Yeöraska Staats-Anzeng nnd Yerold — » Abend. Markt und murmelt ein verfchlafnek Bronnen... Mti den Augen tief und trauten-er sonnen Steigt der Abegjd von den Höhen nie er, Und die Sehnsucht singt verwirrte Lieder, — Flattert ruhlos über Thal und Hij » geln Mit den goldtestäubten Falterflü gelu. Miide aufgefcheuchte Träume gleiten Jsi das große Meer der Einsam teiten... E. Starigen. DOM Treue. Novelle von Luise Schulze « - Brück. Jeden Mitta um 12 Uhr ——pu«nlt 12 Uhr —- ma t sich der pensiontrte Major Langhagen zum Ausgehcn be reit. Ob die Sonne vom Himmel glüht, daß die Luft wie ein Feueroscn got-er ob der Regen stromt oder der -« chnee stillt-ob esso laltist, das; die Spatzen ausgeplustert sitzen und kläglich pipsen—jeden Mittag qpuntt 12 Uhr legt der Major das Manu skript des militiirischen Wertes, an dem er arbeitet, sorgfältig zur Seite, gibt seinem Zylinder einen leisen Strich mit dem Aermel, setzt ihn vor sichtig auf sein turzgeschorenes, eisen graues Haar, streicht seinen Schauer bart sorgfältig in die Höhe, nimmt den tock mit der Elfenbeintrücte und geht aus. Er geht durchs die enge Straße des-; kleinen Restes, iiber den Marttplatz« wo der Brunnen rauscht und die Lin den stehen und vor dem Postbureau ein paar Honoratioren aus ihre Zei tung warten, in eine andere stille Straße hinein und durch sie hindurch und immer weiter, wo die letzten Häu ser stehen. Das allerletzte Häuschen kann er schon von Weitem sehen, ganz von Weitem. Jn der Mitte die Hausthür, aus Leder Seite ein Fenster, im erstenStoct rei enster. Vor dem Haus ein klei nes ättchen mit buchsbaumumsaßs ten Nadatten, darin blühen im Som mer Zentisolien und Reseda, Helio trop und Reiten Und hinter dem Fenster links-, wo die weiße Gardine etwas- zurückge schoben ist, und wo immer ein Topf mit einem Myrtbenbaum steht, da steht man einen Frauentops itber eine Arbeit gebeugt und wenn der Major näher kommt, dann gibt er sich einen Ruck und zieht den aninder tief als, ganz ties und macht einen steifen Die ner und wirst sich dann in die Brust und geht weiter. -—-- Manchmal im Frühjahr, wenn die Lust laurst und in dem tleinen Garten die ersten Veil cksen blühen, dann ist das Fenster ein wenin ossen, der Myrthenbaum steln draußen und der Fermenton ist dann deutlich zu sehen. Dann bleibt der Major einen An genblict vor dem Gitter stehen und das Fenster Wird zurückgeschoben Er macht noch einen Diener und dann bemüht er sich, seine Kommando stimme möglichst zu diimpsen und er sragt mit leisem Tone: »Wie geht·g dem Herrn Vater, verehrte-s Fräu lein?« Dann antwortet eine ganz ge diimpste Frauenstmme: »Ich danke, Herr Major, es geht wie immer. So weit ganz gut.« Der Major macht wieder eine Ver beugung und sein Gang ist vielleicht nicht ganz so straff als sonst, weiler den Kopf ties beugt nnd nachzudenken scheint über etwa-:- Schtveres und Ernsteg. · zehn Jahre rang maan nun schon der Major alltägiich diesen Gans. Zehn Jahre wohnt er in der lleinen Stadt. Zehnundeinhalbes Jahr wohnt das Fräulein von LIJiannstedz in dem kleinen Hause, wo sie ihren tranlen, gelähmten Vater pfleat. Sie sind von draußen aus der Welt hier her verzogen, weil der Kranke Stille haben muß, weil jedes Geräusch ihn