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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (July 20, 1906)
Nebraska Staats-Zuzug« nnd YMU -—-—— : Zwei Sternlein. Zwei Sternlein strahlen lieb und traut Jns Menschenherz hernieder, Wer ihren Glanz jemals geschaut, Vergißt ihn nimmer wieder; H Wie Sonnengluih wie Mondenschein, So warm und mild, so hell und rein Jst dieser Sternlein Blinken! — Wenn lranl dein Herz,h wenn Kummer na i, Such Trost zu allen Zeiten Bei ihnen, die auf dunklem Pfad Dich treu und sicher leiten! — O, hali’ sie heilig, denn ihr Licht Kehrt nie zurück, wenn’s einmal bricht Es sind —- der Mutter Augen! — Ciemens Mauritius. — Orsiehssgsresultate. Von Julius Keller. Priebes waren glücklich. Ihr Her zenswunsch hatte sich erfüllt. Wonach sie seit Jahren gestrebt, um was sie andere, wohlhabendere Leute beneidet, was ihnen in den feierabendlichen Plauderftunden am bescheidenen häus lichen Herd hoch oben im rechten Sei . tenflügel des mächtigen Vorstadthau fes als schönster Zukunftstraum vor gefchwebt —- eö war erreicht! . . . Jhre Frida ging in die höhere Töchter chslet . . . - Priebe gab sich redliche Mühe, sein Kind in die höhere Bildung einzufüh ren, abe«r das Schicksal machte es ihm nicht leicht. Es wollte nicht recht vor wärts gehen rnit ihnen; sein Bewußt sein, eigentlich zu etwas Höherem ge boren und berufen zu sein, stand ihm hindernd im Wege- Sie lebten müh ftlig von der Hand in den Mund, und es bedurfte großer Entbehruns gen, um der kleinen Frida nur einen Bruchtheil von all dem zuzuwenden· was sie sich vorgenommen. Sie über schütteten das Kind mit Liebe und Zärtlichkeit. sie verhätfchelten und ver zärtelten es, und lein Opfer schien ihnen zu schwer, wenn es galt, einen Wunsch der verzogenen Krabbe zu er fiillen. Mit reude und Weh sahen sie das bildhii sdfe Mädel heranwach sen, aber auch snit Kummer nnd Angst es größer und älter werden... Wo blieb die höhere Töchterschule, wo blieb die höhere Bildung — wie soll ten sie all die iostspielixen Aufgaben bestreiten, deren Erfüllung sie sich einst gelobt? Fortuna hatte ein Einsehen mit den gequälten Eltern. Sie warf ihnen einen Gewinn in den Schooß. Ein recht bescheidenes Zehntean nur, aber doch immerhin genug, um der kleinen Frida die Wege zur höheren Bildung zu ebnen. Um das zu errei chen, hatten Prietes ja Jahr um Jahr fiir das Loos sich ««ie Groschen vom Munde abgespnrt . .. Und nun war es da, das armselige Kapital! Kein Pfennig davon sollte fiir andere Zwecke verwendet werden. Es gehörte ihrer Tochter-— voll und ganz. So lam es, daf; die blondlockige Frida Priebe mit ihrem zehnten Jahre in die höhere Töchterfchule ging, drei mal wöchentlich eine unglückselige Klavierlehrerin durch ihre verblüf fende Talentlofigleit zur Verzweif lung brachte, daheim auf einem — viel n theuer gemietheten Klimperlasten Fingeriibnugen machte, die das ganze Haus in k urcht und Schrecken versetz ten, mit bfcheu und Verachtung aber ich abwandte von jeder häuslichen -bätigteit, die darauf hinauslief — sie zu einemszgliicklichen Weibe ihres Standes zu machen. Frida war das- echte Kind ihrer Ut tern. »Z?erlappe« hatte man sie in der Voltsschule genannt, und der Fiask name begleitete sie auch an die vor iichmere Bildungsstätte». Gepuyt wie die feinsten der Genosfinnen tan: