Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 22, 1906, Sweiter Theil., Image 12

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    W
Wenn die Stunden schlagen.
Von Fritz o. Ostini.
Ein alter Kreuzgang rnit herrlich
sthaltenen Grabsteinen und Todten
ildern und dieeben von häßlicher
rinche befreiten Ritbenholztaflungen
aus dem sünsze nten Jahrhundert,
die man in einem Amtsgebiiude ent
deckthattn führten mich in das welt
verlotene Provinzstädtchen. Begeislert
satte mir ein Maler von den gerin
chen Herrlichkeiten erzählt und beige
ügt, daß man da wohl auch noch ein;
gutes Stück alte Zinn- oder Jeden-s
waare, oder gar ein ebrivürdiges ges-»
schni tes Möbel um wenige Geld lau-»
sen anne. Erst im nächsten Jahre
sollte die Eisenbahn in die Gegendj
fahren-Jetzt lag das Städtchen noch»
weit ab vom Verkehr in einem ioahs !
ren- Dornröschenschlaf. verschollen
und iultursrem«d, still, daß Jeder sei
nen Nachbar schnarchen hörte, eng-H
daß Jeder in seines Nächsten Suppeng ;
schüssel sah. Hohe Giebelhäuser, ins
allen Farben des Regenbogens bemalt,
standen um den Markt, eine altväteri
che gelbe Postiutsche vermittelte die
Verbindung mit der Welt draußen,
altväterische, langsame und behäbige
Menschen sahen ans den Fenstern oder «
Itanden plaudernd unter den Haus
biiren. Sie hatten viel Zeit dazu.
Die Umgegend war reizoolles,
fruchtbares und waldreiekes Zügel
and, manches alteregraueechlo und
manche sehenswertbe Kirche stand in
einem der Dörser in der Runde —
und so wurden aus einem « kurzen
Ausflug zur Antiquitätenjagd einige
behaglich genossene Urlaubswochen
Man wohnte naturlich im Gan nhos
Bär Post wo eine dralle Matrone von
irthin ihr nahrhaftes und freund
liches Regrment führte wo auch die
herren Ingenieure vom Vahndau ein
tehrt waren und allabendlich die
Fonoratioren zusprachen. Unter den
ejteren hiitte der alte griechische
Weise mit einer Laterne vergeblich
einen Mens n gesucht. Es waren
nur Thpem Der here Stadtpfarrer,
der herr Oberamtsrichter, der Herr
Doktor, der Herr Apotheter —- lauter
Gestalten, wie sie vor sechzig Jahren
auch schon an diesem und jedem ar.
deren Prodinzstammtische gesessen ha
ben mo ten! Mit einer ungeheuern
chen An pruchslosigleit tauten sie all
abendlich ihre gleichen Scherze und
Neckereien, ihre gleichen politischen
und sozialen Weisheiten wieder und
hätten gelegentlich neucierig ader mit
ißtrauen zu, wenn wir die wir ein
weni mehr von der Welt gesehen hat
ten, ericht erstatteten über Dinger
die ihnen noch nicht vorgekommenl
waren. Wir —denn wir waren un
gr zwei: der erste Jngenieur vom
ahnbau kam noch dazu, ein schlan:
ter, blonder Mensch von etwa sechs-l
unddreißig Jahren Er hatte gelock-(
les, reiches Haar und geiällige Züge,
die fast ein wenig zu weich erschienen
wären, hätte nicht der ewig gleiche
ernste Ausdruck der Augen sie männ
licher gemacht. Er hatte die halbe
Erde bereist, hatte in Südamerita
eine Bahn angelegt, an der Firth of
Korth Brücke mitgearbeitet und in
imberleh Minen eingerichtet. Erst
«seit Jahr und Tag war er wieder iinj
Lande. Da er die Karten haßte, wie
ich, und seine Kollegen in jeder freieni
Minute ihrenSlat trommelten, mußte
er wohl an den Stammtisch kommen.
