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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (July 20, 1906)
— Herrn Wiedehopfs Regen schitm. - (Von Marie PhilipsetU Klitschi Klatschi stürzte der Regen auf die giaöbedeckte Säulenhalle nie der. Ein plötzlich ausbrechendes Un wetter, das einen jeden unversehens überrascht, jagte jäh von eben noch heiterem himmel nieder. Die herren losen Droschten waren in einem Au genblick besetzt und die Omnibusse ge drängt voll. ehe man nur Zeit hatte, sich umzusehen. Jm Schirmgestell ne ben der Eingangsthiir des »Case de Luxe« stand nur ein Regenfchirm, und da mein Lut, sowie mein hellgrauer, kurzer Ue rzieher neu waren, liebäu gelte ich mit ihm. Jch kannte seinen Eigenthümer ganz gut, er war gerade zum Gabelfriihstiick hineingegangen und pflegte sich beim Essen Zeit zu lassen. Jch aber hatte Eile. Vielleicht ging das Unwetter bald vorüber. Jch konnte den Schirm ja mit einem — Dienstrnann zurückschicken; ich erkältete mich so leicht, und meine Verabredung duldete keinen Aufschub. Und somit folgte ich den Einflüsterungen Satans und streckte schon die hand nach dem Regenschirm aus« Da, im selben Au genblick, einem Theateebösewicht gleich, bemerkte ich, daß ich beobachtet wurde. Eine junge Dame von höchst anziehen dem Aeußern stand einige Schritte von . mir, auch unter der Säulenhalle, und; schaute nachdenklich in die Nässe hin-I aus. Sie hatte ein leichtes Sommer- ’ kleid an. Abwechselnd sah sie aus ihre ; Uhr und dann wieder auf das Unwet- - ter und murmelte ungeduldig: »Oh,; ich werde sicher zu spät kommen!« « Eine großmüthige Anwandlung be schlich mich. Ohne auch nur im Ge-: ringften noch an meinen empfindlichen J Hals oder an.meinen hellgrauen An-; Brig zu denken und mit der sicherenI iene des glücklichen Besitzers ergriff ich den Regenschirin. »Da Droschken unerschwinglich zu sein scheinen,« sagte ich, »so gestatten Sie mir, Jhnen « einen Regenschirm anzubieten.« ,’ »Jhre Augen leuchteten hell aus. »Oh, ich kann Jhre Güte nicht in An- . spruch nehmen,« sagte sie. »Was wol- i ken Sie denn anfangen?« i »Ich mache mir nichts daraus, naß’ zu werden«, entgegnete ich heldenmii-T thig; »bitte, nehmen Sie ihn nur. Sie ? können ihn ja wieder hierher zurück-s schicken.« iWiedehops konnte höchstenss eben erst mit seiner Suppe fertig sein.) : »Das iann ich wirklich nicht anneh I men," erwiderte sie, »Sie würdin ja bis aus die Haut durchnäßt werden.«s Ein plötzlicher Gedanke schoß durch; tnein Hirn: durfte ich Wiedei)ovf’g Re- s genschirm auch so ohne Weitere-Z aus-s den Augen lassen? »Vielleicht«« tvagteT ich einzuwenden, »haben wir einens und denselben Weg. Es ist ein großer! Negenschirm.« Jch öffnete ihn. Es war kein großer Regenschirm, aber wie konnte ich das wissen. ; »Ich gehe nach dieser Richtung.« sagte sie, indem sie mit der Hand uarh Westen zeigte. »Dann haben wir denselben Weg!« rief ich aus. »Kommen Sie, das hat die göttliche Vorsehung gefügt. -- -- lind somit gingen wir von dannen. ,,Darf ich Ihnen meinen Arm anbieten?« sagte ich, »wir würden dann beide bes ser geschützt sein.« »Oh danke, das ist eine gute Jdee2« Und sie schmiegte sich ganz nahe an mich. Wir gingen piaudernd weiter. Auf meine linke Schulter tröpfelte es unablässig herab, aber ich war merk würdig gleichgiilkig dagegen. »Werden Sie wirklich nicht naß?« fragte ich. »Nicht im geringsten,« antwortete sie. »Aber ich fürchte, daß Sie zu kurz kommen. Sie sind so gut, wie dankbar wird Mama Jhnen sein.'