ausregt, ihn quält. Der Major war damals noch Hauptmann und der Oberst von Mannstedt war sein Oberst. Rein an genehmer Vorgesetzter, nein. Kein guter Vater seines einzigen Kinder-, wie er auch lein guter Gatte gewesen war. Ein harter, eigentoilliger Mann. Seine Tochter war nöthig zu sei nee Bequemlichkeit zu feinem häus lichen Leben. Sie sollte auch um ihn bleiben, sür ihn sorgen sein Leben Lebenlang. Sie war no zsjirng, um sich da gegen auszubäumen Und sie hatte noch leinen gesunden, um den sich solch ein Aufl-säumen gelohnt hätte· So saß sie daheim, kochte ihres Vaters Lieb lingsgerrchth hielt ihrer Vaters Masche in Ordnung und stopfte hres Viters Strümpfe Das war kein solch heiteres Leben. Aber ihr schien doch die Sonne, lachte der blaue Himmel und dusteten Jas snin und Rosen. Und Jasrnin und Rosen dusteten uch« in r Nacht nach jenem ersten unrtage, an dem ihr her-z aufgewacht war. wie jene Blumen, die heute noch in der grünen- harten Knospe verbor aen stecken und morgen ausbliihen in Pracht und herrlichteit Sie waren den ganzen Nachmittag zusammen gewesen. der junge Haupt nra n und die junge Tochter des Ob ellen, aus der Sommerlandpartief W des Regiments. Sie waren zusam men denkijhlen Waldweg entlang ge schleudert, wo die Zweige der Buchen sich oben zusammenwölben wie ein Dom und am Boden hohe Farren kräutet schwanken und smaragdgrü nes Moos große Polster bildet und blaue Glockenblumen auf schlanken Stengeln zittern. Sie waren zusammen heimgegan gen-Arm- in Arm hinter den andern, nnd da, wo der Wald dunkel war, da hatte er sie geküßt. Und fie küßte ihn wieder. Und als sie nachher in ihren: Bette lag im Dunkeln. während der Strauß von Rosen und Jasmim den er in! Dorfgarten für sie gepflückt hatte, so lsetäukend dustete, da war ihr gewe sen, als habe sie bisher im Dunkeln gelebt, in einer anz sinsteren Höhle nnd nun habe ich ihr eine Pforte aufgethan und sie stehe vor der Son ne, vor der grünen, blühenden, strah lenden Welt voll Licht und Glanz und Glück und Seligkeit. Und spät war sie eingeschlafen und Lonnige Träume waren durch ihren Wurf gezogen. - Sie wurde wach am Morgen durch ein Poltern an ihrer Thüre. Sie sprang- auf, verstört ersciorchen —sie brachten ihren Vater heim, der beim Morgenritt mit dem Pferde ge stiirzi war und sich verletzt hatte-— Von dein Lager, auf das sie ihn da mals legten, stand er nicht mehr auf Das Rückenmasrt war verletztA eine Lähmung hatte ihn ergriffen, die erft leicht war, dann langsam fortschritt. Langsam, ganz langsam. Wenn das Fräulein vonMannftedt an die zwanzig Jahre zurückdachte, die seitdem verstrichen waren, so war es ihr, als sehe sie in ein graues Nebelmeer, das niemals ein Sonnen strahl durchdrang « hn ahre lang- hatte der Oberst n , geho ft. Erst heftig und ungedul dig von Tag zu Tag-, von Woche zu Woche, dann angstvoll von Monat zu Monat. Zuletzt in einer dumpfen Verzweiflung von Jahr zu Jahr. -——» Zehn Jahre lang! Dann hatte er die Hoffnung auf gegeben. Sie waren nach der kleinen Stadt gezogen und in· das kleine Haus tnit dem Garten vor den Fen stern, und in der Stube, an deren Fenster der Myrthenbaurn stand, lag er nun zehn Ja re als eine schwere-, unbewegliche Masse und wartete — wartete. --— Auf