Knabe. Den milden Kopf schwer in die Hand gestützt, saß Ellen Hogarth an dem Bett, dumpf vor sich hinbrü tend. Ach, wie war sie müde und matt, müde zum Umsmken. Drei Tage nnd Nächte fast unnnterbrochene Kranken pslege sind keine Kleinigkeit selbst für ein starkes blühendes Mädchen wie Ellen Hogarth Schlaer —— schlafen, nur ein Mal wieder fchlasent Das war fast der einzige klare Gedanke, den Ellen zu fassen vermochte. Abend war es. Langsam begann die Nacht ihre dunklen Schwingen zur Erde zu senken. Müde und flackernd brannte das Nachtlämpchen und wars lange schwarze Schatten in das Zim mer. Plötzlich regte sich der Knabe und wurde unruhig. Erschreckt sprang Ellen anf: »Herr — Gott! Laß ihn nicht sterben — nur nicht sterben!« sliisterten ihre behenden Lippen. All mählich ward das Kind wieder stiller und auch Ellen sank erschöpft in den Stuhl zurück, das müde Haupt ties auf die Brust geneigt. Plötzlich sühlte sie sich an der Schul ter berührt und neben ihr tand Rath Waldow, ihre einzige Freundin, an der Ellen hing, wie an einer Schwe ster. »Ellen! Wie steht est« forschte die junge Frau angsterfiillt. Und dann, ohne die Antwort abzuwarten, schlang sie in jäh ausbrechendem Schmerz beide Arme um der Freundin Hals: »Ach, Ellen, Du - —— Du weißt es nicht, wie einer Mutter zu Muthe ist, wenn ihr Liebste-L ihr Einzigeg mit dein Tode ringt! Und daß ich ihn nicht selbst pflegen darf. meinen Kurt, mei nen Sonnenstrahl, weil ich selbst so lranl und hinfällig bin!" tlnd dann war Ellen wieder allein mit dem kleinen Knaben. Gleichmä ßig ticlte die Uhr. Still lag Ellen in dem Lehnstuhl, mit wachen Augen vor sich hinträumend. Und ihr ganzes Wesen, jeder Zug ihres blossen Gesich tes waren Gebet und Andacht: »Rette ihn, rette ihn! -—— O Gott, laß das Kind nicht sterben!« —- — Sachte ward die Thür geöffnet und Dr. Heinzius trat iiber die Schwelle. Bei seinem Anblick erhellten sich die Züge des jungen Mädchens und iiber ihr bleiche-Z, sorgenvolleg Gesichtchen huschte ein sonniges, vertiärteg Lä cheln. Der Arzt trat zu dem Bette, unter suchte -—— priiste that Fragen und gab Anweisungen. Dann zuckte er ernst mit den Schultern: »Heute Nacht muß es sich entscheiden! Ob zum Guten oder Bösen —- -— Der Satz blieb unvollendet. Tröstliches der mochte der Doktor nicht zu sagen. Und doch, als er gegangen, war es« Ellen zu Muthe, als sei ein rosiger’ hoffnungsschimmer in dem traurigen Krankenzimmer zurückckgeblieben Die Uhr schlug zehn —— -»— schlug elf. Das Fieber wuchs! Jn wilden Phantasien warf sich der Knabe. Wie- . derholt lam Ruth, um nach dem Be . finden ihres Lieblings zu sehen, dochj nur Ellen war eg, die die lindernden! Eisbeutel erneuern, die nassen Widels wechseln durfte. nicht die zarte, selbstj schonungsbdiirstige Ruth. Nach Mitternacht wurde das Rind1 ruhiger, und es schien Ellen, als sei es ein sanfter, erquickender Schlummer, der den Kleinen umfing. Kaum graute der Morgen, als Dr. heinzius iiber die Schwelle trat, ge folgt von Ruth. Er nahm die Hand des Knaben in die seine, befühlte Stirn und Nacken. Dann streckte er mit freudigem Aufleuchten der Augen Ruth beide Hände entgegen. ,,Gnä-s dige Frau«, sprach er ernst, »Ihr Kind bleibt Jhnen erhalten — Kurt wird leben! Danlen Sie es Ihrer Freundin Ellen! Jhre ausopfernde Pflege hat den Knaben gerettet.