Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 27, 1906, Sweiter Theil., Image 14

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    Statianebeiterszl
Ine- peunuikeeu nieste-ite- nach
ekzähit m Felix Bau-rot
sc Wintele des BahnhossWaw
I " Ist ich ins Gespräch mit ihm, der
sit die nachfolgende Geschichte erzählt
«Mhnlb ich schon so weißes haar
is meinen verhältnismäßig jungen
bestie und warum ich mich
n III-e pensioniren lassen? fragen
. ie· ie Antwort ist nicht so schnell
ben. Jn einer einzigen Nacht —
eineeStundes-—was sage ich Stun
de—in wenigen Minuten, in einem
Tugenblick bekam ich imein weißes
paar, das ich jedoch jetzt färben wer
de. Es fällt zu sehr auf. Jn jener
Nacht wurde ich die Eisenbahn leid.
o leid, daß ich nichts mehr seh-en und
ören von ihr mag und habe doch vor
stets gern und freudig meinen
ienst than. Am liebsten war ich
auf grogn Stationen, wo es ordent
lich drunter und drüber ging und man
nichts sieht als Himmel, Waan und
Maschinen. Da wird einem die Zeit
nicht lang. Jm Fluge sind die acht
Stunden dahin.«
»Da bin ich doch neugierig, ausz
welchen Gründen —" J
»Ich würde ei« Ihnen «ekne erzäh
len, muß aber gleich zu Ziittag Jetzt
sage Ihnen, wenn ich seit jener Nacht
nur eine Viertelstunde später heim
komme, wie ich angetiisndigt, so findel
ich mein kleines Irauchen in Thränen J
gebadet vor. Sie glaubt dann ,mi:1
wäre ein Unglück wieder zugestoßen
und ist ganz untröstlich Sie mußs
mich doch recht lieb haben, meinWeiV
chen. Deswegen mag ich sie auchs
nicht gerne betrüben und bin immer
pünttltch zu Hause. Wir haben doch;
schon ein Uhr? Erst halb eins, sagen i
Sie! Na, dann habe ich noch ein bie- i
chen Zeit. Jch will mich turz fassen.
Also, nor einem Jahr, that ich ausze
ken Bahnhofsdicnst in Carnap. Feen
nen Sie den Bahnhos?«
»Ich bin nur einmal durchgesahren,
als —«
»Na ja, es war dort ziemlich leich
ter Dienst, net-bös wurde man dabei
nicht, und wären wir alle zufrieden
gewesen, wenn nicht eine freche Die
besbande schon seit Monaten unsere
Station heimgesucht hätte.- Sie
brachte ans alle in Aufregung, vom
Vorsteher bis zum Stationsarbeiter.
Wie gesagt, die Gesellschaft wa: auch
zu stech. Die Fahriarten-, die e
päck-Ausgabe, der Güterschuvpen, das
Magazin wurden geplündert, nichts
war vor ihnen sicher. Fahrtarten,«
Wechselgeld, Ballen, Kisten, Petrox
-leum, Kohlen, alles konnten die Kerls
ebrauchen. Das war tlar wie dicke
inte. es mußte« mindestens einer un
ter ihnen sein, der die Babnhossvers
hältnisse genau kannte. Vorschlä
rnaßregeln wurden genug getrossern
Man stellte mehr Laternen aus« schaff
te Hunde an, alles wurde doppelt und
dreifach verschlossen und verriegelt,
Schu leute bewachten die Gebäude
und nlagen Tag und Nacht, alles
umsonst.
So in einer- schönen Nacht, wenn
man nichts Böses ahnte und kein
Schutzmann weit und breit zu sehen
war, dann wollten die Laternen nicht
brennen, die Hunde schlugen nicht an,
weil fee vergiftet waren, .und die
Diebe hatten uns mit ihrem-Besuche
beeier Und das verdammte Gesindel
suchte sich mit lonseauenter Bosheit
stets die Nacht ans, in der ich Dienst
hatte. Jch habe in einem halbenJahr
mehr Protokolle machen müssen, wie
vorher in zehn-Jahren Na ja, vor
einem Jahr um diese Zeit war’5, am
W. September. Jch vergesse ehe:
meinen Geburtsta wie den Tag, rich
tiger Usagn die acht, die Nacht vom
TO. zum 11. September. Jch hatte
Rachtdienst, den letzten in der Tour.