sie zur Schule. Bis in die Nacht hin ein nähte, wusch und plättete Frau Priebe, um der Tochter zu ermögli them unter all den »i)öheren Töchtern« standesgemösz zu wandeln, und wenn Vater Priebe Abends in seinem Ar beitsstaat nach Hause kam, dann gab er seiner Tochter nie die Haut-, ohne sich vorher griindlich gewaschen 3ii haben, und Frida — küßte ihn grund sätzlich nur Sonntags. Eines Tage-z kam Frida mit ver heultem Gesicht aus der Schule. Es regne start, und die besor te Mutter empsi sie mit besorgter iene, be freite ie von den diirchnäßten Klei dein, zog ihr die Schuhchen aus und neue Strümpfe an, kämmte ihr die zerzausten Haare zurecht und tniipste sorgfältig die blaue Schleife wieder fest. Vater Prieke lag krant im Bett. Der Rheumatismus hatte ihn gepackt. Er litt arge Schmerzen und hatte eben aus die Krankenkasse und den Kassenarzt geschmipst; als er aber seine Frida sah, lachte er über’s ganze Gesicht. Frau »Viel-e blickte ihn verweisend an: »Sieh doch bloß -—— das Kind hat geweint,« sagte sie. Priete suhr mit einem Ruck im Bette aus. Seine Schmerzen waren wie weg eblasen »Gewent»«t’! Nanut Frida Goldmadett Hast du — halt du geweint?,« Frida wandte sich schwellend ab. »Ach laßt man, laßt man«, sagte sie mullchend. »Wer hat dir was gethan, mein It«ind!" brauste die Mutter aus. »Hu dich die Lehrerin etwa —- gehaiienLW Frida sah sie empört an «Eehauen?. . . Mamal Haue giebt es doch bei uns nicht-! Für unser schö nes Schulgeld auch noch Haue.« ,, ber du hast doch geweint, Lieb ling!'· s ,, a ja, gewiß doch, hab ich auch — weil——weil... ach laßt doch man!« Mutter Priebe zog sie zärtlich in ihre Arn-e »Sage mir, wer dir was aethan hat, Frieda?« »Die Ell von Geheimraths, der hochnasige othtopf«, platzte Frida neun heraus, ,,sie hat hinter mir her görufem ,,Etsch —- du hast doch kein ienstmädchen!« Frau Priebe fah ihre Tochter rath los an. »Das versteh ich nicht.... Ostar, verstehst du das?« »Na . .. Was hat meinte der tiickische Rothiopp denn damit, Frida't« , »Na —- siehste, Pape . . . die ——— hö heren Kinder, die— die haben doch zu Hause alle Dienstmädchen, und die stehen denn, wenn die Schule aus« ist, mit Schirme da und warten und neh men die Mavpen ab und spannen die Schirme aus und bringen ihre junåem gnädigen Fräuleins zu Hause . .. ch, das muß zu schön sein, zu schön... Heute waren so viele da . »Alle-na, beinah alle aus meinerKlasse sind von ihren Mädchen abgeholt worden . bloß ich, ich nicht· Na, und- spie die Elly, mit die ich mich heute mächtig gezankt hatte, weil sie immer tchnbft, mit ihrem Dienstmädchen an mir vor beiging, da --— da hat sie mir ’ne Nase gedreht und mir das zugeschrien... und die andern haben alle gelacht, ja, so gelacht! Aber ich kann doch nicht dafür, daß ich kein Dienstmädchen babe«... Sie brach in Schluchzen aus. »Ich bin doch keine -— teiue richtige höhere Tochter... Die haben alle eins . .. Das gehört dazu . . .» Und ich geh überhaupt nicht wieder in die Schule, wenns regnet... Jch laß mir nicht veruzen!