Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 13, 1906, Sweiter Theil., Image 13

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    «
W
privalinittagstisch wird gesucht.
Oumoresle von Adalb. Slottla:
Gut situirier, unverheiratheier, ge
hildeter err in mittleren Jahren
sucht Pirtvatmittagstisch in kleinem,
cnständigem Haushalt. Gewünscht
wird lrastige Hausmannslosi. Oster
. ten mit»Preisangak-e erbeten sub.A.
B.95 in der Expedition diese-.- Zei
iung.
, So stand in der Sonntagsnunimer
des berbreitetslen LolalblatteD der
Residenz zu lesen, und schon am an
deren Tage hatte ich über 50 Ofserten
in der and.
Das. estaurationsessen elelte mich
an und nur mit Widerwillen brachte
icks ein paar Bissen iiler die Lippen.
Was Wunder, daß ich zusehends ab
magerte und meiner gänzlichen Aus
lösuna in nicht zu fern-er Zeit ent
gegensahl Aber das war durchaus
nicht nach meinem Sinn. Jch stand
iin besten Mannesalter, war gesund,
hatte eine glänzend doiirte Stellung
und gedachte, mich noch recht lange
des irdischen Lebens zu freuen.
Heirathen? Nein, das wollte ich
nicht. Jch hatte in zu viel ringliiclliche
Ehen hineingeblickt, und fast alle Ehe
Minnen die ich kannte, hegten den
stillen Wunsch, ihrer Fesseln wieder
ledig zu werden. Weshalb also sollte
ich mich binden? Aber die verdammte
Restauraiionsiost, sie wuchs mir nach
gerade zum Halse hinaus! Somit
entschloß ich mich denn, die var
stehende Anzeige auszugeben. Jch
hoffte, mir dadurch eine angenehme
Häuslicseit zu sichern, ohne ezwun
en zu sein, mich in die Fesseln der
—. he schmieden zu lassen. Die 50 Os
sertschreiben lagen vor mir und ich
war begierig zu erfahren, was sie mir
bringen würden.
W waren da ganz merrwuroige
Schriftstiicke. Junge Wittwen, welche
in dem Suchenden einen vertappten
Heirathstandidaten witterten, boten
mit Anpreisung ihrer hausfraulichen
Tugenden ihre tulinarischen Genüss:
an. Manche so ar offenbarten mit
rührender Ofer rzigteit ihre Ver
ntögensrerhältnissr. um auf diese
Weise einen Köder auszuwerfen.
Aber alle diese Anpreiiungen, so ver
füh ch sie auch klangen, ließen mich
kalt. ch wollte ja nicht heirathen,
ich wollte essen, gut und kräftig essen,
utn mein stattliches Embonpoint von
früher wieder herzustellen.
Die originelle Fassung einer Of
erte aber reizte mich, die Dame
chrieb:
»Mein Herr! Jch stehe allein, bin
Wittwe, glücklicherweise
Wittwe Denn ich habe eine sehr
unglückliche Ehe geführt. Und daher
habe ich mir eschworen, niemals wie
der zu heirat n, verstehen Sie wohl.
mein Herr? N ie malsl Sie haben
also kein Attentat von meiner Seite
zu fürchten. Wenn ich mich auf Jhr
Geiuch melde, so geschieht es ledig
lich, weil ich einen guten Happen zu
essen gewöhnt bin und weil es Zu
zweien besser schmeckt und es sich auch
billiger stellt, als wenn ich für mich
allein toche. Wenn Sie ete also ein
mal mit mir versuchen wollen, so
kommen Sie am nächsten Mittwoch
um 4 Uhr nach der Siegegsäulr. Jet:
werdefchwarz getieidet sein und eine
rothe Rose in der rechten Hand tra
gen. Jch gebe Ihnen vorläufig norlx
nicht Namen und Wohnung an, wes-l
ich Sie doch zunächst erst lennen
lernen will, um beurtheilen zu tönnen,
ob ich Sie für würdig befinde, Sie
in meinem haushalt als Kostgiinger
aufzunehmen.«
Nachdem ich diesen Brief gelesen,
war ich entschlossen, die"er Offerte zu
nächst näher zu tretek Die mit Ent
riistung abgegebene ersicherung, daß
sie eine Ehefeindin leich mir sei, be
ruhigte mich wesentlich und sichert-.- ihr
meine volle Sympathie
An dem bezeichneten Mittwoch wan
derte ich somit nach der Sieg-:sfäuie,
begierig, diejenige tennen zu lernen,
welche mir in so verlockender Weise
und ohne hinter-listige Nebenabsichten
einen guten ,,Happen« in Aussicht ge
fiel-e hatt-. .