wenn er Abends nicht allein sein
wollte. Und er wollte nicht allein
sein« Es war eine Unruhe in ihm,
die auffiel. Jch hatte die Empfin
dung, als spreche er manchmal nur-,
um seine Stimme zu hören, als fürchte
er jeden unbesckäftigten Augenblick
Wenn ihn leine Anspracte zerstreute«
horchte er oft wie geistesabwesend,
rerträumt in die weite Ferne hinaus-»
und man mußte ihn dann wohl zwei l
mal anreden, ehe man Antwort bekam. ’
Zuweilen fuhr er aus feinem Hin- s
träumen mit einem kurzen Ausdrucks
des Schreckens, ja des cehrnerzes in
die Höhe, manchmal aber auch mit,
grogern leuchtenden Augen und tren
dig bewegt Und ich erkannte, das-,
dies Auszucken jede-g Mal mit dein»
ScUag der nahen Thurmuhr zusam: ;
rnenfieL Jch fah auch manch-mal;
deutlich, daß er aus diesen Schlags
wartete. Er hatte eine werthvolle
Glashütter Uhr, die er nrit einer ge
wissen Zärtlichkeit hütete-, die er,
rcenn die Stunde voll werden sollte,
herausnahm und ansah, als zahle e:
die Minuten. Wenn aber dann die
Thurmuhr schlug, gab er kein Zeichen
von innerer Bewegung, nur sah er
noch eistesabwesendet aus, als vor-—
her. achher warf er wohl wieder jäh
den Kopf zurück, schürtelte das Haar
aus der Stirne und mischte sich ins
Gespräch.
Die Berufs-genossen und Untergebe
nen. Hartwichs —- so hieß ex —- sag
ten, er sei ein Ehrenmann und von
großer Güte, verstehe sein Geschäft
von Grund aus, aber er sei ein We
niges verrückt. Und sie brauchten da
siir mit der Liebkosipkeit der Gesunden
und Beschräntien einen Ausdruck aus
der Spräche des Volkes, das heute
fremdartig-en Geistern gegenüber noch
genau so seindselig und höhnisch ist,
wie vor tausend Jahren. —
An einem heiteeen Juliabend, an
dem die Honorarioeem wie immer, an
ihem Stammes ch sesiklebten und um
noq Massen- ichtt teilen alösonsi
Wabe rieth l ich mit hart
sick met der-M Dsiube in den Gar
.· ten ders«M«. Die Atmosphäre un
s set dem trieer Krevzgewölbe des
- CM Raume- wcr eesiickend gewesen
nnd-sit kenne a . — wie die
: speise I usi, die vom
- re UIM Die Wirth-in
itrug uns eigenhändig Gläser und
Feuerzeug heraus unter die hohe
grüne Kuppel des Kastanienbaumes,
er die wenigen Tische des Postgap
tens beschattetr. Sie sagte die übli
chen Worte über den schönen Abend
und dann ließ sie uns allein.
: Schweigsam, wie Hartwich unter
toter Augen fast immer war, war er
Hauch jetzt. Er zog feine Uhr heraus
» und starrte aus ihr Zifferblatt und als
dann neun schallende Schläge vorn
Thurm durch den stillen Abend dröhn
HUL schaute er wieder weltvergessen
til-er das weite Flußthal hin in dass
verglimmende Rott) am Himmels
rande. Dann nahm er sein Gine,
trank und hob den Römer ein wenig
doch, wie gegen einen unbestimmten
Ort in der Ferne. Er hatte vernei
sen, daß ein zweiter Zeuge dieses stil
len Bechergrußes da war. Jetzt fiel
es ihm ein. Verlegen setzte er sein
Glas nieder.
»Sie soll leben!« sagte ich, utn das
Schweigen zu brechen und noch ver
iegener stieß er mit mir an. Dann
sagte er.
»Es ist schon io wag und est- w::’
auch nicht schwer zu errathen. Sie
haben mich ost genug gesehen, wenn
meine Seele auf Reisen war, weit.
weit, weit weg von hier, und ich weiß
auch, wie wenig ich meiner Gedanken
und meiner Mienen Herr bin,in jenen
Augenblicken, wenn ——«
»Wenn die Stunden schlagen!«
»Ja, wenn die Stunden schlagen.
Sie iollenauch wissen, wag es damit
für eine Bewandtnis hat. Es ist eine
sehr, sehr einfache Geschichte und doch
Hist Etwas dabei, was mich um den
» Verstand bringen tönnte nnd vielleicht
T noch bringen wird. Etwas vor jenen
JDingem welche unsere Schulweigheit
; nich; unter Dach und Fach zu bringen :
! nsei .
