Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 27, 1906, Image 5
Ver Eifenbahndieb. humokesie von Auguste Weinen Während die rau Hoftäthin noch mit behaglichet msiändlichkeii früh fiüctie und das Töchiekchen schnell eins pack Ansichtskatten an zu Haufe ge bliebene Freundinnen vollikitzelie, warf det Papa rasch einen Blick in die vom «Kellner gereichte Zeitung. Doch kaum hate er sie ein Weisen mit Amismiene siudirt, so fuhr · schon fein Kopf in die Höhe. »New — Da haben wit’ö!« ·,,Was denn-" frug die Frau Hos riithin, ohne sich in der gemächlichen Bestreichung eines Butterbrötchens zu unterbrechen. Auch das Töchterchen sah nur flüchtig fragend aus dens Papa, doch dieser bannte die beidenj Damen «durch einen förmlich trium phirenden Blick. »Wiedee ein Eisen bahndieb«, sagte er mit ordentlichen Genugthuung »Da könnt ,ihr’s se hen, ob ich nicht Recht habe, wenn ich immer sage: Vorsicht, Vorsicht! Jhr solltet Euch viel einfacher kleiden, ohne Schmuck.« Er wies tadelnd auf die Uhrtetten der Damen und auf die werthvolle Brosche seiner Frau. »Es ist teinemMitteisenden mehr zu trauen, besonders, wenn er ein Taschentuch ge braucht.« »Aber hoftath!« lächelte die Gat tin. »Aber bitt’ schön, was denn? Eben mit dem Taschentueh wird’s gemacht — die Betäubung nämlich«, fügte er ertliirend hinzu. »Der Mensch da«, er tippte auf die Zeitung, ,,hat mit seinem von einer nartotischen Flüs sigkeit durchträntten Taschentuch her umgewedelt, sodaß seineMitreisenden, zwei Damen, eingeschlummert sind Dann hat er die Betäubung vielleicht noch verstärkt —- turz, als die Da men nach Stunden erst erwachten, war ihr Reise esährte verschwunden und mit ihm isre Geldtäschchen und ihre Schmucksachen, Uhren, Broschen, sogar die Ringe von den Fingern! Der Mensch soll das Aussehen eines elegant getleideten Kavaliers gehabt haben.« Der Hofrath sah bei den letz ten Worten seine beiden Damen be deutungsvoll an und ließ dann seine Augen mit unaussälligem, aber schar sem Blick durch den kleinen Saal glei ten. wo an verschiedenen Tischchen die Hotelgiiste sriihstiieiten. s.,,Wundert mich, daß er nicht hier it.« »Wer denn? Der Eisenbahndieb«e« srug sehr erstaunt die Gattin. Das Töchterchen lachte. »Wer? Der Mensch, der uns seit 24 Stunden —— seit gestern Morgen —- wie ein Schatten verfolgt!« Die Hofriithin schüttelte den Kopf, ais begriffe sie nicht. »Seit gestern Morgen«, betonte der Hofrath »Der in denselben Zug, in denselben Wagen, in dasselbe Kupee wie wir steigt, der denselben Mittags aufenthalt nimmt, in demselben Gar tenrestaurant speist, seinen Kaffee in demselben Kaffeehaus trintt und nach dreistiindigem Aufenthalt ausgerech net wieder denselben Zug wie wir be steigt, wieder denselben Wagen. nur nicht dasselbe Kupee. weil zufällig tein Platz mehr war. Dafür hat er sich draußen im Gang herumgetrieben und auffallend oft hereingeschaut. Uebringens, Märchen«, wandte er sich an seine Tochter und sah sie scharf an, »du warst auch eine Zeitlang draußen. Der Mensch hat dich doch nicht etwa angesprochen?« Märchen wurde roth. »Nun?« Er hat nichts weiter ge sagt«, stotterte Märchen, »nur die Na men der Berge, die man fah.'« »Siehst du Emilie«, wandte sich der hofrath aufgeregt an seine Frau, »du sollst das Kind nicht aus den Augen lassen.« » ch kann ihr doch nicht auf Schritt un Tritt nachlaufen, sie ist doch kein Babh mehr.« »Hu er dich ar nichts gefragt?