Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 13, 1906, Sweiter Theil., Image 9

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    Yebraska
Staats-Anzeng Und Yerold
- Jahrgaugzg « Gga um«-l UDM U »Hm( WEI- tThn -
W
Sommer.
Von Elisabeth Kolbr.
Segnenv geht der Sommer durch du«
Land.
Goldig schimmern Locken und Ge
wand.
Freude folgt ihm, goldnes Sonnen
lächeln
Und der weichen Sowmetwinde
Fächeln.
Mit ihm zieht der Blumen buntes
er,
Und der Himmel blaut, sein klare-J
Mect.
Wohlthun das Entzücken feiner
Hände —
Strahlend zeigt’s das blühende Ge
lände.
Wo der Sommer wallt in sel’gem
Lauf,
Schlägt das-.- Gliick die holden Augen
auf
Ver lange Tag.
Gefchichten zum 21. Juni von
Richard Stuben.
Elli war glücklich: endlich hatte ihr
apa gestattet, ihrer Schwärmerei
iir die Landwirthschafft die Zügel
chie n zu lassen; re durfte die
nlich en Wochen auf Onkel Karls
Gute zubringen.
Und namentlich auf den Tag der
Sommersonnwende, den längstenTag
des Jahres, hatte sie sich gefreut: tau
frischer Sonnenaufgang Lerchean
bel, lühender Sonnenball, —- und . .,
Poe re und Stimmung, Stimmung
Poesie! Sie hatte es sich fest vorge
nommen, bei Tagesgrauen wach zu
fein; aber was sind Vorsittze....
,,Hiibhh, ihr Nacken ihr vertrat
ten«, durch das Schimpfen eines
Unechtes-, der zwei Kühe aus dein
Stalle zerrte, wurde Elli geweckt.
Erschrocken sprang sie aus den Fe
dern: den Sonnenaufgang hatte fie
glücklich schon Verpaszt
Aber der Tag war ja noch sehr
lang. da lonnte noch fehr viel Inte
ressantes passiren. Sie machteFriil)
stückstoilette. Yie Frühstückstafel
war auch gedeitt, aber teine Menschen
seele hatte daran Platz genommen
»Der Herr ist zum Pferdemarkt ves-—
fahren«, erllärte eine Magd, » ie
srau halt Einmachgliise aus der
Stadt und die jungen F rren beauf
sichtigen draußen das Behagen der
Kartoffeln Vor Abend wird wohl
keines zurück fein.«
Fräulein Elli wurde von der
Langeweile gepackt: allein Früh
studen, allein Mittagessen, allein
Laffee trinlen. Sie unternahm ei
nen Spaziergang durch den Hof und
Garten, — die Hunde lagen faul in
ihren Hütten, die Rübe schliefen; die
Fliegen rührten sich nicht« sie schliefen
ebenfalls-» Schließlich wurde auch
Lilli von detSchlaffucht befallen. Sie
ging auf ihr Zimmer, legte sich aufs
Sopha und schnarchte bie- das
Schreien und Toben auf dem Hofe
ihr anzeigte, daß die landivirthschaft
lichen tiolonnen auf der Rijcktehr de
griffen waren.
Endlich also würde ein gemijthlich
lustiges Abendesfen zu Stande koni
nten. Aber taum war der letzte Bis-«
sen hinuntergefchluckt, da biefr eg:
»Na gute Nacht allerseits. Wünsche
wohl zu schlafen. Ach, man wird
aber auch zu müde...« und im Nu
war die Tafel aufgehoben
E i hatte sich die «eier des Tages
der onnenwende au dem Lande «·o
sehr viel anders dargestellt —.
Der Buchhalter Teopbil Stauffer
befand sich in der denkbar niiseradel
ften Laune: schon daß ihn im Juni
diese heilose Eriältung und dieser
noch heillosere Luftröhrenkatarrh de
fallen mußten, deutete er als eine
Art Pronunciamento des Schicksale
gegen seine Person. Wenn man in
Herbst oder Frühjahr einen Schnu
pfen bekommt, —- na, so war das
eben etwas Naturgemäfzes und Fokge
richtiges. Aber im Juni, mitten im
höchsten Sommer ..... das war eine
offenbare Gemeinheit.
