Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 13, 1906, Sweiter Theil., Image 10

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    «""åäæ?";liz;gswitgift.
Roman von Gurt Darm-vors
(12. Fortsetzung)
14. K a p i t e l.
Mit ihrem. Engagement bei Herrn
Selsa Hartany war Sigrio von An
sangi an durchaus nicht so zufrieden
Wein wie sie es Malve in ihrem
rie en glauben machen wollte.
Der würdige, alte Herr zwar, der
auch auf Bernd, als er die Sehn-Zige
rin an ihren neuen Bestimmungsort
begleitet hatte, den günstigsten Ein
druck hervorgebracht, gab ihre keinen
Anlaß zur Klage· Er behandelte sie
so rückstchtsvoll und gütig, als sie es
nur wünschen konnte, und war nach
Kräften behilflich, sie in die Verhält
nisse ihrer neuen Umgebung einzun
ben, die sie doch sremdartiger anmu
iheteth als fte sich’s in ihrer jugend
iichen Unersahrenheit vor-gestellt hatte.
Die Thäiigieii aber, die ihr dein
Belier des Herrn Harkany zusiel,
konnte ihr unmöglich zusagen. Schon
der Verkehr mit den vornehmen Da
men, die sie zu empfangen und, soweit
es sich nicht um die photographischen
Ausnahmen selbst handelte, geschäft
lich zu bedienen hatte, legten ihrerGe
dnld und ihrer Selbstbeherrschung
a: anche harte Probe aus. Denn
iese ristolratinnen, die in ihr doch
nur ein Wesen niedrigerer Gattung
Lahm, peinigten sie mit ihren unans
·gen Launen nicht weni e: als mit
ihrer gnädigen Herablasfung Und
was sie etwa noch an thörichtenStolz
aus glücklicheren Tagen mit sich hin
ausgenommen hatte, in den Kamps
des Lebens, lernte sie da sebr bald
als einen sür ein armes Mädchen sehr
überflüssigen Luxus von sich abzu
thun. Davon,« wie viele heimliche
Thränen und verstohlene Seufzer es
sie kostete, ersuhr keine Menschenseele.
Schließlich müssen ja fast alle Erfah
rungen und Einsichten des Lebens mit
solcher Münze bezahlt werden, und
wenn dies die einzige Schattenseite
ihres Beruses gewesen wäre, so hätte
y- sich am Ende wohl ganz leidlich
anrit abgesunden.
Aber es war leider nicht die ein
zigr.
Denn die Kundschast des Herrn
Hartann bestand nicht nur aus den
jungen und alten Damen, sondern
·auch aus den jungen und alten Her
ren des ungarischen Adels. Und diese
wurden Sigrid bald bei weitern lä
stiger als jene. Fast voni ersten Tage
ein hatte sie sich gegen Huldigungen
und Aufmerksamkeiten zu wehren, die
ihr ost genug das Blut ins Gesicht
steigen ließen und die sie mehr als
einmal in Versuchung führten, ihre
wenigen Habseligteiten zu packen und
kch zu ihrer Schwester zurückzusliich
en.
Vielleicht war es einzig ein Rest
von Trotz oder Eigensinn, der sie hin
derte, zurMutter zurückzukehren Sie
hätte es in der That als eine gar zu
tiefe Demütbignug empfunden, wenn
sie ihrem Schwager hätte eingestehen
müssen, daß seine Warnunan berech
tigt gewesen wären und daß sie wirt
lich noch nicht stark genug sei, den
Kampf ums Dasein auf eiqene Faqu
zu führen. Da wollte sie doch lieber
aushalten, solange es ging. Hoffte
sie ja auch von Tag zu Tag, etwas
anderes-, besseres zu finden.
So lagen die Dinge, als plötzlich
ein Telegramm Bernds sie an dag
Krankenlager ihrer Mutter rief. Die
Fassun der Depesche ließ ihr lau-T
einen Zweifel, daß sie nur noch eine
Sterbende antreffen würde. Schon
vom ersten Tage nach der Katastrophe
hatte sie ja ge?ürchtet, daß die Kraft
der kränklichen Mutter, nicht mehr
ausreichen würde, den grausamen
Schicksals-schlag zu verwinden. Aber
sie hatte dann doch wieder zu hoffe1·I
angefangen, daß ihre Mutter sich im
warmen Sonnenschein der sie umge
benden Kindesliebe zu neuem Lebens
mnthe und neuer Lebensfreude erho
cen könnte.