« Mit jubelndem Schluchzen warf die junge Frau sich in Ellens Arme, wäh rend Dr. heinzius Blicke voll freudi gen Stolzes und inniger Liebe an dem blonden Mädchen hingen. Ists Zwanzig Jahre später. Tief im Westen stand die Sonne nnd grüßt mit ihren letzten Strahlen das einfame kleine Landftiidtchen, die breite, in die Ferne führende Straße, den Wald und die Wiese. Tiefes Schwigen liegt auf Flur und Heide. Da theilten sich die Büsche und ans dem Waldesfehatten tritt ein blondeg Mädchen auf die freie Holde. Ellen heinzius. An einem Baumitamm sich lehnend, bleibt sie tief in Gedan ken versunken, die Blicke traumverlo ren auf den frheidenden Sonnenball heftend, einen kummervollen Ausdruck im lieblichen Gesichte. Wie das Licht fo rafch fchwindet, toie es plöhlich dunkel wird um sie her » und kalt! Ellen fröftelt und blickt, aus ihren Träumen jäh aufschrerkend, sehnend auf die Landstraße hinab. »Ok) er wohl kommen wir-d'i« flü stert fie leise vor sich hin — und dann noch einmal lauter in brennender Lei denschaft. »Ok) er wohl kommen wird?« Da. ein Aufleuchten in den dunklen Augen« und beflügelten Schrittes eilt Ellen über die Wiese hinab, dem Wäldchen zu, in das die vom Städt chen herausfiihrende Straße mündet. Eben am Waldessaume tritt Kurt1 Weilde ihr entgegen und bietet ihr mit tiihlenr Gruße die hand. ,,Kurt, mein Kurt!« flüstert Ellen selbstver gessen und ihre Blicke hängen voll heißer Liebe an der schlanlen Gestalt des jungen Mannes. ) Ein Lächeln des Unrnutheg fliegt iiber Kurts Zügen, zwischen seinen Brauen steht eine senkrechte Falte. »Laß das, Ellen,« sagte et abweh rend --— »Du wolltest mich heute spre chen — Du forderst die Entscheidung — gut, es sei!« I Entgeiftert starrt das junges-Mäd cien ihn an. Was sie längst komme-n sah f-.ahnte ——- -— fürchtete — wo ran sie me- glauben konnte und wollte, nun isteg da, nun steht es vor ihr! Sie weise, er liebt eine Andere -— er hat vergessen, was sie ihm war, wag er ihr ist-—- nnd er fordert von ilir die Freiheit! Alles dreht sich wie im Kreise. rnit Mühe hätt Ellen sich cu! dem nächsten Baumstamm fest Und rot ihr steht Kurt, um der, die er einst geliebt, mit seinen Worten den« Todesstoß zu geben. Was er spricht, sie hörtes niclt nur seine letzten Worte drinnen an sein — . . - . .- - ——I——-——-———- ——.- ——.—.-— Ohr: »———— und schließlich -——— es war ja doch nur siinderei, Ellen, auch Du wirft vergessen und wirst lernen, wieder zu lieben ——- drum nitnnt den Ring zurück, hab’ Dank siir manche schöne Stunde — « und —— laß uns Freunde bleiben!« Mechanisch nintmt sie den Ring in ;Etnpsang und läßt ihn in die Tasche gleiten. Dann streift sie von ihrer zitternden Rechten langsam einen schmalen Goldreis mit blitzendent Stein und hält ih:i Rurt entgegen tlnd — tran iuir nichts- nach, lsllen,«' lächelt dieser nun weich-er ge stimmt. »Du weißt ja, unbedingte Aufrichtigkeit war der Grundstein unseres Verhältnisses. Willst Du mir nicht noch die Hand gebe-n und Lebewohl sagens« Einen Augenblick fühlte er ihre eig kalten Finger in seiner Hand »Leh· wohl!« ,,Leb’ tvohl!« Er liistet den Hut und dreht sich zur Seite. Dann, sich noch einmal zu der Regungslosen zuriickwendendx »Ich glaube, es trird Dir angenehm sein, wenn tvir getrennt die Stadt er reichen.'« Sie nickt. Sie weiß nicht, was er spricht, sie weiß nur, daß er geht, um sich ihr nie wieder in Liebe zuzuwen den. Mit den Blicken verfolg sie feine schlanke Gestalt, die nun —— ——-s— »Nein, nein, es kann nicht sein.