ch war gerade aus den Bahnsteic
inaus getreten, nrn mich zu verge
wislern, daß die Signale »für den von
Schalle abgelassenen Zug 9128 auch
gezogen sind —- tennen Sie den Zug
Mk
»Gewiß, et Iahtt um 11:«.-(.,- un
von Wanne ab.« ·
»Na ja, wie gefagi, ich stehe also
auf dem Bahnsteig und sehe nach dem
EinfahrtssignaL als ich plötzlich meh
rere Revolverfchiisse vernehme, die im
Wattefaal Z. und 4. Klasse abge
feuert werden. Gleich darauf wird
das Fenster aufgestoßen und vier
Kerle spein en heraus. Zwei haben
Schnapssssa schen unterm Ann, die
anderen Beiden haben sich mit Cigat
eeniifien bepacki. Verfolgt werden sie
vom dicken Bahnhofswirth, der hinter
ihnen her so schnell es ihm sein
Schmerbauch gestattet, nun auch aus
dem Fenster klettert, in der einen
Fand den Revolvet, mit der andern
eine Beinkleider haltend. «
Kommen Sie, tommen Sie, wir
kriegen die Kerle!" rief er mir zu.
Jch nicht faul, laufe ins Stationss
immer, verständige in Eile den Te
bgsraphisten und haste was kannste
·ngi den Spihbuben nach, nachdem
L mich noch zuvor mit der Kohlen
chaufeh der Telegtatshist mit dems
« »und-seien bewaffnet hatte. Trotz-J
der Mond noch nicht aufgegan
«» trat, konnte man die Gegen
l Fde draußen deutlich erkennen. So
M wie die Einbeecher quer über
Ue Stieijejaufew dahinter der dicke
Bahnhofswtei . Augenscheinlich streb
. sie durch eNoIsgärten dem nahen
« I Wenn sie den erreichten,
, uns entschlüpft Meine
cui die-Lumpen und meinen Ei- s
J WIMIS können Sie sich ’
M Beile ich die Sitpr
vor mir, fest oder nie mußte ich sie
fassen. Unter Wogen, iiber Wagen
g: ’5; ein breiter Graben, der den
Zniörpet von dem daneben sich hin
ziehenden Wege trennte, wurde mit ei
nem Sprunge, der jedem Atrobaien
alle Ehre gemacht hätte, genommen.
Bald standen wir vor dem Zaun aus
Stacheldra t, der den Roßgarien ein
feiedigi. war gal« blutige hände
und Löcher in der Kleidung, doch
rüber lamen wir. Jm Geiste hatten
wir die Hallnnten schon eingeholt und
gefesselt und die Belohnung, die auf»
deren Ergreifung gesetzt war, einge
steckt.
Es kam aber anders, wissen Sie.
Es kommt immer anders, als man»
denkt. Prosi Rest! Wir wollen ,nocl);
eins nehmen. Von dem· Schwätzens
wird die Kehle trocken. Herr Ober«
noch zwei Krüge bittel — Na ja, wies
nefagi. We war ich stehen nebliebenZi
Ja. richtig. Ueber den Zaun wareni
wir glücklich. Jest wurde die Jagr’
in dem Roßgmten foNgefetzt Wir,
übel-holten den Bahnhofswirth und(
näherten uns zufehends den Diebenl
die mit den Schnnpsflaschen und
Cigarreniisien nicht so schnell laufen
konnten wie wir. Der Telegravhiit
war ihnen am nächsten. dann folgte
ich, weit hinten leuchte der dickeBalJn
hofswirth.
Nur noch 20Schritt waren wir von
den Lumpen entfernt, nur noch 20
Schritt, da —- plurnps ——— gerieth der
Telegsravhist mit dem rechten Fuß in
ein Loch und schlägt lang hin; ich,
dicht hinter ihm, vermag nicht mehr
auszuweichen, hatte es auch nicht vor
hergesehen nnd stürzte natürlich über
ihn weg, hin wie ein Frosch. der ins
Wasser springt. Bis wir uns wie
der aufravpelten, verging Zeit, die
den Spitzt-Erben genügte, um den
Waldrand zu erreichen. Sie eröffne
ten von dort ein resgelrechteg Schü
tzenfeuer mit ihren Revolvern auf
uns, das der unterdes herangekom
tnene Bahnhosswirth erwiderte. Nach
dem er seine Patronen vertnallt hatte,
traten wir unseren ruhmlosen Rück
zug an, da eine Verfolgung iin
Walde aussichtslos war und für uns
gefährlich werden konnte. Gegen eirse
Kugel aus dem Hinterhalte vermaa
der stärtste und tapferste Mann nichts
auszurichten
Miide und abgehetzt mit zerkratzten
Händen und zerrissenenKleideM lang
ten wir wieder aus der Station an.