Es war eine fchrnerzliche Täu
Yhung gewesen. Namen-los traurige
a e gingen den Schwestern dahin,
wii end sie das schwache, zitternd:
liimmchen des zu Ende gehenden
nschendaseins immer ängstlicher
lockern und schließlich verlöschen se
·n mu ten, ohne daß ihre bangende
rebe acht gehabt hätte, ihm neue
Nahrung zu eben. Daß der Mutter
Tod ern sanfieL fchmerzloses hin
über lei»ten«und ihr lestes Wort ein
Wo Asie-etlichen Dankes siir alleLiebe
nnd ufopferunsawah war der ein
,« R lindernde lsarn fiir das tiefe
» h der Wunde, die ihr «nscheiden
j; dein Herzen der beiden chwelteen
schling. Ja Zenen Tagen ··tte Sigrid
es ern allerweni it r sich ge
wonnen, der Schwe r zu dem gro
x · Kummer auch n die Sorge um
’ kleines Ungern
da W« M antfezubuxds
se e n un r nun r
Wo Urasisn n erfolgt, so
spsrs sie dies-W l · hin ge
en, Matt-e the DR aus u
- Ia dem frischen sahe er
Erzele sit-Te
n pe r
. nndnnbedew
« -- EIM und M
; s IMM« ihm
e, .
i
Kampf tapferer und getrosteren Mu
thes als bisher weiter zu tämpsenj
Mit den guten Vorsätzen allein
aber war es doch nicht gethan. Und
es kamen Ereignisse, die alle ihre
Entschliisse nothwendig vereiteln muß
en.
Herr Bein Hat-kann der mit sei
nem Photsåeaphieken ein seht wohl
Faknder ann geworden war, zog
ich vorn Geschäft zurück und überließ
das Ateliet einem jungen unverhä
ratheten Neffen, der bis dahin in ei
ner kleinen ungarischen Stadt etabiikt
gewesen war und dessen Persönlichteit
Sigtid vom ersten Tage an einen un
übetwindlichen Widerwillen einslößte.
Zu ihrem Unglück war diese Empfin
dung keine gegenseitige Das hüb
sche junge Mädchen schien ihm viel
mehr ausnehmend u gefallen und die
Mahnungen diees Wohlgefallens
waren derartige, daßSigkid am drit
ten Tage nach seiner Geschäftsüber
nahme ohne vorausgegangeneiiiindi
gung das Atelier verließ, um es nie
melzk zn betreten.
Sie harte wankend ihrer orgoerrgen
Thätigleit einige Ersparnisse gemacht
und sie fing sogleich an, sich in ihren
Ausgaben aus das Aeußerste einzu
schränken, um so lange als möglich
damit auszulommen. Aber selbst
wenn man ein Kämmerchen unter
dem Dach bewohnt und in der Haupt-—
sache von Brod und Kaffee lebt, muß
man Geld dafür ausgeben. und sie
sah mit Bangen ihre kleinen Erspar
nisse von Tag zu Tag mehr zusam
menschmelzen, ohne daß ihre Be
mühungen. eine andere Stellung zu
finden, von Erfolg ewesen waren
Trohderni dachte sie nicht daran, sieh
der Schwester zu offenbaren. Das
Eingeständnisz ihrer Ohnmacht undi
Hilflostgleit wäre ihr schrecklicher ge
wesen« als alle Entbehrunigen, die sie
sich auferlegen mußte und alle Te
miithi ungen, denen ein alleinstehen
des Mädchen ausgesetzt ist, wenn es
sich um eine Anstellung oder Beschäf
tigungs bewirkt. —
»Ein junges Mädchen von vor
nehmen Umgangsformen. musika-»
lisch und der französischen Sprache;
vollkommen mächtig. gewandteRei-l
terin, Tennisspielerin usw« witbs
bei hohem Gehalt zur Gesellschafts
für eine neunzehnjährige Truges
Dame in reichem hause gefuchtw
Rücksichtsvollste Behandlung und,
soweit thunlieh, Familienanschluß
werben zugesichertss
Oieie verioaenoe unnonce ira: eg.
die Sigrid eines Morgens, als das«
Barorneter ihrer Zutunftghoffnungeni
so ziemlich seinen tiefsten Stand er-i
reicht hatte, mit neuer, wenn aucls
vorerst nur ichwacher Hoffnung er-?