«Heisie Verzweiflung im Blick, richtet Ellen sich auf. Ein Schrei, laut und gel lend, schlägt an das Ohr des jungen Mannes ,,.siurtt« und noch einmal ichrill und weh s— ter Aufschrci eine-J zu Tode getroffenen Menschenherzengz »Kurt!« Er zögert-»bleibt stehen-—- blickt zurück -—- dann ein Achselzucken und er verschwindet itn Dickicht der Bäume Allntählig ist es dunkel qeworde.i. Friedlich liegt die Gegend. Nichts un terbricht die heilige Stille als der noch serne Psiff eines daherrollenden Zu ges. Vom Wäldchen her die Land ttrafze entlang totntnt mit miidets, schweren Schritten Ellen Heiniiug ge gangen Nun steht sie antSchrantctr des Eifenbahnstrange5, der sie noch von tetn Städtcksen trennt. Der Schranken ist geschlossen, denn in der Ferne leuchten schon die rothen Lich ter des näherbrausenden Zuge-z Scheu blickt Ellen um sich. Ihr Ge sicht ist starr und unbeweat Mit festem Entschluß blickte sie sich und schlüpft durch die Schranken. Noch iwei —-drei Schritte und sie steht hart am Geleise. Näher und näher braust die Lotomotive —-—— schneller stiegen Ellens Pulse. --- Kaum zwan Fig Schritte von ihr entfernt blitzen die rothen Lichter durch das Dunlel der Nacht. In lähutendem Entsetzen schließt Ellen die Augen und preßt die Hände aus die Ohren, —— dann ein gellender Schrei und über die zucken den Glieder des jungen Mädchens hinweg rollt der Zug dem Städtchen zu. .«. .-. « Mit Wahnsinnigem Entsetzen er iiulre sinkt Viellde die Nachricht, die nm nächsten Morgen schon in aller Leute Mund war: lssllen Heinziuo sei verunglüle sei vom Zuge überfahren worden! »Ungliiclclssall!« Mochten die Leute daran glauben, Hure tonßteeg besser. Zur Gewißheit ward es ihm, daß Ellen Heinzing keinem Unglücks salle zum Opfer gefallen, sondern sich m felbstnsörderischerAbsicht unter den Zug gestürzt hatte. Und er, er war ihr Mörder, er, Finrt Waldom. Mör der s— Mörder! Wo qab es Ruhe, vor tiefer furchtbaren Anklage, die ihm unaufhörlich in den Ohren töntrxi Sich selbst zu entfliehen, irrte Rurt den ganzen Tag iiher jin-Freien um her, doch am Abend -—— ohne daß er sichRechenschast geben konnte, warum ---- zog- efe ihn mit unividerstehlicher Gewalt in das kleine, villenartige Häuschen, in dem er so manche Stunde verlebt hatte, zu der- einsamen Frau, die Cllens Mutter eweien war. Was er von ihr wo te, er wu te es selber nicht: Trost geben? —- - rost empfangen? Aber als er dann vor ihr stand und als er ihre Blicke auf sich ruhen sit ite, von denen jeder ein schneidendcrt or wurs sitt ihn war. da war es Kurtzu Muthe, als stünde er vor seinemewi gen Richter. ·Mil hoheitsvoller Oandbeweguug Zieh Frau Dein-sites ihn stehen bei en; und ihre Stimme llan unnatürds lich hohl und heiser, als ie zu spre chen anfing: »Frau Waldow —- bis hierher un nicht weiter! Mein Haus, ift rein nnd unbef eelt, nnd Du, Du list ein Mörder! -—— -—- Knrt Wal ran-! « sie ler r:r zwanzig Jsiyren haben diese Hand-: Tkeh aefnrsd HIR ;-ileat, He ii sc Oknde Dein-sc Mutter ii,k L :elis.: -.— Dem Tod-: abge rnnaen: vor zwrnzig Jahren haben diese Linien siir Dich aebetet und zsefletjt nnd heute stehst Du vor inir als Mörder des Liebsten, was ich l).11te!