rockeseller erklärt, Ue
Ameritaner geben zu viel Geld ans.
Er meint vermutlich, daß ihnen fiir
die meisten Produkte. z. B. Betro
leuin u. s. w. zu viel Geld abgenom
men wird.
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Ein bescheidenez Blümchen, im Le
ben gespendet, wäre oft von ganz an
derem Wert als die prachtvollen
Kränze, die man den Abgeschtedenen
weiht.