« inqu rirte der Oofrath weiter, »wohin wir reisen, ob wir eine größere Sum me Baargeld mit uns fuhren?« Märchen lachte hellauf. »Aber Pa pachen, der sah doch wirklich nicht aus, alb ob —" »Der Spitzbube.« lag der hofrath gediimpft aber ausdrücklich vor, »hatte das Ausfehen und Beneh men eines Kavaliers-« »Aber warum sollte es denn so einer erade auf uns abgesehen ha ben?« Fragte die ungläubige Gattin. »Er denkt sich leichtes Geschäft bei unk, du schläfst fehr viel.« d»,,tJeh?« sagte die Hofriithin belei ig . »Sobald der Zug im Jahren ist, nickst du.« »Du auch!« »O bitte, bei mir fieht das nur so kaut« Der hofrath lachte schlau. --j Stab halte die Augen offen, auch wenn i e anscheinend zumache.« »Der Omnibus sieht bereit,« mel T rete der Xellner. Der hofrath schnellte empor. »Habt » ihr alle« Emilie, dein Umhan — Märchen, die Plaidrolle——eure our padourb, Kissen, Schirme!« Es war alles da und wurde vom Hausdiener in den Omnibuö beför dert, den Herr hofrath Krüger mit Frau und Tochter bestieg gefol tvon noch einigenFahrgästem is au einen « Platz war a es besetzt, aber noch blieb bie Omnibusthiire of en. Der Herr Hofrath sog ungeduldg die Uhr. Auf wen war ete man noch « « Endlich erschien der hausdiener nochmals, beladen mit sehr elegantein s-f»:cizrbgsepiicl uni- gefolgt von einem seht istinguirt aussehenden, jungen Herrn, bei dessen Anblick der Herr Hosrath nur mit Milbe einen lauten Ausruf unterdrückte Mit höflichem Gruß, zumal gegen die hosräthliche Familie, nahm der Fremde Platz, und der Omnibus rollte davon, dem Bahnhof zu. Es standen Züge nach verschiedenen Richtungen bereit, aber es überreichte den Hosrath keineswegs mehr, daß der distinguirt aussehende, junge Herr, der »in demselben Hotel wie sie übernackp tet, auch denselben Zug wie sie bestieg und selbstredend auch denselben Wa gen. Doch ein anderes Kupee mußte er nothgedrungen wählen, nicht weil dasjenige, wo die Familie Krüger Platz genommen, beseht gewesen wäre, aber weil der Herr Hofrath, der zu nächst der Eingangsthiire faß, zu feindselige Blicke durch seine fun kelnde, goldene Brille warf. Das Töchterchen ivar an der entgegengesetz ten Fensterecke plazirt, gedeckt durch die umfangreiche Mama. Der Zug war nicht sonderlich besetzt, und ge rade darum hieß es »auf der Hut« sein, wie der Herr Hofrath mit war-· nend erhobenem Zeigefinger bemerkte. Der Fremde war weiter gegangen« nicht ohne einen langen Blick in die Fensterecke zu werfen, wo hinter der breiten pigur der Hofriithin ein blaues Hirtchen leuchtete. ,,hast du bemerkt, Emilie,« flüstert-e der Hofrath eifrig, »wie er soeben deine Diamantbrofche in’s Auge faßte? Sobald er sich verdächtig ina t, laß ich ihn sestnehmen.« - « ea’ dich nicht aut, Hofrath.« mahnte die Gattin, die bereits mit halbgeschlossenen Augen in den Pol ftern lehnte... Es wurde ein heißer Tag, und nachdem die Neisenden im Speise wegen dinirt und sich wieder in ihre verschiedenen Wagenabtheile zurückge zogen, senkte sich über sämmtliche Pas sagiere eine Müdigkeit, die an Unwi derstehlichkeit dem Zauberschlaf in Dornrögchens Schloß nichts nachgab. Auch im hofräthlichen Kupee machte man teine Ausnahme. Die Mama schlief mit wahrer anrunst, und Märchen, welche ihr ütchen abge nommen, ebenfalls siifz und fest. Der Papa hielt sich noch ein Weilchen wach, indem er des verdächtigen Fremden gedachte, der im Speisewaaen