Und wirtlich, er tonnte bald nicht
mehr aus den Augen sehen vor Hu
sten, Schnur-fern Spucken, Riesen und
mußte sich in"o Bett legen. Das wa
ren Tage —- —, Teovhil dachte mit
Schaudern an sie zurück. Und als
der Widerstand des Schnupfens end
lich ebrochen war und Teovhil im
Lauf chritt der Genesung entgegen
eilte, kamen die Verhaltungsmaßres
geln des Arztes-: vorläufig keine Ci
garre rauchen, den Besuch machier
Kneipen ausgeben, viel in stand-freier
Luft spazieren gehen, tein Alt-phot
ge«nuß... kein Wein, kein Kognat,
kein andeies Schniivsleim welch' Na
imens immer —-—.
»Wer auch nicht«-» fragte Teophil
von einer diisteren til-nun erfüllt
··,,Nein,· auch au die en Genuß
musfen Sie vorläufig serzichten«, er
tlrirte der Arzt, »bei Tage wenigstens
durfen Sie keinen Tropfen trinken,
—- Abends, ein oder Zwei Gläschen,
ga, die würden schließl eh nichts scha
en.«
Fee-phil« Stimmung- wurde immer
truber. Wenn der Kataer im Za
nuar oder Februar gekommen ware,
wo die Tage noch so kurz waren, —
aber Ieht"...
Und nun war heut noch zum
Ileverfluj der längste, der allerlängste
Tag! Da konnte es wirklich, und
wahrhaftig neun Uhr werden, ehe in
den Lotalen der Gashahn aufgedreht
wurde. Schon dreimal hatte er den
Platz umkreist, an welchem der
»Schwarze Löwe« gelegen war, aber
es blieb taghell, es war gerade, als
ob wir im Lande der Mitternachtsi
sonne lebten! Da erschien ihm der
rettende Engel in Gestalt des Ober
tellner.
»Ah, ganz ergebenster, Hans-tauf
fer«, lächelte dieser und schleuderte
init einem energischen Ruck die Ser
viette unter den Arm, ,,bitte, nur hin
einspazierd Jrn Hintersiiiberl hab’
ich beteif ,,Adend« gemacht, —- bitt-«
schön, ganz nach ärztlicher Vorschrift
Die Vorhang sind heruntergelasse
und’g Gas brennt auch schon, —- ’s
ist also ein düstern Abend da her
innen, wie ihn selbst ein Sanitätss
rath nicht düsterer verlangen kann-"
Teophil freute sich über diese List
des Obertellners und schlüpfte mit
Behagen in das mollige HinterstübeL
Das erste Gläschen, —- das zweite,
o, das Bier mundete ihm heut
vortrefflich und sein Katarrh schien
wie weggeblasen zu sein...
Und als der Buchhalter Teophil
Stauffer zum Nachhausegehen ge
riistet in den Flur trat, harrte feiner
eine verblüffende Ueberraschung: es
war noch hell draußen!
»O mei«, stammelte Teophil
»ninunt denn der längste Tag gar
tein End nit?«
,,Sein’«5 ohne Sorg, Herr Tea
phil«, belehrte ihn der Ober, »’«5 ist
bereits halb vier, des is schon ’g
Frühlicht vom nächsten Morgen«
»Himmelsatra, sein das Zuständ«,
lamentirte Teophil, ,,taum daß man
sich in’s·:« Wirthshaug setzt und ein’
Schnitt trinkt, ist’H auch schon wieder
heller lichter Tag!«
st· VI si
Ftnapv vierzehn Tage noch, dann
ging es in die großen Ferien. ,,’s ist
auch die höchste Zeit, dasz man ans
diesem Pensionslasten mal wieder
heraus lommt«, knurrte der Primcr
ner Fritz und stopfte das dictleibige
Buch mit all seinen Rubik- und
Quadratwurzelns und Konstruktionen
in den Winkel. Dann setzte er sich in
eine Ecke des Baltons und blinzelte
in die letzten Strahlen der« unterge
henden Sonne. Die Wollen am
Horizont erglühten in Purpurlicht,
das seinen Schein bis zum halben
Himinelsdom empor warf. Fritz sah
dem Naturschauspiel regungslos zu,
er träumte mit offenen Augen in
das Lichtmeer hinein. das der längste
Tag des Jahres vor ihm ausbreitete
Hm, neugierig, wie es zu Hause
aussehen würdet Gesund war alles,
-— Vom Gegentheil hätte man ihn ja
sofort benachrichtigt. Und sonst wür
den die eminenten Interessen der
Itleinstadt wohl dieselben geblieben
sein. sDer Kaufmann Weber würde«
nach wie vor das beste Geschäft ma
chen, der Bürger Koch würde seinen
Process eine Instanz weiter getrieben
haben, das Amtblatt würde noch ims
nier dreimal wöchentlich erscheinen.
