Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 29, 1906, Sweiter Theil., Image 14

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    Der Deserteuy
Roman von O. Elster.
- A« m v- MMC AKMWMMPM MERMITHEN-AM
(4. FortsehungJ ’
Er hatte noch keine Mädchenbe
kanntschast gehabt, der ehrliche Junge
Er war so unerfahren in dem Um
gqng mit jungen Mädchen, und erl
swußte auch jeht nicht woher er dens
Muth g,enommen Jeanne anzureden .
Aber sie hatte ihn so freundlich ange
lacht, sie war so zutraulich und
freundschaftlich zu ihm, daß er alle:
Besangenheit bei ihr verlor
Und jeht als er sie so da sitzen sah,
so nett und zierlich in ihrem einfa-:
chen,· geschmackvollen Sommertleid-:
chen. unter dem die kleinen, zierlichen
Fäßchen hervorschauten jetzt war ihm
zu Muthe, als sei er der glückli chste
der Menschen unter der Sonne. »
»Woran denken Sie, Monsieur
Friedrich?« fragte sie fchelmisch lä
chelnd, ihn von der Seite ansehend.
»Ich träume von der Zukunft,
Jeanne . . . .«
- »Von der Zukunft? —- Jsi die Ge«
genwart nicht schön?«
»Ja aber die Zukunft noch viel
schone-r Jch träumte davon, wie
chiin es sein müßte wenn wir so wie
jeyt vor dem kleinen Försterhause
meiner heimath siggn könnten, rings
umgeben von dem ald, dem schönen
thüringischen Wald, in dem die Vögel
so herrlich singen....ach, Jeanne,
wie schön wiire das!«
»Ja, aber —- ich mag nicht nach
Preußen . . .·’. ich fürchte mich . . . .«
»Fürchten2 Wenn ich bei Jhnen
bin? —- Ach, Jeanne, ich würde mein
Leben fiir Sie lassen —- mein Leben
lang für Sie sorgen und arbeiten,
wenn —- wenn Sie meine Frau wer
ben wollten.
«Mais Monsieur Frederic . ,
eine dunkle Blutwelle überfluthete
ihre Wangen und verschämt schlug sie
die Augen nieder.
Da erfaßte er ihre Hand und flü
sterte ihr stammean zuerst, dann
immer beredter heiße Liebesworte in
das kleine Ohr
Woher er die Worte alle nahm, er
wußte es selbst nicht. Die Liebe, die
treue ehrlche Liebe sprach aus ihm
und lehrte ihn die Worte der Leiden
schnit—
Dicht schmiegte sie sich an feine
Seite und lauschte seinen Worten mitj
einem leichten glücklichen Lächeln aqu
den Lippen. Dann blickte sie scheu zu i
ihm empor und plötzlich schlang sie
die Arme um sinen Nacken und
küßte ihn aus den Mund!
»Jeanne....«', stammelte er und
« preßie sie in stüemifcher Leidenschaft
an sich.
Und wieder und wieder küßte sie
ihn, daß dem atmen Jungen die
Sinne vergehen wollten.
»Ich habe Dich lieb, Friedrich...
je t'aime....«, flüstette sie und gab
sich mit der ganzen Leidenschaft ihres
Nniutells seinen Liebtosungtn hin. »
»Ah —- ah, was thun wit....«,T
sagte sie dann, sich seinem Arm ent
ziehend und ihr verwirktes Haar mit
geschickten Händen ordnend. »Man
dieu.». . das ist nicht recht . . .« ;
«Ieanne, meine liebe Jeanne, jetzt
bist Du meine süße Braut..., nichts
wahrs« s
lpDeine Braut?...9«
»Ja, meine kleine geliebte Braut
Uud wenn ich ausgedient habe und in
meine Heimath zurückkehre, da gehst
Du mit mir und wirst meine liebe
tieine Frau...nicht wahk?«
»Deine Jena«-P
Ihr Gesichtchen nahm einen ernst
haften Ausdruck an.
»Ich will wohl Deine Frau wer- «
den, Friedrich, denn ich hab' Dich von
herzen lieb. aber ich fürchte mich,
nach Preußen zu gehen.... das ist
wie Sibirien . .
»O Du kleine Thürin. Jn meiner
heimath ist es schöner als hier.«
»Das ist nicht wahr. Jn Frankreich
ist es am schönsten aus der Welt!