« Vater und Mutter starrten einan-« der verblüfft an. Dann beeilte Mut ter Priebe sich, schmeichelnd und trö stend das Haupt des heulenden Mäd chens zu tätscheln. Frida aber fchluchzte weiter und stieß endlich mit dem ihr eigenen lieblichen Trotz her vor: »Ja —— Man1a... ich will auch ab- · geholt werden, wenn’s regnet«—s-sonst geh ich nicht! Es paßt mir nichtJ daß die andern denken, wir sind —--—. wir sind bloß »s— —- sone Leute« i Schluck-send wars sie sich in der; Mutter Schooß und stratnpelte heftigi mit den Fäßchen- Aber Frau Priebk’ that nicht, wag manche andere Mutter bei einer so bequemen Lage des unge bärdigenLieblingS gethan haben wür de. Sie war völlig lonsternirt, wäh rend Herr Priebe aufrecht im Bette saß und mit diisterer Miene vor sicks hin starrte... Sie waren ja wirklich bloß » sone Leute! si- t i Am andern Mittag regnete es wic der kei Schulschlusz. Vor dem Thore der von Leisetvih’sct)en höheren Töch terschule standen die Dienstmädchen und Fräulein in Neih und Glied und harrten ihrer Schützlinge. Mit jener anmuthigen Gesittung in Mienen und haltung, die mühselig stand-hält, so lange das Auge der Lehrerin wacht, stürmten die lieben Kleinen heran-» Jede in ihrer Art schon eine lleire Dame, in freundlicher Herablüssung den ehrerbietigen Gruß ihrer »Dienst« roten« erwidernd, dem wirklichen »Fräulein« gegenüber rnit etwaeLeutsi seligkeit gemischt. Mit besonderer Würde ging Frida Priebe neben Ge heimraths ,,Rothtopp" einher, anschei nend mit der kleinen Schubserin wie der völlig ausgesöhni. Aus ihrem hübschen, alttlugen Gesicht lag ein Ausdruck des Triumphe einLircheln der Genuatbuna . . . U plötzlich blieb sie stehen, faßte wie nnwillliin lich die Genossin ain Arm und riey getvichtig: »Ach! Da ist sie ja...·. Adieu, sosianze!« Dabei nickte sie der andern lächelnd zu und schritt mit unendlicher Wiirde ein-er weibli chen Person entge en, die sich ihr mit nusgespanntem Sgchirm näherte.... Sie neigte ein ganz klein wenig den Kopf, sagte lauft ,,’n Tag« nnd reich te voll tindlichtset Grandezza der Har renden die appe. Dann ging sie langsam und gemessen weiter, das blonde Haupt stolz erhoben und liesz sich von der lints neben ihr Schrei tenden beschirmen Gebeimraths Konstanze aber stand ganz verwun dert neben ihrer Anna» »Na sieh doch bloß mal anl« rief sie, vorlleberrasch un jede vorgeschriebene Würde ver ge end. »Die Priebe hat doch ’n Dienstmädchen!« - s ·- e Einige Wochen später lam Frida Mittags in grimmigee Verzweiflung aus der Schule nach Hause. Frau Prielke wollte sie, wie immer, mit artlichen Fragen bestiirnien, aber Ftda entwand sich mit einem kräfti gen Ruck ihrer Umarmung und schrein »Laß, Mutter, laß!« (wenn ie ganz ausgelöst war vor Zorn und chmerz, sagte sie ,,Muiter« zur ,,Mama«) Laß!... du hast mich blamirt.... Die ganze Klasse uzt uns-... Die Konstanze hat’s lange gemerkt. daß mein Dienstmädchen Mumpitz isi».. «Jhre Anna hat auch gesagt: »Die is viel zu vertraulich, das erlaubt sich unsereiner nich zu die Herrschaft« . .. Wo ich dir doch so genau gesagt habe, wie sie’s alle machen. Und gestern — weiszt du —- an die Gedächtnißtirche, wo ich beinahe von’s Auto überfah ren bin und du mir zurückrissest — da —- da —- da hast du mir ’n Kuß gegeben, und ich hab geschrien: »Nicht doch, Mutter!«·.. Da war die Kon stanze gerade hinter uns! Nu bin ich blamiri... nu wissen sie alles-. Du bist gar nicht mein Dienstmädchen —— —— du bist —-—— bloß meine Mutter.« »Frida!« rief Frau Priebe fas s«ungslos. »Wer hat das gesagt?« »Alle haben sc das gesagt. Jch geh Brich mehr hin. Jch geh nicht mehr in.