Also vor Paris nichts neues. Blieb
noch die Sache mit Malchen Reineckr.
Zuerst hatte er Ein die gar nicht den
— -.. —-..t-L:-h:«. n
lcll IUUUIII, Ell-St sitwr.xruusvrtzh sk
fiillte all« seine Betrachtungen aus.
Natürlich gönnte man ihmMalchen
nicht. Sogar sein Vater hatte er
tlärt, sie sei zu alt siir ihn, und so
lange bis er mal in Amt nnd Würden
gelangt sei, werde sie sicher nicht war
ten. Das waren aber alles abge
branchte Redensarten, das wußte er,
Fritz, bedenklich besser. Hatte ihm
doch Malche zu Ostern erst versichert,
daß kein anlderer als er..., na also,
was bedurfte es da noch eines Bewei
ses! Ader-, wenn er ankommen würde.
ollte es eine Ueberraschung sein.
ichts wollte er vorher hinschreiben.
ar nichts. Da gab’"s doch den satno
fen Nachtzugt Richtig, den würde er
benützen Da traf er um 7 Uhr friih
ein, trank gemiithlich aus dem men
schenöden Bahnhos Rassen sriihstiicten
tonnte er auch noch, und da würde es
wohl gegen neun geworden sein. Et
was zeitig noch zum Besuche machen.
»s- aber du lieder Himmel, wie er mit
Malchen und ihren Eltern stand, auf
du und du beinahe. Mit der lfrsteren
wenigstens ganz bestimmt, wie's mit
den Letzteren war, wußte er im Au
genblick nicht mehr genan. lind wenn
er gemächtlich in das Städtchen ge
schleudert war, bog er am Töpferback
ab, da tam er zur Hinterpsorte von
Malchens Wohnunci, mit Hurrah die«
Treppen hinaus, ftiirmisch angetlopit,»
die Stubenthiir ausgerissen und . ..
»Hutrjeh«, treischie da MeStimine
und das Dienstmädchen des Pensio
nats trat aus den Ballon »Aber
herr Fritz, wie Sie mich erschreckt ha
ben. Sie sitzen noch hier und träu
men und haben das Läuten zum
Abendessen ganz überhört. Und ein
Brief ist auch fiir Sie gekommen.
Na, wo had’ ich ihn denn gleich hin
gesteckt, —- ach hier«, sii zog Couvert
aus der Tasche und roch daran, ,,hm,
ein Parfiim, ’g reene -Opedeldoc«.
Fritz griff mechanisch nach dem
Briefe, saltete den nur zusammenge
legien Umschlag auseinander und las
auf einer goldgeriinderten Karte:
Amalie Vogt —- Karl Pause, Fa
brilbesitzer, —- Verlobte.
Mit unheimlicher Ruhe legte er die
Karte auf die Tischplatte· Noch im
mer glühte am Horizont das Purpur
roth, dessen letzteStreifen immer wie
der auf die Karte tanzten und das
»Amalie« und ,,Karl« in hunderten
von Lichtreslexen aufleuchten ließen.
dfritz starrte unverwandt aus diesel
n: der längste Tag hatte ihm feine
schdnste und längste Illusion zerstört
Ueberlistet.
—·
Von M. Wa lter.
»Mußt du wirklich heute Abend
reisen, Willh?« —- sra,ste die junge
Frau des Leiters der Filiale einer
hauptstiidtischen Bank ihren Gatten,
als dieser ihr mittheilte, er sei tele
graphisch beordsert worden, sich atn
folgenden Vormittag bei dem ersten
Direktor der Bank wegen einer wich
tigen Angelegenheit einzufinden.