Weshalb kannst Du nicht mit mir
nach Frankreich gehen?«
»Ich bin doch ein Deutscher,
Jeanne . . . und Soldat.«
«Wie lange bist Du noch Soldat?«
»Noch zwei Jahre . . » aber ich
hoffe irn Herbst zur Reserve beurlaubt
zu werden«
»Ah, das ist sehr, seht lange!"
»Aber wenn wir uns treu bleiben?
-Die Zeit veracht rasch.'«
»Und ich soll meine Eltern, mein
fckdiines Frankreich verlassen .. . nein,
niemals!«
«Liebst Du Frankreich mehr als
wicht«
»Ja liebst Deutschland mehr als
WJeanne.
Da. schiang sie plötzlich lachend die
seine wieder um seinen Nacken.
»M. wes sind wir dumm« rief
·Lai nnd doch- nicht von die
, Wen Sachen sprechen, »Um-i
» Sack« Dazu ist ja später noch Zeit
« » sieh, wenn Du mit mit nach
» kommen wolltest so könn
« s; Hie sehe rasch gkiicklich wer-den
« s Musiker Rede süe uns
»Im emsig Ox- w
Id- --W —- uichtsg Js- habe
Dich ja so lieb. »mon chere ami.
und ich möchte Dich gern glücklich ma
chen . und nicht wahr, Du hast mich
auch lieb und Du kommst mit mir
nach Frankreich?«
»Aber, Jeanne..."
Doch sie schloß ihm den Mund mit
ihren Küssen und streichelte ihm die
Wangen und sah ihm so leidenschaft
lich zärtlich in die Augen, daß er sie
durch seinen Widerspruch nicht er
zürnen wollte. Kommt Zeit. kommt
Rath, dachte er und gab sich ganz
dem beseligenden Taumel der ersten
Liebe hin.
«Nach dem Wirthshaus »Im guten
Quelle« gingen sie nicht zurück. Tie
fer und tiefer gingen sie in den Wald
hinein und kehrten erst nach der
Stadt zurück, als der Mond hoch am
Himmel stand.
Jn dem dunklen Flur des Hauses
Monsieur Hauvillerg nahmen sie
den letzten zärtlichen Abschied. Jnnig
schmiegte sie sich in seine Arme. nicht
mehr das kecke, übermüthige Mädchen
von früher, sondern sich weich und
warm hingebend.
»Nicht wahr, mein Friedrich«. flü
sterte sie, »Du verläßt mich nicht«--m
»Nein. nein, Jeanne —- niemals-P
»Und wenn ich nach Frankreich zu
rückkehren muß? — Wenn meine El
tern nicht wollen, daß ich mit Dir
nach Deutschland gehe? Dann wirst
Du mich gewiß vergessen . .
»Nein, ich schwöre es Dir!"
JAber Du gehst doch fort von
mir
. »Nein, nein. ich bleibe hier....
Deine Heimath soll auch meine Hei
math sein . . . .·«
»Du gehst mit mir nach Frant
reich?!«
»Ja — j·a
Er konnte in dieser Stunde nicht
nein sagen, und hätte ej ihm das
Seelenheil gekostet.
Da küßte sie ihn innig und zärt
lich.
. »Ich danke Dir mein Geliebter
: Oh, Du bist so gut —- so gut«
Und nochmals küßte sie ihn und
entschwand dann in dem Dunkel des
Hausflurs.
Langsam trat Friedrich in das
Freie. Er taumelte fast —- ihm war,
als sei er berauscht und eine-Weile
mußte er sich gegen die-Wand des
hauses lehnen, um zur Besinnung zu
kommen.
«
· .- -. -- L
IDer ern-r Roman seines ver-eng
hatte den braven ehrlichen Burschen
mit einer Leidenschaft umsponnen,
daß seine Augen nicht mehr klar sa
hen, daß seine Seele wie in einem
Traum sich befand, daß er nicht mehr
wußte, was recht und unrecht war.
Sein Wesen war erfüllt von dieser
Leidenschaft, in der all sein Denken
und Können unterging.
7. Kapitel
Eine Ueberraschung.
Es waren glückliche, sonnige Stun
den, welche Harald und Denriette in
dem herrlichen Waldthal der »guten
Quelle verlebten.
Es fand keine Verabredung zwi
schen den Liebenden statt« und doch
war es selten, daß sie sich bei dem
Rendezvous an der »guten Quelle«
ver-fehlten Jhr Herz, das stete ge
genleitige Gedenken trieb sie stets,
wenn sie einen Spaziergang unter
nahtnen, nach jenem Platze, wo sie
sich zuerst gekprochem wo sie zuerst
aefiihlt, wie sie sich lichten.
