Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 15, 1906, Sweiter Theil., Image 12

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    Warum ich ledig blieb.
five Geschichte · aus dem Leben von
C. v.Eynatten.
war damals zwar schon ein
se teifer Bursch, auch ein ziemlich
erfahrener, aber ein so liebliches Ge
Hchdthem wie mir aus einet Art Witt
wenhaube entgegenschaute, hatte ich
nie zuvor gesehen. Es lag etwas
Engel aftes darin, rührende Unschuld
und twitkung. Dabei machte das
reizend-e Weib aber doch den Eindruck
einer Weltdame, und zwar einer sehr
ele·anten.
inige Augenblicke zuvor hatte man
mir eine von breitem Trauerranbe
umfaßte Visitenkatte überbracht, die
den Namen ,,Alice Rehard« trug.——
tau oder Fräulein? « Jch war im
wejjeL «
».«:x:
»W0mil kamt la) occur-« gutes-irre
rau!« fragte ich geschäftsmaszig
«·flich, wie es sich für einen Bankiee
in seiner Berufsthätigleit schickt.
»Ach, Herr Brückner, Verzeihung
-—« Ein eisschmelzender Blick, und
aus der Dame weitem Sammetärmel
glitt ein länglich gefaltetes Papier
heraus, das sie mir mit zager Gebarde
überreichte.
Es war eine Sammeliiste zu Gun
sten vertassener Kinder, für die in ir
nd einem unbekannten Nestchen an
r Ostsee von barmherzigen Schwe
stern ein Asyl gegründet werden sollte.
An der Spitze der Wohlthäter standen
die Namen Alice und Hedwig Rehard
mit 100 und 500 Mart. Dann folgte
rine lange Reihe anderer Namen,un
ter denen sich viele mir bekannte be
fanden. Alle hatten bedeutende Sans
inen gezeichnet. —
»Nicht wahr, Herr Brunnen Sie
schicken mich nicht ohne jeden kleinen
Beitrag weg!« tlingelte das Silber
glöclchen in mein Ohr.
Und sie schaute mich aus- ihren gro
ßen, braunen Augen so flehend an,
über ihrem ganzen entzückend-en Per
sönchen lag eine so rührende Hilflosig
trit ausgegossen daß eine Weigerung
gewissermaßen zur Unmöglichteiti
wurde. Jn mir war aber das Ver-!
lan erwacht, ihrem Besuch eine ge- «
wiISeeIAusdehnung zu geben, etwas ;
Näheres über sie zu erfahren, und so;
machte ich einige Umstände. —- —·»Jch
würde mit Vergnügen etliche Blau
scheine in die Opferschale legen, mit
doppeltem Vergnügen, wenn es durch
Jhre Vermittlungf geschehen könnte,
meine gnädige Frau —«
»Ach, dann bitte, thun Sie es doch!
Sie können sich gewiß nicht vorstellen,
wie schrecklich es ist, welche Selbst
iiberwindung dazu gehört, bittend
von Thüre zu Thüre zu gehen, ver
drießliche Mienen zu sehen, harte
Worte zu hören!«
Des reizenden Weib-es Hände erho
ben sich wie in stummer Bitte. wobei
der zurückfallende Aermel den Anfang
eines wundervoll gemeißelten Arme-«
sehen ließ, ihre Blicke wickelten mich
ein wie eine Liebkosung.
»Aber, meine verehrte, gnädige
Frau,« fragte ich so fanft wie nur
mö lich, »warum quälen Sie sich so!
La en Sie doch andere sammeln. das
ist ohnehin eine Aufgabe, die sich für
ältere Damen besser eignet!«
«Mich verpflichtet ein Gelübde, das
mir heilig ist.«
»Ein Gelübde —2« Jch beugte mich
näher zu ihr.
«Jch gelobte, die sechzigtausend
Mart zu erbitten, deren Schwester
indora und Benedilte bedürfen, um
den Grund zu legen zu ihrem gottge
fiilliaen Werte. Sie haben niemand
als mich, leben inmitten einer bitter
armen Fischerbevölterung, die so reich
—- ach, so reich! —- an berlassenen
Kleinen ift.«
War sie toll? —- Oder machte sie
sich einen schlechten Spaß mit mir!