« Es war fast noch eine Viertelstunde
vor der sestgesetzten Zeit, und ich war
T darauf gest-ist« noch eine gute Weile
J
auf die Briefichreiberin warten zu
rniiijem denn allzu große Piinttlichteit
ist nicht gerade die Haupttugend des
schönen Geschlechts, wie ich auf Grund
trüber Erfahrungen wußte.
Aber nein, stand da nicht eine
schwarz gekleidete Dame mit einer ro
then Rose in der Rechtsn? Aller
dings! Also hatte sie es ebenso eilig,
mich kennen zu lernen, wie ich sie·
Dass schmeichelte mir und ich nahm
daher keinen Anstand, mich ihr lang
sam zu nähern.
Je näher ich ihr tam, desto ange
nehmer war der Eindruck,' den fle auf
mich machte. Es war in der That
eine reisende, anziehende Person. Noch
jun , etwa dreißig· gesundes, frisches
Ge cht, blaue, lustig und unbefangen
in die Welt blickende Augen, ein rei
zendeö. tteines Stumpsniischem kurz
um, ein liebliches, versüheerisches Ge
schöpf. Und dann: diese einfache und
doch destinguirte Toilettet Da lag
Chir, da lag Schneid drin!
Mein Fuß stockte. «Alexander.«
warnte mich eine innere Stimme,
» ehe nicht weiter, es ist eine Falle,
d e man dir gestellt hat. Die steht nicht
aus« wie eine Männerseindin. Fliehe,
noch ist es Zeit, noch bist du stei!dtli
Und diese Stimme dröhnte so war
nend an mein Ohr. daß ich , in der
W
That den Fuß wandte, um mich seit
wärts in die Büsche zu schlagen. Aber
sollte ich seige zurückweichen, ich, der
ich so lan e den Lockungen des weib
lichen Geschlechts ersolgreich wider
standen? Nein, nun gerade nicht,
ich wollte zeigen, daßß ich fest, daß ich
uiiüberwindlich sei: daß ich des Na
mens, den ich trug —- man nannte
mich ,,Alexander den Großen« ——
würdig sei.
Und da tras mich wieder das lieb
reizende, bezaubernde Lächeln, es
grüßte mich, als hätte die Schöne
mich erwartet. Durste ich jetzt noch
umtehrens Nein, das wäre nicht nur
feige, das wäre ungezogen gewesen.
Und ich war doch ein Mann von gute:
Erziehung! —- «
Somit trat ich turz entschlossen ans
sie zu, nannte meinen Namen und
gagtoc »Gnädigste haben mir geschrie
en«« .
»Allerdings, mein Herr und ich
dante Ihnen, daß Sie gekommen
sind.«
»Wie hätte ich einer so liebenswür
digen Aufforderung widerstehen tön
nen!« entgegnete ich galant.
»Mein Herr, wir wollen uns doch
teine Komplimente sagen, wir wollen
uns kennen lernen.«
,,«Llllerdings! Das ist auch mein
Wunsch, Gnädigste! Wäre es hnen
recht, wenn wir die Siegessäue be
stiegen? Wir haben dort eine herr
liche Aussicht.«
»Das ist eine reizende Jdeel«
tlatschte sie lustig in die Hände. »Ich
habe mir schon lange gewünscht, da
einmal hinauszuilettern.«
Und lustig ging sie Voran, undwir
II-l-Ä-.J
J»
besass-seku
Jch hatteGelegenheit, ihre geschwei
dige sck,lante,und doch wohl geformte
Gestalt zu bewundern. »Ein fefches
Weibchen!« sagie ich mir im Ställen.
Aber wieder erhob sich die warnende
Stimme in mik: ,,Alerander, hiite
dich, bieibe fest! Ziehe dich zurück.