Aber diese Zusammentünfte waren
äußerlich durchaus harmloser Natur.
Wenn einmal Harald einen wärmeren
Ton anschlagen wollte, dann brauchte
Henriette ihn nur bittend und mah
nend anzusehen. urn ihn oersturnmen
zu machen. Sie wußten beide, daß
das Glück ihres Zusammenseins zu
Ende sein mußte, wenn sie ihre Ge
fühle in Worte ileideten, wenn sie
aussprechen, wovon ihr Herz erfüllt
war, wenn sie ihrer Neigung frei die
Zügel ließen.
Harald dachte viel zu edel und
ehrenhaft, um die Geliebte zu einem
heimlichen Liebes-verhältnis überre
den zu wollen« und Henriette war viel
zu sittsam, als daß sie in ein solches
Verhältniß eingewilligt haben würde.
Beide aber wußten, daß einer Ver
bindirng zwischen ihnen so unendlich
viel Schwierigkeiten entgegenstanden,
daß sie sast unmöglich schien. Eine
Sinnediinderung des Herrn baut-il
ler erschien so gut wie ausgeschlos
sen. und ohne Einwilligung des Va
ters henriettenö war eine Heirath
unmöglich. henriette selbst würde zu
einer solchen niemals den Muth ge
habt haben. nnd haralds als Ossizier
hatte Mle gegen sich. gegen lei
nen ganzen Staat-, die er nicht ver
nachlässigen konnte und wollte. Eil
kam hinzu, daß Hakald ohne Vermö
gen war, da er als Ofsizier mithin
nur ein M dehen heirathen konnte,
welches wenigstens die geseyliehe Kau
tion mit in die Ehe brachte. An die
ser wiirde ei ja bei Heneieite nicht
gefehlt haben denn ihr Vater war
ein reicher ann.
—
Aber was hals dieser Reichthum,
wenn der Vater sich weigerte, die ge
setzliche Kaution herzugeben?
Um sich gegen ihre eigene Neigung
zu schützen, erschien henriette zu den
Zusammentiinften niemals allein;
ihre Cousine Julie begleitete sie stets,
und diese half durch ihren schelmi
schen Humor und ihre Lebhastigteit
den Liebenden über manche Verlegen
heit hinweg.
Wenn Haralds Worte zuviel sagten
und Henriette scheu zurückwich, beide
verstummten und sich nicht anzusehen
getrauten ,dann hals ein scherzhafter
Einfall. eine Neckerei Juliens iiber die
schwierige Situation hinweg und lei
tete das Gespräch wieder in den harm
los-fröhlichen Ton, in dem es sich ge
wöhnlich bewegte.
Es wurde aver auch ernsthaft ge
sprochen. Henriette erzählte von der
Schreckenzeit der Belagerung, die sie
miterlebt hatte , und Harald wußte
interessant von seinen Kriegeerlebnis
sen zu berichten. Oder er erzählte
von seiner Familie, von seinem tapfe
ren Vater, der in ver Schlacht von
Königgrätz «die Todeswunde empfan
gen, von seiner guten Mutter, die von
einer kleine-s Witwenpension lebte
und dabei noch sür drei Kinder zu
sorgen gehabt hatte.
Mit großem Jnteresse lauschten die
jungen Mädchen diesen Erzählungen,
die ihnen von einer fremden Welt be
richteten. Sie erhielten einen Einblick
in das entbehrungsreicheLeben pflicht
treuer deutscher- Offiziere, welche sie
ihrer Erziehung nach für halbe Bar
baren gehalten hatten. Sie lernten
die Ehrenhaftigteit, die Pflichttreue,
den Opfermuth dieser deutschen Of
fiziersfamilien kennen und achten,
deren Mitglieder von Generation zu
Generation ihres Königs Fahne ge
folgt und vielfach den Heldentod auf
dem Schlachtfelde gestorben waren.
- Sie lernten die einfache Denkweife
dieser Männer kennen, die es als ganz
selbstverständlich ansahen, ihr Glück.
ihr Leben und ihr Sterben ihrem Kö
nige zu weihen, die ohne mit der Wim
per zu zucken« dem Befehle Folge lei
steten, der ihnen den Tod bringen
mußte, die nicht beiiiffem wie man
vor einer Gefahr zurückschreeten konn
te, und die es als höchste Ehre be
trachteten, fiir ihren König sterben zu
dürfen.