wieder auffällig zu ihnen hinübergestarrt, aber verle en weggeguckt hatte, sobald er, der Hosrath ihn scharf aufs Korn genominen... Vielleicht war es bei ser, die Augen offen zu halten, viel leicht —doch sie fielen ihm bereits zu, und nachdem er noch ein paar Mal nach der Brustkasche gefühlt, in wel cher sein Porteseuille stat, sant sein graumelirter Fion borniiber, und auch er entschlummerte, jedoch nicht fofest, um nicht bei jedem Geräusch gleichsam die Ohren zu spitzen... Nur einer im Zug schlief nicht, und dies war ein eleganter, junger Herr, welcher draußen im Gang- stand, an scheinend die Aussicht betrachtete, da bei aber ein" ewisses Kupee im Auge behielt und ich schließlich demselben näherte, um einen vorsichtigen Blick in den lleinen, verduntelten Raum zu thun. Nachdem dieser Blick sich von dem allgemeinen Schlafzustand da drinnen überzeugt, blieb er ungenirt in einer gewissen Ecke haften. Dort schlumnierte das leibhaftige Dornröcs chen mit rosigen Wangen, ein freund Fges Lächeln auf dein reizenden Ge i t. Durch den blauen Fenstervorhaika stahl sich ein tleiner Sonnenstrahl und spielte auf dein blonden, noli-schnu iiiernden Märchenhaar. Das Auge des Fremden hing ibie gebannt an dem lieblichen Bild,pliitzs lich aber besorgt an einer großer-. häßlichen Fliege, die ebenfalls hinter dem blauen Vorhann hervorgekommen war, den blonden Kopf umsummte unds sich dann breit und frech auf Dornröschens rothen, schlummernden Lippe-i niederließ. Das junge Mäd chen zuckte ein wenig zusammen, machte aber nicht auf. Der fremde Herr zog nach kurzem Besinnen sein Taschentuch hervor, trat vorsichtig über die Schwelle des Kupees, uno wehte mit deni start duftenden Tuche über die Köpfe der Eltern hinweg nach derEcke zu, wo das Töchterchen schlief. Wirtlich gelana es ihm, die Fliege zu verfcheuckiem under wollte eben seinen Arm zurückziehen, als er sich plötzlich am handgelenl ergriffen fühlte und sin donnerndes »Halt« an sein Ohr önte. Mit aller Kritt, deren er fährs, hielt der von feinem Sitze aufgefprum Hene Hofrath den iunaen Mann fest, ten er in unzweideutiger Situation betroffen. »Bei der That ertappt,« ertlärte er funfelnden Auges den furchtbar ers-« fchroetenen Damen, »er wollte uns be täuben.« Die Hofräthtn stieß einen Schrei aus. Märchen aber rief mit bebender Stimme »Papn, du irrft dich,« und in ihre großen, blauen Augen trat eine Thräne, was zur Folge hatte, tsaß der Fremde mit aufleuchtendem Blick zu ihr hinfah und lich -dann ruzig lächelnd allein Weiteren über lie . Seiner einfachen Aufklärung des Jrrthums glaubte außer Klärchen leln Mensch. am wenigften der Hof rath, der sich wie ein Held vortani. Der Schaxfner erschien, Neugieriae drängten ich heran-—die Aufregung riff um sich. Ein Eifenbahndiebi elche interessante Begebenheit! Ein anwesender Chemiter priifte das Tuch» des Fremden und konnte nur Kisten-i fchei Wasser entdecken. Der Zug hielt, und zwanzig Stim men riefen nach der Polizei. Und es kam ein Vertreter derselben in Be gkeitung des Jnspettors und anderer Bahnbediensteten. Und nian prüfte die Legitimationen des Fremden und gab sie ihm unter devotesten Verbeu gun en zurück. » ntschuldigen der Herr Baron vielma1s!