Füttere in deinem Neftaurant weiter-,
dort bist du keinen Anfechtungen aus
gesetzt.«
Zu fpiitt Zu spät! fuchte ich die
Stimme meines Gewissens zu«beru
higen.
Nachdem wir eine große Anzahl
Stufen hinter uns hatten. machten
wir Halt. Eine Bank lud uns zum
Ausruhen ein. Wir mußten uns doch
ein wenig ,,veepusten«.
Jch nahm diese Pause wahr, um
als prattifcher Mann auf den «wect
unseres Zusammentommens zu pre
chen zu kommen· Jch fragte sie daher,
welche Küche sie führe und welche Ge
richte sie bevorzuge.
Sie sah mich einen Augenblick ganz;
rerbliifftarn dann fagte sie lachend:s
",,Sie sind praktisch, mein Herr! Sie;
sagen sich, eine Frau, die nicht gut zu s
tochen versteht, tann auch teine gutej
Hausfrau sein. Mein verstorbener
Mann sagte auch immer: Die Liebe
geht durch den Magen. Nirgenbs hat
egihm fo gut geschmeckt wie bei mir.
Und glauben Sie mir: Ihnen würd-e
es bei mir auch schmecken. Jch bitxz
Ostpreuszin, die lochen bekanntlich sehrs
gut.« "
»Oftr.reus!,in? Das habe ich mir,
nach Ihrem Dialect zu urtheilen,
gleich gedacht. Auch ich bin Oftpreuße
und fchwiirme fiir unsere beimathli
oben Gerichte. Dann tocken Sie wohl
’ auch Rönigsbergee Fleck?«
i
»Aber natürlich!« tiefste lachend.
Und graue Erbsen und Keulchen mit
Speck! Und Sauerampferfuppe und
alles, alles, was Sie nur wollen!«
»Großartig, großartig! Nein, wie
ich mich freue,«dasz wir uns getroffen
- haben!«
Sie blickte mich wiederum ganz er
istarrt au. »Aber das Essen ist allein
es doch wohl nicht, was Sie zu mir
liinziehti Man muß sich doch erst
kennen lernen.«
,.Werden wir auch! Sie sind eine
reizende tleine Frau, die mir fast ge
fährlich werden könnte, aber ich babe
meine Grundsätze Und ich—gefaile
ich Ihnen denn auch einiger
kuaßen?"
»O, Sie tönnten mir schon gefal
«len. Es fragt sich nur: Was haben
Sie für eine Lebensftellungik Welches
Einkommen halten Sie?«
,,Leltensstelluna?s Einkommen? Wie
meinen Sie das?«
. Sie blickte verlegen errötliend zur
Erde. »Nun. ich meine, Sie müßten
doch eine qewisse Sicherheit ...'«
. »Sicherheit?« Ich lachte laut her
aus. ,,Se1hswekiieindtich zahle ich
jedesmal sofort baar.«
»Sofort baut? Wosiir denn-«m
»Natürlich siir das Mittagessen,
das Sie mir täglich tochen!«
»Wie? Sie wollen bei mir spei
sen?«
»Aber selbstverständlich das haben
Hirsir doch so ausqeinacht!«
» ,,Auggemacht?« Sie riictte ängstlich
;von mir sort.
»Wer-halb hätten Sie sich denn
sonst aus meine Annonce gemeldet?«
»Gemeldet habe ich mich wohl,
aber...«
»Sie wollten mich vorerst tennen
lernen.«
««’5reilich, das wollte ich . . .«
; »Und nun? Bin ich Jhnen nicht so
:st)mpathtsch. daß Sie es mit mir ver
» suchen wollen?«
; ,,Versuck,en will ich es schon,
»aber...«
; » »So darf ich morgen zu Tisch lam
smen?«
»Sind Sie aber stiirmisch!«
i,,Stiirmisch? — Jchf Nein hung
rgt"
»Hu-müss«
»Nun ja doch, das Restaurationö
Essen ist mir zum Dieb« l
H
»Aber so lange wir nicht verheira
thet sind...« .