Sie lernten aber auch die Opfer
willigkeit der deutschen Frauen be
wundern, welche ihre Söhne im Dien
ste des Königs dahingaben, deren Tod
sie wohl beweinten, den sie aber trotz
dem nicht als eins Unglück betlagten.
Sie sahen mit großen, erstaunten
Augen in diese Welt des deutschen
Soldatenthums und begriffen, wes-i
halb der Offizier, der Soldat iiber s
haupt eine so hoch geochtete Stellungs
in Deutschland einnahm gegenüber
der Stellung der Offiziere, der Armee
in ihrem früheren Vaterlande. ;
Sie fühlten aber auch, daß diesel
Auffassung ihres Berufs, die hohe
Stellung, welche sie in der öffentli
chen Meinung einnahmen, die deut
schen Offiziere zu einer gewissen
Ueberhebung, einer Ueberschätzung des
eigenen Werthes führen mußte, und
sie konnten sich den Leichtsinn, die
Sorglosigteit ertlären, mit der die
meisten jungen Offiziere in den Tag
hineinlebten.
Namentlich Henriette wußte diesen
Schluß zu ziehen, da sie selbst ernst
haft und nachdenklich veranlagt war,
und sie äußerte diese Ansicht auch
unverhohlen Harald, der ihr darin
zustimmen mußte, wenn er sich für
seine Person auch von diesem Leicht
sinn frei wußte.
So verflossen denn die Stunden
zwiscken Scherz und Ernst in harm
loser Weise. Die Liebenden waren
gliicklich, wenn sie nebeneinander sitzen
durften, sich in die Augen sehen oder
sich beim Wiedersehen und beim Ab
schied die Hände reichten, die dann
wohl wärmet und länger sich umfaß
ten, als gerade nothwendig gewesen«
Dies war aber auch die einzige zärt
liche Berührung Nur ihren Augen
vermochten sie nicht zu bieten, in
ihnen flammte die Liebe auf, welche
sie nicht in zärtliche Worte zu lleiden
wagten, ebenso wie der sanfte Druck
der Hände den Kuß der Lippen er
setzen mußte.
Harald ließ die jungen Mädchen
meistens zuerst fortgehen. Er beglei
tete sie ein Stückchen des Weges in
dein That entlang, verabschiedete sich
hier und lehrte dann zu der-- Quelle
zurück, wo er noch eine Zeitlang fihen
blieb, ehe er selbst den heimweg on
trat.
So auch heute, wo ein drohendet
Gewitter die Mädchen früher als ge
wöhnlich hatte ausbrechen lassen.
Man hatte heute nur kurze Zeit
miteinander gesprochen. henriette
war ernst und zerstreut gewesen, alt
wenn ihr etwas Unongenehnies be
aeiinet wäre.
Beim Abschied hatten Thränen in
ihren Augen geglänzt. »Ich weiß
nicht« ob wir hier uns wiedersehen
werden«, sagte sie. vVielleicht muß
ich verreisen.«
»Aber Sie brauchen doch nicht zu
verreisen, wenn Sie nicht selbst wol
len!« rief harald erschreckt aus.
»Mein Vater sprach davon«, ent
gegnete sie jnir niedergeschlagenen Au
gen, »und es wäre vergelich, seinem
Befehle Widerstand zu leisten.«
»Ich fürchte, der Onlel bat etwas
bemerkt«, warf ulie ein.
.Jn der Tlsa ...?«
—- «
»Ich weiß es nicht«, sagte Den
riette traurig. »Aber das weiß ich,
daß ich diesen Sommer, diese Stun
den hiir an der guten inelle niemals
vergessen wetde.'«
Die Bewegung überwältigte fie," sie
reichte ihm nochmals die Hand, er
wollte sie festhalten, aber sie eifz sich
los und eilte davon.·
»Ich gebe Jhnen Nachricht«, flü
sterte Julie ihm zu; dann folgte sie
ihrer Confine.
Traurig und mißgestimmt lehrte
Harald zu der Quelle zurück.
Ja, es konnte, es durfte so nicht
weiter gehen! Er mußte als ehrlicher
Mann handeln, Und selbft «an die
Gefahr hin, voll Hohn zurückgewie
sen zu werden. mit dem Vater Hen
riettens sprechen. Er sagte sich selbst,
daß er Henriette in eine zweideutige
Lage gebracht, die ihrenRuf schädigen
konnte, wenn sie belanst wurde. Und
vielleicht lonnte der Zufall hier fein
heimtückisches Spiel treiben! Waren
feine einsamen Spaziergänge doch
schon den Kameraden aufgefallen,
welche ihn damit geneckt hatten.