stillte. Was man. da verlangte,
glaubte sie ja wirtlich leisten zu tön-»
nen, obgleich es schon eine gute Weile;
her war, daß sie teine Taste niedr an
geriihrt, tein Pferd mehr bestiexeris
und tein Nacket mehr in der Hand ge- «
habt hatte. Sie reichte also ihre Os
serte ein und harrte voll Sehnsucht;
und Spannung des Erfolges. l
Sigrids Bewerbuna nrn die ausge- J
schriebene Stelle einer Gesellschafts-l
rin hatte rascheren Erfolg, als diel
lühnsten Träume es ihr hatten vor-!
spiegeln können. Arn nächsten Mor
gen schon erhielt sie einen oornehin
aussehenden Brief auf dickem Bitt
tenpapier mit der höflichen Ausforde
rung, sich um fünf Uhr Nachmittagsl
bei Herrn Anton Herrlinger in der
Radialstrafze zJ melden· Als sie
dann in dem prächtiqen Hause von
einem galonirten Diener empfanaen
und durch mehrere füftlich eingerich
tete Näume geführt wurde, klopfte ihr
doch ein wenig das herz vor Furcht,
daß die Vornehmheit ihrer Umgauke
formen den gehegten Erwartungen
nicht ganz entsprechen könnte.
Beim Anblick des Hausherrn frei
lich, der sie in seinem pomphaft aus
geschmückten Arbeitszinimer empfing,
wurde ihre Bellommenheit schon we
sentlich geringer-. Denn ein Sachver
ständiger in Angelegenheit des u
ten Tons nnd der wahren Vorne in
heit war dieser kleine, starle herr An
ton herrlinger doch wohl taum.
Sie erwartete natürlich eine stren
ge Prüfung, aber die So lief über
alles Verrat-then glimpfl« ab. Herr
Herrlinger wies auf einen vor then
ausgeftapelten Stoß von Briefen und
theilte ihr lächelnd mit, daß er auf
sein Jnferat nicht weniger als sieben
undfiinfzig Of er«ten erhalten habe,
zum grökten Theil von Damen des
Adels. nd mit einigem Nachdrack
fügte er hinzu: (
»Da ich selbst meine Nobilitirnng i
binnen kurzem erwarte, wäre es mir;
in der That nicht unerwiinscht ewe- 3
sen, meiner Tochter eine junge niei
von aristotratischer Derlunst als Ge
Leellschazterin n geben. Und ich hatte
that bete I sämmtliche bitt erli
chen Bewerberinnen ausgesch enj
als mir zufällt npeh einmal Ihr-.
Brief in die hän tel. Der Raine,
nett seiner W » tst veran-«
Mir-»inn- uieim Mich k-»
"daß2er Irr W feines e
" sUk sc
m . III-ei recht v-l
ELW KAT- Zwchiägegelltexi
I
nen Werth beimißt, hat. auch in der
Regel keinen. Und dann war «
noch etwas, das mich site Sie ein
nahrn. Sie schrieben, daß Sie dte
Tochter des Geheimraths Gerhard
Breitenbarh seien. Das hätte wohl
nicht jede an Jhrer Stelle gethan.«
Mit allem Stole ihrer leicht ge
kräntten Natur erwiderte Sigm-, daß
sie durchaus keinen Grund hätte, ihre
Herkunst zu verleugnen. Und e:
nickte ihr wohlwollend zu.
»Von meinem Standpunkt aus ge
wiß nicht«, stimmte er bei. »Aber
»Sie konnten doch schließlich nicht wis
Isen, daß Sie es in mir mit einem
;vorurtheilsfreien Manne zu thun
Jhiitten —- mit einem Manne-, der Ih
»ren Herrn Vater persönlich gekannt
Hund der dle größte Hochachtung vor
seinen kaufmännischen Fähigkeiten
«3eigt. Bei hundert anderen, mein
lieb-es Fräulein, würde diese Aufrich
tigleit hinsichtlich Ihrer Familien
oerhältnisse Ihnen-eine schlechte Em
’pfehluna gewesen sein.«
Sigrid war sehr nahe daran, Herr
lingen eine Antwort zu geben, die
den Verhandlungen wahrscheinlich ein
schnelles Ende bereitet hätte. aber der
gutmüttyige Ausdruck seiner freundli
chen Augen hielt sie davon ab. Er
wsar sicherlich der Meinung, ihr etwas
»sehr Liebenswürdiees zu sagen, und
Jhätte ihre Empfindlichleit vermuthlistj
aar nickt verstanden. Darum schluckte
sie das bittere Wort tapfer hinunter
»und stand ihn Rede auf seine weite
Iten Frauen. An ihrer bisherigen
.Thätigkeit in Hartanns Atelier schien
er leinen Anstoß zu nehmen, und was
sie ihm über ihre Kenntnisse wie über
ihre sportlicken Talente sagte, glaubte
Her ihr aufs Wort. Nur ihre einfache,
gchwarze Kleidung mißfiel ihm offen
ar.