« Mir gefiel diese einfache Freund lichkeit. « »s-«·m »Lscllll uns lege cui Ocuuuurr us gegnete?« wars sie plötzlich mit erwa chender Schiichternheit hin. »So wiirde er die Lage sofort ver stehen," sagte ich. »Ich dachte wirklich nicht, daß es heute regnen würde. Sie sind vorsich tiger, Herr Wiedehovs.« Ganz verwundert sah ich sie an und ·sragte: »Sie wissen, wie ich heiße?« »Ihr Name steht ja groß und breit aus dem Schirm,'« sagte sie, «da muß ich ihn doch wohl lesen.« Und wirklich, da stand in deutlichen Buchstaben: Christian Wiedehovs, Friedrichstrasze 4, W. Dies beuan higte mich ein wenig, denn ich selbst wohne ja in der Jalobstraszr. »Sie möchten augenscheinlich nicht, daß Je Fiand Ihren Schirm stiehlt?« lachte re. Jch lachte ebenfalls. Die Sache hatte einen Beigeschmack von feiner Ironie. Wie weit Wiedehops wohl mit seinemffriihstiick sein mochte! Der Re en machte noch leine Anstalten, au zuhören. »Nein, nein,« sagte i"· ,,Eine sonderbare Art, Bekanntscha t zu machen, nicht wahr?« sragte sie mit einem lotetten Au enausschlag. »Kiistlich. Aber ie haben mir noch nicht erlaubt. mit Jhnen Bekannt schaft zu machen. Führen Sie Jhren Namen nicht auch bei sich?'« »Ich heiße Lndia Liebetraut," erwi derte sie. »Mitgen Sie den Namen leiden? Er ist entschieden hübscher als der Jhre.« »Daö ist er wirtlich,« sagte ich, ins eheim wünschend, daß Wiedehopf zu Fällig ein Herzog wäre. «Christian Wiedehopf ist sein hüb W fcher Name," bemerkte sie ehrlich. ,,Fin den Sie es etwa t« »Sie würden also meinen Namen nicht annehmen mögen?« fragte ich — nur um die Unterhaltung aufrecht zu erhalten. »Es genügt, daß ich Jshren Schirm auf einen Tag annehme," erwiderte sie » erröthend. Während sie so sprach, glitt : sie aus und wäre fast aus dem schlüpf rigen Pflaster gefallen. Sie stieß einen kleinen Schrei ans-, »Oh, mein Knä chel!« und lehnte sich schwer auf mich. Ich hielt sie aufrecht. »Ich glaube, ich habe ihn bös ver renkt,« fügte sie hinzu. »Oh, was ich Jhnen aber fiir Mühe machet« Sie sah reizend aus — ich gebe Ih nen mein Wort —wirtlich ganz rei zend —- in ihrem Schmerz und Ver druß. Jch glaube nicht, daß ich ihr dies gerade-aus sagte; aber jedenfalls sagte ich etwas, worüber sie errötl)ete, indem sie antwortete: »Das ist wirk lich zu nett von Jshnenz aber wie kom me ich nur nach Hause?« Jch sah mich.nach allen Seiten um und siehe da —- in der Ferne kam eine Droschle herangerasselt. Ich rief sie lautan und sie tam vorgefahren. »Ich möchte mit Jhnen lommen,« saateich· Sie ichiiitelte den Kopf. »Ich werde nun schen allein fertig.« —- ,,Aber Sie werden nicht allein imstande sein, auszusteigenA »Vi) Ia. Ader —vieueichi —- uer Regen hat ja faft aufgehört-darf ich sden Schirm noch behalten? Vor un-» ferer Thiir sind einige Stufen herauf zusteigen, und« — Nun, was blieb mir anders übrig, als ihr den Schirm aufzunöthigens Sie nahm ihn, und mit einem le ten, bezaubernden Lächeln entschwan sie meinen Blicken. Jch lehrte um und rannte mehr als ich ging, nach dem »Cafe de Luxe« zurück, in der festen Absicht, mit Wiedehopf frisch von der Leber weg zu reden. Als ich ungefähr noch fünfzig Meter entfernt war, fah ich ihn unter der Säulenhalle. Der Geschäftsführer und vier Kellner standen rathlos um ihn herum. Da er sehr laut sprach, erreichten einige abgerissene Worte mein Ohr. Jch be sann mich eines anderen. Ich wollte lieber warten, bis er wieder ruhiger war. Jch wandte mich ab, aber im selben Augenblick fiel fein Auge auf mich, und einen Moment später ergoß sich der ganze Schwarm der Verwün schungen über mein schuldiges Haupt. Jch unterbrach ihn nicht. Er jedoch faßte mi am Arm und gina mit mir davon. ch lonnte ihm nicht entrin nen, und auf dem aanzen Wege don nerte er auf den » ieb« los. »Und wenn es mich 500 Mart kosten sollte, will ich ihn der Gerech tigkeit überliefern!