Als er noch über das, was er thun
sollte, nachdachte, rauschten hinter ihm
die Zweige und ein grgßer brauner
Jagdhund sprang aus dem Gebüsch
und bellte ihn an.
Eine tiese Männerstimme ries:
»Viens ici. Hettor!« und ein Herr
trat aus dem Gebüsch, in dem Harald
Monsieur Dauviller, den Vater Hen
riettens, erkannte.
Das Gesicht des Herrn war finster
und bleich. Er betrachtete Harald
mit einem diisteren, spöttischen und
mitleidigen Lächeln
»Sie haben wohl nicht erwartet,
mich hier zu sehen, mein Herr Lieute
nant?« fragte er, sich der dLutschen
Sprache bedienend. ,,Oder kennen
Sie mich nicht?«
»Ich weiß, daß Sie Monsieur Hau
viller heißen«, entgegnete harald
ernst, aber böslich
»Nun gut, dann wissen Sie auch,
was mich hierher fiihriW
Harald wußte im ersten Augenblick
nicht, was er entgegnen sollte. Hatte
Hauviller seine Tochter mit ihm zu
sammen gesehen? Oder sollte Harald
ihmejetzt gleich die volle Wahrheit sa
gen
»Ich weiß in der That nicht«, sagte
er zögernd...«
Monsieur Hauviller machte eine
Handbewegung welche wohl bedeuten
sollte: Machen Sie teine Aus-flüchte.
....Dann sagte er: ’
»Nun, mein herr, Sie werden es;
wissen, wenn ich Ihnen sage, daß ichs
Sie mit meiner Tochter zusammen ge- l
sehean.«
»Da Sie est-gesehen haben, so werde
ich es nicht in Abrede stellen. Aber
Sie werden mir nicht zürnen, wenn
Sie die volle Wahrheit ersahren."
»Die volle Wahrheit weiß ich be
reits, mein herr. Jch weiß, daß Sie
seit einiger Zeit hier geheime Zusam
mentiinste mit meiner Tochter halten
ich beobachte sie schon seit meh
reren Tagen, denn ich wollte mich
durch meine eigenen Augen davon
überzeugen, was man mir zugetragen
hatte. Nun, mein Herr, was wissen
Sie dagegen zu sagen?"
»Nichts, als daß es so ist, wie Sie
sag-m«
Die Zornadern Monsieur Hauvil
lers schmollen an.
»Aber«, so suhr Harald sort, »wenn
Sie uns beobachtet haben. so werden
Sie doch bemertt haben, daß unsere
Zusammentiinste harmloser Natur
waren·«
- Der Franzose lachte aus.
»Sie nennen das harmlos, wenn
Sie eine junge Dame ins Gerede
bringen? Wenn Sie heimliche Zu
sammentiinste im Walde mit einer
jungen Dame halten? Jch würde es
aOz anders nennen, wenn ich die Ab
sicht hätte, Sie zu beteidigen.«
»Herr Hauviller s-— wollen Sie
mich ruhig anhören?«
»Ja —- was haben Sie mir zu
sagen?«
»Ich leugne nicht, daß ich Jhr
Fräulein Tochter liebe, und daß ich
osse, von ihr wieder geliebt zu wer
den. Jch leugne nicht, daß esunvor
grchtig von mir war, Jhre Tochter zu
iesen Zusammentiinsten zu veranlas
sen, aber hedenten Sie die Verhält
ni e: gab es einen anderen Weg, mich
J rer Tochter zu nähern?'
»Wa: dies denn nothwendi is«
»Es war mein Tißester unsch,
denn ich liebe hre ochter wahr und
aufrichtig —rne Wort als Ossizier
und Edelmann raus! Kein unrei
ner Gedante ist mir bei diesem heim
lichen Verkehr mit «hrer Tochter ge
kommen, Oa u stan sie mir viel zu
hoch. da u te, ehre und liebe ich sie
viel zu ehr. Zeigen Sie mir einen
anderen Weg-gestatten-Sie mir, mich
ossen und ehrlich um viehand Jhrer
ochter zu bewerben, -,mit ewiger
Dankbarkeit will ich Ihr Schuldner
sein und Sie ebenso ehren und achten,
wie ich Venriette liebe.«
raw nat-e mn Offenheit, nm
Lei nichoft und dem Ausdruck treue
rWahtheisi gesprochen. Seine Worte
chiensi auch nicht ohne Eindruck auf
Henriettens Vater geblieben zu sein.