»Das ift ja rein unmöglich!« entfuhr
es mir.
Ein fcheues, ich möchte sagen über
irdisches Lächeln ging in ihrem Ge
sichtchen auf. »Die Hälfte habe ich
schon, sogar darüber!" sagte sie.
»Wie ist das möglichs«
»Mutter und ich reisen seit einem
ahre von Stadt zu Stadt, und ich
»he noch an wenigen herzen gepacht,
ie mich ohne jedes Scherflein gehen
hießen. ·Selbst die Harten und Kar
gen, die Ungläubigen gaben mir,
W auch nur spärlich«
i
(
i
i
,,Kein Wunder,« dachte ich, »wer
widersteht diesem Gesichtchen, so lieben
Augen!« Laut aber sagte ich: »Die
beiden Barmherzigen sind Jhnen wohl
verwandt?«
Die junge Dame schüttelte denKopf.
Es war bei meiner Frage eine jähe
Veränderung mit ihr vorgegangen,
ihre Augen hatten einen starren, trost
losen Ausdruck angenommen. »Sie
pflegten meinen Verlobten während
seiner monatelangen Krankheit bis zu
seinem letzten Athemzuge mit uner
miidlichre Hingebung —«
«Verzeihung, gnädiges Fräulein,
das ich ohne es zu ahnen, so traurige
Erinnerungen geweckt habe!«
»Sie sind immer wach, immer-, ich
sehe ihu stets, meinen Albert, er be
gleitet mich, wohin ich gehe, und kann
er auch nicht zu mit sprechen, an mei
ser Seite ist et mir doch und bedeutet
" mit durch Zeichen, was ich thun soll. «
": -—-Sie stand aus bog den Kopf hin
« ,teuiiber und schaute wie in Verzückung
« Geile hinaus. Dann mit der einen
eid m die Höhe zeigend legte sie die
M auf meine S,ehultet mir zu
M Id: »Seht Sie ihn, sehen Sie!
«-, Dich werde mich nicht be
· nicht muten und wei
" » h- das han« vollendet dasteht, ,
Dom tragen soll, in dem
weilen wird, die armen
I Mem vi- vsi so ich- ec
liebt hast! Albert! o Albert. o nur
hinaus zu dir, zu dir!« —«— Alice war
von wunderbarer, berückender Schön
heit in dfeTen Augenblicken der Ekstafe,
die prachtvollen Augen unnatürlich
weit offen, strahlend, die sein model
litten Nasensliigel in leise zitternder
sBewe ung, der ganze schlanke und doch
volle örper ein rundweiches Leben.
»Und in der Stimme, die sich bald bou,
Jbald zu hauchendem Flüstern hinab-:
sank, welche Beseligung. aber auch
welche Energie und Leidenschaft!
Nichts entging mir und doch war mir
so unheimlich zumuthe wie vielleicht
noch nie in meinem Leben, und zu
gleich erfaßte mich ein unendliche-«
Mitleid mit der llnglüctlichen. —- Sie
sprach nicht mehr, der Glanz ihres
Blickes war erloschen, aber ti-. stand
noch immer regungslos in der gleichen
Haltung, starr in Die Höhe schauend.
uFräulein Nehard,'« sagte ich, ihre
Hand ergreifend, »wollen Sie mEr
nicht Jyre Adresse sagen? Ich würde
mir erlauben, Sie nach Hause zu
bringen« «
Zusa mmcnsssteckello halte sie Iiui
nkir zugewandt und schaute in ich nun
groß und fragend an, als wisse sie
nicht« was sie aus mir machen solle.
Endlich fragte sie tonlos: »Was?«
Jch wiederholte Frage und Aner
bieten von vorhin, und sie nannte,
noch immer wie eine Geistesabwesende
eine elegante und mir wohlbekannte
Familienpension Jhr den Arm bie
tend führte ich sie zu einem Divan
der in meinem Kontor stand, riei
dann den alten Bernhard, unsere-i
Diener, und beorderte ihn. schleunigst
eine Droschle herbeizuholen. Mit flie
gender Hand schrieb ich meinen Nu
men in die Sammelliste, setzte dieZabl
200 daneben versah mich mit Geld
und widmete mich wieder meinem
schönen und bedauernswerthen Gaste.