»Verheirathet? —- Wirs«
»Nun ja doch! Schreiben Sie mir
denn nicht...«
»Ich heirathen? —- Niemals!« —
Sie sprang entrüstet aus. »Mein
Herr, was soll diese Komödie! Wofür
halten Sie mich?«
Jch sah sie verdutzt an. »Aber
meine liebe gnädigeFrau, so beruhi
gen Sie sich doch! Da musz ein un
glückselige-Z Mißverständniß obwalten.
Lassen Sie uns doch klar und deutlich
aussprechen, was wir beide eigentlich.
wollen.
»Ich meinerseits erließ eine An
nonce, in der ich einen Privatmittags
tisch suchte.«
Sie lachte hell und belustigt auf.
»Und ich meldete mich auf eine An
nonce. in der ein wohlsituirter Herr
eine eFkrau sucht.«
»Da haben wir’s,« rief ich zer
knirscht. »Und ich hatte mich schon so
aus die grauen Erbsen und den Kö
nigsberger Fleck gefreut. Das wäre
»so schön, so unsagbar schön gewesen.
HUnd Sie haben mir auch sonst so gut
;gesallen, so außerordentlich gut.«
i Sie sah mich schalthaft lächelnd von
zder Seite an. ,,Ließe sich da nicht
Vielleicht doch ein Ausweg finden?«
meinte sie zögernd. s
»Ein Ausweg? Wie meinen Sie
das?«
»Kommen Sie morgen zu Tisch!
Wir werden uns kennen lernen. Jch
werde Ihnen Jhre Lieblingsgerichte
kochen. Sie werden sich an meine
Küche gewöhnen —- und wer weiß . .«
»Heirathen? Ach bitte —— bitte- las
sen Sie mir meine Freiheit . . . .«
»Ich lasse Jhnen Jhre Freiheit, so
lange Sie es selbst wollen« Sie
streckte mir ihre Hand entgegen. »Ab
aemacht?«
»Abgemacht!« schlug ich kräftig ein.
Langsam, jeder mit seinen Gedanken
beschäftigt, stiegen wir von der Sie
gessäule hinab.
Unten am Eingang stand eine
Dame in schwarz, häßlich wie die
Nacht, iiberreif an Jahren, eine Rose
in·ihrer Rechten. Jch erschrak und
wendete mich schaudernd ab. »All
miichtiger,« dachte ich, »das war sie
also? Der glaube ich’s aufs Wort,
daß sie nicht mehr geheirathet zu wer
den befürchtet.«
Am andern Tage stellte ich mich
pünktlich bei Frau Meta Talheim ein.
Sie empfing mich in ihrer reizend un
geliinstelten Weise und führte mich in
ihren kleinen Salon. Die Einrich
tung war nicht vornehm, aber solid
und geschmackvoll. Dann wurde das
Essen aufgetragen. Es gab eine kräf
tige Bouillon mit jungem Gemüse und
Königsberger Klops.
Mein Gesicht strahlte, und ich
langte tapfer zu. Es schmeckte mir
vortrefflich, und die Unterhaltung
mit meinem reizenden vis-a-vis trug
nicht wenig dazu bei, mich in eine
äußerst behagliche Stimmung zu ver-«
setzen. Nur schwer konnte ich mich
von meiner liebreizenden Wirthin
trennen. ·
Mit großer Ungeduld erwartete ich
anderen Tages die Stunde, in welcher
es mir vergönnt war, mich zum Mit
taggtisch einzustellen.
Es gab Sauerampfersuppe und
Keulchen mit Speck. Jch schmunzelte
vergnügt und entwickelte einen kolos
alen Appetit. Meine liebenswürdige
Xirthin sah mir lächelnd zu und
freute sich, daß es mir schmeckte.
Am dritten Tage kam endlich der er
sehnte Königsberger Fleck. Jch jubelte
und häte am liebsten meine Wirthin
wonnetrunken in die Arme geschlossen·
Aber ich bezwang mich. ,,Ale«rander,
bleibe standhaft,« rief die warnende
Stimme in mir. »Lasse dich nicht un
iertriegen. Bleibe sest!« lind ich blieb
sesi, aber ich aß — aß, daß...
Doch ich will nicht vorgreifen.
Arn vierten Tage überraschte mich
meine Wirthin mit Rinderbraten und
grauen Erbsen. Ech war ties erschüt
tert durch diese zarte Aufmerksamkeit
Das war mehr, als ein dusrchewigeg
Einerlei in den Restaurationen abge
stumpfter Junggeselle vertragen kann.