»Natürlich muß ich noch heute
Abend fort, Liebchen«, erklärte Herrs
Bertrarn. »Das miserable Nest hier
hat so schlechte Eisenbahnoerbindung,
daß ich nicht vor zwölf Uhr Mittags
in Berlin wäre, wenn ich erst morgen
früh fahren wollte. lleberdies —
das Telegramm lautet dringlich« l
Dora lies; den Kopf hängen. »Jchl
bleibe so ungern allein, Willy,« seufz
te fie. »Das Mädchen liegt trank zus
Bett; Dein Buchhalter hat Urlaub’
nnd so habe ich teine Menschenseele
in meiner Nähe. Wer wird denn
morgen Deine Stelle vertreten?« ——
»Ach, ca giebt momentan nickt viel zu
thun«, entgegnete Beriram. »Das
kannst Du zur Noth besorgen und
wenn ich rechtzeitig wieder fortkom
me, bin ich sicher vor acht Uhr mor
gen Abend zuriick.« 4
Die junge Frau schien noch nicht
beruhigt zu sein. »Während des Ta-l
ges siirchte ich mich ja nicht«, sagte:
sie, »aber die ganze Nacht allein zul
bleiben! Und noch dazu mit der
Summe, die heute bei Dir eingezahlt
worden ist! Wie leicht können da
Diele die Gelegenheit zum Einbre
elfen benutzen!«
«Pai), davor brauchst Du Dich
nicht zu siirchten«, warf Vertrau
leirht hin. »Ersteng wer weis
denn, daß Du allein bist, Du furcht
sanieg Hühnchen? Und zweitens
hast Du ja das Telephon. Von Dei
nem Bett aus kannst Du die Polizei
anrusen und in zwei Minuten iit
Hülfe da. Jch darf wirklich nicht
triegbleivem wenn der Direktor so
dringend nach mir verlangt, «- das
mußt Du einsehen, Liebchen, -uno
eine vernünftige Frau sein.«
Seufzer ergab sich Dorn in dass
llnvernieidliche. Nachdem ihr Gatte
nochmals sorgfältig sämmtlicheThür
schlosfer geprüft und Alles gut ver
riegelt hatte, begab er sich zur Bahn.
Er schritt tüchtig ans, ein Liedchen
vor sich hinvfeixend und sich ini Stil
len der Hof nuna hingebend, eI
: handle sich bei der Reise um eine siir
ihn günstige Sache Und io vertieit
»wer er in diesen angenehmen Gevan
Hien, daß er nr nicht die beiden ver
idiicbtigen Gestalten bemerkte, vie in
Tgeringer Entfernung an ihm vorüber
: gingen.
»Der mag nur pseisen!« — raunte
der Eine seinem Genossen zu. »Wenn
er heimtornmt, ivirds ihm wohl ver
gangn sein.
,, eid Jhr so sicher, daß er lange
enug wegbleibt?« fragte der An:
ere
Sein Gesährte lachte leise in sich
hinein
»Und ob! Habe ja die ganze Ge
sityichte selbst angezettelt. Ein Kame
rao in Berlin hat die Depesche ausge
geben, die den jungen Herrn aus
morgen früh zehn zum Direktor der
Bank. be tellt.
»Was he siir ein Schlautopf
seid!« -—--— taunte der Jüngere. »Von
Euch tann man was lernen.«
Sie hatten sich in wischen dem
Bau genährt, in dem sich die Bank
sitiale befand. «Vor Mitternacht
dürfen wir uns nicht heranwagen«,
bemerkte der Aeltere der Gauner
»Natürlich gehen wir durch die Hin
terthiire herein. Sie ist zwar gut ver
riegelt, doch das hat nichts zu sagen.
Mit meinem kleinen Instrument hier
bring ich’g leicht fertig, den Riegel
loszulösen Sind war drin, so
chleicht hr nach-oben, wo die Frau
chtäst. . tört De er nicht, so lang
sie sich nicht r·hr Wenn sie was
mertt, wird sie wa rscheinlich die Po
lizei alarmiren wo en, doch das scha
det nichts, denn ich hab die Leitung
Durchschnitten als ich gestern als
lMaurer vertleidet eine Reparatur
kzam Hause vornahm. Jhr müßt nur
eins verhindern: daß sie den Kopf
zum Fenster hinaussteclt und Lärm
schlägt. Zur Noth macht sie mit
ABetttiichern oder mit Eurem Knäu
pel stumm. Habt ihn doch bei
Euch? —« ,
Grinsend zog der Andere ein-en
kurzen Holzstock hervor, dessen obe
res Ende mit Blei gefüllt war. Der
Aeltere nickte zufrieden und dann leg-:
ten sie sich hinter dichtem Buschwert
auf die Lauer.