Die unnatürtiche Spannung und
Vertlärung von vorhin, war jetzt aus
ihren Zügen gewichen, sie hatten den
natürlichen Ausdruck zurückgewonnem
nur sah sie sehr niedergeschlagen und
erschöpft aus. »Wurden Sie wohl
die Güte haben, mir einen Wagen ho
len zu lassen, ich fühle mich nicht ganz
wohlt« sagte sie. —Natiirlich war ich
mit Vergnügen dazu bereit, und zehn
Minuten später saß ich neben Aliie
in einer Drofchie. Sie hatte mein-.
Begleitung schweigend geduldet,
sprach aber unterwegs sehr wenig und
berührte mit teinern Worte ihren bisw
niiren Zustand von vorhin. Schwanz
mit der Bision selbst auch die Erinne
rung an sie? Wie trostlos dachte ich
daß eine solche Liebe einem Todten
gilt! Armes Kind, sie könnte so glück
lich sein!
In ter Fremdenpension, in der sie
wo nte, — ich war ihr die Treppe hin
aufgefolgt, ohne vorher die Erlaub
niß dazu einzuholen -—— wurden wir
von einer recht würdig aussehenden
älteren Dame empfangen Sie schien
zuerschrecken, als sie Alice in meiner
Begleitun ankommen sah und ließ
einen prüFen den Blick über sie hinglei
ten. Dann sagte sie halblaut zu mir:
Bitte, nehmen Sie Platz, mein Herr,
ich werde gleich wieder zurück sein,«
faßte des schönen Mädchens Hand und
rerschwand mit ihr in ein Neben
zisnnier.
Ich war aber zu erregt zu ruhigem
Sitzen und betrachtete die im Zimmer
hängenden Bilder. —- Schauderhast!
dieses zü ti e Weib — war sie —
war sie wa nannigT
Endlich tam die ältere Dame urück
und sagte, mich abermals zum reizen
einladend: »Meine Tochter hat Sie
wohl aufgesucht, um Sie für das ge
rlante Kinderashl an der Ostsee zu
interessiren, nicht wahr!'«
Jch b ahte, Frau Rehard die
Sammelli te in Begleitung von zwei
Zindert Mart einhandigend· »Bantiee
rückner, gnädige Frau,« sagte ich
mich vorstellend.
»Und Alice hat einen nervösen An
fall gehabt, ihren verstorbenen Bräu
tigam zu sehen geglaubt!«
Wieder bejahte ich.
Rebard, mit dem Taschentuch ihre Au
»qen betupsend. »Seit ihres Verlobten
ITode ist meine Tochter recht leideno,
sc oft re an ihn erinnert wird, stellt
sich ein solcher Ansall ein, der freilich
rtie lange anhält.«
»Und es gibt tein Mittel dagegen?«
fragte ich.
»Das Uebel wurzelt im Gemüthe,
dagegen giebt es teine Arznei,« erwi
derte Frau Rehard wehmüthia.·
»Jn der Apotheke nicht, das glaube
ich, aber Zerstreuung, Ausheiternng.«
»Meine Tochter will sich nicht zer
streuen."
»Wenn gnädige Frau ibr vielleicht
die Gesellschaft Fremder aufbringen
würden, dann wäre die junge Dame
noch gezwungen. sich wenigstens zeit
weilig zusammenzunehmen.«
»Das wäre äußerst schwierig denn
Alice slieht den Menschen, sofern sie
ihrer nicht siir das Kinderasyl bedarf.
--— Aber zu Professor Bärner will ich
mit ihr gehen; wie mir hier gesagt
wurde, gilt er fiir eine Autorität er
sten Ranges auf dein Gebiet dir Ner
j venheiltunde.«
l Jch bestäti te diese Versicherung-,
Ida-m nahm i Abschied, die Erim-v
- niß erbittend, mich nach Fräulein Re
hards Besinden ertundigen zu dürfet-.