« Achselzuclen, Blicke und Wort-e von wenig schmeichelhafter Art trasen dtn unseligen Hosrath, der sich so schleu nigst wie möglich sammt Familie durch das Gewühl drückte und in ei nen Hotelwagen retiete. Daß dies noch möglichst glatt abging, verdantte er der gewandten Art des Fremden,: dem es bald gelang, unmuthige Mie nen in lächelnde zu verwandeln. ; »O Hosrath, was hast du gemacht,« . seufzte die Gattin, während Klörchen stille Thränen weinte. »Wenn ich diesen Menschen nur in meinem Leben nicht wiedersehen müßte,« dachte der zertnirschte Hos rath. Vergeblicher Wunsch! Kaum, daß man aus der köstlich stillen Hotel terrasse saß und nach des Tages Last und Hiye den Adendsrieden zu genie ßen begann, tauchte— o Schrecken — schon wieder die elegante Gestalt des Unvermeidlichen auf, vom Kellner mit tiefer Berneigung begrüßt. Und nun genug, der Fremde schritt auf den hofräthlichen - isch zu, bot dem Herrn Hosrath lächelnd die Hand und ent schuldigte sich in liebenswürdiger Weise, daß er durch seine nnbedachte Handlung ein derartiges Mißver ständniß verursacht. Mit herzlichem Lachen und Händeschiitteln wurde die Angelegenheit beigelegt, der Fremde nahm am hofräthlichen Tische Platz, und aus Klärchcn’s blaßgewordenen Wangen flammte ein Wiederschein des Alpengliihens anf, sdas man ges meinsam bewunderte. " Als aber drei Wochen später der Herr Baron Egbert von Wilhelmsi dorf bei dem Herrn Hofratif Krüger tun die Hand seines liebreizenden Töchterleins anhielt, da gestand letzte res ein« daß der ,,verd"cichtige Fremde« ihr schon während der ersten gemein samen Fahrt-— das Herz entwendet habe. - ,.Also doch ein Eisenbahndiev!« rief der Hosrath befriedigt aus. — » — - ? Bunger, Mutter . . Hunger . . Skizze von ,21.v.Wartenber«i-,«. Sonntag ivar’i5, uni die Mittag stunde, lurz vor Liidenschliisz. Jn der Delitatessenivaarenhand liing von Karl Roderich, in deren Auslagen die ersten Erdbeeren und Kirschen vereint mit den letzteiiApfel sinen, mit Riesenspatgel und appetit lich hergerichteten Schüsseln Salat, Jiiit gespickten Braten iind lockenden Pasteten ein einladendes Stillleben lsildeten, standen dicht gedrängt die Häuser. Da hielt die Dame im Sei denkleid geduldig aus neben der Aus wartesrau, die ihr init dem Einhole storb an das tnisternde Seidentleid lstreiste. Und wenn der Herr im TSchlapphut iind mit dem Künstler Ifchlips auch nervös von einem Fuß faus den andern trat, er ließ dem Nach Jtarn doch den Vorrang, der, rundlich iiiiid wohlgenährt, mit hellen Glacek zan den Händen und weißer Weste über »dem dicken Bäuchlein, einige Minuten :sriiher rasch eithmend von der An Jstrengung des Gehens in den Laden getreten war, um sich noch schnell einen erlesenen Leckerbissen siir den »festtäglichen Tisch heimzutragen· » Sie harrten geduldig-, sie wußten »j« alle, wenn der eine hatte, tam der andere heran, wußten, daß sie alle .noch zur rechten Zeit ihre Wünsche bei sfriedigt sehen würden. Und hinter den Wurstbergen, die aus der graumarmorirten Platte des Ladentisches ausgeschichtet waren, haiitirten der Liideninhaber und sein sGehilse mit jener hastvollen Eile, die nicht einen falschen Griff thut und die niir die tägliche Uebung geben tan:i. Das breite Messer fuhr haarschars »durch die weiße Fettschicht und das rosige leisch des getochten Schintens : nnd be örderte die zarten Scheiben in: zSchwunae aus die papierbelegte .Waais. die mit zuckender Zunge das sGetoicht angab. Das Einwiclelpapier tnisterte. Die Bindfadenrolle drehte sich und gab deii Faden her. Die Zahl tasse tlapperte und tnaette unter dein JFingerdrucL der den Taster traf, und das Papierstrexschen sprang heraus-, das aus weißem Gran die schwarz-: Zahl zeigte. Das bla te Geld las auf dem gerippten Zahlplättchen aus bräunlichem Gutnmi. »Besten Dant, gnädige Frau.