- Ich hin immer ein Sehn-ärmer ge
-me»en. wie sie sagten, vordem freilich
ein fröhlichen Als ich noch auf der
polytechnischen Schule war, wohnte
set-, ein Studentlein mit bescheidenen
Mitteln, bei einer Ossizierswittweinl
M. Es waren bitterarrne Leute; die»
kleine Pension und das simrnerverd
miethen reichtrn nicht aus iir·’"5 Leben:
und bis tief in die Nacht saßen die;
beiden Damen wach und sertigtenj
Stickereien für ein Geschäft. Dies
Tochter meiner Hauswirthin war eint
holdes und zärtlicheg Geschöpf, heiter»
und geduldig gegen die Mutter, eine
oergrcirnte Frau, die voll von Unge
rechtigkeiten, Schrullen und Vorur
theilen war und voll Undant fiir die
selbstlose Aufopferung ihres Kindes.
Das feine, schöne Mädchen hatte eg
mir bald angetlcan und je mehr ich
ihr stilles Heldenthum, ihre unversieg
liche Güte aus der Nähe sah, usn so
lieber gewann ich sie. Trotzdem ich erst
zweiundzwanzig ahre zählte, w:r
das keine tnaben ste Liebelei. son
dern eine Neigung siir’75 Leben. Wir
verlobten uns, wollten es aber der
Mutter erst sagen, wenn ich mein Exa
rnen hinter mir "tte und wir waren
Beide die Leute zu, ahre lang er
geben und getreu zu to rten aufunser
Glück. Do brachte Luisens Mutter
eines Tages einen Freier in’s Haus,
einen Regimentstameraben ihres ver
storbenen Mannes. Er mochte unge
fähr so alt sein, als ich heute hin und
Luise zählte damals noch nicht acht
zehn Jahre. Jener galt als tüchtigen
ernsthafter Of izier und wie er nicht
alt und nicht jung in seinern Wesen
wor, war er auch nicht hübsch und
nicht häßlich, nicht llug und nicht
dumm, nicht gut und nicht böse, ein
Streher vielleicht, irn besseren Sinne,
eher spießbiirgerlich als ilott. Er be
saß ein kleines Vermögen, das er nie
angetastet hatte —cerade die »Kan
iion«. Hatt und seltsame-tin wievi
Noth sie gemacht hatte, wollte die
Mutter diese Gelegenheit zur Verspr
gnng Luisens sich ni entgehen plus
sen. Das Mädchen ha te keinen Wil
len neben ihr und als nun auch unser
Verhältniß an’s Licht kam, wußte die
Frau die heftige Szene, welche folgte,
o klug zu nützen, baß Luise wehrlos
und betaubn dem Freier Ihr Faroort
gab. Ihr zu grollen, hatte ich kein
Recht; eLs wäre für Luisens weiche und
schüchterne Art ein Ding der Unmög
lichkeit gewesen, jahrelang im Hader
neben dieser Mutxer hinzueben So
hieß es Abschied nehmen. Wir hatten
nicht Zeri,« irgend einen Gedanken über
einen Verkehr der Zulunst zu fassen;
die Mutter stand in der offenen Thiir
und hatte meine Reiseiascke in der
Hand. Da schlug draußen eineThurm
nhr an und pötzrch sagte dag- Mädchen
nrii einem ganz visionären Ausdruck
im Gesicht, die nassen, rothgeweinten
Augen voll auf mich gerichtet:
»So ost Eins die Stunde schlagen
hört. soll es an das Andere denken. So
müssen sich unsere Gedanken immer
wieder begegnen und wir werden ein
ander grüßen!«
sch mach-te ein Zeichen, daß ich sie
verianden. Dann sah ich noch, wie
durch einen Schleier, daß sie wankte
nnd aus einen Stuhl siel — und dann
war ich ans dem hause. Noch arn glei
chen Tage reiste « .sort und stu irie
in einer nordbenk chen Stadt weiter«
Jch hörte von ihrer Vermählung und«
dann nichts mehr von ihr. Wenn die
Stunden schlu n, dachte ich wohl an
sie, aber ei br e mir keinen Trost, es
war, als-risse mir der-Ton sie Wunde
bon Neuem aus« Ali ich mein Exa
rnen macht hatte, nahm ich Dienste
im utlande nnd dahabe ich jahre
lang überhaupt keine Thairmuhr schla
gen hsten. Ei hätte ja damals wohl
auch nicht mit der Zeit zxstimmt
Meine Liebe zu Luise war wie begra
ben —- aber lebendig begraben! each
Fette Alles von mir gethan, ’ s
leiseste Andenken das an sie erin
,nerte, denn ein heißer, wilder Schmerz
war mit jeder Erinnerung nsie ver
bunden. Es war thöricht. schwach-—
feige vielleicht, daß ich von der Sache
nicht loskommen lonnte! Aber es war
nun einmal fo!