« ertlärte er. «—— Wirklich, ich ionnte es ihm nicht of fenbaren, er war noch zu aufgeregt. Plötzlich, an einer Straßenecte » ich wollte meinen Augen nicht trauert —-— rannte Lydia Liebetraut uns fast in die Arme und hielt Wiedehopfs Regenschirm fest an sich gepreßt. Der hatte unterwegs jeden Regenfchixm einer aufmerksamen Prüfung unter worfen, auch :iuf diefen warf er einen forschenden Blick und rief, indem er auf ihn losftiirmte: »Mein Regen schirm!« Mit einem leis-In Aufschrei drehte Lydia sich um und floh von hknnen. Wiederon schoß tvie ein Pfeil hinter ihr her. Jch folgte ihm. Warum, o, warum lief sie davon? Sie mußte mich doch eigentlich er tannt haben? Die wilde Jagd ging durch eine sehr ruhige Straße, sodaß der sonderbare Aufzug nur wenig Aufmerksamkeit erregte· Die Verfolgung war bald zu Ende. ch holte Wiedehopf gerade ein, als er «ndia erreichte· Einen Augen »bliet standen wir alle schwer athmend ’da; dann teuchte Wiedehopf wieder: »Mein Regenschirmi Diebin!« Lhdia schien sehr erregt zu sein Natürlich lam ich ihr zu Hilfe. Jn dem ich Wiedehopfe Augen vermied erzählte ich schnell meine schimpfliche Geschichte Lhoias Gesicht hellte sich auf, aber in ihrem Blick lag noch Bes osrgnifi. »Glauben Sie doch nur,« sagte ich, »daß diese Dame für die Sache nicht verantwortlich zu machen ist. Sie dachte natiirlich, daß der Schirm mein Eigenthum wäre. Mein einziger Trost, Herr Wiedehopf, ist. das; ich überzeugt bin, Sie iviirdeir an meiner Stelle genau ebenso gehau relt haben.« »Ich sehe nicht ein,« bemerkte Wie debopfgroh .,nsieso es Sie trösten kann, mich fiir einen Tieb zu halten-« Jch übergng die unhöfliche Bemer tung niit «tiilicbn:eigen· « edoch,« sulyr er fort, »wenn diese junge Dame sich meines Eigenthum-. eniigetid bedient hat, ist sie vielleicht o litte» es iisir zurückzuerstatten« Die e Aufforderung prallte an Lydia ab; sie umtlainrnert den Schirm. »Wenn —- ivenn Sie so gut fein möch ten," staminelte fie, ,,ihn mir heute noch zu leihen »e- sieht so nach Re gen aus —Sie bekommen ihn mor gen zurück.« . »Jhre Bitte, mein Fräulein, ist sehr befcheiden,« antwortete Wiedehopf iartaltisch7 »aber da ja, wie Sie selbst sagen, das Wetter unbeftändig ilt, so mochte ich meinen Schirm wieder ha ben. Bitte, geben Sie ihn mir.« »Aber wirklich, Herr Wiedehopf, um einerDanie einen Gefallen zu thun ——« begann ich. ----— »Warum laufen Sie ihr denn leinen Schirni?« hohn lachte Wiedehopf. »Wenn sie einen annehmen wollte, sxowurde ich·——". Jch hielt inne, eiin zuwendet Ueberraschung legte Lydia plbflich ihre Hand auf meinen zArin und agte: »O bitte, thun Sie es —M W doch! Und darf ich diesen behalien, bis · wir nach dem Laden lommen?« i Jch begriff sie wirklich nicht: aber wir kehrten um und sahen uns nach; einem Laden um« Das Mädchen be nahm sich doch zu sonderbar. Sie blieb mehrmals zurück, und ich ußte cns sie warten; einmal machte sie so gar einen Anlauf, als ob sie uns im Stiche lassen wollte, und als ich sit zurückrieL schmollte sie. Plötzlich sah Wiedehops aus. »Es regnet,« sagte er. Das war wirklich der Fall. »Span nen Sie den Schirm auf,« sagte Wie dehopf kurz. . . ,,Ueberlassen Sie ihn doch der Da me,« rief ich entrüstet. »Wir wollen uns darin theilen!