Drei Monate später war ich mit
Aliee verloth Wie es getomrnent —
Wie oerlei Dinge eben kommen. Hi
fteressy Bedauern, eistige Beschä ti
un mit ihr, häufi es anregen s
lgei amnrensein mit i r, der Einfluß,
rden S önhett, Ju endsrische und
Seltsam ett auf je s Menschen -
msth üben! ro or aners Ze
hdndlexg weihe Damen veran
lasse. ihren Aufenthalt sehr wesentlich
, »Ach- es In thUlOö!" jkuszze Frau
zu verkängerm trug die besten Früchte.
Alice wurde froher, freier, sie blühte
indem gleichen Maße auf. wie die sie
so schwächenden visionären Zustände
sich seltener und seltener einstellten
und die Aussichten für das Kinder
afyl sich bessertcn. Nicht obne meine
Mitwirkung. wie ich ohne unbescheiden
zu sein, bersichern dars. —--· Unserer
Verlobung folgten köstliche Wochen,
traumnaft still, aber von unbeschreib:
lichem Zauber durchweht Jch war io
glücklich, wie man nur sein kann,
trotzdem ich damals bereits zwischen
Acht- und Neununddreißig schwebte-,
über die Jahre überfchäumenden
Glitcksempsindens also schon seit ge
ruumer Zeit hinaus war. Daß Alire
so gut wie kein Vermögen besaß, die
Damen von einer Rente lebten, die ihr
Tod wie ihre Verheirathung zum Er
löschen brachte, was-s machte das mir
aug! Jch hatte genug siir uns beide
und noch für einige mehr, und das
sagte ich auch, als sie mir ihre «Ar
inuth« entgegenhielt. Jm Einverständ
niß mit Professor Borner hatten trir
den Oktober für unsere Verbindung
ausersehen· Um die Monatsmttte
etwa sollte die Hochzeit gehalten wer
den, dann wollte ich meine jungegrau
nach Italien und Aegypten zii ren,
um erst Ende April wieder heimzu
kehren. Seit fünfzehn Jahren hatte
ich mir keine längere Erholung ges
gönnt, folglich durfte ich mir mit
gutem Gewissen endlich einmal einen
halbjährigen Urlaub nehmen, umso
mehr, als ich in meinem um sechs
Jahre Züngeren Bruder einen tüchti
gen Vertreter besaß. bereit, die ihm
zugedachte Last auf sich zu nehmen.
Mitte September erklärte Aiice
plötzlich, nochmals nach Stiel, ihrer
Heimath zurüatehren zu wollen. um
ibre Angelegenheiten zu ordnen und
sr . während etwa vierzehn Tagen in
strengster Zurückgezogenheit aus ihren
künftigen Beruf seelisch vorzubereiten.
«Jn dieser Zeit hörst Du keine Silbe
von mir. liebster Robert!« sagte sie.
WDaß ich mit diesem Plan keines
wegs einverstanden war, wird jeder
begreifen, ich widerstrebte ihm auch
mit aller Kraft, meine Braut bestand
aber in ihrer zwar sonsten,»doch zähen
Weise aus ihrem Willen, und da sie
Professor Börner aus ihrer Seite
hatte. mußte ich schließlich nachgeben,
so ungern ich es auch that.
Unser Abschied war ein sehr beweg
ter, ich lonnte mich nicht trennen von
meinem Lieb. ——
Nach der Damen Abreise nahm die
Zeit für mich einen bleiernen Gang an,
trotzdem bis-her noch kein Tag ver
gangen war, ohne mir wenigstens
einige liebe Worte von der Hand mei
ner Braut zu bringen. — Eines Mor
gens aber blieb der gewohnte Gruß
aus, dasiir aber ließ sich der Pensions
wirth gegen Mittag bei mir melden,
um mir mitzutheilen, daß ein Geheim
polizist nach den Damen Rehard ge
sragt hätte, die verdächtig waren, al
lerlei Schwindeleien größeren Stiles
verübt zu haben. Bei dieser Gelegen
heit erfuhr ich, dasz meine künftige
Schwiegermama ihre letzte Rechnung
mit 1117 Mark nicht bezahlt hatte, da
sie ja im Oktober wieder kommen
wollte und den größten Theil ihres
Eepäcles, etwa zehn Rosser und Kör
l-e, zurückgelassen hatte.