« « Abends erzählte Frau Piebe ihn-i nenden Auges dem heimiehrenden Mann die Geschichte E; sah sie heirosssen und nachdenk lich an. »Nich ihr Dienstmädchen « blon ihrc Mutter?« niurmelte er. ,,Ja...und nu will se nich mehr hin, weil se sich schämt!« Frau Priebe schluchzte wie vorher ihr Rind. Noch niemals hatte der brave Mann sein Weib so traurig ge sehen. Doch er verstand ihrenSchnterz. Ess- war der erste bitterc Kummer, den ihnen ihre Frida bereitete... Arme Priebe5!...· Jhr werdet noch oft iiber Euren Liebling wei: nen . .. Der Ausbruch aus dem cidbys Gefängniß. . — Jrn Laufe der russischen Revolu ricnsbewegung haben schon öfter-«- ge sangene Volkstämpser ihre Freiheit unter mehr oder weniger abenteuer lichen Umständen wiedererlangt, die allemal von außerordentlicher Kühn heit und Klugheit der Betheiligten zeugten und an die berühmtesten Ausbriikhe früherer Zeiten erinnerten. Teren giebt es eine ganze Reihe. Jn Deutschland z. B. erregte nach dei achtundvierziger Vevolution dieFlucht stintelö aus Spandau großes Aus sehen. Von Helden der großen fran zösischen Revolution hat sich der Post nteister Drouet, dem die Verhastung Ludtvigs Nil in Varennes zu ver danken war, auch durch einen verwe g-:nen, aber allerdings nicht gliictlis chen Fluchtversuch ausgezeichnet als er in österreichischer Gefangenschaft Jus dem Spitzberg, 150Fufz über der Donau, saß, er tonstruirte aus Po pier einen Fallschirm, um damit bei Nacht aus seinem Retter hinabzuflie gen; aus dem Flug wurde aber eit-. Sturz, weil er zu viel Gepiick mitge nominen hatte, und so wurde der kühne Lustschifser mit gebrochcnem Bein in seinen Gewahrsam zuriictge bracht· Zur Revolutionsepoche hatte Paris unter seinen vielen Berühmt heiten auch die beiden hervorragend «xten Ausbrecher ihrer Zeit auszuwei en; de la Tude und TreneL ersterer berühmt durch feine geniale Flucht aus-: der Bastille, der andere durch? seine immer wiederholten Versuche« sich durch Anlegen unterirdischer Gange aus den Magdeburger Kase matten herauszuwiihlen Die Maul wurssarbeiten Trencls haben tvolkl nicht ihresgleichen an Unermüdlicl teitz dagegen werden sie in denSchat ten gestellt durch den Erfolg, der ähn liche Anstrengungen gefangener tintonssoldaten , im amerikanischen Burgerrriege tronie. Es handelt sich um den großer-. Ausbruch aus dem Libby-Gefängnsf: zu Richmond, Va» Anfangs Februar 1864. Jm genannten Gefängniß wa ten damals ungefähr 1200 Kriegsge fangene jeden Ranges zusammengc pfercht. Darunter war seit dein l. Oktober 1863 auch der Oberst Rose vom 77. Pennsylvanischen Freiwilli aentorpgs. Kurz vorher in dei Schlacht bei Cbickainauga gefangen genommen, halte er schon während des Transportee nach Richmond ei nen verwegeneu Fluchtvekfuch unter klommen, war aber wieder eingefan gen worden, nachdem er mit gebroche nein Fuß einen ganzen Tag in den. Wällen umhergeirri war. Gleich nacht seiner Einlieferung insk Libby-Ge » fängniß begann er wieder auf Miiiel und Wege zur Flucht zu sinnen» Nachdem Rose die übrigen Theile dng Gebäudes ohne Erfolg auf Möglich-; leiten zu einem Dass-ruch- ab efuchtl Hin-, schlich er sich bei Nacht m den! heil der Untetkellerung, der »Nat tenleller« genannt wurde, weil» in» dem fußhoch darin auf espeicherten Stroh unzählige Ratten fich aufhiel ten. Während er die Kellermauern einer