« Und als die Frau feinen ent setzten, starren Blick gewahrte, fuhr sie mit erhobener Stimme fort: Nein fie, sie hat mir nichts gesagt, denn als man sie brachte. war sie talt nnd -— zerstückelt! Aber Du nast .ni: Mutter-auan nnd mit einem sMutterberzen gerechnet. Kuri Waldori1! Jclj weis; alles ——- alles-« Ich WITH Du bist ihr Mörder, nnd wenn ich will, weiß eg morgen die ganze Stadt·« Gellend tönten die Worte an Kurtg Obr! Aber die Frau war no«ch nicht n Ende. Erstarrte Verweiflnng und wiithenden Haß»im Blick trat sie um einen Schritt näher an Kurt heran. »Wenn Du nun noch weiterleben tanns,« fuhr sie fort, »dann thu’s — aber dann -—— dann bist Du ein Einla ser, ein Schurke --— und hier «- nimm dieses um Abschied!« Und mit sausendein Pfiff klatschte Ellens Reitgerte, die neben Frau Hein ius ans einem Tischchen gelegen, ni der auf Kurts Gsicht. Mit gurgeln dem Stöhnen wandte er sich und stürzte zum Hause hinaus. Frau Heinzing aber trat langsamen Schrittes in das Nebenzimmer nnd brach vor dein Blicke ihres Kindes be sinnungglog zusammen. Ob Vom Mann, der alles um .tauschte Stizze von Henrh F Urban, New Yort Mein Freund Otto TomlinH Acker mann ist ein lieber Kerl, ein sehr lie ber Kerl. Von Brus Arzt Wenn er aus der Straße einen Bekannten trifft, so ist ihm das eine Freude, als ob er soeben an der Börse siinstausend Dollar gewonnen hätte. Denn wie so viele New Yorter Aerzte spekulirt er. Er schüttelt einem siinf Minuten lang die Hand mit geradezu verklärtcm Gesicht, erkundigt sich nach dem wer then Besinden, gesteht, daß man aus sehe wi ein blühender Kirschbaum nnd sagt zum Schluß: Kommen Sie, tvir miissen eins aus Jhr Wohl trinken!' lfg ist,unm«o·glich, seiner Ziehens-wür digleit zu widerstehen. Und doch -—— auch in sinem wohlregulirten Denk apparat war ein Schräubchen los, ein aanz kleines Schräuhchen, wie sich das ·sijr einen richtigen Yankee gehört. Eine einzige Absonderlichleit reihte auch ihn dem großen Heer der »Quinte« ein, die eine amerikanische Eigenthiimlichteit bilden. Seine Ma rotte war, alles umzutauschen, und zwar nicht blos-, Geschenke, die er er hielt, sondern alt-h Sachen, die er sich selbst anschasste· Jsch kam hinter seine Marotte einmal nach Weihnachten. Da sah ich den zweibinigen Wollen tratzer (so nannten wir ihn wegen sei ner Dünnheit nnd Länge) den Brand way hinaussausen, mit nnheirnlichen Schritten, die jeder fürchtete, wenn er mit ihm spaziren ging. Jn der Lin ten trug er die lederne Dottortasche, die siir die Ausnahme von medizini schen Jnstrumentn und allerlei sonsti: gen Handtoertgzeug bestimmt ist. Na tiirlich sollte ich sofort mitlommen, damit er aus mein Wohl eing trinken tönne. Aber ich schlug es ihm a««. »8udem«, minte ich, »sind Sie je densalls in Eile, zu Patienten!« Und ich deutete aus die Handtaschr. »Ach nein,« erwiderte er im sog. nannten gebildeten Deutsch der sein der deutscher Eltern in Amrita, »was ich hier in der Tasche habe, sind die Präsente von meine Freunde und von die Patschenten.« Er meinte Patien ten. »Es sind wunderscheene Sachen, aber ich will sie umtauschen.« Damit össnete er die Tasche, und ich erblickte drei Tintensiisser, vier Papierschnei der, zwei Briefbeschwerer, stins Zi aarrenspitiem drei Geldtaschen und sieben Schlipse. »Waru wollen Sie denn das al les umtan chen?« »Ja, wissen Sie, ich bin nicht leicht uz befriedigen. Und bann, es ig eine Masse Spaß—dabei.