»Sind Sie noch immer rn
Trauer?« sagte er. »Das macht sich
nicht gut. Und es muß doch auch
fchon länger als ein Jahr her sein«
;daß Jhr Vater —««
; »Ich betrauere meine Mutter, Herr
Herrlinget, die vor acht Monaten ge
Iftorben ift. «
- »Ah, das ift etwas anderes-das
wußte ich nicht. Dann darf ich h
-nen allerdings nicht verwehren, ich
.fchwarz zu lleiden, obwohl es, wie
:gefagt, keinen fehr angenehmen Ein
druck macht. Uebrigens lann ich h
nen nicht verhehlen, mein lie s
Fräulein, daß ihre Frau Mutter fehr
schlecht berathen geweien fein mus,
als ste freiwillig auf die ganze Erb
schaft rhresMannes verzichtete. Sehr
ehrenwerth —- das will ich zu eben·
Auf demWege gütlicher Verhan lang
wäre doch wohl eini es Kapital zu
retten gewesen. Es cheint, da Ih
nen damals kein erfahrener enfch
zur Seite estanden hat. Schade, daß
ich nicht f on u jener Zeit das Ver
gnügen hatte, f--ie zu iennen.«
Die Konoeriation hatte damit wie
der eine bedenkliche Wendung genom
men. Und wer weiß, ob sich bei Sig
rids noch immer etwas ungezügelteni
Temperament nicht doch eine für ihre
Enga ementsaussichten verhängnis
volle ataftrpohe ereignet hätte, wenn
nicht gerade zur rechten Zeit Fräulein
Maja, die einzige Tochter des vor
drei Jahren verwittwetenherrn betr
linger, erschienen wäre. Sie fah aus
wie ein zierliches Bögelchen. Etwas
Flatterndes war in ihrem Gang und
etwas Zwitfcherndes in ihrer Art,zu
sprechen. Jhre neunzehn Jahre mertte
man ihr nicht an, um fo mehr aber,
daß sie sehr verwöhnt und ohne alle
eigentliche Erziehung aufgewachfen
war. Gerade deshalb aber gefiel sie
Sigridxsleich auf den erften Blick fehr
gut. it einer vollkommenen Welt
danke von der Art, wie sie sie heihav
tanh siennen gelernt hatte, wäre sie
·denfalls viel schwerer fertig gewor
en.
Und Maja kam ihr mit einem
wahrhaft rührenden Zutrauen ent
gegen. Als Hrr Anton Herrlinger
id: mittheilte, daß er sich soeben mit
der neuen Gesellschafterin verständigt
hiitte ——— was- übrigens gar nicht der
Fall irae -—— streckte sie ihr aus eine
sehr drolli i liebenswürdige Weise
ihre beiden stände entgegen und sagte,
Eigrid sähe so aus-, als ob sie sie
sehr lieb gewinnen würde. Und gleich
heute müßte sie kommen, denn seitdem
sie ihre schreckliche Miß Henderson
«liicklich losgetvorden sei, wäre sie
schon mehr als einmal nahe daran ge
wesen, vor Langeweile zu sterben.
Sigrid ließ sich denn auch nicht
lange bitten und wurde noch am näm
lichen Tage feierlich unter rrn An
ton Herrlirgers Hausgeno en wäge
nonrmen. , ie hatte sich sür den -
endlick auch über ni is zu hetlagen.
«enn sie erhielt ein« immer, wie sie
es nicht einmal in ihrem Elternhause
schöner und lomsortabler Inghaht hat
te. Sie hatte an jedem argen ihr
Bad, ein Mädchen u ihrer speziellen
Bedienung und spei e dreimal täglich
an einer luiullisch besetzten Tafel.