se si- sk
Mit angsterfiilltem Herzen erwar
tete Dora die Nacht. «n ihrer net
vöfen Erregung konnte sie den Ge
danken nicht los werden, daß eine
Diebesbande die Abwesenheit ihres
Gatten benützen und einen Einbruch
in die Bank versuchen werde. Von
dieser Furcht beherrfcht vermochte sie
tein Auge zu schließen, obgleich lange
Zeit alles vollkommen ruhig blieb.
Unausgefetzt anstrengend lauschend,
glaubte sie bald nach Mitternacht
schleichende Schritte auf dem Garten
iirs zu vernehmen, die sieh dem Hause
von der Rückseite näherten. Ueber
zeugt, daß sie sich nicht getäuscht hatte,
trat sie aus ihrem Zimmer an das
Treppengeländer, wo sie eine Weile
regungslos stehen blieb. Nach kurzer
Zeit hörte sie den dumpfen Fall eines
schweren Gegenstandes auf die Fuß
umtte; dann strich die kiihleNachtluft
bis zu ihr hinauf. Jetzt wußte sie
sictxer, daß die hintere Einganasthiire
geöffnet worden, daß Jemand heim
lich ins Haus gedrungen war.
Diese Gewißheit dränate sie zu ra:
srlrem Handeln. Geräufchlos kehrte sie
in ihr Zimmer zurück, um telephonisch
die Polizei herbeizurufen. So ener
gisch sie aber auch anilinaelte,. es kam
ieine Antwort. Ein jäher Verdacht
Fregte sich in ihr. Die Telephonleitung
suiuszte zerstört worden sein. Sicher
hatten die Spitzbuben fiir ihren Man
.vorherAlleH wohl vorbereitet, und wer
konnte wissen. ob nicht auch die drin-i
Jende Depefche an ihren Gatten nur
ein Vorwand gewesen war, um ihn
,fortzulorken und den Weg zur Verau
Lbung der Bank frei zu machen.
Jhr erster Jmpulg, die-Fenster auf
zureißen und um Hülfe zu rufen,
wurde durch den Gedanken zurückge
drängt, dier sie damit wenig oder
nichts erreichen werde, denn bis wirts
liclz Hilfe nahte, konnten dieDiebe ihre
Beute fortgeschafft haben. Auch war
vorauszusehen daf; ihr Mann in
großeUngelegeuheiten gerathen werde,
wenn eg sich herausstellte, das-, er fictt
zum Schaden der Bank durch eine
Fingirte Depesche hatte weglocken las
en.
Mit dieser Errennrnirz wuchs plötz
lich ihr Muth. Sie dachte nicht mehr
an ihre eigene Gefahr, sondern nn:
daran, ihren Gatten von unangenele
men Folgen zu schützen und eine Be
raubung der Bank zu verhindern.
,,W«eil»erlist geht iiber Mannes
schlauheit«, sagt ein altes Wort, das
sich noch immer bewahrheitet hat.
Auch in Dorne Köpfchen reifte rasch
ein Plan, den sie mit erstaunlicher
slaltbliitigteit sofort ins Wert setzte.
Sie fehlüpfte in einen Anzug ihres
Mannes, setzte eine Reisemiitze auf,
malte sich mit Ruß einen Schnurrbart
an und steckte einen geladenen Revol
ver zu sich.
» Im hellen Tageslicht hätte sie wohl
Niemand mit dieser Vermnmmung
getäuscht, allein im Duntel derNachi,
nn flackernden Schein einerDiebeSln
terne konnte sie recht gut für einen
Mann gehalten werden. Als sie nach
beendet-er Vertleidung mit Hülfe einei
Streichholzes einen prüfenden Blick
in den Spiegel warf, fiel ihr einPhos
nograph in die Augen, in den ihr
Mann, der eine große Fertigkeit im
Pfeier besaß, wiederholt scherzweise
hineingepfiffen hatte.
Blitzfchnell lam ihr eine gute Jdee.
Sie setzte die Walze inBewegung und
aleich darauf ertönte nnä dem Kost-n
eine gepfissene Opernmelodie.