« Damit Verabschiedete er sich lachend und sauste in einen Laden, loo allerlei Luxnsartitel zu haben waren. Noch drei Wochen nach Weihnachten machte er die Geschäfte am Broadtvay und der Fünften Avenne unsicher. Jch er fuhr, daß nian ihn dort schon kannte und zu dem Ungeziefee rechnete. Rost bate Zeit vertrödelte er mit der Um tauscherei. Aber wenn er alles umae « tauscht hatte, war er glücklich. Rein Geschenk fand seinen ungetheilten Bei fall. Daher brachten ihn die litte schenle zur Verzweiflung, die sinnige Damen für Doktoren höchsteigenhän dig zu verfertigen pflegen, zum Exem pel die beliebten Sofatissen. Die konnte er wohl oder übel nicht um tauschen. Aber einmal erwifchte er so ein weibliches Wesen doch. Eines Abends llingelte es bei mir, und Acker nian erschien mit einem Packet. »Sagen Sie mal,« sagte er, »Sie haben doch gewiß irgendeins von die Bichet, wo die Flaggen von alle Veller I und Natschonen drin sind. Kennte ich’5 mal ansehen?« ,,«.7;l.’it Vergnügen Aber wozu bran cl;c-«-. Sie die Flaggen?« »Ja, selxen Sie, da hat mir hier so eine Patschentin ler öffnete das Pastet) ein Sofakissen geschenkt mit die Flaggen von alle Vetter drauf. Jch mechte mal nachsehen, ob die Far ben richtig sinds« »Aha, um es nöthigensalls zurück zusenden, ich verstehe.« Er nickte vergnügt. Also gab ich ihm dag Buch, und er setzte sich an den Tisch und begann zu vergleichen. Und er stieß einen Freudenschrei aus nnd noch einen und einen dritten »Hurra!« rief er, ,,sie hat alles duriheinandergeschmeißt Zwei Flag gen haben ganz falsche Farben, und die französische hat ide Farben in fal scher Reihenfolge!« Diese Seligkeit AckermanS! Richtig brachte er der Pa tientin das Kissen zurück und bat freundlichst, doch den Irrthnm mit den Farben zu beseitigen. Seine Fa milie hatte längst ein Abtomnien mit ihm getroffen, daß er sich seine Weih nachtsis und Geburtstagsgpschente selbst taufen solle. Aber die Gerech tigteit erfordert es, festzustellen, daß er gegen sich selbst ebenso u-ierbittlich war, wenn er etwas kaufte. Zum Exempel — et hatte sich in dem größ ten Waarenhaus der Stadt einen neuen Hut gekauft. Er gefiel ihm augiiehmend. Dies, erklärte er, sei der einzig richtige Hut fiir ihn, den er tragen könne· Nach zwei Tagen tauschte er ihn gegen einen harten, braunen Hut um und nach abermals zwei Tagen den braunen gegen einen weichen, schwarzen Filzhut. Dann tauschte er dn schwarzen Filzhut ge gen einen importirten Bierirug und den Biertrng zuletzt gegen zwei Kan nen Spargel um. Er brachte alles —iertig. Man sagte ihm nach, daß er lseine unersättliche Unitauschlusi sogar an seinen Patienten augließe, in der Weise, daß er einen Patienten mit Hererweiterung gegen einen Patienten mit Gallensteinen augtauschte, den ein anderer Kollege behandelt hatte. Eines Abends, im Sommer, sitze ich auf der Veranda eines Hotels in Far Roclawah, esse ein Backhuhn und blicke träumerisch auf das leise wogende, mondbeglänzte Meer, alg mir jemand aus die Schulter klopft. Es war Acker nian in Begleitung einer überaus nied lichen, lächelnden Blondine. »Er-stauen Sie,« sagte er, »daß ich Ihnen meine Braut oorstelle Fräu lin Mhra Hiller.