Zehn volle Jahre bin ich im Aus
land gewesen, da führte mich der An
trag eines Großindustriellen in die
Heimath zurück. Nicht ohne Bewe
gun fuhr ich die Elbe heraus und als
in amburg ich meinen Fu auf den
Landungsfteg feste, fiel dröhnend ein
Viertelstundenichlag vom Thurm der
Michaetertirchr. Und nun war mit
diesem einen Ton Alles wieder da, die
wilde alte Sehnsnäst, der na«ende
Schmerz und vor Allem das Geciiihh
Jch lann nicht weiterleben, ohne sie
wieder gesehen zu haben —ns.ag wer
den daraus, was werden wills
Durch ein Militärhandbuch war der
Aufenthaltsort ihres Gatten bald ge
funden. Zwei Tage nach meiner An
tiüift auf deutfck.ein Boden ftand ich
in der kleinen, linlsrheinifchen Gar
nifonsftadt vor ihrer Schwelle Die
olanle Messingtafel an der Thiir sagte
mir, daß er inzwischen Oberftlentnant
geworden war. Ich llinzreltr. Sie
öffnete selbst, starrte mich einen Aus
genblick entsetzt an und zog mich dann
zitternd, einen Gruß ftnmrnelnd. in
eine Stute. Da saßen wir und ver
fchtangen einander mit den Blicken.
Sie hatte sich wenig verändertz ihre
Weltall war seltsam mal-Centrum usw
ziertich geblieben, ihr Gesicht ganz das
alte, nur doch wohl bleicher und
schmalen Wir hielten einander work
los- hei den Händen und wußten Beide,
daß wir-uns auch im Innern nicht
verändert hatten. Und ich wußte auch.
daß sie nicht glücklich, daß sie freud
los und einsam lebte, ohne daß sie mir
es sagte. Unter lautem Schluchzen,
das in wilden Stößen ihren ganzen
Körper erschütterte, fiel sie mir um
den hals.
Jch hlieb einen Tag im Orte und
wurde dem Qberstleutnant vorgestellt,
der sich meiner nicht mehr erinnerte.
Er war höflich und von einer trocke
nen Gutmüthigteit, Pflicht- und Be
russrnensch durch und durch, manni
sirte das Haus« ohnees zu wollen und
zu wissen. und erzog ununterbrochen
an einer Frau, die er offenbar in tei
nem Zug ihrer oornehmschiichternen
Natur verstand. Man bat mich zu
Tische und als ihn nachher der Dienst
wieder ries. blieben wir, Luise und
ich, allein und erzählten einander von »
den letzten Jahren. Sie hatte freilich
wenig zu erzählen, weil sie thatsöchlich «
nichts erlebt hatte, ais llmziige oon
einer Garnison zur anderen und die
öde Einförmigkeit eines Lebens nach;
der Uhr und nach der Schnur. Kinder s
hatte sie nicht gehabt Sie erzähitr
Alles gelassen und müde, ohne jede!
bewußte Traurigkeit unt dabei wars
es doch todttrauria. Zu hören von«
diesem Leben im Zwielicht Mir wurde i
das Herz voll und schwer und ichs
wollte gehen, ehe der Oberstleutnants
zurückkam. Noch einmal schlang frei
die Arme um meinen Hals, weinte sich i
aus und wir lüßten uns zum Ah
schied, länger und heißer als je in den
Takgen unserer heimlichen Jugend
lie e.
· Da riß zins ein rauhes Lachen aus
einander. Jhr Gatte war unvermerlt
eingetreten und sah uns in solcher
Umschlinguna Einen Augenblick
zerrte er, dunkelroth im Gesteh-L an
feinem Säbel, dann fragte er heiser:
»Darf man fragen, was die Szene
da bedeutet?« ·
· . ch war schnell gefaßt und erzählte «
ein ach die Wahrheit Und die Wahr
heitsoeinsach, daßer auch nicht einen
Augenblick zu zweifeln sctxiens
»Also darum! Also darum!" sagte
er, schwer athmend. »Also darum
hohe ich mich umsonst bemüht, aus
meiner Gattin auch mein Weib zu
machen! — Und was soll nun wer
den?« «
Jch sagt-, daß ich in jedekun
zur Versagung stünde-— wie man in
solchen Fallen eben sagt. Grol- unter
brach er mich:
»Ich bin tein Esel und will teine
Schiene-teil Aber auch teine Komödie
von Scheidung, oder io wagt Ich will
auch keinen Schaden haben an meiner
Ghin meiner Zielluna und an meiner
Seelenruhel Jch will ganzv kurzin
Jhr Ehrenwort. daß Sie mit meiner
Frau nie wieder schriftlich oder per
fönlich in Verkehr treten und ibr mit
Absicht nie den Weg ireuzen werden!