wass Auf den Tod? Nein, er wollte nicht sterben. Er wollte nicht! Er wollte schno deshalb nicht, weil er nicht den Weg frei-; machen wollte fiir den anderen, der’ doch darauf wartete. Ja, der wartete nun schon zwanzig» Jahre lang. Damals, bald nachdem das Ui:-J giiict geschehen war, da war der Hauptmann Langhagen zu itkm ge-« kommen und hatte ihm gesagt, daßer seine Tochter liebe und daf; sie sich ihm nicht zusagen wollte, bis ihr Va ter wieder gesund sei. Aber vielleicht sei es ihm, dein Obersten v. Manns-s stedt, ein Trost und eine Freude, sies beide glücklich zu machen und seinei Einwilli ung zu geben· Der · berst von Mannstedt hatte gelacht, laut und hart. Das könne seiner Tochter wohl passen, über deni Bräutigam den tranken Vater zu ver gessen. Und als der Hauptmann ihn dringender bat, da hatte er ihn init diirren Worten hinausgewiesen Zu esag-en sei jetzt teine Zeit und seine Tochter habe Besseres zu thun als an Liebeshändel zu denken. Hauptmann Langhagen war ge gangen. ch Draußen stand das weinende Mäd en. Und er hatte sie nochmals an sein Her gedrückt. ,.;ch warte,« hatte er gesagt. .. Sie-schüttelte trostlos den Kopf. »Er wird niemals gesund werden. Ein langes Leben liegt vor ihm, das immer trostloser wird.« « warte!« » ein!« Sie schaudert zusammen. »Nein! Das hieße aus seinen Tod warten-« »Da sei Gott vor,« sagte Haupt inann Langhagen feierlich »Nicht guc; seinen Tod, aus dich und nur aus i .« . Sie hatte damals traurig gelächelt, irauri und ungläubig. Sie wußte ja. weis am. Der alte Arzt hatte es ihr gesagt. ,,Gesund wird er nicht wieder — es wird ein langsames Sterben. Jahrelang- tann es dauern. Besser, Oie nehmen sich gleich einen Psleger, damit er sich daran gewöhnt. Sie kön nen doch Jhr junges Leben nicht neben ihm vertrauerni Und ein Psleaer smacht das quer physisch viel besser-. sTer schwere Mann wird ganz hilflos xwerden wie ein kleines Kind. Das xtönnen Sie gar nicht durchse en." i Ein Psleger!«Sie wußte selber zu sagt-, daß das nicht möglich war. Er shatte sich mit keinem Psleger vertra gen, hätte auch gar keinen gewollt. — Und sie hatte es durch-gesetzt Zwanzig Jahre lang. Niemals- tam .aupttnann Lang hagen wieder ins »aus. Es hatte ja teinen Zweck, keinen Sinn. Was- sollte das Hin-ziehen das Warten. Er war frei —- er sollte wenigstens noch ein Glück finden. Sie wollte es so. Aber jeden- Tag Um die Mittags stunde tam ein fester Schritt an: Hause vrbei, eine Hand legte sich an den rothen Mützenstreisen und ein paar Augen schauten zu ihr hinauf, die da oben am Fenster stand. Und an jedem ersten Junitage stand ans ihrem Tische ein Strauß von Zentifolien und Jasmim lag in ihrer Hand ein kleines Sträußchen blauer Glockenblunien auf schlankem zittern-« den Stengeln. Sonst nichts-. Kein Brief, lein Zettelchen. Wozu auch! Dann zogen sie fort. Ein letztes Mal stand sie oben am Fenster, ein letztes Mal ging er unten vorüber. Ein halbes Jahr spater saßsre um die Mittagsstunde hinter dem Fenster in dem llernen Hause. Der Märzwirid stöberte die letzten Schneeflocken, die Spatzen hüpften schilpend in den Lin den. Da kam ein Schritt die Straize hinunter, eine große Gestalt, die sie fu kennen meinte. Ihr Herz stand till, eine Weile