« grinste Wiedehopf. »Sie könnten sonst; naß werden« " Aber Lydia machte den Schirm nicht ! aus. J »Der Regen ist nicht so schlimm,«'; stotterte sie. Es goß in Strömen. Mit » einer halbunterdriickten Verwünschung entriß Wiedehopf ihr den Schirm« Lydia schrie auf und rannte davon wie ein erschrecktes Kaninchen — rannte in höchster Eile die Straße wieder hin-. auf. »Halt, halt!« rief ich ihr nach. »Warten Sie doch, mein liebes Fräu lein Liebetraut.« J »Allmächtiger Gott!« rief Wiedehopf J aus. Er hatte den Schirm aufgemacht, » dabei hörte man etwas auf das Pfla- - ster aufschlagen —- zwei-, dreimal. Be- ; stürzt blickte ich hinunter. Da lagen ein silberner Zigarrenbehälter, zwei Börfen und eine goldene Uhr. Wiede hopf brach in ein tolles Gelächter aus, als er auf Lhdias sliichtende Gestalt zeigte. Potztausend, konnte das Mäd chen laufen! Einen Augenblick stand ich betäubt. Was fiir eine Enthüllungl Wiedehopf i lachte aus vollem Halse —- ein wahr-; haft satanisches Gelächter. Traurigs bückte ich mich und nahm die Börsen," die Zigarrentasche und die Uhr auf. i ,,Großer——!« rief ich aus, und meine ! Hand tastete nach meiner Westentasche. Es war meine Uhr. , Jch verfolgte Lydia nicht; erstens» konnte ich sie doch nicht einholen, zwei tens auch aus anderen Gründen. Es war fiir mich eine zu traurige, herzzer reißende Enttäuschung. »Ich fühle mich diesem Mädchen sehr verpflichtet,« sagte Wiedehopf — »ja, wirklich, ich bin ihr dankbar; und ich. will Jhnen etwas sagen: Wenn Sie sie entwischen lassen wollen, so will ich Sie auch freilassen. Nun, das ist ehr-, lich, nicht wahr?« Er behauptete thatsächlich, die bei-; den Fälle als gleichartig anzusehen. — Die Menschheit ist wirklich manch mal blind, wenn es sich um persönli ches Gefühl handelt. Aber ganz gewiß nie, nie würde ich so etwas von Lydia Liebetraut gedacht haben! Sie sah so . . · Nun, ich will des Kuckucks sein« wenn ich je wieder einer Dame einen Regenschirm anbiete. — H l i i i Wie er Dita fand. Eine LiebesgeschichteDoM Rhein. Von Agnes Harder· Es war eine hübsche Hochzeit ge wesen, ungemein prächtig sogar — aber der Regierungs Assessor Schliet mann war doch verstimmt, als er nun auf dem Bahnhof in Wiesbaden sei nen Chapeau -— Claque und seinen Handtoffer in dem Netz des Wagen Abtheilg unterbrachte. Es ließ-sich ’ja nichts dagegen sagen, daß sein Freund, der Hauptmann von der,Ar jtillerie in Mainz, sich einen Schwie gervater zugelegt hatte-, der ein «Schlößchen im Rerothal sein eigen nannte. Die Braut hatte ihm sogar recht gut gefallen. Zudem schändet Reichthum nicht, vor allem nicht in der zweiten Generation, die ihn schon ererbt. Er hatte sich auch während sich der Anfang der unendlichen Speifefolge gemächlich aufrollte, sehr gut mit feiner Nachbarin, der Schwe fter der Braut, unterhalten. Aber als ihm der Bräutigam mehreremale so bedeutungsvoll zutrant, wurde er aufmerksam. Und als gar ein spitzi grr Verwandter seinen Toast in einem »vivat sequen5!