Dieses liebevolle Eingehen auf
meine intimsten Wünsche forderte
ein-n Hohn nnd selte es den höchsten.
den ich zu vergeben hatte.
Nachdem ich meinen vierten, bis an
den Rand mit Erbsen gefüllten Teller
verschlungen hatte, fand ich endlich
Worte, meinen Dank fiir die meinen
Wünschen fo vollkommen entspre
chende Verpflegung auszusprechen
»Werden Sie immer so lochen?«
fragte ich mit vor Erreguna zittern
der Stimme.
» miner? Wie meinen Sie das?«
»; ch meine, wenn zum Beispiel wir
s-— wir beide einen gemeinsamen
Haue-stand ..... «
»Erbarmen Sie sich! Sie wollen
heirathen-ist«
»Kann ich denn anders?« rief ich
glückstrablend. »Der Fleck, die Klopfe,
die grauen Erbsen, —— sie haben es
mir angethan!«
»Und ich?« fragte sie schmollend.
»Bin ich Jhnen denn nichts?«
»Sie sind das prächti ste, fescheste
Weibchen, das ich je gese en!«
Stürmisch wars sie sich in meine
Arme. »Und ich will dir auch alle
Tage dein Leibgericht locheni«
.,Wirllich?«
»Ich schwöre!«
Sie hat Wort gehalten. Wir leben
sehr glücklich mit einander.
Besonders mißtrauisch ift der, der
»die andern schon recht oft getäuscht hat.
l Schtkcht geschlafen.
I . ———···
Ein Reiseabenteuer von A d o lf
T hi e le.
Es ist doch wirklich zu unange
nehm, ja geradezu itnheimlickk deg
Abends so. allein im Coupe auf der
Eisenbahn zu fahren.
Dieser Gedanke drängte sich Klara
heimlich auf, sie bereute es, ihre Reise
nicht eher angetreten zu haben. Wie
starrte sie nun immer auf die Thür
an der anderen Seite des Wagens-,
als miifzte diese sich jeden Augenblick
öffnen und ein schrecklicher Passagier
einsleigen, der ihr nach dem Leben
trachtet.
Geradezu gespenstisch aber sahen
die weißen Wolken, die der Lokomo
tive entströmten, im bleichen Mond
scheine aus. Indessen sauste der
Schnellzug durch die öde, kahle Ge
gend dahin. Endlich, endlich nahte
tilara ihrem iele.
Der Zug atte nur ganz kurzen
Aufenthalt auf dem kleinen Bahn-—
hofe. Filara stieg mit ihrem Hand
gepäck aus und fand bald auch die
Kutsche, die sie erwartete.
Der Kutscher begrüßte die elegante
Dame höflich. »Der gnädig-e Herr,«
sagte er, ,,hat leider nicht selbst kom
men können, er hat verreisen müssen.«
Klara erwiderte einige freundliche
Worte und stieg in den Wagen, der
sogleich abfuhr. Der Mann, dem sie
nun anvertraut war, gefiel ihr nicht,
er hatte —so schien es ihr —etwas
Lauerndes, Schleichendes in seinem
Wesen.
.- --- « « s---, F
Ullallgcklcysm De"ruqll, Drum-· sie
sich in eine Ecke des Wagens. Also
der gnädige Herr, das heißt derGatte
ihrer noch nicht lange verheiratheten
Freundin, hatte verreisen müssen,un"o
te fuhr nun allein dem Hause zu, wo
sie zu Gaste geladen war. Sie hatte
schon gehört, daß dort im stattlichen
Herrensitze die Gäste ein- und ausgin
gen, aber es tam ihr angesichts der
zwar fruchtbaren, aber einförmigen
Gegend vor, als könne es hier gar
teine Geselligteit, keine Heiterkeit
geben.
Hier und da erschienen diistere
Föhrenwälder, oben aber jagten die
Wolken vor dem Monde Vorüber, der
die Gegend mit fahlem Lichte he
schien.
Unheimlich war auch das Schwei
gen des Kutschers, Klara fühlte sich
so gepeinigt von der Einsamkeit, das;
sie den Mann anredete. Nachdem er
ihre Frage, wie weit der Herrensitz
noch entfernt sei, beantwortet, fragte
sie, was denn der seltsame Stein
dort am Wege bedeute.