giriisung unterzog, stieß e: plötzli aus einen Kameraden, den Major Hamilton, der glei falls da bei war, den Raum auf ask-rachs möglicheiten zu untersuchen. Die bei den verständigten sich schnell zu ge meinsamer Arbeit und gingen schon in der folgenden Nacht daran, mit ein paar Kiichenmessern die Kellermauer zu durchbrechen und einen Tunnel nach außen anzulegen. Indes-, nach ein paar Tagen konnten sie nicht mehr in den Rattenleller gelangen, weil der darin befindlich-e Küchenraum auf gegeben und die nach dem Keller süh rende Treppe mit Brettern zugenagelt wurde. Damit erwuchs den beiden Aus brechern, wenn sie nicht auf ihren ganzen Fluchtplan verzichten wollten. die Ausgabe, sich einen verborgenen Zugang zum Rattenkeller zu eröffnen. Das war deshalb denkbar, weil der mittlere Raum des Erdgeschosses im Libby-Gefäng-niß nicht mit Gefange nen belegt war, während die beiden anderen Parterreräume, der eine als-« Wohnung deSGefängfiißtommandans ten, der ander-e zu Lazarettzwecken be nutzt wurden. Der mittlere Raum sollte von den Gefangenen, die in den oberen Stockwerk-en ihr Quartier hat: ten, nur iagsijber betreten werden, um dort ihre Mahlzeiten zu kochen» Die nächtliche Kontrolle im Gefängniß war aber nicht allzu scharf, weil außen um das Gefängniß beständige Wachtposten patrouillirten, die jede-: Entkommen unmöglich zu machen schienen. So konnten Rose und Ha rnilton sich Nachts allein in dem mitt leren Raum des Erdgeschosses aushal ten und an der Herstellung eines ver rsurgencu Ouguugev ttuuz treu-. murren-« teller arbeiten· Dag- einzige denkbar-: Verfahren, bei dem nicht unbedingt eine Entdeckung erfolgen mußte, be dingte einen unsäglichen Arbeitsauf wand. Es galt nämlich, sich an ei nem alten Feuerplatz oder stamin fiir ein offenes Feuer nach englischer und amerikanischer Art in eine dicke Querrnauer des Gebäudes hineinzuars lseiten und dann innerhalb die ser Quermauer einen schmalen Gang nach unten und bis in den Ratten teller zu treiben. Die einzigen Wert- » zeuge dazu waren ein Stemmeifen und ein altes Matrosenmesser. Damit gingen die beiden Ausbrecher aan JWerk und arbeiteten Nacht fiir Nacht unverdrossen· Wenn sie in der Frühe aufhörten, so setzten sie die vordersten "Steine am Kamin wieder ein und »betvarsen sie mit Rus3, damit die Ritzen nicht zu sehen wären. Niemand merkte denn auch etwas von der Thätigleit der beiden und sie arbeite ten sich mit unermüdlicher Geduld schließlich bis in den Rattenkeller hin ein. Nun ging aber erst die Haupt sache los: das Graben eines Tunnels nach außerhalb. An zwei Stellen durchbrachen sie die Kellermauer ver geblich, weil der Boden draußen zu lose war, um nicht einzusallen, wenn ein Tunnel hineingetrieben wurde. An einer dritten Stelle endlich hatte der Boden die nöthige Konsistenz. Das Tunnelgraben ging also ernstlich los. Man strebte aus einen nahen Abzugs graben unter der Kanalstraße zu. Die Arbeit war unbeschreiblich mühevoll. Rose wühlte, und Hamilton wehte ihm Lust u, wenn er nicht gerade die aus gegrabene Erde in einem Spucknapf wegtrug, um sie unter dem Stroh des Keller-Z zu verstecken. Nachdem der Tunnel ungefähr 4 Fuß lang war, er kannten die beiden, daß die Aufgabe fiir zwei Menschen zu groß sei, und entschlossen sich, noch eine Anzahl Gek, fangene ins Einvernehmen zu ziehen. Jm