« »Empsehl’ mich, gnädige Frau.« Eine seite, bekingte Yauenhank strich geschöstsmäßig den etrag ein. «Womit iann ich dienen, gnädige Frau?« — Es war die Dame im Seidentleid, »die nun an die Reikx tam. »I-; Pfund Lachs.« ; »Seht wohl. Was darf es denn noch seini« »Lebettvukst, aber bitte, von der seingzenf » iese gefällig?«. »Haben Sie nicht Kalt-siebet mit Trüssel7 ch habe Gäste heute, Sie wissen ja, te Roderich, die Damen vom Verein ur Akmenversorgnng . .. zuk kleinen spitzung nur... ganz pri va .« . . . »Ah, jawohi, gnäbi e Frau! Da muß es etwas Gutes ein. Vielleicht noch etwas italienischen Samt Jch habe auch frische hummetn bekommen .. oder doch lieber Sardellen, zu et was Sardellenbutter betrieben, sehr » appetitreizend, gnädige Frau. « » ; Sie nickte und iiberlegte, mochte wohl in Gedanken überschlagen, was ;zu dem vorhandenen Guten noch am beften passen würde Und die neben und hinter ihr, die geduldig zugehört ’gatten, warteten nun auch geduldig, - is sie ihre Entfchliisse gefaßt haben würde. ,,Hunger, Mutter . . . Hungeri« . . . Eine Kinderstimme war’s, farb- und tlanglos, die Von der Thiir her scholl und alle Blicke aufzucken, alle Augen sich dem Eingange zuwenden ließ. Eine Frau ftand dort aiif der Schwelle der offenen Ladenthiire, den braunhaarigen, glatt gescheiteltenKopf wie beschämt gesenkt. Ein kleines Kind hielt sie iin Arm, das feft ine in wollenes Tuch eincewickelt war. ,,.f)unger, Mutter. Hungeri« Ein etwa fünfjähriger Knabe zog die Frau an der blaubedruckten Kat tiinfchiirze vor und griff mit der Hand verlangend nach all den eßbaren HerDrlichleiten iuf dem Ladentisch. Die Frau trat nicht näher. Sie fagte lein Wort, sie zog aber auch den Knaben nicht zurück, dessen blasses Gesicht sich zum Weinen verzog und dessen schmale, trockene Lippen wieder das: »Hunger, Mutter. .Hunger!« fchluchzten. TWie ein Eifchauern war das, was iiker die Menschen hinging, die den Laden füllten, fast wie ein Erstarren, das die Größe des Kontraftes schuf, dar- ihnen allen die da standen, uiix Leckeres für sich einzutaufen, der Ar inen gegenüber, die nicht einmal den Hunger ihres Kindes stillen konnte, etwas wie Schnldgefijhl gab. Da war nicht einer, der angesichts des reinlich getleideten Weibes, dem Kummer und Noth ans dein a beehärmten Antlitz sprachen, dag Wort: ,,Bettelvoli!«—— iiber die Lippen gebracht hätte. »Jotie doch, fo ein armet Wurni!« Die Frau aus dem Volke war S, die sich zuerst gefaßt hatte. Sie langte in ihren Einholetorb. »Da Kleener, haft ne Semrnel! Dei s was Juts vor dir « Sie war zu dein Kinde hingetreten und schob ihm das Milchbrod in die gierig zupackenden Finger, die es eilig zuin Munde führten. Demut-Nun hatten auch nie an deren begriffen, was hier noth that. Ein Zehn-, ein Fünspsennigstüel wurden dem Knaben in die Hand ge drückt. Die Dame im Seidentleid trat hin zu. - »Ich bin Borstandsdame vom Ar nkendersorgunggrereim liebe Frau. Nun erzählen Sie einmal ohne Scheu, damit ich weiß, was ich für Sie thun kann. Wir hel en ja gern, wenn es sich mit den Statuten nur irgendwie vereinen läßt« Leise und stockend, wie in Scham vor der Masse der Zuhiirer, vor denen sie ihr