lang. Dann zog der Mann da draußen den Zylinder von dem turzgeschorenen Haar, das damals noch dunkelblond war und ein Nacken beugte sich. Und so nun schon wieder zehn Jahre. - Der Frühling zog ins Land, der Herbst löste denSommer ab, der Win ter lams und ging. Das Haar des Majors wurde langsam grau, sein Schritt ein wenig schwerer. Das Haar der Frau am Fenster war längst grau, ihr Gesicht blaß, die Augen wie berwaschen von » vielen Thränen « Aber an jedem ersten Junitag stand auf ihremTisch der Zentisolienftraus;, dustete der Jasrnin, lag in ihrer Hand das Sträußchen von blauen Glocken blumen, ans schlanten, zitternden Stengetn. Und wieder ist solch ein erster Juni. Der Himmel so blau, io blau, wie nur ein solcher Junihimniel sein kann. Tic Linden blühen und die Rosen in dem kleinen Garten. Aber das Fenster ist geschlossen, Niemand sitztdahinter Und dem Major, der da seinen Weg kommt, wird bange um; Herz. Jenes unbestimmte Bangen, das den Menschen ergreift, wenn eine Ahnuna ihn beschleicht -—— die Ahnung schwerer trauriger Dinoe, die gleichsam in der Luft schwebt, unsichtbar, nnsaszban und doch da. .. Er seht langsamen Schrittes an dem Hause vorbei —— einmal, zwei mal Und da bewegt sich die Gardinc. Ein Gesicht erscheint einen Augenblick, sahl und verstört. Er besinnt sich nicbt lange. Er gebt die Stufen binan er tlintt leise an der Thiir —- steht ini engen Flur. Wie ein Schatten gleitet eine Ge stalt hinaus ——- eine leise Stimme sagt: »Nein, nein! Jch bitte Sie.« Er sieht sie an, zum ersten Mai seit zehn Jahren. »Was ist geschehen?« fragte er. »Es ist zu Ende! Vor einer Stunde!« Zhre Stimme bricht, sie schwankt. a umfaßt er sie mit starlen Ar men. Sie liegt einen Augenblick still in diesen Armen. »Dann richtet sie sich ängstlich ans. »Nein,« sagte sie, »nein!« ,,Anna,« sagt er, »ztvanzig Jalkkc konnte ich dir nich-to sein, durfte e-: nicht. Jetzt darf ich! Und wenn c:. der dich nicht ließ, dem du dich »a opsert hast, in einem anderen Leben erwacht, dann wird er uns segnen.« Sie richtet sich aus und sieht ibn an. ,,.Hermann! Und ich bin so alt, so müde. Da iiißt er sie ans den Mund. So leise, so vorsichtig, so zart »Nun laß uns zu ihm gehen.« Sie stehen zusammen vor dem On «er. Langeschweigend. Dann legt der Äiajor seine Hand aus die Hände dec Todten. Ein Verzeihen ist’s und ein Gelöbniß. Und dann gehen sie hinaus und stehen in der Stube, wo vor dem Fen ’sterplatz ein Strauß von Zenfisolien und Jasmin dustet »und vor einen. altmodischen, verblakzten Bilde blaue Giockenblumen auxe chlanien, zittern den Stengeln blii n. · Und zwanzig Jahre versinien vor ihnen. —-——— W Barbier: »Ich habe jetzt eine ganz» neue Ranrseise, Herr Rath. Wie sin-« den Sie diese?« »Gott, der Geschmack ist so ziemlich derselbe.« Blinde Kuh. Humoresle von Karl Hugo. »Na, war’n bischen viel heute, Lämmchen, was? Aber allerhand Achs tung, die Weine waren ff. Ein sama ser Kerl, unser zukünftiger Rechtsan walt. Hat mich riesig gefreut, den pr ächtigen Menschen gleich kennen zu lernen.