« Jch lade ihn ein, an meinem Tisch Platz u nehmen. Das nimmt er mit Dank an. Nein, so etwas Verliebtes hatte ich lange nicht gesehen. Alle fünf Minuten sischte er nach Mhras mollii gem Händchem ozg es über den Tisch näher zu sich heran und streichelte lieb tosend daran herum. »O Otto,« sagte dann Myra mit holdem Lächeln und ebenfalls im »ge bildetsten« Deutsch - Ameritanisch ldenn auch sie war von deutscher Ab tunst), »Du solltest Dich schämen. Alle Leute sehen es und lachen in ihre Llerniels.«· Und Otto erwiderte glück selig: »Ach das- stert mich nich, Myra Es macht hechstens ihren LMUnd wässern!« Das war im Juni. Im Septem ber traf ich Ackerinan in Maillards französischer Konditorei am Broad wah, wiederuni in Begleitung einer jungen Dame »Gestatten Sie,« sagte Ackerman sreunlich, »daß ich Ihnen meine Ver lobte vorstelle, Fräulein Helen Stuart·« Also es war ganz so gekommen, wie ich gedacht hatte. Er hatt-: Myra ge gen Helen umgetauscht, weil die »Bri netten«, wie er mir später sagte, doch interessanter seien als ie Blondinem ferner, weil Helen tausendmal lieber und »sißer« sei. Sie hatte nämlich Geld, kam aus dem Süden, aus Memphis in Tennessee, wo eine Baumwollplantage ihr zukünftigeg Eigenthum war. Die bekam sie, wenn eine Tante starb. Dann wollte- er nach dem Süden gehen und Plantas genbesitzer werden. Oder vielleicht ließ sich die Baumwollplantage gegen eine Apfelsinenplantage in Florida uintauschen. Unermeßlich und ganz neue Umiauschmöglichleiten erössiieten sich da im Süden. Nach drei Mona ten war auch Helen umgetauscht ge gen Henny Hod, eine wohlhabende Waise; ihre Multr war Schauspiele rin gewesen. Die war schwarz und .hatte ein Paar feuchte-, dunkle Augen, idie unter halbgeschlossenen Lidern ileuchtetem und volle, rathe Lippen, Yum die ewig ein geheimnißvvlleg lLächeln spielte. Jhre Figur war von iquellender Rundung, und sie kleidete isich mit rassinirter Einfachheit, die inichts verbarg. Dabei war sie von Gesicht kaum schön zu nennen. Die tauschte er nicht um« Sie wußte os ssenbay wie Acker-non behandelt wer den mußte. Je leidenschaftlicher er war, desto tiihler blieb sie. Und weil si ihn befürchten ließ, sie könnte ihm ientwischem heirathete er sie Hals über »Kopf. Wie er uns gestand, war er jmehr im Himmel als aus Erden, seit iHenny seine Frau war. Wir lächel ten. ) »Ja,« sagte einer von Ottos Freun sde»n, »wenn Du nicht diese ver lwiinschte Umtauschsucht hättest!« - »Aber ich habe sie doch geheirathet!« erwiderte er getränkt. »Wir sind an einander gebindet. Mit den andern war ich doch nur verlobt. Das ist ein Unterschied!« »Seht schön cI giebt Scheidun gen, nicht wahr?« »Unsinn ----— Henne) hat mir gesagt, sie würde mir das Vergnigen am Um tauschen schon abgewehnen!« »So, so --— siehst du, sie traut dir nicht. Nun hoffentlich gliiclt’s ihr!« Nein ——- es glückte ihr nicht. Jin Gegentheil —-—— sie selbst wurde von ihm angesteckt. Den Frauen ist ja der Hang zum Umtauschen so wie so ei genthiinilich. So dauerte es nicht lange,. und Otto nnd Henny betrieben das Unitauschen um die Wette, leiden-: schaftlich, gleichsam sportniäßig. Hennh übertraf darin sogar ihren Gatten, schon deshalb, weil sie mehr Zeit hatte. Von früh bis spät war sie unterwegs-J um tausenderlei Dinge nmzutauschen --— eigene und solche, die ihrem Mann gehörten. Zuletzt wurde es eine Strapaze siir sie. Sie wurde immer blässer, immer matter, immer nervöser. Da es Winter war, empfahl der Arzt eine Erholung itn Süden. Und eines Morgens reiste sie ab, zu einer Freundin nach San Antonio in Texas. Sie schrieb dann und wann, daß sie sich wunderbar erhole. Als ich eines Abends zu Ackermann kam, stand er vor dem Spiegel nnd lachte wie ein Jdiot. »Was ist denn log?