Ganzen waren bald 15 Mann im Komplott und arbeiteten abwechselnd· Die ganze Mühe erwies sich schlief-lich als vergeblich, weil Grundwasfer in den Tunnel eindrang und die Fort seung des Werkes in dieser Richtung unmöglich machte. Jn einer anderen wurde es von neuem begonnen; trotz der bitterm Enttäuschung gab man » hauptsäch lich infolge der zähen Energie des Obersten Rose — die Hoffnung nicht auf. Der neue Tunnel wurde in der Richtung auf einen eingezäunten Hof mit einer Scheune angelegt. Aber bis zu diesem Zaun, hinter dem der Tun nel erst ausmünden durfte, waren von der Außeninauer des Gefängnisses nicht weniger als 50 Fuß. Die Auf gabe war also fast unlösbar, nicht allein wegen der unzureichenden Wert zeuge, sondern auch wegen der bestän dig wachsenden Schwierigkeit, dem ge rade Wühlenden soviel frische Luft zuzuwehen, daß er nicht ersticken mußte. Jndefz, binnen siebzehn Ta gen wurde das Werk vollbracht. Das letzte Stück schaffte Rose allein in der Nacht vom 8. zum 9. Februar 1864: gegen Mitternacht stieß er nach viel stiindiger Arbeit auf einen Pfosten des Hofzaunes, und so nahe dem Ziele, be schloß er, nicht eher zu erlahmen, bis er den-Tunnel fertig habe. Dem Er sticken nahe, brach er mit Aufgebvt seiner letzten Kräfte schließlich nach oben durch und sah den Sternenhim mel iiber sich. Er betrat den Hof so wie durch ein Thor die Kanalstraße und kehrte dann durch den Tunnel ins Gefängniß zurück, nachdem er ein Brett über die Tunnelöffnung im Hofraum gedeckt hatte. Die Freude der übrigen, als sie vernahmen, daß der Weg ur Freiheit eröffnet sei, war natürlich unbeschreiblich groß. Sie beschlossen aber trotzdem, bis zur näch sten Nacht mit der Flucht zu warten. »Da verschwanden nun nicht nur die fünfzehn Verfchworenen, sondern auch deren vertraute Freunde, die im letz ten Augenblick verftändigt wurden, so wie imemr mehr, die von dem Tunnel erfuhren. Am am Morgen des 10. Februar im Libby-«Gefängniß der Tib liche Namenaufruf stattfand, fehlten nicht weniger als 109 Mann—59 da von entkamen definitiv aus dem Machtbereich der Konföderirten. Un ter diesen Glücklichen war aber nicht die Seele des ganzen Unternehmens-. Jder Oberst Rose. Als er schon nörd « liche Vorposten vor Augen hatte, wur de er von den Südlichen ereilt und nach dem Libby - Gefängniß zurückge schleppt. Uebrigens wurde er nach etli chen Monaten gegen einen gefangenen Obersten der Konföderirten ausge wechselt und konnte sich wieder der Freiheit erfreuen, für die er soviel ge wagt unv gelitten. In die Falle gegangen. Von J. Enis. » Das Abendglöcklein klingt durchs Thal, der Wind trägt die Schallwellcn bis in die Stille des Hochtvaldes. Nichts regt sich weit und breit, nur ab und zu raschelt ein weltes Blatt zu Boden. . Die Singvögel sind wieder nach dem sonnigen Süden geogen, und als einzige Blüthe prangt die Herbstzeit lose aus den Wiesen. Ueberall in der Natur ein sanftes Absterben, ein Ver blassen der leuchtenden Farben, ein Vertlingen der Töne. Da schreitet ein junger Mann des Weges; es ist der Forstadjunlt, der noch vor Eintritt völliger Dunkelheit einen Rundgang durch sein Revier un ternimint. Vor der Waldblöße bleibt er stehen, denn er hat von ferne ein paar Hirsche erblickt. Darüber hätte er beinahe vergessen, ie neuaufgestellte Fuchs-falle zu besich tigen. Rasch wennet er wieder seine Schritte zurück in’s dichte Waldesge striipp. Ein Korb, bis zum Rande mit Her renpilzen gefüllt, lehnt an einem Stamm, und unweit davon leuchtet ein hellrothes Kleid zwischen den Bäu men. Eine Frauengestalt wendet den Kon nach ihm, ohne sich aus ihrer ge bückten Stellung zu erheben. »Fräulein Lisi, was thun Sie denn da in dem feuchten MooseZ So stehen Sie doch aus!