Nachdem wir das Vorgesallene münd
lich besprochen hatten, wobei wir unis
heinahe an die Köpfe kriegten, indem
jeder dem Anderen den Mißerfolg der
Verfolgung in die Schuhe schob. ging
der Wirth zur Ruhe, während- wir
Beide noch drei Stunden Dienst klop
pen mußten. Jn dieser Zeit fuhren
nur drei Züge, eine Leersahrt, die
schon Plan und Verspätung hatte unr
-ge en 6 Uhr, zur Zeit unserer Ab
iö ung zwei Eilziige.
Etwa eine halbe Stunde nach un
serer Rückkehr zur Station mochte
verflossen sein, als die Leeriahrt von
Schalle a elassen wurde. Jch gab
Aus- und insahrt sowie dem Tele
araphist den Auftrag, den Zug nach
Bottrop abzumelden und ging dann,
als der ug die Station passirtc, nach
Vorschri t aus den Bahnsteig.
Von ten nahen Wiesen stiegen dich-·
te Nebe! aus, zogen sich ii r den
Bahntötper hin und hüllten Wagen
Weichen und Signale rnit einem wei
ßen Schleier ein. Trotzdem konnte
mein geübtes Auge noch mehrere Ge
stalten unterscheiden, die sich in einen
Kolliwagem der im Ahladestrang
stande hinein begeben wollten. Da es
keine Seltenhle war, daß von der
Schicht heimtehrende Grubenarbeiter
die ganze Nacht i Busch türnnielten
und ihren Rausch ann in einem tö
niglich preußischen Staatsdahnwagen
auspennten und ihn dabei ost arg
beschrnu ten, hielt ich es siir meine
Pflicht, ie versossene Bande aut- dem
Wagen zu treiben. Erst als ich den
Kerls gegenudcrnano, ertanme ur;
meinen Jrrthun:. Die vermeintlichen
Bergleute entpuppten sich als dic
Spi buben von vorhin, die ganz ge
inütxlich aus dem Wagen Kartoffeln
in Säcke schaufelten und sie aus ein-:
Handtarre luden. Sie schienen sich
vollkommen sicher zu fühlen und lie
ßen eine aus dem Wartesaale erbeu
tete Flasche Kognat umgeben. Da
standen nun dieVerbrecher zum Grei
fen nahe vor mir, und doch war ich
machtlos ihnen gegenüber. Was
konnte ich ausrichten, ich allein gegen
vier Mann, alle wie die Eichen aus
der Erde gewachsen! Aber denken
Sie sich mein Erstaunen, ais ich in
dem einen der Gesellschaft unseren
Stationsarbeiter Matbe erkannte, ein
ganz liederliches, versoffenes, saules,
verlogenes, freches Subjekt. Jch
hatte den Menschen gleich vom ersten
Tage an, da ich den Dienst in Carnop
antrat, im Magen lie n und ging
bei der geringsten Nazkässigieit sei
nerseits mit unnachsichilicher Strenge
gegen ihn vor. Seine Kündigung
verdanlte er mir. Liederjabne un
Bumnrellanten können wir au der
Eisenbahn nicht gebrauchen. ls ich«
ans dern Nebel beraustrat, konnte ichs
auf den Gesichtern der Diebe lesen wie «
sich ihre erste Ueberraschung in rosi
tlzenden Grimm gegen mich verwan
;delte. Wußten sie si doch nunmehr
entdeckt und»wintte i nen eine lang
-1nl;rrge Gefangnißstrafr. Die Blick-,
dir nur Mathe zumars, sprühten bor.
»Wuth.
Auch mir stieg vie Gang ins Büsc.
: « verdammten Streiche, was
»in Jlsr daf« brüste ich in helle-n
Zorn. ·« H
»Das kann ’edee seagen«, antwor
tete mit da dieser Lump Mathe.
»Kommt alle mit znt Stettin-, be
huij Feststellung det Nament«
»Was Sie nicht sagen, Den Jn
spettok, weder wie noch Sie wer en
zur Station qehen.«
»Was soll das heißem-»
»Das soll heißen, daßDu mich nicht
anzeigen solltest, daß ich Dis- d.1s ver
wehren wetde!« Und ehe ich denSchicig
abwehren kann, erhalte ich von dem
IMathe einen Hieb mit der Schaufel
über den Schädel, daß ich zukiicktaui
melte. Jch will mich auf den Kerl
stürzen, da trifft mich von hinten ein
zweiter noch surchtvatetek Hieb. Ich
verliete das Bewußtsein und sinte zu
Boden.