Das will ich — Herr!«
Einen Blick warf ich noch auf die
Frau« die zitternd in die Sophaecke
gesunken war und fah, daß sie zu tei
nem Kampf bereit und fähia war. ch
lsemerlte auch jeßt erst, wie schwach
und gebrechlich sie aussah und daß
sie wohl trank fein miisir.
«Soll ich gehen, Luife?«
Flehend fah sie mich an und- nickte
Und alsich mich wenden wollte, hielt
ihr Blick den meiniaen noch einen Au
genblick feft, führte ihn nach dem Zif
ferblatt der Wanduhr und wieder zu
rück. Jch verstand sie! .
Der Oberftleutnant empfing mein
Ehrenwort, Jvie er es gewünscht hatte
und ich schied von der Geliebten, ohne
ein weiteres Abschiedswort Sie war
nicht im Stande u reden, und weinte
in' ihrer Ecke fti und hilflos in sich
hinein. Da ging ich denn.
Das war vor zwei Jakrem Und feit
damals ift nun ’ene5 eltfame in
undwieder zwif n nnc, bei je m
Stundenfchlag. Es nia einem An
deren als Uebers nnihet erfcheinen,
trank ft, wenn ie wollen J— altzer
bei fe Schlage der Uhr fuhle »ich
das sann das unfere Seelen an ein
ander fe elt, geheimnisvoll bewegt.
eh glatt ei ganz deniiich zu unter
cheiden, ob im betreffenden Moment
s
z s
i
;
ich allein an das Gemeinsame denke,
oder ob die ferne Frau zu gleicher
Zeit den Schlag hör und unsere Gc
danken sich beize nen. Jch fühle
freundliche, milde riiße voll Sieh-n
lnchi nnd Zärtlichkeit, aber selten iel
ten! Jch fühle Zorn und Verzweif
lung, aber am Allermeisten ein resig
iiirteg, müdes Dulden. Manchmal
durchschauert mich das Pochen des
Hammers auf die Glocke mit einem
wimmernden Weh; mir ist dann, ais
höre ich was wie das Klagen deren
rcnten Wildes und ich weiß auch
längst daß diese arme Frau, dienichL
mehr den Willen bat, sich zu wehran
und zu leben, in ihrem Winkel lana »
sam l)iniiirt«t. Jch fühle es- mit
einem Schmerz in diesen letzten Wo
chen, daß ich ielter meine, daran zu
Grunde en gehen! Es ist, als reichten
aus meinemNervensnfiem feine Fäden
über die Grenzen meines Körpers weit
ltiinansz nnd wären mit iyrem Wesen
verknüpft und litten Init, wenn sie
eidet.«
Er schwieg und ich sak- einen Aus
"druck tieferVetitöriheit in feinem
hülschen männlichen Gesicht, der mir
ie noch so sehr aufgefallen.
I Es war ein paar Tage später. Eine
sfurchtbare Schwüle hatte seit dein
;friihen Morgen auf uns gedrückt und
Zwar gegen Mittag unerträglich ge
"tvorden. Hartwich lam früher als
sonst, und tota( erschöpft auf seinem
Rad von der Arbeitsftelle zurück und
Band mich im Garten.- Der ftarle
ensch fieberte ersichtlich unter inne
rer Aufregun« und als ich ihn, ehe er
gesprochen, Fragend ansah, sagte cr
mit heiserem, verwirrtem Ton:
»Es it Unheil in der Luft!«
Die ahl eit, welche ihm die Wir
thin in den arten brachte, ließet fast
unberührt. Er schien heute ununter
brochen hinauszuhorchen in die Ferne
und schauerte bei jedem Viertelstun
denfchlcge zusammen, daß ich es
schließlich selber quälend miternpsand.