« ausklingen ließ, war er plötzlich ganz abgetiihlt. Heute aber, bei dem tiaterfrühstück war ihm tlar geworden, daß schleunige Flucht das Rathsanrste sei· Jn den Seufzer, mit dem er sich in seine Ecke drückte mischte sich bei allem Grollen ein gut Theil Erleichterung Da war ihm die amtliche Besprechung in Bingen zur rechten Zeit einge fallen! Und den Zug hatte er glücklich noch erreicht. Frei lich im letzten Moment. Als er die Augen wieder öffnete, sah er mit dem Gefühl des freien Man nes, der seine Freiheit vorläufig noch nicht aufzugeben gedenkt, in den Früh lingssonnenschein Ende März! Ueber dm Rheinthal lagsein grün goldener Schleier, der wunderbar zu dem sagenumwobenen Strom paßte. Hoffnung mit ein tlein wenig Weh-— muth darin. Der Regierungsassessor liebte diese Stimmung. Natürlich war es noch nicht grün. Aber die Knospen an den Bäumen konnten es kaum erwarten, sich zu öffnen, das fah man ihnen an. Durch seinen frühen Aufbruch hatte er ein paar Stunden gewonnen. Die wollte er dem Niederwald schenken. Er war so wie so in diesem Jahre noch nicht oben gewesen. Jhm gegenüber saß ein Herr, dem man den Weinreifenden ansah Da neben ein junges Mädchen mit einem .-——..-.-«·-—-.-«.—-— » . « — frischen und aufmerksamen Gesichtchen. Die Aufmerksamkeit galt der älteren Dame, die den Platz neben ihm ein nahm. Sie hatte wohl die Heilkraft der Wiesbadener Quellen erprobt, denn die Tochter erkundigte sich mehr mals, ob die Mutter bequem sitze und obihr das Bein auch keine Schmerzen mache. Es sei doch ein ganz gewag tes Unternehmen. Nach einer Kur von drei Wochen ein Aufstieg zum Nieder wald! Sie waret aus dem Norden. Die Mutter sprach leichten ostpreufzi schen Dialekt. Sie freute sich an ihrer . Umgebung fast noch mehr alg diet Tochter. Vor zwanzig Jahren war sie am Rhein gewesen. Seitdem nicht wieder. »Wir müssen eine Karte an Papa schreiben, oben vom Denkmal, Dita.« Die Tochter nickte. »Sieh, da sind die Weinberge!« »Und wie fleißig die Leute arbeiten· Und wie lustig sie sind. Das liebe ich am meisten hier ini Rheinland, daß es imnier durch Die Luft klingt wie ein Lachens« Jn der That herrschte in den Wein bergen heitere Gefchäftigteit. Tita, lebhaft zu ihrer Mutter spre ·end, war ausgestanden nnd lehan mit- dem Rücken gegen die Thür, die nach dein benachbarten Abtheil führte. Da machte die Bahn eine Kurvr. Ein Schwanken und ein hörbarer Riß. Tita fiel fast auf ihre Mutter und als sie sich-- aufrichtete, zeigte der Rock ihres Reisekleides ein mächtiges Loch in Dreickesorm. Der Thürgriff war in die Tasche gehaki. »Nun, jetzt wird gleich eine Oktave tiefer gegriffen werden,« dachte der Assessor. »Das verträgt keine.« Und er schielte vorsichtig seitwärts. Brrr! War das ein Loch. Aber-er traute seinen Ohren nicht! Ein Lachen, dfo klar und sonnig wie ein Lerchentril ler. »Aber Dita! Sei doch nicht so leichtsinnigl Das neue Kleid! Du Ist Dich doch so darüber gefreut! « as Stundengeld eines ganzen Mo nats ist hin.« »Ja, Mutterchen! Aber Du weißt doch, wie wunderschön ich stopfen kann. Und in dem graugriinen Loden sieht man nichts. Es ist ja sehr trau rig. Aber-— aber wir werden uns da durch doch nicht unsere Aue-fahrt ver derben lassen?« Die Mutter sichen große Lust dazu zu hab-en. Aber Dita ließ es nicht zu. Auf dem Bahnhos wollte sie sich eixt paarNadeln geben lassen. Es würde schon gehen. »Da, sieh, da ist das Denkmal!« Jhre Augen leuchteten, und ihre Hand griff nach der rothen Rase, die sie vorgesteckt trug. Schlieimann kroch förmlich in seine Ecke. Er Verlor kein Wort. Das war ja ein Prachtexem plat. Ein Loch im Kleid, in einem selbstbezahlten Kleid, und dieseLaune. Da hielt der Zug in Rüdegheim Dita sprang heraus und half der Mutter. Beide verschwanden im Wartesaal. — Als sie eine Stunde später die Plattsorm betraten, aus der die Ger mania so stolz, nnd doch zur Wehr be tereit ihre Krone trägt, erhob sich von einer der Bänte ein Herr und trat ihnen entgegen. »Erlauben Sie, daß ich mich vor stelle. Regierungsassessor Schliet Inann aus Coblenz.