»Aber, Herr Brürkner,'« sagte der
Mann tleinlaut, «eL tommt mich hart
an, es zu sagen: in den Lossern und
Rothen, die ich aus den Besuch des
Polizisten hin ausschließen ließ, ist
nichts als alte Bücher-. Zeitungen und
Steine. die mit ein paar Kleidern zu
edeekt waren. Sie können sich selbst
avon überzeugen-«
Hätte man ntich unversehens in die
Hölle hinabgestoßen, es wäre mir
wohl kaum schlechter zumuthe gewesen.
als bei diesen Erzählungen.——Meine
veraötterte Braut und ihre Mutter
raifinirte Schwindlerinnenkk —— Mit
niir drehte sich alles im Kreise. — Ich
bezahlte den Wirth und hatihn, über
dac- Vortommnisi welches sich- bald
refriediaend auitlären würde-Schwei
gen zu ketvahten, das er mir bereit
willia versprach. Tann fuhr ich nach
der Polizei und hörte vom Kommissar-,
den ich in meine Beziehungen zu Alice
einweihte, es bestehe starler Verdacht,
daß sie in die eigene Tasche gesam
meli habe und die Geschichte vom Kin
deranl purer Schwindel sei. Einen
Ort, wie sie genannt, gebe es an der
Ostsee überhaupt nicht. und dann hatte
sie den angebettelten Personen —- weit
iiter hundertnndfünfzig hatten ihr
mehr oder minder beträchtliche Bei
träge gegeben —- verschiedene. nicht
gleichlautende Sammellisten vorgelegt,
die theilweise gesälfchl gewesen sein
dürften. Ferner erfuhr ich, daß sie ihre
Sammelgänge bis in die letzteWoche
hinein fortgesetzt, trotzdem sie mir de
ren Einstellung schon lange vor unse
rer Verlobung zugesagt hatte.
»Wiinschen Sie sich Glück zu diesem
Ausgang, Herr Brückner,« sagte der
Mann, mir die Hand drückend. »Sie·
sind mit einem blauen Auge davon
geiornmen. Wer weiß, was Sie noch
erlebt hätten, wenn es den Frauen
nicht heiß unter den Füßen geworden
wäret Sie miissen gemertt haben.
daß wie ihnen aus den Harten sind.«
Jch war vernichtet
Bei der imtehr fand ich einen von
zärtlicher chwärmerei überfließenden
Brief von Alice, worin sie mir mit
theilte, daß nunmehr «Retraite« be
inne, und ich in den nächsten vierzehn
zagen nichts von ihr hören wurde.
Es i wohl überflüssig zu sagen.
daß i überhaupt keine Nachricht
mehr von ihr bekam nnd überdies das
Ver niigen hatte, Prose or Börners
nung zu malen. as weiter
an- den Damen haed wurde, weiß
ich nicht. Die Polizei fand glücklicher
Iweise keine Spur von ihnen und ver
I,tnuthet daß sie sich mit ihrer Beute
lnach Amerita geflüchtet haben. — Jch
aber bin Junggeselle geblieben.
Unser Naschtätzchen.
Hunioristisches aus dern Kinderleben
rson Rols Crucqu
Eine der allerhäufigsten Verwar
:.ungen seitens der Mutter an ihre
jungen Kinder pflegt in den Worten
u gipselnI »Nasche nicht!« Jn der
That giebtes auch bei unseren tleinen
Leuten taum wieder eine so garsti e
Ilngetoöhnung wie die, von allernE -
taten, an das sie zu gelangen vermö
gen, zu kosten und zu tuabbern. zu
leclen und zu naschen! Schon aus ge
sundheitlicken Rücksichten muiz ent
schiedenVerwahrung dagegen eingelegt
werden. Denn wie leicht istes möglich,
daß so ein Naschmiiulchen auch mal
Von etwas ißt, was der Gesundheit
einen argen Stoß versetzt —-— kleiner
Verdauungsstörungen nicht zu geden
ten, die sich nicht vermeiden lassen.
trenn sich der junge Magen nicht der
gehörigen Diiit besieißigt.