« Der Herr Sanitätsrath erhob sich vorsichtig und verlietz alg Letzter vie fröhliche Gesellschaft, die eben noch beim Frühschoppen gezecht hatte. Lämmchen -— das war der Wirtk »Zum goldenen Lamm« — rieb sich vergnügt die Hände. Er hatte ein brillantes Geschäft gemacht Der neugebactene Rechtsantvalt, der nackt Weinhausen gekommen war, um sich wegen Eeiner hier zu eröffnenden Praxis an Ort und Stelle zu infor miren, hatte die passende Gelegenheit wahrgenommen und sich den zur-: Friihschoppen versammeln-den Hono ratioren gleich vor-gestellt. Er war ein verteufelt lustiger Herr, und auf allgemeines Zureden hatte er sich ent schlossen, sich in Weinhaufen nieder-— lMassen. - - Balllllllycll ch chUliUclV glulllkuj iiber diesen Entschluß. So ein stotter Herr hatte in Weinhausen gefehlt, und ins »goldenen Lamm« ganz besonders. lind wer weiß — wer weiß? Die Käthe schien dem Herrn Rechtsanwialt durchaus-s nicht gleichgiltig gewesen zu sein. Zu dieser Diagnose war auch der Herr Sanitätsrath gekommen Nein, dieser alte Herr! Wie war er sidel gewesen! Aber die lonsumirte Feuchtrgteit hatte auch die sonst übliche Grenze bedeutend überschrit ten. Das merkte Lämmchen nicht nur an seiner gefüllten Kasse, sondern auch an einigen anderen Wahrneh kranken, denn es stieg die Vermuth ung in ihm aus, daß er selbst einen tleinen Schwips davongetragen hatte. Einen kleinen Schw—-i——i«-pk! Er wiederholte das Wort dreimal, und da es nicht mit der gewohnten Geläu figkeit aus seiner Kehle inm, sah er sich gezwungen, das Vorhandensein eines wirklichen Schtvipses zu konstati ren. Er beschloß deßhalb, sein ge -1ooh"nteg Mittagssckiösehen etwas zei tiger zu beginnen. Er konnte jedoch seine löbliche Ab ficht nicht sofort ausführen da eben tzwei Gäste eintraten. Lämmchen ltlin zette ziemlich lange, lsig er mit fiel iins Reine tam, daß die Gaste keine ,,ltiesigen« waren. Lainxnchen wollt-: iiber den großen runden Tisch hinweg nach dem Settliihler langen, als er plötzlich das ,,sehliche« Gleichgewicht verlor, schändlich daneben griff und da er in der Lust teinen Stiitzpunlt sür seine schlenlernden Arme sand, sandte er diesen sinkenden Körperthei llen auch den übrigen Menschen nach. iWährend sichs Lämmchen ungewollt aus dem Tische zwischen den leeren Flaschen und Gläsern bequem machte, krppte der Dertruhter um, wobei oie Gäste einige derbe Spritzer abbetnmen. Als Retter aus tiefer Noth erschien Käthe, der es in Gemeinschaft mit den beiden hilfsbereiten Fremden gelang, Lämmchen wieder in eine vertilale Richtung zu bringen, woraus er sich distret in seine Gemächer zurückzog. Für die nächste Stunde war er ein hilfloses Opfer seines Berufe5. Käthe hatte schnell Ordnung ge schaffen. »Ach, verzeihen’5, meine· Herren, daß Sie etwas abgelriegt ha oen. aber dem Weinliihler hab’ ich nimmer getraut, der stand alleweil schief.« So schlimm nahmen die Gäste nun ihrerseits die Sache nicht, sondern sie beschlossen, das nützliche Geräth mit einer vollen Flasche zu beschweren. Natürlich wurde Käthe zu einem Gläschen freundlich eingeladen. Und der einen Flasche folgte bald eine zweite und dritte. Als sie zur Neige ging, versuchte der eine Gast sein Vortemonnaie zu ziehen. Energisch aber wies der andere dag zurück. »Nichts da —- ich bezahl,« ries er. »O nein,« erwiderte der Andere. »Du hast gestern Abend die Zeche be zahlt, heute bin ich an der Reihe.« »Aber Du bist mein Gast, und so lange Du mein Gast bist« — ,,Satrament!