Elend preis-geben sollts, fielen die Antworten von den Lippen der Frau· »Im Krankenhaus liegt Jhr Mann? Ja, wenn Sie noch einen Mann haben . .. ob sich da etwas wird für Sze thun lassen. » Die Sta tuten, die risen Statuten! Und keine Arbeits Das Kleine auch lrant? Mein Gott! Arbeit wird sich doch finden lassen. Für zwei gesunde Hände gibt eg doch überall Arbeits — Wo? Ja, warten Sie mal, ich hab doch neulich mal etwas gehört, ja . .. so im Augen blick kann man das auch nicht sagen. Sie müssen suchen, natürlich suchen... Aber ich werde sehen, wag sich fü·r Sie thun läßt, heut Abend, in der Sitz ung. . .« Und damit rauschte sie hinaus und hatte es selbst vergessen, einen Zehner zu spenden, vor all den wirbelnden Gedanken, die ihr da Plötzlich irn Kon herumgingen. Die Sitzung heut . .. sie würde das Wort ergreifen müssen und nach der Begrüßung der Gäste, da wollte sie es ihnen sagen, wollte sie reden:» Dies. »Hunger, Mutter... Hun aer!« Wie ergreifend dies-: Szene qewesen war! Wie das der Frau in’s Herz acschnitten haben mußte, vor all den Esnvaaren und Leckerbissen zu stehen und nicht zufassen zndürfem um ihr blind satt zu machen. ,,Hunger, Mutter . .. Hunge:!« Wie das zünden würde heute Abend an ihrem wohlbesetzten Tische, auf dein zwischen den letter heraerichteten Schüsseln die köstlichsten Blüthen in schlanten Kelchoasen dnfteten. « An die Herzen würde sie rochen, rühren, begeistern! . .. Die Mitglieder des Armenversdr aungsvereins sollten mit ihrer Bor standsdame zufrieden sein« Die Wie derwahl war gewiß. Aber plötzlich fiel es ihr ein: sie hatte ja vergessen, die Adresse der Ar men zu erfragen! . .. Zu thöricht, diese Vergeßlichteit! Nun, man müßte sich anch so zu hel fen wissen. Hatte w hl überhaupt einer im La den der « elitatessenwaarenhandluug Karl Roderich nach der Adresse der Armen gefragt Ver woyiveteiote Vere, oenen Bäuchlein davon zu erzählen wußte, wie gut ihm das Essen mundete, der war mit gewichtigem Schritt vor die Frau hingetketen und hatte so recht vernehmlich gesagt: . · »Da haben Sie eine Mark, meine Liebe, kaufen Sie sich etwas Gutes dafür und kochen Sie Ihrem Jungen einen ordentlichen Sonntagsfchmaus.« Darnach war er befriedigt von dan nen Wangen Er hatte, feiner Mei nung nach, sein Theil.gethan. Herr Karl Roderich aber, inter seinem Ladentisch, der hatte mit einer Frau nur einen Blick eweehselt, und in dem Blick stand: ,, enn ich denke, unser Junge« . .. Rasch hatte er zum Rest des Schintens gegriffen, der heute unter seinem Messeregeblieben war. Abnehmer fand er wohl kaum noch fiir diese in der Schwartezuriick gebliebene Fettschicht. Seine Kunden waren anspruchsvoller, aber für die Arme ab das noch immer ein ordent-. liches spittagessem —- und so ein tüch tixes Stück, das ma te viel her —wie er dsa hingab, das ah sehr gut aus -—— vor den Kunden! Es war da aber noch einer, dem hatte das Wort: »Hunger, Mutter . . . Hungeri« in die Seele gegriffen, denn er kannte den Hunger, hatte ihn oft genu selbst fühlen müssen. Der Herr im Echlapphut und Künstlerschlips war nicht einer von Herrn KarlRo der-ichs Tageslunden, und das Fünf-» zigpfennigstiick in seiner Westentasche,; an dem die Finger wieder und wieders ljerumgefiihlt hatten, als müßten sief sieh vergewissern, ob es auch noch rich tig in der Tasche stecke, das hatte ihm heute einmal einen Extragenuß ver schaffen sollen. Gerade solch