Iiir mich giebt es taum ein liebli
cheres Bild, als so ein hetziges Wesen,
das rothtoangig und ftrahlenden Au
ges, danach verlangt den von ihm so
sehnsüchtig begehrten Bissen über die
L: ppen zu schielen Fritzcken ist bei der
Tante zu Besuch Selbstverständlich
weiß sie, wonach sein Her-zehen lechzt
und weswegen der lleine Schelm auch
zumeist zu ihr gekommen i.st Sie läßt
ihren Liebling also nicht lange in
Ungewißheit nnd beginnt: »Hier
Fritzchen hast Du ein Stück Kuchen!
Nun, wag muß man sagen?" —
Fritzittenx »Ich bitt« noch um eins!«
« Ein andermal besucht der Knabe
nieder die Taute. Er hat nämlich
gehört daß sie Kuchen gebacken —- und
Tanteg Rucken darüber geht einsach
nichts! Wie man Kassee trinken und
sich um den Tisch setzen will, statt die
Sante. weil noch mehr, darunter auch
lKinder, anwesend sind, ihren Lieb
ling: »Nun, Fritzchem neben wem
möchtest Du denn sitzen?« — Daraus
erwidert das Ledermautchem ohne sich
auch nur einen Moment zu besinnen:
»Neben dem Napstuchen, Tantchen!«
Daß die Phantasie der tleinen Leute
sich unausqesetzt mit alt den herrlich
teiten beschäftigt, die dem Gaumen
schmeick.eln und dem Magen Wonnen
verschafsen — wer möchte es ihnen
verargen? —— Lottcben sitzt neben der
Mutter aus einer Fußbanl. Damit
dagAind recht artig tei, beginnt jene i
zu erzählen. Natürlich etwas-, war-(
geeignet ist, das Interesse der jungen(
Ilsenschenbliithe wach zu hatten. Die
Mutter hebt also an: »Weißt Tu,
Lotte, heute Nacht hat mir wag Wun
derbares geträumt! Jch sah einen
herrlichen Napftuchen, den kriegte ichs
geschenkt. Und wie der tchmecttel Ers
hatte sreilch viele, viele Rosinen, unds
darüber war ein Chotoladenguß mit
Schlaaiahne!«— Lottes Augen straft-l
len. Sie drängt sich dickt an der-.
Schooß der Mutter-, und das Köpf
ctien barauflegend, sagt sie: »Bitte,
bitte, Tituttchent Wenn Tu wieder in
was träumit, dann laß mich doch ja
lsri Dir schlafen!«
Eines Tages wird Lotte von der
Mutter mitgenommen. Tiefe hat Be
iorgungen zu erledigen, und das
Feind läuft neben ihr her. »Sieh mal,
Marna! Den schönen Himbeerluchem
Kauf mir doch davon ein Stiict!«
»Nein, liebe Lotte!« versetzt die
Mutter entschieden. »Wir brauchen
ringt Geld zu etwas Besserem!« ·
a blickt Natchmiiulchen zur Mut-;
ter auf und fragt ganz verwunderi:!
»Ja. .. giebt es denn noch wag Bef- I
seres?«
Ein andermal, als Lotte wieder von
schrecttichern Verlangen nach etwa-Hi
Leckerem geplagt wird, bittet sie:
»Mama, gieb mir einen Bonbon!««
»Du hast eben aegessent Du be
tommkt jetzt teinen!« -
»Bitte, titte — einen einzigen!"
»Nein. es bleibt dabei!« ;
»Na —- dann leit« mir wenigsten-:- ;
einen!« i
Der tleine hans ist auch ein’
Schlaubergen Er weiß genau, wenn
essbei Taste Utrite etwas zu naschen
Ioder überhaupt zu essen giebt, was
seinem Schnabelchen be agt. Er hört
tämlich zu. wenn sie ch mit seiner
Mutter von Wirthichaftsdjngen un
Uegxtt und sdabei erzählt: »Wer ens
t ich Schoten mit Karotten.« o erl
,Uebermorgen backe ich eine Torte —-i
ich bin nur noch nicht schlüisig obich;
Matronen nehme oder Creme-Fiit-I
langs« Taan spitzt Häuschen die;
Ohren und tiiftelt in seinem Köpfchen, »
wie er’s anfängt. daß er auch was
abtriegt von dem Leckerbissen. «
An dein bewußten Tage um die
Dzittagjzeit tlingelht bei Tante Ul
u e.