« Mutter und Tochter sahen ihn ver leaen an. Beid waren so mit sich selbst beschäftigt gewesen, daß sie den Reisegefährten nicht einmal erkannten. Schliekmann ab innerlich im Anden ten an seine « ischdame von gestern so etwas wie eine ausaleichende Gerech tigkeit zu. , »Ich hatte den Vorzug, vorhin Ih ren Heldenmuth zu bewundern, gnä digcs Fräulein. Wie ich sehe, ist der Schaden gut gemacht.« Nun lachte sie wieder. l»Nur äußerlich, mit einigen Na de n.« sfeits ihren Namen. Mann ist Oberst «.D. Es wikd mi: »Da Sie aber so wunderschön stopfen —« Sie wurde roth und sah ihn an. US lag deutliche Zurückweisung in ihrem Blick. »Darf ich mich den Damen an schließen?« fragte er die Mutter Sie nickte und nannte nun ihrer ,,«’5rau Stecker aus Tilsit. Mein immer schwer, mich mit seinem Titel zu schmücken. Und doch mufi ich Sie orientiren, damit Jhnen D—ita’s Liegeisterune erklärlich wirr.« Dita war ium Denkmal getreten »und faltete die Hände wie zum Gebet. Dann nahm sie tie Rose und wars sie aiif die Graniwlatten vor dem Relief mit den Bildern des Kaisers undsci ner Helden. Ein welcher Kranz lag« da. den Verehrung dem 22. März ge widmet hatte. »Mein Vater tvar bei Sedan da bei,« sagte sie zu Schlietmann. Als die Wogen der Begeisterung sich ein wenig geglättet hatten, schlug er einen Gang nach der nahen Rossel vor· Es zöge hier aus der Hhhe, trotz des goldigen Lichtes. Die gnädige Frau dürfe sich auch nicht zu viel zu mut n. » ie sind ein aufmerksamer Zuhö-; rer ewesen,« sagte Frau Stecker. l » auneast, gnädige Frau.« —— ; Natürlich war der Rosselthurm roch geschlossen, aber die Bank davor vom Winde geschützt Rechts winkte das märchenliebliche Rheinstein. Ge genübek lag das Nahethal offen. Man sah tief hinein, das Flüßchen hinauf. Dunstige Berge schlo en das Bild. Dita war ernst geworden( »Siehft Du die Eisenbahnbrücke, Mutterchens Hier bin ich zum ersten Mal gefahren, als ich nach Frankreich ging. War mir da das Herz schweri Ein-: erste Stelle, und gleich in Paris-! Als die Dampffähre mich von Räder beim nach Bingen brachte, sah ich im n.er zur Germania. Jch dachte, sie müsse mich beschützen. Sie hat es auch gethan.« Da war das Lachen schon wieder. Frau Stecker sah nach der Eisenbahn briicle hinüber, die sich so leicht über den Fluß spannte. Sie hatte Thrä nen in den«-Augen. »Ich war nämlich fünf Jahre Er zieherin drüben, erst in Paris, dann in Hame. Jetzt gebe ich in Tilsit französische Stunden.« »Daher auch das schöne Reisekleid. Oder bekomme ich nun wieder einen abtoeisenden Blick?« »Es lohnt wohl nicht. Zudem ist es unsere Schuld, wenn Sie imstande sind, eine Biographie von Mama und mir zu fchreiben.« Als man vom Niederwald herun terstieg, war man schon ganz bekannt geworden. Frau Stecker pries die harmlose Art der Rheinländer. Jn Ostpreußen wäre ein solches «Llnschlie ßen unmöglich. »Us oauerr vei uns tanger, aoer es hält auch fester,« sagte Dita. . Schlieimann wollte etwas erwidern schwieg dann aber. Er dachte an das Frühstück von heute Mittag. Er mußte sich ovdentlich darauf besinnen. Die Wehmuth war ihm abhanden ge kommen, die sonst für ihn von diesem grüngoldenen Frühlingssehleier un zertrennbar war. Es zitterte wirklich Boie ein Lachen über das Rheinthal in Sie saßen in einer Weinstube dicht am Rhein und warteten auf die Dampsfähre. Die nächste mußte er benutzen, sonst versäumte er seine Be sprechung. Auch der Zug der Damen ging in einer Viertelstunde. Sie stießen zum letzten Male an und sag ten auf Wiedersehen. »Wenn ich heute Abend mein Kle.d stopfe, werde ich an Sie denken.