« rief jetzt der Andere wieder erregt, »laß' doch dieses ewige Streiten wegen der lumpigen Paar Mart.« »Und ich sage,« scholl es noch er regter zurück, indem eine Faust aus die Tischplatte niedersauste, »Dein Benehmen ist einfach beleidigend, un erhört beleidigend. Aber ich lasse mich nicht beleidigen. Jch bezahle und da mit basta!« Bevor noch der Andere zum Worte kam, griff Käthe in den Streit ein. »Aber warum zanken’s sich denn so herum. Würfeln’g doch die Zeche aus.« »Sie sind ein gutes Kind,« sagte der Eine, indem er aufstand, »und Jhr Vorschlag zur Güte ist edel, hilf reich und gut. Aber ich rühre prinzi piell keine Würsel an.« Der Andere war inzwischen auch herangekommen ,,iWssen Sie, Fräu lein, ich bin der gemiithlichsie Mensch auf der ganzen Welt, aber jedesmal, wenn es ansBezahslen geht, fängt die ser sogenannte Freund eine Rede schlacht an. iSe glauben nich-t, was der für ein ausdringlichecz Portemon naie hat« · »Und ich sagze nochmals — —- — ,,Sagen’s nur gar nichts mehr«, rief Rath-e dazwischen, »sondern ma ckews Jhrn Mund und’s Portemoni naie zu und lassen’«g diesen braven Ilienschen bezahlen.« »Ohn! Dann nehmen Sie von mir wohl gar kein Geld-—Nsun, dann will ich einen Vorschlag machen. Wen Sie von uns greifen, der soll bezah len.« « Käthe wollte schnell den Anderen greifen, und dieser wollte ebenso schnell bezahlen, aber sein hartnäcki ger Gegner behauptete« daß sie »so nicht gewettet« hatten Er hätte ge meint, das Fräulein solle »ohne An sehen der Person«, nämlich mit ver bundenen Augen greifen. ,,Alfo ,,blinde Kuh« wollen’s mit mir spielen? Jst mir schon recht, wenn damit der Streit aufhört« Und Käthe band sich eine Serviette vor die Augen und griff, und griff-— nnd griff lange in’s Leere, bis sie end lich Einen ganz energifch beim Wiclcl erfaßte. »Himmel — Satra —- Dirn, bist denn ganz verrückt geworden«, schrie das verbliisfte Lämmchen, das vergeb lich die nicht sehr zarten Fäuste seiner Tochter von seinem Rocktragen abzu fchiitteln versuchte. Der ,,blinden Kuh« gingen gleich dariuf die Augen in doppelter Be ziehung auf. Die zahlungswiithigen Gäste waren verschwunden Ehe Kä the überhaupt im Stande war, dieses rätbselhafteVerfchwinden mit der hef tig unftrittenen Zecte in einen klaren Zusammenhang zu bringen, vergingen einige Minuten. Und Lämmchen, das immer noch etwas unter des Vormit tage Last- nnd Schwips litt, brachte es überhaupt zu keinem annehmbaren Gedanken, bis endlich Kätbc begriff. daf; sie zwei abgefeimten Zechprellern in die Hände gefallen war Jetzt erst tam Leben in denLamm wirth Mit einem kühnen Satz war er hinter dem Biiffett, wo er seine wohlgefiillteGeldlassette ausgewahrte. O Schreck —- --— doch nein, da stand sic, allerdings nichtm ehr aus demsel ben Platze Die Gauner hatten es zweifellos in erst-er Linie aus die-Kas sette abgesehen gehabt, die jeden falls auch mit ihnen Verschwunden gewesen wäre, wenn die Spitzbuben nicht die Schritte des im Nebenzims n:er kommenden Lammwirth gehört hätten. Nachdem Lämmchen dieKaffette der besonderen Hut Käthchens anvertraut hatte, ging er zum Amthericht, um Anzeigc zu erstatten· Draußen traf er, wie-Köche durch das Fenster sehen tonnte, mit