Man behandelte sie ganz so, als oh sie
ur Familie gehörte, und das »Ta
igpengeldc wie Herr Irrlinger zart
"h-lend das in der nnonce ange
hotene Gehalt genannt hatte, reprä
Leentirte eine sitt ihre Verhältnisse be
utende Summe.
Frau in Ma«a»tvar zwar das lau
nenhosi e Gechopschen unter der
iSonne, aber dabei voll so anmut iger
iSchalthastrgieit und von so ·bek
sprudetndezn Temperament daß ed
ganz primus-ich war, ihr länger als
sauj eine inuten böse zu sem. Da
HGrgrid he immer- nut soweit quili
Ilen Dar, alt ei ihr vernünftig schien
zund sich mit ihrer Seil-stacheng ver
stum- stskt sie täglich mindestens ein
«
dusendmal ihre allerliebstes Schmoll
miene auf, um der Gefellschafterin
ebenso ,oft mit elementarem Ungestüm
um den halt zu allen und fie wie ein
Kind um Verzei ng zu bitten. Die
harmonie ließ al o im Grunde nichts
zu wünschen übrig, und Herr Anton
Herrli er erfreute Sigrid schon nach
kurzer-seit durch die offenbar ganz
ehrlich gemeinte Versichevun , ihr
rinstiger erzieheriseher Einflu auf
fein Töchterrhen sei bereits ganz un
verlennbar.
Das einzige, was Sigrid etwas be
drückend empfand, war der Mangel
an persönlicher Bewegungsfreiheit
Fräulein Maja nahm sie vornMargen
bis zum Abend für sich in Beschlag,
und da sie sich nun einmal verpflichtet
hatte. ihr Gesellschaft zu leisten, durf
te sie taum versuchen, sich dagegen
zu sträuben. Erst als die eigentliche
Saison der gefelligen Ver niiaungen
ihren Anfang nahm, durfte sie sich
ciniae Erleichterung ihrer Pflichten
versprecken, denn mit Rücksicht auf
ihre Trauer wurde sie von der Theil
nahme an allen größeren Veranstal
tungen im Hause entbunden.
Auch bei dem heute veranstalteten
großen Diner hatte man nicht auf
ihrem Erscheinen bestanden, und Sig
rid benutzte die auf solche Art gewon
nene Freiheit zu einem langen Briefe
an ihre Schwester, als Fräulein Maja
in ihrem duftigen Gesellschaft-stud
chen. das ihr wirklich zum Entzücken
stand, wie auf Flügeln des Sturm-»
winds in ihr Zimmer geslattert kann
Sie hatte dem Verlangen, ihrem über
vollen Herzen Luft zu machen, offen
bar nicht länaer widerstehen können
Der Gast, dem zu Ehren Herr An
ton Herrlinger das heutige Diner ver
anstaltet hatte, mußte in derThat ein
außergewöhnlicher Sterblicher sein.
Solange Sigrid hier im hause war,
hörte sie von ihm nur in Aus-drücken
der höchsten Bewunderung sprechen
nnd man hatte seinem heutigen Be
suche wie einem großen Ereignisse
eutgegengesehen.
Und doch war er weder ein ke
riihmter Künstler noch ein bedeuten
der Polititer oder dergleichen, sondern
nichts als ein einfacher Ingenieur, der
Direktor eines Kohlenbergwer zu
dessen Besitzern auch Majas Vater ge
hörte. Es hieß, daß man seiner Tüch
tigkeit die Erschließung einiger sehr
ergiebiger Flöze zu verdanken habe,
und nach dem Aufsehen u ertheilen,
das im herrlingerschen Hause davon
gemacht wurde, mußte diese Leistung
wohl eine ebenso schwierige als ver
dienstliche sein. »
Herr Anton Herrlingers Antlitz
nahm jedesmal einen Ausdruck ehr-«
lichster Verehrung an, wenn er seines-;
Direktors erwähnte. Und es war da- i
rum nicht gerade ein Wunder, daß-»
Fräulein Maja mit sehr hochgespann- ;
ten Erwartungen dem Erscheinen dezs
Vielgepriesenen, der heute zum ersten-l
mal aus seinem Kohlenrevier nacht
Budapest etornmen war, entgegen
sah. Da te aber von den Herren ih
res Umgangstreises sehr verwöhnt
wurde und sich ihren zahlreichen Ber
ehrern gegenüber äußerst kritisch ver
hielt, war Sigrid ziemlich sicher ge
wesen, daß es auch diesmal mit einer
großen Enttöuschung enden würde.