« Dann kam die Dampfsähre. Lang sam stieß sie ab. Assessor Schliet mann, der noch einmal den Hut vg. fand plötzlich die leichte Wehmuth wieder, die für ihn einmal. von der Frühjahrsstimmung untrennbar war. Wenn er die Geschichte bis hierher erzählt hatte, pflegte er eine lange Kunstpause zu machen. »Und nun denken Sie natürlich, am nächsten Tage sei ich nach Wiesbaden gefahren, und eine Woche später hät ten wir Karten versandt? Fehlge schossenl Wir Männer müssen auf unser Glück mit der Nase gestoßen werden« Eile haben wir nur, wenn es gilt, so eine ganz besondere Dumm heit zu machen. Der Schicksalswint mit dem Loch im Kleid war doch deut lich genug. Aber ich hatte nun einmal seit der bochzeit eine Abneigung ge gen Wiesbaden. Und als ich dann zu den Festspielen drüben war und im Hotel nachsragte, waren die Damen natürlich lange fort. Manchmal im Traum hörte ich noch das silberne Lachen. Aber ich bildete mir nun allen Ernstes ein, ich hätte den An schluß verpaßt. Nur wenn ich die Dampssähre nach Rüdesheim benutzte, dachte ich an das tapfere Soldaten kind, das gerade wie sein Vater mu thig in Feindesland gegangen war. »Da bekam ich eines Tages meine Versetzung nach Tilsit Wer das Schicksal nicht versteht, wenn es durch die Blume spricht, dem winkt es mit dem ZaunpfahL Dieses Mal ver stand ich aber, und nach vier Wochen waren wir verlobt. Dita hatte übri gens bestimmt gedacht, ich hätte mich ihretwegen versetzen lassen. Es gab eine kleine Enttäuschung Die Frauen trauen uns eben immer zu viel zu, auch die klugen. Und eigentlich müß ten wir Männer uns schämen. Das hat mir Dita später klar gemacht.« W Weibliche Landwirthe in England Oft genug haben die Frauen gegen die Bezeichnung ,,schwächeres Ge schlecht« protestirt, meistens mit Ber n:1nftgriinden. Jn der jüngsten Zeit nun haben sechs junge Engländerin nen durch die That bewiesen, dasj wenigftens auf sie angewendet, jenes viel geschmähte Wort keine Berechti gung besitzt. Sie haken ein die All gemeinheit interessirendeg Experiment mit vollem Erfolg durchgeführt, näm lich den Beweis zu liefern, daß Mäd chen wohl im Stande sind, Berufe auszuführen, die bisher ausnahmslo) von Männern erwählt wurden: ein Adergut selbstständig zu bewirthschaf ten. Durch den Tod ihres Vaters, eines kleinen Gutsbesitzers-, plötzlich vor die Nothwendigleit gestellt, sich durch ihrer Hände Arbeit zu ernähren, beschlossen die sechs Schwestern, lieber tsie ihnen nicht fremden landwirth: schriftlichen Arbeiten ans ihrem Gute selbst auszuführen, als sich in irgend einem der üblichen weiblichen ihnen bisher noch ungewohnten Berufe zn bethätigen. Und der Erfolg gabihnen Recht. Seit mehreren Jahren bewirth schaften »die sechs jungen Mädchen ihr Gut im Ahlesbury-Thale in Mittel England in bester Weise, sodaß es in teiner Hinsicht hinter ähnlichen, von Männern geleiteten Unternehmungen zurückstehh den resoluten Mädchen ist ins Gegentheil mehrfach öffentliche Anerkennung ihr-er Tüchtigkeit in Ge: ftalt von Augftellungsdreifen fiir ihre landwirthschsaftlicljn Erzeugnisse zu theil geworden. Jede der feelg Schwestern hat ihr eigenes Gebiet. Die älteste, die zugleich die Leiterin des ganzen Unternehmens ist, besorgt die kaufmännischen Geschäfte, die