« fragt ich be lustigt. »Und wie geht«-;- Jhrer Frau?« »Aus-gezeichnet —— da lesen Sie Ih ren letzten Brief, aber lantt« Er wies auf sein Pult. Jch nahm den Brief und las: »Lie ber Otto! Jch bin schon in New York zu der lleberzeugung gekommen, daß wir doch eigentlich nicht zu einander passen, und halte es daher fiir besser, nicht mehr zu Dir zurückzukehren Nimm mir meinen Entschluß nicht übel. Jch kann nicht anders· Jch habe schon in New York einen Mann kennen gelernt, der mein lange ge suchtes Ideal oertiirpert, und habe mich entschlossen, ihn mit Dir zu ver tauschen-« »Ein vertauschen!« johlte Ackerman, also selbst umgetauscht!« warf sich auf einen Diwan und streckte die endlosen Beine gegen die Decke« HO Deutsche Haue-sitt- tu Paris. Jn Paris hat man neuerdings ländliche Feste und Pienies in den Wohnungen veranstaltet, und gerade die Wohnungen junger Eheleute suchte man sich dort als llebungsfeld fiir die Hauptpienies aus. Diese Einfälle der Pariser wurden als- etwas Neues ge priesen; indes; es ist nur eine schöne deutsche Volkssittc nach Paris ver pflanzt worden. Bei diesen Pariser häuslichen Pienieg spielte sich nämlich alles genau so ab, wie es bei dem »Herdbegiefjen« in einzelnen Gegenden Deutschlands der Fall ist. D iuje-n Deutschlands der Fall ist. Die jun gen Eheleute sitzen ahnungslos in ih rem neuen Heime; unangemeldet er scheint ein Bekannter bei ihnen, dann lornmt noch einer, der sich natürlich sehr wundert, den anreren auch da zu sehen, ein dritter erscheint, es wieder holt fich dasselbe Staunen, aber alle zeigen sich merkwürdig seßhaft. Noch sind sich die jungen Eheleute nicht klar dariiber, Ida-:- nun werden soll, wenn auch langsam ein Verdacht aufsteigt. Wie aber nach einer Weile immer wie der neue ,,·zufällige« Gäste antmntnen, giebt es keinen Zweifel mehr; heute soll dr ,,.Herd begossen« werden. Nun bricht die Heiterkeit durch, jetzt sind die Gäste die Herren im Hause, sie räu men alles um, schieben alle Tische an einander, um eine lange Tafel herzu stellen, holen sich aus der Küche, was sie an tsteräthen brauchen, und bauen schließlich auf der Tafel all’ die mitge brachten Herrlichkeiten auf, denn jeder Gast hat ein Gericht mitgebracht. Die junge Hausfrau ist aus allen Nöthen, nur der Hausherr hat so schnell als möglich fiir as nöthige Faß Bier zu sorgen, damit das ,,Herdbegießen« be ginnen und in der rechten Weise durch geführt werden kann. Die schöne Sitte besteht hauptsächlich im nörd lichen Thüringen, aber sie ist auch in Mectlenburg zu Hause. Bei uns in Amerika haben wir ein Seitenstiick dazu in den sogenannten »Surprise Parties«. Die Bannen Former-seh Der Ums-old Mark-Gewinn der Ma rienvnrger Schloßlotterie ist einem Berliner Losehändler ans eigenartige Weise in den Schoß gefallen. Er war am zweiten Ziehunggtage Von Berlin nach Danzig gekommen, um dort noch die in seinem Besitz gebliebenen letzten 150 Loose abzusetzen. Allein vergeb lich bot er sie verschiedenen Danziger Händler an; er fand keinen Käufec siir sie und mußte die Loose nothge drangen auf eigene Rechnung spielen. Um so größer war seine Freude, als er erfuhr. daß eins seiner Loose mit dem zweiten Hauptgelvinn im Betrage von 50,000 Mark gezogen worden War. Wi Radilnlkim Alpenwirth lwelcher mit einein Gaste Rechnung macht, leise zu den umstehenden Familienmitgliedern): ,,Wißt’s nicht noch was, . . . der hat noch Geld bei sicht« l Vogt-m Junger Schriftsteller: »Diesen « Morgen habe ich das erste Honorar von meinem Berleger erhalten!