Ceroc latwurst, so roth und weich und fein gewiegt, die hatte immer daheim auf dem Abendbrodtisch seiner Eltern ge standen. Er hatte schon oft mit ihr geliebäugelt, wenn er hier am Schau fenster vorüberging, und dann seiner sonnigen Kindheitstage gedachte, die vom Hunger nichts gewußt hatten. Heute wollte er einmal leichtsiunigl sein, heute hätte er’s gekonnt. I Und nun kam der Junge mit seinem ’ ,,:D11nger, Mutter... Hungeri« i Wie Viele Bilder wurden da in sei ner Seele wach! Still war er aus dem Laden gegangen, ohne die feine Cer-: Delatwurst noch mit einem Blicke zu streifen, und im Hinausgehen hatte er der Frau im geflickten Kleide das Fünfzigpfeunigsliick heimlich in die schlaff herabhängende Rechte gescho deu, die sich zögernd darum schloß wie als sei sie nicht gewohnt zu neh men. Dann aber ging er hin und machte aus den Gedanken, die ihm aufge wiihlt den Sinn bewegten, ein natu ralistiscbes Drama und kegeisterte die Leute. Wenn sie es lasen auf dem Theater-— zetlel, an den Anschlagsäulen nnd ir der Zeitung: ,,Hunger, Mutter . . . Hunger, dann sprachen sie von des jungenDich ters jungem Ruhm. von der Kraft seiner Worte, der Schönheit und Le benswahrheit seiner Bilder, die er so packendLZU gestalten wußte. Sie pries sen ihn als den Apostel der Armuth. Er aber hörte nnd lag, wag sie sag-— ten und schrieben, und nahm es alS schnldigen Tribut seines Könnens und Schaffens. Er konnte jetzt immer am Voll besetzten Tische niedersitzen, denn die Tantiemen flossen ihm reichlich in die Tasche. Der Armuth aber, der Armuth hatte er vergessen, und dachte er ein mal ils-sen so wars mit jenemGrauen, das das Erinnern fliehen möchte. HO-— Unter der Mai-te eines Arztes. Einen neuartigen Telephonschwins del hatte der angebliche klieiiende Ju lius Masau in Berlin in Szene ge setzt, der sich unter der Anklage des wiederholten Betrugeg und der schwe ren Urtundenfiilfchung vor der Straf lkammer verantworten mußte. In den fMonaten März Und April d. J. wur jren eine große Anzahl Geschäftsleute. Uns-besondere stolonialwaarenhöndler, zdurch einen raffinirten Schwindler Lin nicht unerheblicher Weise geschä »digt. Zumeist kei hereinbrechender Dunkelheit tlingelte plötzlich das Te lephon. Es meldete sich ein in der Nähe wohnendrr Arzt, der eine eiliae Bestellung aufgab mit der Angabe-er miisse schleunigst berreisen. Der bei lreffende Kaufmaan iibcrzeugte sich »aus dem Adreszbuch daß thatsächlich tie angegebene Adresse existirte. Es wurde ein Korb mit den bestellten Waaren — Wärst-Im Schinten, Hol ländertäse und sonstigen appetitlichen Sachen —- bepaelt und mit dem Haus-: diener an die angegebene Adresse ge ;schiclt. Als der junge Mann das Haus betrat, kam ihm aus der halben Treppe ein besser gekleideter Mann «entgegen und ries ihm Von weite-n »schon zu: »Na, endlich kommen Sie, ich warte schon lange ausSie!« Der Hausdienei wurde dann von dem . «.Herrn Doktor« mit einem neuen Auf ;lrag nochmals weggeschickt. Als er wiederkam, war der angebliche Arzt I nnd auch der Korb mit den Eßwaaren :verschwunden. Eine Nachfrage bei idem in dem Hause lvohnhasten Arzt Iergab, daß dieser keinerlei Waaren xbestellt hatte. Der Betrüger hatte Lvielmehr unter Benutzung des Nas « mens jenes Arztes den Kaufmann ge prellt. Als durch Zeitungsnotizen vor dem Treiben aetvarnt worden war, gelang es bald, einer habhaft zu wer den. Es war rAngetlaate, der