er Enthusiasmus jedoch, mit dem
die junge Dame jetzt von den ersten
Cindriicken der neuen Bekanntschaft
berichtete. schien gerade das Gegen
theil zu beweisen. Nach ihrer Schil
derung mußte sich der Heu Berg
wertsdirettor schon äußerlich sehr zu
seinem Vortheil von den bisherigen
Verehrern Majas unterscheiden, und
er hatte durch seinen Geist wie durch
die imponirende Sicherheit sein-ef
Auftretens« offenbar alles in den
Schatten Sei-stellt was sich bisher vor
raulern ajai Triumvhwagen ge
nannt hatte. Sigrid sagte sich in
drr Stille ihres Herzens, daß er ohne »
Zweifel schon jetzt qewonnenes Spiell
haben würde, wenn es etwa in seiner
Absicht lag, urn die Gunst der reichen
jungen Erbin zu werben»
Troh des aufrichtigen Interesses
das sie an dem jungen Haustiichter
ctken nahen, würde Stgrid noch immer
wenig begierig gewesen sein, au ih-«
rerseits die Betanntschaft des an chei
nend so unwiderstehlichen Herrn zu
machen, wenn nicht Maja behauptet
hätte, er tönne ihr gar tein Fremder
mehr sein, sondern müßte zu ihren
alten Betannten gebären. Sie Ia te,
durch irgend einen Zufall sei be i
sche auch der Name Sigrids erwähnt
worden und der Bergwertsdirettor
habe da plötzlich eine ssn außerordent
iehe Theilnahme für re und ihre Ia
rnilie an den Tan gelegt.
Ei machte sie ,aft verdrießlich, daß
Sigrid mit aller Entschiedenhåit da
bei blieb, ein here Walter iittner
gabe ihres Wissens niemals ihren Le
enstoeg getreuzt. Und sie ertliirte,
daß sie nicht eher ruhen würde, als
bis sie die beiden einander gegenüber
Peftelli habe, um sich von der Richtig
eit ihrer Bermuthung u überzeugen.
Sigrrd mu te ihr ver brechen, einem
solchen Zu amtnentreffen nicht aus
uwetchen. und erst als die jun Ge
tellfchafterin ihr lächelnd diee Zu
age gen-acht, wie man eben einem
ei ensinnzgen Linde zu Willen ist« um
si endlich kleines Drängens zu er
we en, ieh e Maja u der Tischge
sell chast fzurück, von igiridi nett-lo
feu Wein then begleitet.
Wenige Minuten später atte die
Einsame den vielgeriihmteki Verg
wer sdirektoe, ein so außerge
toö nlieher Mens sein sollte, n
wieTer vollstä sfen. stksie
atte eben i dend Jana-geh le
n e en u i eet
regen Lebens den Glauben an hem
Freundin (die bei einer Wittwe zum Knödelessen eingeladen ist): »Wa:
das nicht Jhtes Mannes Leibgericht2« «
Wittwe: »Ach ja; lommt’s Jhnen nicht vor, als ob et lächelte der Gute?«
W
ßergewöhnliche Menschen verloren
Und sie war sehr geneigt, zu vermu
then, daß dieser Herr Walier Miit
ner nur vielleicht ein etwas geschickte
rer Schauspieier sei als die anderen
Verehrer und Trabanten ter reichen
Erbin.
15. Kapitel
Maloe von Degerndors saß am
isfenster ihrer tleinen Mietbswobnnng
im der Residenz und wartete aus die
Heimiehr Bernds. Und da ertönte
iauch schon die Flurtiingel und um
das Mädchen, das in der Küche zu
thun hatte nicht in seiner Arbeit stö
ren zu lassen, ging sie selbst hinaus,
um zu öffnen.
« Ein Dienstmann stand vor ihr, der
»ihr einen Brief in geschastsmäßig
Taussehendern Umschlage überreichte
Maive erkannte sofort die Handichrist
ibresManneö, und die eigentbiimliche
Bangigkeit, von der sie seit einiger
Zeit bei den geringsiigigsten Anlas-!
sen heimgesucht wurde, wollte wieder
ihr Herz beschleichen. Sie fragte den
Mann, ob er auch eine Antwort über
bringen solle, und da er verneinte,
kehrte sie in das Wobnzimmer zurückt,
um erst dort den Umschiag des Brie
fes zu lösen.