Die finiieren Wollen auf feiner
Stirn lichieien sich; sein drohende-Z
Auge wurde freundlichen ja es war
Feuan als ob ein leises Lächeln über
ein Gestein hufchtr.
»Sie sprechen gut. mein Fett Leut
nant,« agte er, »und ich wi nichian
bren· rien zweifeln. Aber la en
« ie mir selbst, welchen Weg wüt n
Sie unter anderen Verhältnissen ein
,
Igeichlagen haben, sich meiner Tochter
zu näherni«
»Ich würde versucht haben, Ihre
Bekanntschaft zu machen, und Sie
gebeten haben, mir den Zutritt in
Jbrem use zu gestatten.« » ·
Man Ieur hauviller lächelte jetztrn
der That.
»Und wenn ich Jhnen dieieErlaub
nißsewährteW
» ann würde ich Sie. wenn Sie
mich kennen lernt hätten, um die
band Jhrer ochter bitten...«
»Und Sie glauben, ich wiirde Jiy
nen diese eben?m
«Jch hoffe es. denn Sie würden da
xit·.auch Ihre Tochter glücklich ma
en.«
»Das glauben Sie!-—-Aber, mein
Herr, andere Leute sind eben anderer
Ansicht, und es friigt sich, wer von
Jlknen recht hat.«
»Ich schwöre Jhnen . . .«
Lassen wir das, Herr bonheineck,«
unterbrach ihn der Franzofe ernst.
»Auf die Eidichwiire verliebter junger
Leute l e ich iein groß-es Gewicht.
Ich will hnen aber zuge n, daß Sie
die Gelegenheit, welche der Leichtsinn
und die Unerfahrenheit meiner Tocky
ter Jhnen boten, als Ehrenmann
nicht mißbraucht haben und das
nimmt mich iiir Sie ein. Aber, mein
Herr Leutnant, auch ich habe Rücksich
Iien auf Verhältnisse zu nehmen, die
Isich Ihrer Beurtheilung entziehen und
Iwelche ich nicht erklären kann. Wenn
Lich Sie einlade, uns in meinem Haufe
; u besuchen, fosetze ich mich in gewi
zfer Weise mit diesen Verhältnissen in
HWiderspruch und weiß nicht, ob ich
spscksi Jhnen und mir Schaden zu
. uae.«
I »Weer Art könnte dieser Scha
fden sein?«
»Was mich anbetrifst so sagte ich
hnen schon kann ich Jhnen die Ver
ältntsse nicht erklären. Aber würde
man es Ihnen nicht verdenten, wenn
Sie in meinem Hause vertehrtenN
»Man- wiirde es mit reuden be
grüßen, wenn Sie deuts en Os gie
ren statteten, in Ihrem-Pan e zu
» verte ren.«
I Monsieur Hauviller lachte wieder
« kurz aus.
»Eh bien, « sagte er dann, »so be
» suchenSie uns, mein here Leutnant. «
J »Herr Haut-illu» . oh wie dante
ich Ihnen-.
Fortsetzung solgt.)
Oewtttetsnrchh
Mit dem Herannahen der warmen
Phreiszeit beginnt auch wieder die
it der Gewitter und sehr ängstlich-e
Gemüthee machen wohl schon wieder
im Vorgesith alle die Aengste durch,
die die zur-enden Blitze und rollenden
Donner regelmäßig in ihnen uer
wecken pflegen. Gewittersurcht ist ein
merkwürdig weit verdreitetes Leiden;
es ist eine Thatsache, dasz in jeder Ge
witternacht Tausende Von Menschen in
der Großstadt wach bleiben und aus
dem Bett ausstehen, um mit Angst und
Bangen den Verlauf des Gewitters
abzuwarten, anstatt das Unwetter
hübsch zu verschlasen, was in jedem
all viel vernünftiger und gesiindet »
it.
Jn früheren Zeiten, als man die
Bltsahleiter noch nicht kannte, und als
die Häuser größtentheils aus Holz
gebaut und mit Stroh gedeckt waren.
war die Gewittersurcht begreiflich. Je
des Gewitter stellte eine schwere Gefahr
dar, und jeder einschlagendeBlitz konn
te bewirten, daß eine ganze Ortschast
in Flammen ausging; massenhast be- »
richten die alten Chroniten von Städ
ten und Dörsern, die infolge von Blitz
schlag niederbrannten. Aber heute lie
gen die Verhältnisse doch wesentlich
anders-, wenigstens in der Großftadt.