Von zwei Seiten des Horizont-i
stiegen schwarze Wollenwiinde heraus
und breiteten sich mit unheimlicher
Schnelli leit aus. Rein Lüftchen
regte fi. , siedende Stille überall! Die
Leute, die man auf den Feldern ferne
hastig arbeiten sah, ihre Ernte noch
bot dem Sturme zu retten, erschienen
fast gespenstisch in der grellen, harten
Beieuchtuna, die noch durch einen
Spalt in der Wolkendede auf sie fiel.
Endlich schloß fiel-,- auch der —— aber
immer noch lein Blitz, lein Donner
rollen, lein Troper NeeenZ Es war
jem, eine Stunde nach Mittag, finster
geworden, wie in der Dämmerzeit und
eine grausig: Bangigkeit lag in der
Luft, rer sich Keiner entzog.
»Wie vor dem Weltgericht!« saate
ich und merkte bald, daß Hartwich
ni ,t hörte. Sein Blicl war starr,
«-chweißtropfen glänzten ihm auf der
Stirne und man fah an feinem alte,
daß er mühsam schlurlte, wie Liner.
dem die Kehle aus-getrocknet ist.
Da schlug es ein Uhr! Scharf.hs1rt,
fiel der Schlag in dieser bangen Stille
vorn Thurm nieder. Er tra auch
meine geioltcrten Nerven wie ern Peit
schenhieb und noch arger die Hart
michs, der mit hörbarem Stöhnen
zusammenzuette, dann aufsprang,
mich erregt am Arm faßte und schüt
telte und tonlos sagte:
»Jetzt ist es gefche n -—- ich weiß ee
ganz gewiß! Jetzt it sie todt!«
»Kaum wissend, was er that, qing er
mechanisch auf das Haus zu. Indie
sern Augenblick brach das Unwetter
los. Mit einem qewaltigen Stoße
lam der Sturm, Thüren und Waden
flogerf tlatschend zu, unreife-J Obst
und Aeste regneten nieder. Ein unge
heurer Donner eröffnete die Sym
phonie der Elemente, erst geltend und
l:achend, dann mit einem langen
dumper Rollen, das anfchwoll und
nachließ, aber wohl eine halbe Stunde
lang überhaupt nicht mehr endete·
Bald schien der ganze Himmel in
lammen zu stehen und aus diesem
lammenmeer lnatierten, wie ab
wärts gekehrte Rateten, lange blen
L
denke, veranelte Bxitze nieder meiner
Menge, dasz man ein Gesiihl hatte, als
stünde man imttugelresgen eineg Bom
Lardemente. Unter betäukJendeniDow
nergetöse schlug denn auch der Strahl
in eine-:- ker uralten Häuser amMartt,
rothe Gluth stieg aus und bald siillte
ein Höllenzärm den sonst so stillen
Platz. Wer nur irgend tonnte, rannte
hilfsbereit hertei und schnell machte
sich das Bedürfniß nach einem ordnen
den Willen in diesem Schwaer von
Ausgere ten geltend. Haetwich wurde
um Hil e gebeten und war sosort
vorndran und, ewolznt. Arbeitermas
sen zu führen, satte er bald die klein
stiidtisete Feuerwehr und die irgend
trie brauchbaren Hilfe-tröste in eine
zielbewußte Thätigteit geleitet. Arbeit
und Gesabr waren in diesem Augen
blick ganz, was er brauchte. Als nach
vier orer süns Stunden der Brand siir
gelöscht gelten konnte, der sich- Dant
Hartroichs energische-n Eingreifen, ans
zwei Häuser der Reihe beschräntte,
kehrte dieser in sein Quartier zurück,
Kopf und hände von Schramrnen
und tleinen Brandmalen bedeckt, aber
so müde daß et aus zseinen alten Di
van anant und einschlies, ohne noch
ein prt weiter gesprochen erhaben
Ich sah an dieser tie en Erschö sung
nnd Entspannung wo l, daß er chlasi
lose Nächte hinter si haben mochte,
schob ihm« ein Kissen unter den Kon
und schlkh hinaus.