Als ich aus der Betäubung etwa-che
liege ich mit einem Knebel im Munde
nnd gebunden auf den Schienen des
ersten iivtgeleises, wo die Weiche in
den « btadestrang führt. Nur den
Kopf konnte ich seitwärts bewegen,
sonst lag ich, wenn auch nur mit ein
ein paar Steinen gefesselt, wie ange
schmiedet
Von den Dieben war nichts zu ho
ren und zu sehen.
Soviel war mir vom ersten Augen
blick an klar. Wenn ich nicht spate
stens innerhalb einer Viertelstunde be
merkt und von meinen Fesseln befreit
wurde. mußte mich der Eilzug, der
mit ziemlicher Piinttlichteit die Sta
tion passirte, ·,zermalnien. Vielleicht
tonnte ich selbst die Banden sprengen?
Jch begann an den Stricken zu zerren
und zii ziehen, erst ruhig und bedach
iig, dann mit einer wahnsinnigen
bestigteit und achtete nicht mehr »des
Sschmerzes, den mir die tief ins
Fleisch einschneidenden Stricke verur
sachten. Sonderbare Gedanken durch
treuzten dabei mein Gehirn. Ob ich
ivohl Schmerz empfinden würde,
wenn die Räder über mich hinweg
gingen? Höchstwahrscheinlich nicht.
Ob sie auch alle Theile meines Kör
pers finden werden, wenn sie nachher
die Brocken einzeln im Taschentuche
auslesen werden. Schade wär’S doch,
wenn mein Kopf zermalmt würde-»
Man könnt« das Gesicht ja nicht mehri
erkennen. Da ertönten die Liiutesj
werte, die dem Bahnbeivachuntzsper-»
sonal den nahenden Eilzug ankündigt-J
ten... Mir klangen sie wie ArmesiiiI-?
derglöctlein. Mein Gott« ich bin doch
tein Mörder, daß ich auf diese ent
setzliche Weise von der Welt scheiden
soll. Jch habe stets nach bestem Wis
sen und ewissen, streng und gerecht
meine Pf t und Schuldigleit als
Beamter und Mensch ethan. Weib
und Kind soll ich verlassen, mit denen
ich so glücklich gelebt! Weil-! Weil-!
hörst du nicht den Hülferuf deines
Gatten. Ach, ich kann ja nicht rufen,
der Knebel steckt noch immer in mei7
nein Munde. Aber hören lann ich
und verzweifelnd an meiner Rettung
rernehme ich die Töne der Neben-ör
ner. Der Eilzug naht. Warum
wird die Maschine nicht defelt, warum
reißt der Zug nicht durch? Alles
fromme Wünsche. Ich höre schon
das Rollen der Räder und merkbar
erzittert der Erdboden. Nur noch
Selunden und ich babe aufgehört zu
sein. Jch bin dem Wahnsinn nahe.
Mit allen Kräften ziehe ich on den
Steinen, die sich schon etwas aelockert
haben. Die furchtbare Todesangst
verleiht mir Riefentriifte, und mochten
auch die Fesseln das Fleisch bis auf
die Knochen schneiden. los muß ich
lommen. Noch ein .verzioeiselter
Ruck — und die Hände find frei.
Wie ein todtbringendes Ungethiim
taucht da die Maschine des Eil
zuges mit den beiden brennende-:
Signallaternen aus dem Nebel her
vor. Ein Gemisch von Oel-. Fett
und Farbgeruch den so eine aschine
verbreitet, steigt in meiner ase auf.
Jm letzten Augenblick gelingt es mir
noch, den linken Fuß aus derSchlinge
ii reißen — keine handbreit mehr
sind die Pusfer von mir entfernt —
gedantenschnell werfe ich mich rück
lings hin und ratsch — gebt die Ma
schine über meinen rechten Fus. Auf
der einen Seite der Schiene liege ich.
auf Ader« anderen mein Peink
»Ist das oenn ein tunnnsnes Bem,
das Sie —'«
Natürlich! Fassen Sie nut! Das
geht einem durch Matt nnd Bein, sa
gen Sie. Glaub-? schon. Mir auch da
mals. Donnetweiier, fchon Viertel
nach Eins. Jch muß laufen. Ja,
lsis diese Tage ’tnnl.« »
,,Sind denn die Verbrechet bestraft
worden?« .
»Gewiß! Aber viel zu wenig, vieli
zu wenig haben sie nach meiner A..
ficht geltiegi. Adieu!«
Dicht kniest-. j
Onkel: »Du haft ja nicht einmal
Oel in Deiner Lampe!«
Evident- »Da kannst Du sehen, wie
lange ich gestern Abend wieder studikt
habe. " - .