»Hier ist einmal Einer erstochen
worden,« erwiderte der Kutscher.
»Die Leute sagen, er soll noch manch
mal umgehen-«
Zusammenschauernd verstummte
Filara Der Wagen durchfuhr jetzt
einen Wald von niederen Fichten, die
im fahlen Mondenlichte unheimlich
aus-sahen. Klaras Phantasie war in
hohem Grade aufgeregt, als sie end
lich am Ritter-gute anlangte. Gleich
leeren Augenhöhlen starrten sie die
dunklen Fenster des Herrenhauses an,
das von düsteren, im Nachtwinde ge
spenstisch rauschenden Bäumen um
geben war. Der Bann, der sich auf
Filaras Brust gelegt, entschwand in
dessen, als sie von ihrer Freundin an
der Thiir bewillkommnet und in das
alterthümliche Wohnzimmer geführt
wurde. Jndessen wollte beim Thee
die Unterhaltung nicht in Fluß kom
men, denn Sophie, ihre Freundin,
tonnte ihr nicht verhehlen, daß sie an
starten Kopfschmerzen leide. Zudem
war es schon spät, und andere Besu
cher, die sonst ins dem gastfreien Hause
stets verkehrten, waren nicht zugegen.
silara ließ sich daher bald von Sophie
und einem Mädchen nach ihrem Zim
mer aeleiten.
Raum hatte sie im Scheine
slaelernden Lichter den diisteren Kor
ridor betreten, als sich ihr der
splxreetengvolle Bann wieder asuf die
Brust legte. Nachdem sie eine mit
seltsamem Schnitzwert oerzierte
Treppe hinanaestiegen. schritten sie
einen gedehnten Flur entlang und
traten dann in Klarag Zimmer. Es
war ein ansehnlicher Raum, ganz
dunkel gehalten und mit alterthümli
chen Möbeln ausgestattet.
Klara wünschte der Freundin gute
Besserung und verschloß, nachdem sie
vorsichtiger-weise unter das Bett und
Eopha und in den Schrank gebückt,
sorgsälti die Thür. ,
Das immer, so eigenartia es auch
mit seinen schweren, alten Möbeln,
seinem dunklen Getösel anmutheth
bat nichts Verdächtiaes, und doch
schauderte Klara zusammen, als ein
Windstoß einem Klagelaut gleichend,
an’s Fenster drang.
Sie legte sich nieder und löschte dag
Licht aus. Der Schein des Vollmon
des drang durch die Vorhänge matt
herein und tauchte das Zimmer in ein
ungewisse-Z Licht.
Klara schloß die Augen, sand aber
den Schlaf nicht, vielmehr zwang sie
ein ungewisses Etwas, immer wieder
in das düstere Grau des Zimmer-Z zu
blicken.
Eine alte Standuhr aus dem Kor
ridor hatte schon längst mit nachzu
terndem Tone die zwölfte Stunde
verkündet, als Klar-a noch immer wa
chenden Auges auf den Schlaf harrte.
Da geschah etwas llnettvattetes.
Geräuschlos öffnete sich die dem
Bette gegenüber liegende Wand, und
eine lange, » weiße Gestalt erschien.
Lan sam naherte sich die schreckliche
Eks tmmg dem Bette. Klara lag
ststr, vor Schrecken und Angst ves
—
Der Pantossclhelv.
A
,,Fanni, ich hab’ anlä.ßlich meines vierzigjährigen Dienstjubiläums
einen Orden bekommen; erlaubst du, daß ich- ihn annehme und trage-Z«
mochte sie keinen Laut aus-zustoßen»
Plötzlich ergriff die weiße Gestalt die
Bettdecke, riß sie an sich und ver
schwand mit geisterhaft leisem
Schritt.
Jn starrem Schrecken lag Klara da
und es dauerte lange, ehe sie nur eine
Bewegung zu machen wagte. An
Schlaf war nicht zu denken, und mit
neuer Hoffnung begrüßte das junge
Mädchen nach bangen Stunden den
Tag, erst dann fand sie einige Stun
den Schlaf.