Es dämmerte schon start, ali er er
wacht war und mich bitten ließ, iPni
seine ahlreichen, aber ganz harmlo en
Vorlesungen verbinden und verpfla
stern zu helfen. Ich sand rttoich
ern , traurig vielle12, aber ie boh
ren Unruhe .von ev dem und alles
F
—
.csilfsbkdütftis.
l— HEFT-II
Bettler »Ach« seien Sie doch so gut und schenken Sie mit ’ne Klei
nigkeit, meine Frau und meine Kinder hungern und ick — dutschte!«
—
irre Wesen war von ihm gewichen, wie
auch draußen die Wetterschwiile einer
Erquickenden Frische Platz gemacht
atte.
Als meine Samariterarheit gethan
war, ständen wir schweigend am Fen
Zer seiner Stube und sahen aus den
Zatz mit der regennassen Branvsiätte
hinaus. sehn Schritte von uns ent
sernt erho sich der Thurm der Pfarr
kirche und nun hörten wir, Da eben
wieder eine Stunde um mak, deutlich
wie im Schlagwerk der Uhr der Ham
mer mit dumpfem Stoß aushcb. Jet
sah Hariwich theilnehmgvoll in’s Ge
sicht. Ali-:- abee dann die Schläge selber
niederdröhnien, guckte er nicht mitder
Wimper! Meinem steigenden Blick mit
ruhigen Augen begexinend, sigie er
einfach:
»Nein! Tag bedeutet jetzt nicht:
mehr! Der Draht ist zerschnitten zwi
schen mit und --— dort! Ich werde
incrgen eine Beiseite hinschicken und
Sie werden sehen, des-, ich Recht haitr!»
Sie ist erlöst!" s
Es war auch- so! (
------
Gemüll-licht Menscher-.
Karl Stanaen erzählt Von einem
Abend in einem Trusendori aus der
Höhe dek- Litanon u. a. Folgendes:
Jn dem Hause, in dem ich die
Brautaueitellung eines Drusenmäd
tisens besichtigt hatte. wurde ich zum
Essen eingeladen. Jn dem Zimmer
-—— wenn man eine Wohnung niit
kahlen Lehrnwänden, in die das Licht
durch eine niedrige Thür und einige
einfache in der Wand angebrachte
Löcher dringt, aie Zimmer bezeichnen
will —- wurde ein Strohteppich auf
gelegt, und man sorderte mich aus,
mich dort niederzulassen
An meiner linten Seite saß die
Braut. an meiner rechten eine andere
Drusenfrau. und weiterhin im Kreis-.
selbstredend iänimtlich mit unterge
fchlagenen Beinen, verschiedene Män
ner und Frauen, bunt durcheinander
Nach einer tleinen Weile erschien eir
junges Dtuienmädchen und brachte
eine große hölzerne Schüssel, in der
sich eine Art Eiertucben befand, und
setzte diese Schüssel in die Mitte des
Kreises. Jch muß hier bemerten, dafi
die Drittenfrauen und Mädchen sich
nicht, wie die Mohamrnedanetinnen
verschleiern. Sie tragen zwar ein
weißes Tuch über dem Kopi. das sie
aus der Straße, wenn man ihnen be
gegnet, etwas vor den Mund halten,
aber im Hause legen sie diese Hülle,
auch wenn die Männer zugegen sind,
vollständig ab. So hatte ich auch hier
Geleaenbeit, die nicht unschönen Züge
ter sämmtlichen Frauen Fnd Mädchen
bewundern zu tönnen.
Die«Braut gri f zuerst nach der in
der »hölzetnen chiissel befindlichen
Speise, indem sie ein Stiia von dem
Eier-suchen abbrach, vieles in einen
Nan saurer Milch- tauchte und dann
zum Munde suhrte. hrem Beispieie
olete die ganze Geie schafl, und so
mußte auch ich mich bequemen, in der
selben Weite das mir da ebotene Ge
richt anzunehmen Die trterhaltung
wurde in aeabiicher Sprache ge iihrt
und ich tonnte ihr nicht in allen bei
len folgen. Aber dat. was ich von al:.
den naiven Bemerkungen über die1
Braut und deren zukünftige Ehe ver
stand, war doch seht erheiternd für
mich und verfehle mich« in die beste
Laune.
Als Alles lachte und scherzte, ve
merlte ich jedochs daß sich die neben
mir befindliche raut mit ihren Hän
den in meiner Ueberrocktalche zu schaf
fen machte. Ich halte meinen Ueber
rccl fest zu laspr Dies war aus
Vorsicht ge chehem weil ich damit
auch meinen Gelt-deutet und meine
Uhr in Sichkkheit gebracht haben
wollte.