Nach dein Konsums-. L
I »Ist . .. ist »Ich su bissethaw
Die nhne Sünde sind. v
Novellette von M a ei a h o l m a.
Professor Jansen saß müde und
erisschöpft in dem tiefen rothen Leder
se el vor seinem Scheeibtisch, der be
deckt war mit Büchern, Broschüre-i
und Atten. ,
Die Augen« die sonst so hell und
durchdringend leuchteten. lagen er
loschen, hlauumschattet in tiefen
dunklen then. Seine Lippen wa
ren heifz und fieberhaft gesprungen,
sie waren fest zusammengepreßt, als
oh er nur mit aller Macht den Laut
des Schmerzes zurückhalten wollte.
Er stützte den Kopf in die Hand.
Ein Ausdruck des bittersten grant
1sollen Leides war in bieten stillen
ernsten Zügen. Seine Gestalt war
schmal und schlank, nachlästig gestei
tset, aber auf diesem sehn-schlichen
Körper saß ein prachtvoll geschnittenee
Mönnerkops. Der Kon eines Gei
stesmenfchen und Denters. Dicht e:
nrautes volles Haar hing tief hinein
in eine leuchtend-: weiße steile Stirn.
Die schmalen Hände zitterten leise.
Todtenstille war zwischen ihnen ---
nur von Zeit tu Zeit unterbrochen
durch das kindisch laute Schluchzen
der junan Frau.
Sie laß in ihrem weichen, tolosa
denen Morgenlleid zusammengetauert
in einem niedrigen Sessel. Das asch
blonde glänzende haar hing wirr ihr
in den aclen. Sie hatte den reizen-s
den jungen Kopf in beide Hände ver
graben. Sie weinte haltloä » di:
tellen Thränen tropsten durch die
weißen lleinen Hände — Kinder
hiinde.
Ein unsagbar bitteres Gefühl lani
über ihn.
Wenn sie einen Grund hätte ange
ben können, ein Wort der Erllärunz
das um Mitleid slehte. zu ihrer Ent
lastung hätte dienen lönnerr Oder
lrenn ne versucht hätte zu lügen, tote
alle Frauen liigen in diesen Dinger-.
Sie hatte nicht den leisesten Ver-»
such gemacht, zu leugnen, wie eineT
lodeswiirdigr Verbrecherin hatte sie
vor ihm gestanden, eine, die leine
Freisprecksung erwartet. eine, die
selbst die vernichtende Schuld be
kennt.
Die Thränen waren ihr aus den
Augen gestürzt und immer wieder
hatte sie hilflos gststammelt: »Ich
habe nicht anders gelonnt, ich habe
gelämdst —- es war stärler als ich »
ich hatte ihn liebl«
Ein schmerzlich bitteres Lächeln
war aus seinem Gesicht.
Die Beiden waren ehrlich gewesen-,
sie achteten ihn zu hoch, um seiner
Blindheit zu zspottem sein Vertrauen
zu täuschen. Heldenmuth war in ih
rer Arr, wie jener vor ihm gestanden,
der jnnae Privatdozent, sein S iiler
nnd Geistesgesährte, um ihm obt
dlaß zu gestehen, daß er ihm, dein
Freund und Wohlthäter, das löst
lichste geraubt —- die Liede seines
Weil-es — und weiter, daß er mann
hast die Folgen aus sich nehmen
wolle.
War deshalb der Raub geringer?
Er sah ihn vor sich stehen, wie er
an diesem frühen Moran vor ihm
gestanden hatte. dieser schlanke
blühende Mensch mit der ausrechten
strassen haltung, dem ehrlichen sreien
Gesicht, dem Blick, der ernst und doch
mit so vielem Muth dem seinen be
gegnete. Das war tein Feiglina, tein
heimtiickischer Ebrenräuber, und als
er in slammenden Worten ihm dor
hielt, welche Schuld er aus sich ge
laden hatte, da sand auch er leine an
dere Antwort, als das hilslose- »Wir
haben uns lieb gehabt, wir hatten
leine Macht iider unser Handeln.«
Wenn er jenen niedergeschlagen
hätte in der Auswallung des ersten
Hornes, jedes Geseh der Welt hätte
ihn freigesprochen, die Gesellschaft
hätte ihn gelobt, den «Rächer seiner
Ehre«. Der hätte keinen Widerstand
c,eleiftet —- unv darum ware es eu;
otd ewesen —- begangen an einem
Wthtlo en! Und wie et ihn stumm
aus seinem Haufe gewiesen hatte, da
brach noch einmal in jenem der Rest
der L torpsftudentischen Erziehung
durch, er hatte sich aufgerichtet und
sprach in vorschriftsmäßiget Haltung,
sich mühsam fassend
»Selbstverstönblich, Herr Prosetsot,
ich bin gern bereit, Jhnen in jeder
Zaum ritterliche Genn thuung zu ge
n, ich erwarte Ihre gesehleX Dann
war er zur Thüre gegangen
»Genugthuung«, sagte er bitter, mit
den Waisen in ber Hand, nach dem
üblichen Ehrenratheoder in solchen
Fällen. Wir raustustige Studenten.