dem zukünftigen Wein hausenerRechtSanwalt zusammen, der sicis ihm sofort anschloß und ihn Mit sämmtlichen auf den interessantenFall passenden Paragraphen deI Reiche ftrafgefetzbucheg bekannt machte. stäthe freute sich jetzt iiber denGau-s nerftreich: denn der brachte den lie benswiirdigenRechtsanwalt mit ihrem Vater gleich in geschäftliche Berüh rung, nnd man konnte nicht wissen, wozu das gut war. Und während sitt Käthe in Gedanken mit dem Herrn Dr. jur. beschäftigte, betrat dieser eilig dar- Gastziinmer, rief ihr, belustigt einige Scherzworte über den Spitzbnbenftreich zu. der ihn zu der ileberzeugung gebracht habe, daß er in Weinhausen eine einträgliche Pra xis finden werde· ,,Hatmein Vater die Sache schon zur Anzeige gebracht?« fragte Käthe »Aber natürlich, er wird soeben prototollarisch vernommen. Da der ilutersuchungsrichter fehr rchtig ver muthet, daß aus der Kassette Finger abdrücle der Gauner zu sehen sind, so hat msich Jhr Vater gebeten, die Kassette zu holen, damit der Richter sie in Augenschein nehmen tann.« »Ach bitte, Herr Doktor, hier! Jch bin froh, wenn ich nicht mehr die Ver antwortung habe. Wer weiß, ob die Spitzbuben sie nicht doch geholt hät ten.« Der Herr Doktor betrachtete die Kassette aufmerksam. Richtig, da find ganz deutlich Finrerabdrücke wahr nehmbar. Da wird es nicht schwer fallen, die Gauner zu fassen. Jch komme bald mit Jhrem Vater zurück.« Und eilig verließ der dienfteisrige Rechtsanwalt das ihm schmachtend nachbliatende Käthchen. Lämmchen kam erst nach einigen Stunden zurück, denn er hatte viele Freunde unterwegs getroffen, denen er den raffinirten Spitzbubenftreich — ierzählen mußte. mchL die Kassette erwifcht hatten.str resz nete sich Lämmchen als persönliches erdicnft an Käthe erkundigte sich bei ihrem Vater fchiichtern nach dem Vetbleib des Rechtsanwalts, der doch mit ihm zurückkehren wollte. »Den habe ich, als ich aus der Thiir trat, getroffen. Er ging einige Sclritte mit, aber er hatte gar keine Zeit, weil fein Zug in einigen Minu ten ging. »Aber die Kassette hat er Dir doch gebracht. « »Was hat er —- ——« »Nun, Du haft ihn doch gebeten, die Kaffette aufs Gericht zu brin geni« Ich bin ja noch gar nicht dort ce wefen, weil mich die Leute unterwegs fo lange aufgehalten haben« »Herrgott, Vater —- — dann war der auch einer von denen —- ——« Wahr )aft1g’ Der »Rechtsanwalt« hatte zu der Gaunerbande gehist Er hatte am Vormittag die Gelegenheit ausgeforfcht und nach dem Mißlßu gen des versuchten Diebftahls durch feine zwei Kumpane hatte ihm Käthe dann die Kaffeite unter Danke-Zisc zeigungen für feine Bemühungen selbst überreicht. Seitdem wurde Käthe .rechi wenig gefchmackvoll nur noch die ,,Blinde Ruh« genannt ———— So me Gemeint-ein Ein Leipziger und ein Berliner fahren längere Zeit in demselben Wa genabtheil der isenbahn. Dabei hat der Berliner den« linken Fuß, ganz wurschtig, wie Berliner nun ’mal sind, stundenlang inmitten des Wa genganges ruhen, anstatt ihn unter die Sitzbank zu ziehen. Er bleibt so gar ans Haltestellen in dieser Piose, ganz unbekümmert darum, daß an dere ein- und aussteigende Reisende darüber hinwegzuturnen gezwungen werden, um ihn nicht zu tret-en. Diese Rücksichtslosigkeit, um nicht zu