Der jüngere Einbrecher, der in den
oberen Räumen Wache halten sollte,
blieb auf halbem We e erschrocken sie
ben, als er das lauteÆfeifen vernahm.
Sein Schrecken verdoppelte sich aber
beim Anblick der Männergestalt die
ihm mit blinkend-en Revolver entge
genkam. Von Furcht ergriffen, drehte
er um und rannte, feinen Kameraden
völlig vergessend, blindlingg zum
Hause hinaus.
Durch diesen ersten Erfolg ermu
thigt, eilte Dorn die Treppe hinab
zum Kassenzimmer, dessen Thüre
halb offen stand. Der zweite Ein
brecher, der dort beschäftigt war, das
Kassengewölbe zu öffnen, wandte
den Kopf-und Doras vermummte
Gestalt für seinen Spießgefellen hal
tend, fragte er halblaut: »Eh, der
Patron ist wohl gar zu Hause?
Wahrscheinlich den Zug versäumt.
Er bat doch nichts aemerkt?«
»Weiß nicht«, flüsterie Dora mit
verstellter Siimme.- »Mein aber, ’s
wär besser, wir machten uns davon.«
Der Aeltere lachte höhnisch. »Man!
sieht, daß Jhr ’n Neuling seid. Lauft
immerhin fort und wenn er Euch ber
folgt, so führt ihn nur recht in die
Jrre. Derweil besorg ichs hier das Ge
fchäftchen; werd’ nachher ehrlich mit
Euch theilen.«
So sprechend fchliipfte er in das
Kassengewölbe, dessen-Thüre er anlehn
te, nachdem er das Licht ausgelöscht
hatte·
Mit einem Satz stand Dora im
Zimmer und ftemmte sich mit aller
Kraft gegen die Thüre, die kreifchend
ins Schloß fiel, wodurch ein Gut-rin
nen des eingesperrten Diebes unmög
lich wurde·
Die Bank war gerettet!
Nun die Spannung ihrer Nerven
nachließ, wich auch Dora’s Muth; sie
eilte ansFenster und rief so lange um
Hilfe, bis die aus dem Schlaf geweck
ten Nachbarn herbeieilten und den
Einbrecher dingfest mach-ten.
Am folgenden Morgen hatte Ber
tram in Berlin eine sehr nngemütky
liche Unterredung mit dem Direktor
seiner Bank, der ihm erklärte, er habe
ihn gar nicht telegraphifch berufen.
»Sie sind jedenfalls dasOpfer einer
geriebenen Gaunerbande geworden,
die einen Einbruch plante«, äußerte
der Chef verstimmt. »Wie konnten
Sie so leichtgläubig sein? Mußten
doch wissen, daß wir Jhnen, falls wir
Sie persönlich zu sprechen wünschten,!
einen Stellvertreter geschickt hätten."
Wer sollte denn während Jhrer Ab
wesenheit die Bank versorgen?«
»Meine Frau hätte das wohl für
einen Tag übernehmen können?« stot
terte Bertram Völlig niedergeschmet
tert.
»Jhre ;ran?« wiederholte der Di
rektor in sarkastischem Tone. »Wie
kann man die Bank einem Weibe an
vertrauen? Was hätte Jhre Frau ge
nntzt, wenn wirklich eine Beraubung
xjeplant war?«
Als der Direktor jedoch am nächsten
Morgen einen genauen Bericht über
den durch Dora’5 Geisteågegenwart
glücklich oereilten Einbrnclk erhielt,
änderte er seine Meinung über die
Frauen, insbesondere über Bertrainsz
Gattin, deren muthiaev Verhalten
ihm so außerordentlich gefiel, daß er
Zaun Lolm dafür ihren Mann auf
einen besseren Posten berief.
———.—..-—
Aus alten Zeiten.
Ein-.- Zhochzeitgreckjiiiinq vor dreihun
dert Jahren.