« Freund: »Drum hast Du heute ei nen neuen iPapieriragen um!« Sondervor. Professor (der vergessen hat, seinen Hut abzunehmen): »Donnertvetter, jetzt kratze ich mir schon seit einer hal ben Stunde den Kopf, und ich spüre noch immer nichts davon!« Der Glückliche. Frau A.: »Leben Sie glücklich mit Ihrem Mann?« Frau B.: »Selbstverständlich! Der soll nur mal versuchen, mit mir nicht glücklich zu leben!« Jn der Sekundm Professor: »Schulze, Sie können sich mit Ihrem Aufsatz begraben las sen und Müller mag die Grabrede Ei:erfa.«sse11,v der schreibt den traurigsten s-til.« Abgeiiihtt. Gert: »Wenn ich nur wüßte, Gna digste, wo die hübschen Damen alle sind heute Abend?« Dame: »Die sind mit den geistrei ehen Herren schon wieder weg!« — an Sicherheit Bauer (für sich): »Nun weiß ich nicht, hab’ ich dem Hiesl die Ohrfeig gegeben, die ich ihm zugedacht hatte, oder hab’ ich das nur geträumt? . · . Zur Sicherheit will ich sie ihm lieber s« noch mal neben. Anregung. »chhalb hast Du denn aus Dei nein Schreibtisch lauter Postanwei sunggabschnitte ausgebreitet?« Dichter: »Die stammen von meinen früheren Honoraren; ohne diese An-. regnng kann ich nicht dichten!« Undankbar. Flossie: ,,Findet er es denn nicht ziemlich undankbar, fiir Zeitungen und Zeitschriften zu schreiben?« Essie: »Ganz und gar nicht! — Beinahe alles, was er schreibt, wirt mit Dank zririictgeschickt!« Ein Menschenfreund. A.: »Na, wag ist denn mit Dir heute log? Machst ja ein Gesicht. als wenn Du die ganze Menschheit ver giften möchtest!« B.: »Ach, ich t)nb’ das Leben auch gründlich satt. Hätte ich noch 10 Mart im Besitz, kaufte ich mir sofort einen Revolver, um der ganzen Hun gerleiderei ein Ende zu machen ——— aber leider bin ich bereits bis auf 50 Pfen nige abgebrannt!« Fiolporteur tder das Gespräch zu fällig mit angehört hat): ,,Kausen Se mer ab dag Buch zum Todtlachen! Kostet gerade 50 Pfennige!« Zufrefsend. Polizeibeamter lwelcher dazu kommt, als ein Automobilist in eine Gänseheerde gefahren ist): »Aber hö ren Sie, das ist ja die reinste — Großschlächterei!« (tzutniiitliig. Jungcr Mann: »Nun werde ich Sie bald bezahlen, ich werde l)eirathen.« VermietherinJ »Weaen der paar Mark, die Sie mir schulden, brauchen Sie nicht gerade «zu l:eirathen, Herr i Elter.« Trost. Frau ("z11 ihrem Manne): »Häng’ nur unserm staffeelriinzchen soviele perside Bezeichnung-en an, wie Du magst, Hang! . . . . Einen Friedens tonaresz kannst Du ec« doch nicht nen snenl . . . .« l Ja to A. inachdem er die Kneipe verlassen hat): »So ein Pech; da habe ich meinen Schirm vergessent« ,B B« »Geh’r doch schnell zurückl« ! A »Ja . . . ich habe aber auch zu ! be ezahlen vergessen!« t Mensch »Sehen Sie nur« wie affektirt die Frau Maier um ihren Mann trauert!« »Ja, wenns ihr zu Gesicht stände, würde sie sich sogar schwarz schmins icn!« Ueberrasetmnn. Hausherr Hum Besuchers): »Ja, dieses Zimmer ist allerdings etwas düster, aber kommen Sie nur mit in das andere, da lacht die Sonne nur geradeso — zum Fenster benim«