be reits wegen ähnlicher Betriisgereien vorbestraft ist. Vor Gericht stellte ;Masau jede Schuld in Abrede und konnte auch nur sehr schwer überführt ;werden, da ihn die Hang-Dienen die ihn ’nur aus dem dunklen Treppenflur ge Hsehen hatten, nicht rekoanosziren jkonnten Der Gerichtshof erkannte unter Berücksichtigung des sehr ge jährlichen und raffinirten Vorgehen-: ides Angeklagten auf zwei Jahrr Zuchthaus und drei Jahre Ehrverluft. HON Wenn eine Zeitung gehen foll, mußl lie gehalten werden. sein Standpunkt — — III »Wie einer a’ Maler wer’n« kann, is mir ganz unbegreiflich!... Wenn man durchaus verhungern will, ist's doch nicht erst nothwendig, daß man Bilder malt!« Ein historische-s Wahrzeiehem Dvrsbader (zum Sommerfrischler): »Im vorigen Jahr hatten wir einen wirklichen Minister hier, den ich auch mal rasirt hab’; (aus den Stuhl zei gend) schan’ n Sie, dieser Blutsleck, der rührt noch von ihm herl« Von Prüfung zu Prüfung Er: »Paula, freue Dich, ich habe das Examen mit »gut« bestanden; nun - werd-e ich Dich bald heirathen können.« Sie: »Noch nicht, lieber Fritz, erst mußt Du auch noch bei mir die Prü fung »gut« besiehen.« tildinstige Gelegenheit Mann: »Ach, wie seh-ne ich mich zu rück in die schöne Sommerfrischel Be sonders geht mir das majestäiische Rauschen des Waldbaches ab.« Frau: »Wenn Du das Rauschen so gern hörst. Männchen, so kunse mir doch ein seidenes Kleid!« Naiv. Hausfrau (die das neue Dienstmäd chen mit einem Soldaten in der Küche antxifst): »Aber Marie, Sie mit ei nem Soldaten hiert Das ist ja unerk hört!« Dienstmädchen: »Entsch-uldigen gnädige Frau, den hat gewiß das vo rige Mädchen stehen lassen.« Lebensweishcit. »Wie kommt das wohl, daß Sie sich immer so ein richtiges Urtheil über die andern bilden?« »Seht einfach, gnädige Frau: ich gebe viel auf das wenig »Gute, das die Freunde sagen, und wenig auf das viele Schlechte, das die Feindessagen.« Im Frauenoereim Frau A. (Abends um Zehn): »Wie, Sie brechen,schon aus?« Frau B.: »Ich komme wieder; will nur ’n1al sehen, ob mein Mann schon zu Hause ist!« Schafft-litt ,,Sixt GirgL da kommt wieder so a Hochzeitspaar per Automobil, das is nur a Geldheirath! Wenn s’ aber mit der Selundärbsahn kommen, die hanr si’ gern!« Beim Heirathsvermittleu Fräulein: »Ein gut situirter, neitet Landwirth wär’ mir der Liebste!« »Damit wird’s wohl nichts werden, Fräulein, ein Landwirth ist nicht gern siir eine lange Dürre.« Der Schmeichler Förster: »Gestern sind Sie auch wieder iiber den verbotenen Weg ge gangen, Träuleinsp Fräulein: »Jch?«« Förster: »Leugnen Sie nicht« ich seh’«g ja an den Fußstapfen so eine kleine Nummer haben wir in der gan zen Gegend nicht« Sei-leiht netauogeredet. Richter: »Das ist ja ein insamer Bestechungsoersuch; der Zeuge kriegt von Ihnen ein Kistchen Cigarren zu geschictt, oben drauf ein Hund«-Wart schein, nnd als er es Jhnen zurückgibt, senden Sie es zum zweiten Mal hin"!'« Angellagter (tleinlaut): »Ich dachte, er hätte es vielleicht an der verkehrten Guter Lippe-litt Tourist (in einem Landwirthshaustz zur Wirthin): »Na, Frau Wirthin, das muß ich schon sagen, der Braten. den Sie mir da brachten, der ist wirk lich ganz sainos!« Wirthim »Na, schau’n Sie nur« wie man seckirt wird, g’rad’ den hat stern a Fremder zurückgegeben!« Bescheidenheit ist eine Zier, doch weites kommt man ohne ihr. — »Liebe Trau, darf ich Dich um des Hausschtiidet bitte-w