Jn seinen Tenkwiirdigieiten er
zählt der Ritter Hang von Schwer-.
nichen von dem Aufwande, den ihtnl
seine zweite Hochzeit mit der ehren- I
tugendreichen Jungfrau Anna Mart
rin, geb. Kreiselwitzin, oerursacht
hat, die den 27. November 1601 zu
Liegnitz stattfand. Es heißt da, nach
dem die erste Begrüßung voraufge
gangem »Nach solcher ist die Trau
ung vorgenommen worden und mit
großer Solennität gehalten worden,
und hat mich Herr Martin Guschke,
Fahrherr zu Unseren lieben Frauen,
getraut und ganz zierlich vorgenom
men. Darauf ist bald die Ueberant
wortung geschehen und nachher der
feierliche uspruch erfolgt. Nach sol
cixem ha ich mit der Braut nach
meines seligen Weibes Absterben den
ersten Tanz gethan und hernach die
fürstlichen Abgesandten. Folgends ist
man bald zur Tafel gangen und an
einer langen Tafel auch zwei Bor
schneider, siirstliche Knaben, Init gu
tem Essen, und Stier traktirt, dasz
also nicht nüchterne Leute von der
Tafel ausgestanden sind, und weil sie
denn neben dem guten Wein und
Schöps auch·ein·e«schöne- Musika hat
ren, waren oce wane innig uno guter
Dinge, wie ich denn daneben auch
nicht traurig war, sondern freut mich
deß, was zulänstig war, und daß
niir Gott so reichlich, was er mir zu
vor entzogen, ersetzt hatte.« Die
Hochzeitsgelage und Gastereien dauer:
ten nicht weniger als drei Tage, ganz
zu geschweigen von den verschiedenen
Nachseierlicbteiten, wie dem letzten
Schmause, bei dem, wie Hans von
Schweinichen erzählt, ,,immer den
Abend 2 Eimer Wein zu 12l5·- Tha
ler und zweiachtel Schöps, auch zwei
achstel Bier ausgegangen, ohne das-,
was von Fleisch, Fisch und Wildbret
in der Küche ist ausgegangen. Es
hat mich solche Hochzeit mit den Klei
dern 482 Thaler gestanden.« Jm
Folgenden giebt der Ritter dann eine
Uebersicht über einzelne Ausgaben,
von denen wir unter andern anfüh
ren: »Ein Armband 17 Thaler, vor
einen Ring auf die Zusage 12Thaler,
vor ein eingefaßt Herzleins mit Gold
5 Thaler, vor einen Ring mit einer
Elendstlau 3 Thaler, ein Ringlein
mit einem Türiislein 3 Thaler, ein
Ring mit Rubinrosen 16 Thaler, vor
einen Kranz 1 Thaler, vor Atlas zum
Trauroel 38 Thaler 18 Groschen,
vor ein klein Ringlein 1 Thaler 24
Groschen, vor Federn auf demBrauts
tranz 1 Thaler, vor einen irgel
2 T aler, vor Handschuhe 1 T let, »
ein aar Pantoffel von grünem .
Sammt 41X2 Thaler, ein Kranz, wel
cher eine goldene Schiene gehabt, und
die Neltenstiele auch die ver old-i hat
gestanden 9 Thaler, vor gsol eneBorte
zu der Jungfrau Traurop 101,-2 Tha
ler, vor Nelken zu Kränzen 2 Thaler,
Ider Trauring ist werth gewesen 45
Thaler, so habe ich ihr zur Morgen
gabe an einer goldenen Kette gegeben,
welche 80 Gulden ungarisch gehabt.«
Am Jahresschlusse zieht Hans von
Schweinichen die Generalbilanz und
schreibt: »Meine Sachen und Schul
den hat Gott auch wunderbarlich ge
fiihret, daß ich hinfortkommen möge,
und wenn mir wohl auch meines herz
liche-n Weibes feeliges Begräbniß und
auch in das Trauern, michs neben dem
meinigen zu kleiden, viel ist gegangen,
wie im Gleichen hernach auch wieder
auf meiner Hochzeit mit der Kleidung
viel aufgegangen, neben dem, was ich
der Jungfrau verehrt habe, ja wovon
wohl 1100 Thaler anlaufen mögen,
so hoffte ich doch zu Gott hinwiedesr
reichliche Erstattung, gleich wie er es
mir wunderbarlich zum Ausgeben be
fcheeret hat«
Grausame Euttäuschuns.