Der aus einen Bogen mit der vor
qedruclten Firma Hillmer Fa Co. ge
chriebene Brief war nur wenige Zei
len lang und lautete:
»Liebe Maloel :
Erwarte mich heute bitte nicht»
zum Mittagessen. Jch bin durchs
geschäftliche Angelegenheiten derarti
m Anspruch genommen. daß ichs
nicht voraussehen kann, wann ich(
nach hause kommen werde.
Herzliche Grüße! Bernd.«
l
l
Es war während der letztenWochen
xchon öfter vorgelomrnen. daß ihr
onst so pünttlicher Gatte die häus
tichen Mahlzeiten nicht regelmäßig
innegehalten hatte. Und Malve nur
de sich wohl auch heute iiber die Mit
theilung nicht weiter beunruhigt ha
ben, wenn ihr nicht Bernds veränder
teö Wesen ohnedies Anlaß zur Sorge
gegeben hätte. Er ! tach zu ihr nie
mals von seinen ge chiistlichen Ange
legenheiten, aber sie zweifelte tro dem
nicht daran, daß er neuerdings nlaß
habe, mit ihrer Gefiattung unzufrie
den zu sein. Wie angelegentlich er
lich auch bemühen mochte, ihr eine
heitere, unbefangene Miene zu zeigen,
und wie wenig Grund er ihr auch
gab, sich iiber einen Mangel an Zärt
lichkeit und Liebenswiirdigteit zu be
tlaaen. date er sich häufig Gewalt
anthun mußte, seine übte Stimmunal
zu meistern, war ihr darum doch nich:
entgangen. Er war ost ausfallend
zerstreut und von einer Nervosität,
die sie sonst nicht an ihm getanni
hatte. Auch das war ihr ausgetallen,
daß er sich neuerdings manche von den
tleinen Bequemlichleiten und Ver
gniigungen versagt hatte, die er bis
dahin noch aus den Tagen seiner Oss
sizierstarriere beibehalten. Mit ei
nem Scherzwort war er ihren dadurch
hervorgerufenen Fragen ausgeioichen,
aber ihr durch die Liebe gejschärstes
Auge hatte wohl bemerkt, . sz er in
Verlegenheit gerieth, und daß sie da
einen Gegenstand beriihrt hatte, der
ihm peinlich war.
Jn sorgenvollen Gedanlen ließ sie
sich vor dem Nähtischchen arn Fenster
des Wohnzimrners nieder. Aber die
Arbeit, die sie vorgenommen hatte,
wurde nur wenig esiirdert Bald
lagen die s anlen "nde. die sonst
die Nadel o slint zu führen ver
standen, müßig im Schoße. Mächti
ger als seit langem stürmte die Erin
nerun an alles das, was sie seit ih
rem oeh eitötage erlebt hatte, aus sie
ein« Nr t aus Bernd freilich siel die
Verantwortung für das, wag ihr
fett in diesen Erinnerungen schmerz
lizch und bedrückend erschien. Er hatte
sein unverschikldetes Schicksal aus sich
genommen wie ein Mann von Her-z
und Ehre. Jn ihrer siinszelmmonat:
lichen Ehe gab es nicht eine einzige
Stunde, da er Malve gegenüber den
Unmnth til-er Heim erstörten Hofs
nungen hatte rr ii sich werden
la en. Er war ihr immer derselbe
an merksame und ritetsichttvotle Gatte
geblieben, der er an ihrem Stockhol
mer Kranicnla ers-gewesen war. Und
nur der Scharsltl der Liebe hatte
sie hier nnd fsda errathen lassen, nie
Ischtoer ek in Wahrheit unter den ver
länderien Verhältnissen litt.