ilnb selbst, wenn er jenen niederschoß.
ter ihm sein Giiiet zertreten hatte, tre
gak ihm das Verlorene wieder? Sein
Weib war ihm doch verloren. Und
seinen Schmerz, seinen unheilbar ver
wundeten Stolz hinauszerren aus ben
Marktt? —- Ein alter Mann gegen
einen Jüngling. Aber es war noch
ein anderes Ente-finden —- sollte er
selbst ein Leben vernichten, das er
durch Jahre selbst entwickelt hatte zur
töstlichen Reise, seinen Schüler —— den
Erben seines Geistes, den er liebte
tros alledem, was er ihm gethan. —
— Diesen Weg —- — nein!
Oder den Mann verschonen, sich an
betn Weibe rächen — das hitslose
Kind mißhandeln, oder den anderen
Weg gehen, « den der bürgerlicher-.
Sitte, dem Gesetz einsach steten Laus
lassen» Dieses tinbliche Weib der
Rachsuebt der Gesellschaft auilieserm
. sie ber Meute hinwersen, bie sich scha
jbensrah über die von allen Verlassen
s werfen würdet Sie dem Urtheil des: l
Gesetzes unterwerfen, das sie stir alte
Zeiten zu einer Betfehmten machen
würde. Diesen werdenden Paragra-·
plyen, welcher ihr dieEhe mit dem em
zigen Mann verbieten würde, der fest
ihr natürlicher Seines war, da hre
Familie sie ja zweiellos ausstoßen
würde. ·
Und sie war jung, heißbliitig, halii
los -—— an Armuth und harte Arbeit
nicht gewöhnt; es war nicht auszu
deuten. —- ’
Ein Gefühl der rathlosesten Ohn
macht kam über ihn und doch wieder
das Gefiiltl des Zornes, der beleidig
ien Ehr-« Sein Liebstes, fein Weib,
tie schuldi geworden war. Schule
—- War te schuldig? Seine erste
Aufwallnna bejahte diese Frage, dank-:
aber tolte ein harter Kampf in ihm,
dann aber brach das untettgiame
Rechtsbewußtsein durch, jenes reine,
nicht niederzukiimpfcnde Gefühl Xder
Gerechtigkeit mit dem er einft in fei
net langen Richterlanfbahn jenen kse
genähert-leitenden deren Schicksal von
seinem llrtheitsfpruch abhing, den
Schuldigen und Verbreckern. Spä
ter dann, als er den Beruf, Amt und
Ehren abgestreift hatte, wie ein zu
eng gewordene-Z Kleid, hatte er sich
ganz der wissenschaftlichen Seite de:
Rechtsprechung gewidmet. Er war
einer der berühmtesten Kriminalistem
der sozialen Schule ewordin. Jene,
kei denen das warinäerzige Menschen
ihum nicht ertisdtet worden ist, i:n
Kleid der geseflichen Macht, welche in
teni Gesunten ten noch — den Meu
schen sehen. Und wenn er immer
wieder untersucht hatte in hundert
nnd aber hundert « allen, wie es«tam,
das- Menschen ziis erbrechern wurden,
welche zwingenden Einstiisse Abstam
n:ung, Jugenderziehung, die sug
gestiden Einstiisse der Umwelt gehabt
hatten, was sie-—gelitten hatten, ehe
sie ziiin Verbrechen lamen, da hat e.
rag· Urtheil . sproclfent »Ein-echt si
srei —- denn csiee wußten nicht, was He
thaten. Und wer ohne Sünde ist, dei
irerse den ers en Stein«. So hatte er
iausendsach geurtheilt. Und sollte sie
rechtloser ihm gegenüber stehen, als
die anderen, weil sie sein Weib war?
Ein weiches Gesiibl tani über ihn.
War sie denn schuldig-sie allein?