Nicht so sehr auf dein Lande. Hier .
ist aus mannigfachen Gründen die Ge
wittergefahr auch heute noch nicht ge
ring trotz der segengreichen Erfindung
des Blitzableiterst Aber die Blitzab
leitet sind nur allzu oft so unverstän
dig Und dirett unsinnig angetrrachL
daß sie häufig die Gebäude mehr ge- «
sährden als schützen. Ein Haus aber, J
das in vernünftiger und sachverständi: «
ger Weise mit einer Blitzableiteranlage
versehen ist. tann heutzutage gegen die i
Gewittergefahr als nahezu völlig im- »
mun gelten, auf dem Lande sowohl wie ;
in der Stadt. !
Jn der Stadt aber brauchen die Be- ;
wohner eines Hauses auch dann teine;
Furcht vor dem Gewitter zu empfin- ;
den« wenn sie teinen schützenden Blitz- :
ableiter iiber ihren häuptern wissen, 4
der auf den großenMietthafernen sel
ten zu finden ist und dort auch ziemlich (
zweulos fein würde. Jst aber Einer
ein sehr ängstliches Gemüth, der gleich
fiir Leib und Leben fürchtet, wenn es
einmal donnert, so rnag er einen wei
sen Nath chlag befolgen, der ihn mit
ab oluter icherheit gegen jede Bringe
sa schützt: er lege sich ins Bett! Jnt
Bett ist nämlich nachweist-lich noch nie
mals ein Mensch vorn Blih erschlagen
worden. Hier ruht man prachtvoll iso
lirt gen alle Elettrizitiit fo sicher
wie euters «Diirchliiuchttng« auf sei
nem grotesken Gewitterthronsessel aus
Glas und Schellacl. Und wer Nachts
im Bett liegt, wenn ein Gewitter her
auszieht, be ht eine große Thorheii,
wenn er auf eht und in den Stuben «
auf und ab rennt; er tann dann ent
schieden verhältnißmäßig weit eher t
vorn Blih getroffen werden« als wenn (
er friedlich in feinem Bett geblieben 1
wäre, sich auf die andere Seite gelegt s
und weiter geschlafen hätte.
Ja, aber der Bith tönnte doch ein- s
schlagen und im Nu die ganze Woh
nung in Flammen aufgeben lassen, und
dann muß man doch aus demBett aus
gestanden sein, um gleich retten und sich
inSicherheit bringen zu können —- so
hore ich die Bertheidiger nächtlicher
Stubenpromenaden beim Gewitter
sprechen. Man hört diesen zunächft
sehr einleuchtend scheinenden Einwurf
richtiger. Die darin sich öußerndeVors
stellung von der zündenden Wirkung
des Blitzes ist durchaus phantastisch
und entspricht denThatsachen in leinrr
Weise. Wenn der Blitz heute in der
Großstadt einschlägi, so sucht er sich
mit ganz besonderer Vorliebe die Lei
tungsmasten der elektrischen Straßen-·
bahn aus, oder auch Bäume, Midas-lei
tet lbesonders aufKirchthiirmen) und
hohe Schotnfteine, von denen er gern
eine größere oder geringere Menge von
Steinen losschlägtz turzum, er entfal
tet alle möglichen mechanischen Wir
kungen —- außerhalb der menschlichen
Wohnungen —- aber zu zünden pflegt
er im Steinmeer der Großstadt fast
nie, es sei denn, daß er irgend einen
Schuppen trifft, der leicht brennbare
und seuergesährliche Stoffe birgt
Unter welchen Umständen ein Vlies
zündet, ist zwar bisher überhaupt no·
nicht erforscht. Es scheint aber, als ge
höre dazu ein Erhiven und Schmelzen
von Metaumanen inmitten von reicht
brennbarern Material, wie es in ge
füllten Scheunen und Schuppen, in
strohgedeclten Häusern und auch in
Kirchthürmen sich leicht ereignen kann,
niemals aber in ftiidtifchen Wohnun
gen. Jedenfalls spricht die Statistik fo
til-erzeugend tlar dafür, daf; der Blitz
in den Wohnungen der heutigen Bau
art überhaupt nicht zündet, felbft wenn
er ausnahmsweise wirtlich einmal in
ein modernes Miethshaus einschlagen
sollte. daß sich wirtlich niemand aus
Angst vor einer Feuersbrunst aus fei-.
ner Nachtruhe durch ein Gewitter auf
schrecken zu lassen braucht. Die Ge
ffahr. daß meine Wohnung ein Raub
der Flammen wird ist jedenfalls weit
größer, wenn ich eine Lampe anzünde
oder ein Streichholz ausdufte, als
wenn’s draußen blitzt und donnert.