Müde, hohliiugig, bleich erhob sie
sich am Morgen und begab sichs ins
Speisezimmer. Hier wurde sie von
ihrer Freundin, die sich Wieder wol-!
fiihlte, begrüßt und mit einigen Ver
wandten, die ebenfalls Gäste des
Hauses waren, bekannt gemacht.
Auf Sophiens Frage, wie sie ge
schlafen habe, erwiderte Klarat »Lei
der nicht gut!«, worauf ein älterer
Herr, ein Onkel der Hausfrau, be
merkte: »Wie schadet Indessen wäre
es mir beinahe ebenso gegangen. Jch
fror die Nacht ganz erbärmlich und
konnte daher nicht einschlafen. Plöt
lict; fiel mir ein, daß das Zimmer
neben mir unbewohnt sei; ich ging ’
also hinüber, gleich durch die Tapeten
thiir, und holte mir noch eine Bett
decte, und dann,« fügte der Onkel
hinzu, indem er seine lange, hagere
Gestalt behaglich reckte —»dann schlief
ich wie ein Rönig!«
—-—s.--—
Eises-artige Verwandtschaftövets
håcguisse. ·
Zwei Männer, die dieselbe Schwe
ster haben, ohne deshalb in iraend ei
nein Grade verwandt zu sei n, das ist
sicher interessant genug, um mitge
theilt zu werden. Es handelt sich um
die bekannten französischen Schrift-«
steller Eugene Sue und Ernest Le
gonve, deren Familienverhältnisse von
Herrn Vallery ——- Radot irn ,,Gil
BlaS« also geschildert werden: Jn ·
der letzten Periode des IR. Jahrhun
derts lebte in Paris eine Familie
Sauvan. Eine der Töchter Adele «
Sauvcm (diesclbe, der Vergniard, be
vor er hingerichtet wurde, als letztes
Andenken seine Uhr übersandte), hei- «
rathete einen berühmten Arzt Jean -
Joses Sue Sie hatten eine Tochter,
Flore Sue, die 1799 geboren wurde.
Zu Ansana deS 19 Jahrhunderts
als die Ehesckeidungen an der T a-es
ordnung waren, ließ der Doktor ue
seine erste Ehe auflösen. Aus einer
zweiten Ehe mit Fri. de Rilly hatte
er 1804 einen Sohn: Eugene Sue
eFrau Sue (die erste) blieb auch nicht .
einsam. Sie heirathete Gabriel Le
gottve, den Verfasser des ihr gewir
nieten Gedichts ,,Le Merite des Jem
meS« Dieser Ehe entitantrnte der
1807 gebotene Ernest Leaonve. Eu
aene Sne war also von Vaters Seite
her der Bruder von Flore Sue, und
Ernest Leaouve war von der Seite
seiner Mutter her der Bruder dersel
ben Fiore Sue. Aber Euaene Stie
nnd Ernest Legouve waren mit ein
ander gar nicht verwandt.
W
Poe-hast
Kotettc Dame: ,,Rathen Sie ’mal,
was ich kürzlich fiir eine Heldenthat »
vollbracht habe?«
Herr: »Haben Sie Jhr Geburtsjahr
ehrlich angegeben?'·
Futalcø Zusammentreffen.
»So verstimmt- Herr Kommer
zienrath?«
»Denken Sie fich das Pech: gestern
werde ich geadelt, heute bekomme ich
den Schnupfem und noch kein einziges
» meiner Taschentiicher hat eine Krone!«
-
, Dckbc Zurechnvcisunq.
»Sie haben noch wenig Erfahrung,
liebe Kleine, aber mir können Sieg
glauben, wenn ich Jhnen versichert-:
Die Liebe ist eine Krankheit . . .«
»Ja, ja, —- und Sie sind das Mit- -
tel dagegen!«
Konservativ,
Vierzehn volle Jahre hatte der Un
terofsizier Pofpifchell immer in dem
selben Bette geschlafen —— wenn man
in’s Zugzimmer eintritt, gleich lints
bei»der Thüre. —- Da, als Pospifchell .
zum dritten Mal lapitulirt hatte, im
fünfzehnten Dienstjahr, sollte ee weiter
hinauf zum dritten Schwarm übersie
deln. — »Verfluchtes Zigeunerleben,« »
sagte er.