Er dachte an jenes Leben, das er
geführt hatte, ehe er sie lennen lernte.
ii r war es ein Leben, reich an edler
Arbeit, boher Geistesthiitiateit, er war
ein Richter über viele und ein selbst
loser Freund der Menschen, und doch
war dieses Leben einsam aebliebein
das empfand er erst in sen-in Augen
blicke, als er die blühend-: sonniae
Leben,·an das seine ebunden hatte,
als sie wie ein Lichtstrahl in sein
dunkles Haus tam. Die Taqe des
Glücks, als Zum ersten Mal junge
weiche Frauensiiße durrls diese stillen
Raume glitten, seine weiße Frauen
lzände seinen schlichten Schreibtiseb
mit den Blüthen des Frühlings
schmückten. «
Kiveisellvö hatte sie nach dem Ur
theil der roszen Menge begründete
Ursache, igm dantbar ziu sein. Er
hatte sie erlöst aus Armuth und Noth
—-— ihr seinen vornehmen. eeachteten
Namen gegeben. Er hegte sie wie sei
nes hauses iiistlichstes Kleinod. Nicht
der weitaehendste Wunsch war ihr un
ersüllt geblieben. Sie hatte die herr
lichste Wohnung, zahlreiche Diener
schast — den werthvollsten Schmuck,
die reizvollsten Kleider.
Aber er gab ihr mehr, die reiisie
Frucht seiner Arbeit, er sührte sie in
die Welt des reinen Geister-. er ließ tie
trintöti an jenem Quell der Erkennt
niß und Güte, die die letzte aller
Weisheiten ist, aus seinem Weib er
hob er sie zu seinem Gesährteii. Ei
gab ihr alles —- nur eines vermocht-.
er ihr nicht niehr zu geben — das
was sür ihn vergangen war in ern
stem jahrelangen Ringen, ioas seine
haare gebleicht hatte oor der Zeit --—
die Jugend! Er war nameiikos glück
lich. nie aber srug er sich, ob dieses
junge Weib an seiner Seite glücklich
war; er sreiite sich ihrer-lichten
Schönheit; selbstsüchtig und blind-,
wähnend, dasz sie volllomrnen zufrie
den sei, duldete er, dasz sie still und
klar-los durchs eine Räume ging, de
ten geseierte Herrin sie war. Aber die
große Sehnsucht sah er nicht in ihren
beißen Au«en, an dein Durst ihrer
Lippen, ühlte nicht, wie sie- boin
Kind zum Weil-e reiste — doch in
diesem Au endlick wußte er, sie hat
gelitten. ge ömpst« wie nur je ein red
licher Mensch g en die Allgewalt des
Schicksals tiiniu te, geegen das eiserne
Geseh des Lebens, s unbezwingli
eben Willens des Blutes
Tugend, Pflicht, Ehre, Dankbar
teit, wie sollte sie die »Stimme der
Stille« vernehmen, da Taq und Nacht
in ihren Ohren das heiße Lied de
Btutes tlan . Güte» Reise-, Er
tenntnisz, Sel stlosigteit, das sind die
Tugenden des Alters »der Resignai
tion und Wunschlosigteit, in ihnen
aber ist die grausame Gesundheit der
Jugend —das Leben, das rückhaltsg
los niedetwitft, was ihm im We e
steht und mögen alle anderen sie schu —
dig sprechen —- rnögen sie mich als
Lpser bedauern-der Schuldige bin
ich, der reife weltersahrene Mann, der
an der-Grenze des Alters steht, dem
Geseß des Lebens hohn sprach aus
setbstsiichtigen Gründen. s-— Wäre ie
nicht mein Weib — eine Angetla e,
die vor mir stünde, ich spräche sie frei
nnd, will sie sxcisprechen —- trohdem
si( mein Weib ist, denn der Zwang-des
Lebens war iiber ihr. Und Richter
dürfen nur jene sein-— die selber frei
sind von Schuld.« Eine wundersame
stillkRuhe tam iiber ihn—dieRuhe
der großen Entsckeidnng.
»Ich will ihr nicht das Leben zerstö
ren. Mag sie jung und glücklich sein.
ch will es ihr nicht verwehren, »
te noch einmal die ehrbare Frau dies-v
esMannes wird —- und die reine
utter seiner Rinden daß ich einsam
bleibe, was liegt darun, ich habe das
Glück besessen, und alle Vergangli .
tkii its Mens knaps; und breit-ins
nicht das Kö lichite underlierbar, die
etlii ende Arbeit, die nichts mehr sich
selbt begehrt, nur das eine, das
Schicksal der anderen licht und sonnig
zi gestalten, den Strahl der Liebe zu
senden in die sduntlen Tiefen der Ar-.