Bei der feindlichen Gesinnung, die
die Drulen gegen vie Christen jeder
Zeit haben, hielt ich es für weck
mcIiY die Braut in meiner «asche
n herzensluft wühlen zu lassen,
umsomehr, als ich nur ein Taschen
tuch unid meinen Kneifer hineingesteett
hatte. Es wäre auch schade gewesen,
J
F «
der angenehmenunterbaltung dadurch
Abbruch zu thun. daß ich vor allen
Gästen die Braut eines Diebstahls be
schuldigt hätte. Jch wartete daher
nur noch den geeigneten 9,eitpunlt ab,
um mich aus dem gastfreundlichen
Hause entfernen zu können. Selbst
redrnd hatte ich vorher, wie es irn
Orient bei solchen Gelexenheiten ims
rner üblich ist« stir die ausfrau einer-.
entsprechenden Baaschi ch, bestehend
in einem Goldstück, zurWlaisem
Erst am anderen Morgen liesz ich
mir durch einen meiner Diener den
Scheich der-Dorfes tomrnen undtheilte
ji«-in mit, wag mir begegnet wohin-«
dein ich ihn aufiorberte, rnir die von
der liebenswürdigen Braut gestohle
nen Gegenstände sofort wieder zu ver
schaffen, widrigensalls ich dein Pascha
in Damaslug von dem Verfalle Mel
Hing machen würde. Obwohl ver
Werth der Gegenstände sehr gering
war-, mußte ich- dies doch nur« dem
Grunde thun, ireil die Bewohner des
Dorfes ionst in dem Micheli-un in
ter That eine erlaubt-: Sache gesehen
haben und leicht zu Wiederholun en
kci anderen Uteiienden geneigt gewestn
sein würden.
Da die Drufen die lkininilchung der
Pafchag wenig lieben, aus Furcht vor
solzer Behandlung durch die Polizei
foldaien« verstand sich der Scheich da
zu, mir die Sachen sofort wieder zu
verschaffen Für mein Quartier und
die mir von dem Scheich ermiefene
Gaftfreundfchofi wurde von mir
Fbenfalls reichlicher Backfchifch verab
ol l.
« sch halte noch die Freude, daß ke
rode, als ich mich auf meinen Gaul
schwang, die Sonne durch die Wollen
brach und die ganze Gegend freund
lich beleuchtelr. Mit einem »Mir offn
lame« begriiete ich die Bewohner des
Dorfes, die its auch bei ineiner Wei
terreile ahlreieli anaefainmell holten
und felbt die freundlicte Braul, die
in »dem Verfahren, wie es schien, nichts
Ungewöhnliites erlnnni halle, fand
sich zum Abfcksiede noch- ein irnd --—
reichte mir ebenfalls ihre mit meiner
Tasche wohlvertraule Hand!
—-..’
Ein ie.k. onus · . ·
Ein jedes Haus, und ivär’ es nochsi
llein,
Schließl doch ren Riesen »Sd;icllai«
in »sich ein.
Wir müßten stumm vor jedem Hause
fleifn
Und ehrfurchtsvoll noch feinen Fen
fiern fehn.
Denn denll nur: jede schlichte häufecs
« · wand,
Wie viele Seufzer häll sie nur um
munt,
Wie viele stille Freuden Zirgt sie bloß,
Wie viele Leiden sind in ihrem Schoß.
Ein erfler Kinder Ortei. ein letztes
er ,
Sie wechseln in dfen Mauean fort uiid
und drum- iiim Lebe-»libe- Tor-,
Schwebt ieis der Liede lenlies Flü
« nelrolln ’
Lob und Tabel.
Zu v l tadeln,
as äntt sehr,
«u weni Lob
« ach wet mehr.
Gerechte Entrückt-H
Richter: »Das Mädchen fühlt sich
beleidigt, weil Sie sie Dreckschwalbe
genannt haben!« .
Angeklagtek: »Na· wenn sie früh
um Uhre neune noch unjewaschen und
unjesämmt.rumloosi, soll ick ihr denn
vielleicht «Patadizvogel« net-usw«
Ist-entl
»Sie, Frau Nachbarin, heut’ Nachs
hat mit 'ttänmt, daß ich meiner Katze
ihren Schweif ausgerissen hab’!«
»Jesses na!«
»Ich bin aber dann gleich auf
g’tvachi!«
»No, da hat f wenigstens net W
leiden müss'n!« .