Der junge Arzt Dr. RoderichBornk
grüber hatte schon als Student so viel
davon gehört, wie schwer es heutzu
tage bei der Uebesrfiillung des ärztli
eben Berufes für den Anfänger sei,
Patienten zu erobern, daß er dem
Zeitpunkt, da er selbst feine Praxis
eröffnen würde, mit großer Bangig
keit entgegensah Seine ärgsten Be
fürchtungen wurden von der Wirklich
keit noch weit übertroffen. Nicht
wochen-, nein monatelang wartete er
nun schon tagtäglich sehnsüchtig auf
den erstenPatienten, mit niederschmet
ternd negativem Ergebniß. Besucher
aller Art kamen wohl, nur waren es
niemals Kranke.
Doktor Borngriiver wird von Taq
zu Tag kleinmiithiger und verzagter.
Da tlingelt’s eines Tages, die Aus
wartefrau meidet einen Herrn. »Herr
Doktor«, flüsterte sie strahlend, »dies
mal ist’s sicher ein Kranken —- Gra
tulire zum ersten Patienten!«
Ja, die brave Lina hat recht; ein
Blick auf das blasse Gesicht desHerrn
zeigt dem Arzte, daß er einen körper
lich Lseidenden Vor sich hat.
Uebrigens ist’s ein guter alter Be
tannter, der einst mit ihm Zusammen
die Bänte des Gymnasiunis in der
fernen Heimath gedrückt hat; ein Rit
tergutsbesitzer Martin Froschmeier,
seit Kurzem erst in hiesiger Gegend
ansässig.
»Guten Tag, Froschmeieri -«- Al
tes Haus!... Na, das ist recht, daß
Du zu mir kommit7«
»Ja, Doktorchen, ich fiible mich
nämlich seit einigen Taaen gar nicht
recht wohl; und da Du vorläufig
mein einziger Bekannter hier in der
Stadt bist, kannst Du mir einmal ei
nen tii ch t i g e n Arzt empfehlen«
-.--———
Vom Schafhirteu zum Minister.
Der letzte Herzog non Cell"e,Georg
Wilhelm (gestorben 17()5) ritt eines
Tages über die Heide und traf einen
Jungen, der die Schafe hütete, bitter
lich weinend am Wege sitzen.
»Junge- warum wernst du?« redete
ihm der Herzog an.
»Weil mir’s nicht zum Lachen ist!«
erwiderte der Knabe kurz.
»He-i dir der Wolf ein Schaf ges
holt?«
»Daß er mir keins gebracht hat,
könnt Ihr Euch wohl denken.«
»Junge, du bist ein Schelm!«
»Herr, es ist noch nicht Abend, Jhr
könnt auch noch einer werden!«
Der Herzog, dem in der weiteren
Unterredung die Schlagfertigkeit unr
der ausgeweckte Sinn des Knaben ge
fiel, sorgte dafür, daß er auf seine
Kosten die Schule in Celle besuchen
konnte. Hier übertraf Heinrich Me
her bald alle seine Mitschüler. Nach
her ließ- ihn der Herzog noch studiren
nnd reisen, und machte ihn schließlich
zu seinem Minister, der er bis zum
Jahre .l705 geblieben ist. Eines Ta
ges hatte der Herzog bemerkt, daß sich
Meyer gegen Niedere anmaßend und
herrisch benahm, und er beschloß ihm
diese Unart abzugewöhnen. Bei ei
nem Gnstma le veranlaßte der Herzog
heimlich, da des Minister-.- Tisch
nachbarn ihm «heftig zutranken. Jn
trunkenem Zustande wurden dann
dem Meyer auf Befehl des Herzogs
die Kleider eines Heideschäserg ange
zogen, und er aus die Heide hinan-:
gesahren, wo man ihn absetzte, und
Schäferftoel, Ranzen u. s. w. bei ihm
hinlegte. Als der Minister Morgens
erwachte, hielt er das Ganze zuerst
für einen Traum; als er aber die
Kleidung, alles, was dabei lag und
seine Umgebung bemerkte, wußte er,
wie der Herzog das meinte. Wie er
ging unt stand, begab er sichs zu sei-«
nem Herrn, der ihn auf seine Bitte
wieder in Gnaden annahm, nachdem
er ihm· noch eine gründliche Lettion
uber sein Betragen ertheilt hatte.
Erklärt
,,Hören Sie, Käthe, das hätte mein
früheres Mädchen nie gethan, daß sie
Fleisch für sich auf die Seite gebracht
hätte!« Z
,,Dös glaub’ i’ gekn, gnä’ Frau, wo
gaan Metzgekg’sellen um Schatz g’habt
. t.«