«rnuth, des gesunkene Menschetithutns.
«Schmerzlas re«:rden, indem man in
selbstloser Arbeit die Schmerzen der
T ißt. Gönne ihnen dieses bißchen
Jt endgliict —- auch für sie lonimt
eint der Tag, wo sie lautlos und
müde beiseite treten werden, um das
Glück der and-»in.nicht zu itören.« »s
Er trat zu ihr —- ein Ausdruck
wundersamen Friedens war in feinen
Ziigen —- er rate dem jungen Weib
die and auf ti-: Schulter
E n c,anz vermeintes, liebliches
Feindkkgeiicht blickte verstört zu ihm
auf. »Lena,'· sagt-: er ernst, »wir wer
den auseinander geben« — »Ger
bardt« — wie ein Schrei tam reden
ihren Lippen, das Gefuhl der Angst
iiber das drohende Unheil, dieSchande
und Schmach, die ihr bevorstand
»Nein,« sagte et gütig, als er diese
hilflose Angst sah, »nicht so, wie du
meinst! Alles wird noch gut werden -—
der Welt gegenüber will ich alles aus
mich nehmen, was einerSchuld gleicht,
dir ein Recht giebt, dich von mir zu
lösen· Der Weg soll rein sein und
matellos, den du in dein neues Leben
gehst. Du wirft zu deiner Mutter
gehen, bis die Entscheidung gefallen
ist«-bis er tommen wird, dich an
seinerhand in sein Haus zuführen-«
»Gerhardt,« sie fiel ihm um deu
Hals, sie liißte ihn mit einer stiirmi
schen Zärtlichkeit, wie seit Jahren nicht
mehr, sie lachte und weinte in einem
Athem und er dachte gequält, wie jung
sie ist, wie grausam ehrlich, diese lind
liche Freude und wußte nicht, daß ein
Stiick seiness Lebens mit ihr von ihm
ging.
Er drängte sie sanst zurück. «Kind,«
sagte er mit mühsam verhaltener Be
wegung, »erschwere mir den Abschied
nicht und habe Dant siir alles, was
du mir gegeben hast« Er litßte sie —
eg war das letzte Mal. daß er ein
Weib in seine Arme schloß.
Er stand am Fenster, als die
schmale seine Frauengeslalt im hellen
Reisemantel durch den Garten ging.
Jhr lichtes Haar schimmerte in der
Sonne unter dem wehenden weißen
Reiseschleier.
Da ging zum letten Mal das Glück
aus seinem Leben und tam nie wieder.
—- Da brach die mühsame Fassung- er
schlug die Hände oor die Stirne und
weinte bitterlich.
« -—--— -
Ins der Geschicht-statt
Ein Lehrer, der das Thema »Die
alten Deutschen« behandelt. stellt nach
beendetem Vortrag unter anderm auch
die Frage an seine Kinder: Was site«
Haare hatten die alten Deutschen?«
Eine Knabe antwortete darauf:
»Die alten Deutschen hatten graue
Haare«
Neseo Berichte-.
»Woher haben Sie soviel Geheim
nisse. liebe Freundin?"
»Ich horche immer, wenn mein
Dienstmädchen Freundinnen zu Besu
hat«- ««,
«
Vedentliche Gesichtssinn-.
»Na, lieber Freund, ist Deine Ehe
ein fortgesetzter Hochzeitmorgen ge
worden, wie Du träumtest?«
»Na, eigentlich mehr fortgesetzter
Polterabend!«
Ali tot
Mann (heimtehrend): »Ich suche
Dich in der Küche beim Kuchen und
sinde Dich am Flügel!«
Frau: »Ich muß mich eben erst is
Stimmung dazu spielen.«
—.....-.. e
Sicheree Kennzeichen.
Lillh lzu ihrer die Hochschule be
suchenden Freundin): »Du, Mist, der
stehst du schon recht viel in der Küche?
Weißt-du vielleicht gar schon, wenn
die Milch kocht ?"
Mizi looll Stolz und entrüstet zu
gleich): «Aber natürlich —- das riecht
man fal«
Ein erstritten- Diener-.
Baron: »Der Krämer pmnpt nicht,
und Sie haben auch fein Geld mehr;
woher sollen wir kenn nun Hasses
nehmen?«
Diener mach einer Weile nachdenk
lich): »Sei-käm hekr Baron doch ein
Butett an Jhte Fräulein Braut; der
Gärtner wartet bis zum »Ekften«. . .
und - pon dekn gnädigen Väulein
Hm- --- ««wpspljch fünfzig MMLY
Trinkgeld!« « «- « s»