sagen Unge ogenheit des Berliners, ärgert den Leipziger um so mehr, als sie fich obendrein aus ein-er sächsischen Bahn nbspielt, sie ärgert ihn endlich so sehr, daß er bei sich. beschließt, die Ehre des sächsichen Vaterlandes zu retten und den Berliner für seine Rücksichts losigkeit empfindlich zu strafen. Zu diesem Zwecke erhebt er sich bei der Einsahrt in die nächste Haltestelle mit den Worten: ,,Durschttg bin ich! Aber sehre! Will doch 'n«.al seh’n, ob’s in dieser Weltgegend och en Täppchen Bier zu trinken gibt!« Gleichzeitig bewegt er sich nach dem Wagenfenster hin, tritt aber nicht über den Fuß des Berliners weg, wie die andern Reis senden es gethan haben, sondern derb daraus. s Der Beiliner rührt sich nicht. « Das bringt den Leipziger ganz und gar in Wuth Beim Zurücktreten vom Fenster stampst er deshalb förmlich niit dem Stieselhacken auf die »Poten: taten« des unverschämten Berliner-z als ob er sie durch den Wagenboden treten wollte. Der Berliner versieht auch jetzt noch keine Lippe. ,,Excuseh!« schreit da der Leipziger, vollständig aus dem Häuschen gern thcnd, den Berliner an. »Ich gloobe, ich habe Sie auf die Krähenoogen ge treten, geehrter Herrl« Und seine fun telnden Blicke wollen den Mann dabei durchsdolchen . Der dagegen? »Bei macht nischt, Männeken!« erwidert er gelassen, »re gen Sie sich darum nicht weiter auf! Dei ig man en Jummibeen!« »So ’ne Gemeinh-eit!« haucht der Leipziger, jetzt vollständig pass, ,,läf;t dass Luder us die Stiebeln ’runitram peln und hat nich ’tnal ein richtiges Bein drin!« —---·--— Vom Tiger-. Eine Ehrenrettung des Tigers un ternimmt der englische Kapitän Bald win, ein hervorragender Jäger, ge nauer Kenner Indiens und der Dschiungeln, in Chambers Journal Baldwin weist darauf hin und unter stützt seine Behauptung durch Bei bringuna von angestellten Experimen ten und Erfahrungen daß es ein alter Aberglaube der Eingeborenen sei, dem sich dann auch iritiklos die Fremden angeschlossen haben, daß der Tiger - Menschen ansällt und ausfrißt. Der englische Kapitän nimmt natiir lich den Fall aus, daß ein Tiger von Menschen angegriffen und gereizt wird. Jn diesem Falle geht die Bestie wohl auf den Menschen log, verwun det und tödtet ihn auch, aber frißt ihn niemals auf. Der englische For scher, dem wir natürlich die Verant wortung fiir seine Behauptungen iiberlassen müssen, will im Gegentheil mehrfach zu beobachten Gelegenheit gehabt haben, daß bei einem Zusam mentrefsen von Tiger und Mensch ersterer den Kdnic der Schöpfung er staunt ansieht, bald in Furcht gerätif den Schwanz einzieht und schleunigt Reißaus nimmt. Dagegen soll das viel lebhaftere und mit schnellerm Be wegungen begabte Tigeriveibcheii Menschensleisch nicht verschmähen Eine einzige Tigerin hat nach der os fiziellenStatistil im Jahre 1.9033vier zig Menschen aufgefressen,alle andere Beute verschmäht und ist in feder Nacht vierzig und mehr Kilometer gelaufen, um sich Menschensleifch zu verschaffen. Allein Baldwin behaup tei, daß nur ganz junge Tigerinnen eine derartige Begier haben, und auch nur als Ausnahme Er meint daß bei diesen Thieren gewissermaßen eine perverse Geschmacksrichtung vorliege, deren Ursache zu ergründen natürlich sehr schwierig sei