Æ :
Dic Hauptsache.
» . . . . Also Jhre Waschfrau kön
nen Sie mir empfehlen?«
»Ganz entschieden! Sie wäscht ja in
allen bessern Familien hier am Ort.
Jch sag’ Ihnen, was die Jhnen alles
erzählen kann!! . . . .
Bestraft
Häßliches Fräulein: ,,Hab’ ich aber
heute einen heftigen Huftenreiz!«
Herr (leise zu einem anderen): »Das
scheint aber auch der einzige Reiz zu
fein den sie hat «
Brrnfsmäßige Nacht-.
Richter: »Sie sind also der Färbers
Lijchilse SchmierkseZ Warum haben
Sie Jhren Kollegen inißhandelt?«
Angeklagter: »Er hat mich ange
7chwärzi, dafür hab’ ich ihn durchge
)l·ciut!«
Die Reihe herum.
»Morgen hat die Tochter meines
Fhefs Geburtstag!«
»Welche denn oon den dreien?«
»Ich glaube, die Alma ist an der
Reihe; seit sie nämlich in die Dreißiger
ietommen sind, wechseln sie sich jedes
Jahr ab!«
Immer derselbe.
Gast (der wegen seiner Nörgelei be
kannt ist, nach dem Mittagessen stöh
nend): »O, ich glaube, bei den Pilzen
Iie ich gegessen habe, sind giftige gewe
"en; holen Sie mir rasch einen Arzt
tnd das . . . Beschswerdebuch!«
Aus dem Lande der Liebt-.
A.: ,,Seh doch mal, was sich die
kleine Meyer fiir einen langen Bräu
tigam angeschafft hat!«
B.: »Ja, die handelt eben nach Frei
tigrath’s betanntem Gedicht: »O lieb’,
so lang’ Du lieben kannst!«
ProtzixL
Richter: »Warum gaben Sie das
refundene Portemonnaie nicht auf der
Polizei ab?«
Angeklagter verächtlich): »Wegen
Iier Mart zur Polizei laufen? Das
hätte ich nicht mal gethan, wenn vier
zig drin gewesen wären!«
Aus der guten often Zeit.
Gardift (zum Hauptmann- ein-m
Schneider-, der eben dabei ist, des erste
ren Rock auszubessern): »Aber dafür
;ahl’ ich nit, Herr Hauptmann, dös
kommt bloß von Euerem saudummen
Sturmangriff.«
Dilemma.
Anny: »Oh, Minny, ich sitz’ schön
n der Patsche. Jch habe mit Hans
Streit gehabt und er verlangt nun, ich
"olle ihm seinen Ring zurückfchicken.«
Minny: »Das ist sehr schlimm.«
Anny: »Aber noch nicht das Aergste;
ich weiß nämlich nicht mehr genau
velcher der seinige ii.«
Durch die Blume.
Gatte (seine junge Frau durch die
ieueingerichtete Wohnung führend):
,Und hier ist die Küche, lieber Schad,
Iber bitte nichts darin »anzuriihren!«
Begründung.
Chef: »Warum sind Sie denn nich!
Imiickgetommem wenn Sie keine Aus
icht aus Geschäfte hatten?«
Reisender: »O, Aussicht hatte ich
immer!«
Prdnntisch.
Professor (Morgens): »Diese Nacht
tm Schlaf hast Du immer sranzösisch
resprochem aber so fehlerhast . . . ich
Jabe Dich viermal verbessern müssen!«
Anhänglich.
Dorsbader: »Das hätten Sie sehen
nüssen- als ich dem Ochsenwirth heute
Ien tranken Zahn zog. Der hatte
iämlich seine sämmtlichen Kinder mit
iebrachi. und die habe ich alle mit in
Der Stube herumgezogen.«
Netto Rktlamr.
IHerr Müller (drr schon längere Zeit
vergebens bearbeitet worden ist):
,Aber, Herr Ase-at, ich- denke ja- nah
xar nicht an’s Stett-ein«
Agent: »Mit nicht daran: Se
hen- Sie va· drauß-i mänAutomsbiR
Glauben Sie vielleicht, daß’die vier
Menschen, die ichschon überfahren
habe, ans Sterben dachtenW