»Und doch fühlt sich niemand in seiner
IJJiachtruhe beunruhiat, wenn irgendwo
im Haufe zu später Stunde noch Licht
Elsrennh aber wenn ein viel ungefährli
cheres Gewitter heraufzieht, treibt ihn
idie Unruhe aus dem Bett!
f Nein, ich tann nur nochmals den
JRath wiederholen: man bleibe irnBette
Hund fchlafe weiter — nirgends auf
der weiten Welt ift man fo sicher vor
Blitz und Donner wie hier! Aus dem
Lande ist es natürlich etwas anderes;
hier tann man es den Leuten nicht ver
denken, wenn sie beim Gewitter auf
« stehen, um darüber zu wachen, daß ih
ren Scheunen undStallungen kein Un
heil widerföbrt. Jn der Stadt aber ist
das gleiche Verhalten sinnlos.
Auch sonst pflegen die Gefahren, die
dem Städter beim Gewitter drohen,
wesentlich überschützt zu werden. Aller
hand Mahnungen, wo man sich im
Zimmer nicht aushalten darf, um nicht
vom Blitz getroffen zu werden, sind im
Publikum tm Schwange und pflegen
auch beachtet zu werden. Mart Twain
molirt sich in einer seiner Not-eilen mit
Recht über die Aengftlichteit und lon
statirt, daf; man sich weder in der
Mitte des Zimmer-s unter dem Kron
leuchtet, noch am Fenster oder an der
Ihür oder am Ofen. nochi n der Nähe
der Zimmerwiinde, noch sanft irgend
Wo llllfycllchl Nitsc, IVcnU Man Ulchc
sein Leben leichtfertig aufs Spiel fegen
wolle. Auch diese Furcht ist ganz
grundlos. Mir ift aus den letzten
Jahrzehnten nicht ein einziger Fall be
tannt, daß zum Beispiel in Berlin je
mand im Innern einer Wohnung vom
Blitz getroffen worden wäre. Die To
desfälle durch Blitzfchlag, die in Berlin
vrrtainen, ereigneten sich durchweg im
Freien, auf der Straße, und auch ihre
Zahl ilt eine außerordentlich kleine.
Wenn ich mich recht erinnere, ereianite
sich der letzte Fall, dafz jemand in Ber
lin vorn Blitz auf der Straße erschla:
gen wurde, am LU. Juli 1899. Jn ie
dein Fall ist also die Lebensgefahr, in
der ich während eines schweren Gewit
ters schwebe, lange nicht fo groß, als
jene, in die ich mich begebe, wenn ich
eine Elektriiche oder ein Auio besteige,
oder wenn ich gar schräg über einen
großen Platz hinweggehe. Und doch
sehen sich die Menschen diesen größeren
Gefahren täglich aus, ohne zu zagen
oder ein Unbehagen zu empfinden,
aber die kleinere Gefahr von Bliß und
Donner läßt ihnen das Herz im Leibe
erzittern.
Durch Predigen freilich läßt sich die
Gewitterfurcht nicht beseitigen; die
Vernunft mag zehnmal einsehen, daß
gar lein Grund zum Fürchten vorliegt,
und doch tann sich das Herz der Ban
gigkeit nicht entwehren. Die Gewit
terfurcht lift ebent eiriifet Zwangsng
die uns as ein aav iches r l
aus den iten übertommen ist, at
die Menl n noch mti Recht Bli und
Donner als eine fchwere Gefahr Arch
ten mußten. Dennoch aber wird eine
vernünftige Ueberlegung, wie gering
doch eigentlich heute die Gefahren beim
Gewitter in der Stadt sind, ihre Wir
lung auf einsichtige Leute wohl nicht
ganz verfehlen. und vielleicht sind da
rum auch die vorstehenden Zeilen e
eignet, manchem eine merkliche Beru i
gung zu schaffen, wenn wieder einmal
der Gewittergott seinen gewaltigen
Hammer erdröhnen läßt.