; Von vornherein hatten sie ihr Le
ben aus dem bescheidensien Fuße ein
erichtet. Nach einem sechstvöchents
iclsen Aufenthalt in dem billigen,
isiiddeutschen Badeort, dessen wildes
Iklima Malve vie ewiinschte Kräfti
gung im vollsten aße gebracht, hat
ten sie in der åauptitadt das kleine.
dreizimmetige uartier bechen, das
sie heute noch bewohnten. Von der
mächtigen Ausstattung, die der Kont
merzientath siik das künftige Heim
seiner Tochter angeschafft, hatten sie
nichts behalten. Mit unbeugsaniek
Entsckiietenheit hatte Beknd darauf
bestanden, keinen einzigen Gegenstand
vor iraendwelchem Werthe aus dem
Nachlaß seines Schwiegervaters an
zunehmen. Selbst ihre Schmuckias
chen und die kostbaren Hochzeitsge
schenke hatte Malve zugleich mit der
lururiösen Einrichtung des väterlichen
Haushalt-Es versteigern lassen müssen.
Der Erlös war ebenso wie die ihm
als Mitgift überlassene Million der
Kanturstnasse der Handelsbank zuge
flossen.
Da das Kapital, das» ihm zur Ber
fiigung stand, zu gering war, um
eine größere selbitftandiae Unterneh
mung zu ermdglichen, ude da er sieh
der Hilfe fremden Geldes durchaus
nicht bedienen wollte, so hatte Pernd
zunächst versucht, eine feiner Bildung
und feinem Stande entsprechende
Stellung zu erhalten. Aber das-»Er
gebniß dieser Bemühungen war wenig
ermuthigend gewesen. Er hatte gleich
so vielen anderen die Erfahrung ma
chen müssen, daß man gerade dem ver
abschiedeten foizier überall mit
Mißtrauen entgegenkommt —;— einem
Mißtrauen, nicht fo sehr hinsichtliih
seiner Fähigkeiten als hinsichtlich sei
ner mit in das bürgerliche Leben hin
übergenommenen Standesvorurtheilr.
Eine mehrmonatliche Thätigteit als
Leiter eines großen Fahr- und Reit
inftitutö hatte ihm ausgiebige Gele
aenheit gewährt, alle die peinlichen
Unzuträglichteiten tennen zu lernen,
die sich aus der Abhängigkeit vonLeus
ten ergaben, die er nach Hertommen
und Bildung als tief unter sich ste
hend betrachten mußte. Die Besitzer
des Unternehmens hatten sich zwar
feines vornehmen Namens als eines
Aushängefchildes für ihr Institut he
dienen wollen, im persönlichen Ber
lehr aber suchten sie in so verle ender
Weise die Brotgeber herauszu ehren,
daß Bernd auf den gut bezahlten äh
sieii frhuldi zu sein glaubte. nd
er hatte siis nach dieser ersten üblen
Erfahrung nicht entschließen lönnen,
sieh wieder in ein ähnliches Abhängig
teitsverhältniß zu begeben
Da hatte der Zufall ihn mit einem
Negimentztamera en, dem verabfchie
beten Hauptmarn Georg hillmer zu
sammengefiihrt, der sieh ihm noch in
dem Verhältniß des Vorgefehten be
funden, nicht gerade vertraute Freun
de gewesen· Die allzu fchneidige und
etwas prahlerisehe Art des Haupt
iiianns hatte Bernh wenig lhnipas
this-h berührt( Aber er hatte der ol
datisehen Tit tigteit des Mannes m
iner volle erechtigleit widerfahren
lassen. «Mit Bedauern hatte er ehstt,
daß hillmen nachdem sein holen
drang ihn veranlaßt hatte, Dienst bei
der afri antfehen Schuhtrupde zu ne
men, infolge heftiger Zufainmenftii e
mit einein ihm übergeordneten Civtli
beamten genothigt gewesen set, die mi
litarifche Laufbahn zu ouitiren—. Und
er war ihm bei der Wiederbege nung
deshalb non vornherein foeun licher
und herzluher entgegen etomrnen, alt
es wohl unter anderen mstiinden der
Fall gewesen wäre.
Gortfetzung solgt.)
Jn No. 110 der Berliner Morgen
post etsähkt man aus den hauswitts
schastlichen Plaudereiem Auch kleinere
Erdbeben für eine Frühsommerbowle
waren vereinzelt schon ausgestellt
Ervbeben sind ja jetzt sehr modern, wir
raten aber von solchen Bowlen ab, da
sie Schwankungen verursachen
I I O
Der Kongteß mag im Zweifel dat
iibet sein, wer die projektiekte Fleisch
Mvettion bezahlen soll, das Publi
sst es tücht. .