« ruft erstaunt der junge Mann. »Ja, wenn ich nur könnte!« erwi derte tläglichen Tones das Mädchen ,,Herrgott im Himmel! Sie sind i: die Fuchs-falle gerathen! Es ist Ihnen doch kein Leid geschehen? Nein, das nicht, aber Lisis Kleid und Unterröckchen waren festgehalten. Sich niederbückend, meint der Forst adjunlt: »Wissen Sie, Fräulein List, bevor ich daran gehe, Sie zu befreien, hätte ich das Recht, als Lösegeld einen Kuß von Jhnen zu fordern.« »Nein, nein, Herr Hart-ter, lassen Sie mich!« schreit das Mädchen uno will ihr Kleid mit Gewalt aus der eisernen Umtlacnmreung befreien. ,,Schade um das schöne Kleid! Warten Sie, ich will Sie gleich los 1nachen...« spricht der Forstadjunlt. Er hat es durchaus nicht so eilig, die Falle zu öffnen. Oder funktionirt der Mechanismus so schlecht? Sicher ist’s daß es ihm trotz heftiger Abwehr der Kleinen dennoch gelingt, sie zu küssen. Und Lisi? Sie scheint sich allmälig in das Loos einer Gefangenen hineinge slinden zu haben, so daß sie, von ihren Fesseln endlich befreit, gar nicht an’s ·ntsliehen denkt. ——— Der Forstad junkt drängt ihr seinen Wettermantel auf, und obwohl der Herbstabend sehr niilde ist, scheint es auch i m plötzlich zu fröfteln, denn er be eckt feine Schulter mit einem Zipfel des Man tels. Dadurch sind die jungen Leute im Gehen sehr gehindert, nur langsam schreiten sie vorwärts. Er will Lisi durchaus heimeslortiren, da es schon dunkel wird. Den Korb mit den schönen Pilzen W ihat sie stehen gelassen —wie dumm! Nun müssen sie noch einmal zurück, ihn zu suchen. « m Schulhause herrscht schon rose Au regung wegen des langen us bleibens der Tochter.s « Der Oberlehrer stürzt den fangen - Leuten entgegen. , I Gottloh, daß seiner Lisi nichts Zu-« gestoßen ist! Da belehrt ihn allfogleich »der Forstadjunkt, daß List nunmehr fe,ni des jungen Mannes, Eigenthum sei, denn dem Forstgesetz zufolge muß alles schädliche Raubwil , das sich in den Fallen längt, eigentlich — ver tilgt werden. Jm vorliegenden Falle wolle er zwar eine Ausnahme« machen und das Raubwild nur heirathen, auf daß List, die ihm sein Herz geraubt, nicht noch weiteren Schaden anstifte. Die Eltern mochten dies einsehen, und so wurde im Schulhaus gleich Ver lobung gefeiert. Hartner’s Ernennung zum Förster ließ nicht lange auf sich warten, und nun sind die jungen Leute schon ein glückliches Paar. Ein Jahr darauf wuchsen die Pilze noch zahlreicher, da der Sommer ziem lich feucht und regnerisch gewesen. Da geschah es einmal, daß Hart ner’«5 Nachfolger, durch laute Hilfe rufe aufmerksam gemacht, in derselben Fuchs-falle ein Mädchen fand, die Wirthstochter Anna, eine Freundin der jetzigen Frau Försterin. Der neue Forstadjunkt schien die Forstgesetze nicht so genau zukennen, wie sein Vorgänger, und schenkte dein Mädchen ohne Weiteres die Freiheit. Einem dunklen Gericht zufolge sing sich gar noch eine dritte Pilzsammle rin. Auch diese soll unversehrt aus ihrer Gefangenschaft entkommen sein. Sicher ist es, daf; der Forstadjunkk bald darauf die Falle, inder sich noch kein einziger Fuchs gefangen hatte, entfernen ließ. —-—-..