An und Vertäufe von Getreide, Saaten u. s w» und die übrigen landwirth schaftlichcn Arbeiten, wie Psliigein Söen, Mähen, sowie die Arbeiten der Milch- und Geflügelmirthschast sind. den einzelnen Mädchen nach ihren be sonderen Neigungen zugewiesen Vom frühen Morgen-um fünf Uhr be- s. « ginnt die Arbeit-bis zum Mittag arbeiten sie ans dem Felde, nehmen dann die von ihrer Mutter zubereitete Mittagsmahlzeit ein, und nach kurzer Rast geht’s wieder in’s Feld bis zum Abend. Die harte körperliche Arbeit hat durchaus nicbt den feineren Sinn fiir eine angenehme Häuslichkeit zer stört; nach dem Abendessen wird mu sizirt, da fast jede der Schwestern ein anderes Instrument, Klavier, Zither, Geige, Mandoline u. f. w» spielt. Fijr jedes Mädchens dürfte sich jedoch die recht erhebliche kröperliche Anforde rungen stellende landwirthscbaftliche Thiitigkeit nicht eignen, der Beweis, daß es Frauen indessen möglich ist, sich auf diesem Gebiete erfolgreich zu beihätigen, ist erbracht Die Tochter des Zahnarztes. »Um Gottesivillem Adolf, mein Vater komnit eben die Treppe herauf, jetzt mußt...Du entweder um meine Hand anhalten oder Dir einen Zahn ziehen lassen!« Beventlich. »Der alte Professor und Meteoros lage Simfel wird doch recht schwach — fiir den ganzen nächsten Monat hat er Vollmond prophezeit!« Unter Kindern. »Sei nur nicht so hochmüthig: ZU Euch kommt deererichtsvollzieher alle Wochen!« »Zu Euch kommt er freilich nicht: da ist ja doch nichts zu holen!« Mißverständniß. Abstinenzfanatiker (aufs'Jeh-end): »Erkl·ciren Sie sichs auch bereit, an un serem Vesrnichtungsiampf gegen den Altohol theilzunehmen?« Bier-Bürgers »Aber gern: Viertei sen waren von jeher meine Passion!« Zu wörtlich genommen. »Ich sagte Jlinen ja, das Essen würde ganz zwangslos sein, Sie sollten Ihren Fract nicht anziehen; und nun kommen Sie doch im Frack!« »Das ist ja gar nicht meiner — den hats ich mir gepumpt!« Zartes Gewissen. Richter lzur Zeugin): »Sind Sie schon bestraft?« Zeugin (verschämi).« »Ja, einmal, wegen Postvergehens.« Richter: »Mit Gefängniß oder mit Geldstrafe?« Zeugin: »Mit 20 Pfennig Straf porto.« Die große Portion. Herr (zutn Kellner): »Wo ist denn das Beessteak's« Fiellnerx »Esscn Sie nur erst die Brattartoffeln weg, dann werden Sie es schon finden.« Falsch verstanden. »Auguste, Sie haben, während ich oerreist war, meine Kleider getra gen?« - »Na, gnädige Frau haben mir doch befohlen, Ihre Sachsen öfter an die Luft zu bringen« Von Anuo dazumal. Hauptmann: »Sollte mer nit sum Vlgriff übergehe? Der Feind isch General: ,,Wart no ä bißle, viel leicht traut er sich au nit!« — Ordnungs-von A.: ,,Sagen Sie mir ’mal aufrichs tia, was halten Sie von meinem mu sikalischen Talent?« B.: »Wenn Sie mir nichts übel nehmen...« i A.: »Durchang nicht; aber reden wir meinetwegen von ’was Anderem!« Seine Auffassung. Vizinalbahnschasfner (der eine Uns-« tergrundbahn sieht): .,Tös is schlau .da sehn’s d’ Leut’ wenigstens net, wie langsam s’ fahren« Glücklicher Zufall. »Ihr Städtchen, Herr Bürgermei ster, ist dieses Mal besonders schön geschmückt. Sagen Sie den Bürgern meinen huldvollsten Danl!« «Durchlaucl)t haben ’s halt dies mal auch besonders glücklich getrof fen! Morgen feiert unser Gesang retein sein 2:-jiiliriqu aniläum mit Fahnentoeihe!« Bett-nich sQ« Schlächtermeister: ,,Fünfundsiebzig Pfennig werde ich Jhnen für das Pa pier zahlen!« Dichter: »Gebe» Sie eine Mark! IEI ist nämlich ein Schauspiel, da ha ben Sie gleich das AuffülJrungsrechi.«