-— Der »Versicheruugshut«. Die Engländer haben eine beson dere Vorliebe fiir das indirelte Ver sicherungsfystem Man erwirbt irgend einen Gegenstand, sei es ein Notizbuch, ein Patentbleistift oder dergleichen, mit dem man als Zugabe Unfallver sicherungsgutschein in Höhe vqn 825 bis 8250 erhält. Die meisten belletri ftischen Zeitschriften Englands ver sichern ihr-e Leser gegen Eisenbahn und Wagenunfälle, die bei dem unge heuren Verkehr in der City und den unvermeidlichen Fahrten auf Ober und Untergrundbahnen oder aus dem altmodifchen Pserdeomnibus aller dings stets zu befürchten sind. Die englischen Hutfabrikanten beuten nun allerdings diese Manie für indireite Versicherung aus, indem sie dem Käu fer gewisser Spezialitäten das beru higende Bewußtsein verschaffen, daß seine erbberechtigten Verwandten durch eine hübsche runde Summe ent schädigt werden, falls er, wie der Ber liner sagt, »unter den Leierkasten kammt«. Selbstverständlich muß der Hut nebst Versicherung alle Jahre, in den besseren Geschäften sogar binnen drei Monaten, erneuert werden. Je denfalls bildet der .,Jnsurance Cou pon« eine wirkungsvolle Reklame, die den Fabrikanten nitch einmal viel kostet, da die ,,Ocean Accident Inst-. rance Company«, die sich jetzt eigent lich »Hmbesitzerversicherungsgesell schigN nennen sollte, die Sache billig nia i. -——-)-.—.--—— Unmenschltche Probe. Der frühere Vicekönig von Aegyp ten, Jsmael Pafcha, hielt in seinem Garten einen großen Käfig mit Ber berlöwen. Eines Tages kam er dazu, wie der Wärter die Löwen fütterte. Er trat heran, um dem stets interes santen Schauspiel der Fütterung bei zuwohnen. Die Bestien waren hung rig und fielen gierig über die ihnen gereichten Fleischstücke her. Die kleine Tochter des Wärters aber spielte ganz harmlos dicht am Gitter mit den Thieren. »Weshalb läßt du dein Kind so, nahe herantreten?« fragte JsmaeL ,Die Löwen sind an sie gewöhnt und thun ihr nichts,« antwortete der Wär ter. »Wir wollen die Probe darauf sehen; lasse sie doch einmal in den Kä fig gehen,« sagte der Vicetönig Der Wärter zuckte zusammen, doch ge horchte er augenblicklich und steckte sein Kind zu den Bestien, während Jsmael neugierig dabeistand. Die Löwen waren überrascht, sie richteten sich auf, berochen der Reihe nach das Kind, thaten ihm aber nichts. Jndeß einer der Löwen wendete kein Auge von dem Kinde und hörte nicht auf, den Boden mit seinem Schweife zu schlagen. Da befahl der Khedive dem Wärter, so gleich ein lebendes Schaf in den Käfig zu werfen. Alle Bestien fielen wü thend über das Thier her, rissen sich darum und zerfleischten es. Diesen Moment benutzte der Vicetönig, den Wärter zu ermächtigen, fein Töchter chen aus der gefährlichen Lage zu be freien. Dann setzte er lächelnd und befriedigt über das entsetzliche Schau spiel seinen Spaziergang fort. Zur Arbeit ist die Zeit gegeben, Und Preise winken nur dem Fleiß. Erfolgs belohnt das ernste Streben, Entbehrung heischt’s und Müh und Schweiß. II II It · Weder im Leben des ein einen, noch un·Leben der Völker gie es einen Stillstand; sie schreiten unaufhalt am ruekswarts, wenn sie nicht«vorwirrts dringen. -