»Ei, sieh mal an, Hans! Wo
Kommst Tit denn her?«
· »Tankchen, ich möchte heute bei Dir
zu Miiiaa essen!«
»Es iangi nicht, mein Hänschewi
Ich habe nicht auiBesuch gerechnet!«
Der Knirps, der knapp über den
Tisch hinwegsehen kann, etwideri:
»O doch. Tantes Es wird schon
langen! Weißt Du, ich nehme mir
immer zuerst!« -——
Der Steine Franz ist bei Bekannten
zu Weins-. Die Frau des Hauses
fra i ihn: »Wenn mußt Du denn
wie er nach Hause. mein Jan e?« —
-Unv der kleine Kerl erwiderte tonl
gkeg«: «Nachher· ——— wenn i satt
in.«
Auch als Eniani ierrible zeigt sich
leider so ern Nnichmäulchen qr nicht
felien und oft-von einer eite, die
allerhand- Verlegenheiten herausbe
schneer
So ei1 Enfant terribie iit der
ileine Willi.
·Die tftiern baten den Hat-sichrer
eingeht-ern Er war schon zum Mit
tagessen da und blieb euch zum Kai
yee. Zum großen Verdruß Willis, der
aus Erfahrung weiß, daß gerade die
ser-Gast immer einen iiikcksterlicken
Appetit entwickelt« und deshalb ahnt,
daß er auch heute wieder in die io
prachtvollen Pfanntnchen eine tüchtige
Breiche legen werde·
Mutter. »Nicht wahr —-- Sie essen
tueljen2«
Dante iebr, meine nnädiige Frau.
ich habe bereit-.- zwei gegessen und
Möchte Dkch ——«
Da iätit dem Gaste der kleine Willi
hastiq inJ Wort:
»Nein Mann-L» Vier hat k
icbon negessen! . .. Jch hab’g gezählt!«
Noch einen anderen Streich hat der
Dreitiisehoch auf dem Gewissen.
Das kam so.
Willi ioll mitgeben zu Onkel Karl.
Die Tante, die bei den Eltern zuBes
iuch gewesen, will ihren Lieblinggern
einige Stunden bei sich haben.
Der Knabe geht sonst io riesig gern
mit. Aber beut’ i er tteinlaut und
sichtlich Michlüisia·
Nach einigen Augenblicken, erfüllt
von einigem Ueberlegen, gehter zum
Tisch, tno noch immer sein Weib
snnchtåteller steht mit den von ihm so
liebe geliebten Wat- und Haielniissen
i Diesen faß: er und tritt zu der Groß
; mutter.
I »Hast Du gute Zähne, Großmut
ter?«
»kleier nicht, mein süßes- Kind-L«
»Weißt Du was, Großinama, —
dann heb· mir doch, bitte, meine Nüsse
Jqu während ich bei Onkel start
bin.« -- -—s
doch bestimmt noch einen Pfann-.
»Bikkk, Herr Dotier!" nöthigt dies
i
i
i
Ja, Maiwurm Und eusigrrircrix
Nehmt sie unserer Kinderweltss— und
ihr macht sie dettelarm!.. Jhr bringt
sie um tausend Freuden, die das
kleine Herz laut schlagen lassen und
die Phantasie unauggesetzt erfüllen!
Damit will ich selbstverständlich nicht
sagen, daß der Naichsucht Thiir und
Thor weit offen stehen sollen. Aber
wozu sind denn die Eltern und Er
zieher Vorl,anden »wenn nicht auch
dazu, das; sie weise und gerecht abwä
gen, wann so ein Naschnräulchen sei
nen Herzenswunsch erfüllt lriegett
darf und wann nicht?
Uebrigens ist es ein Unrecht, wen-I
behauptet wird, daß nur die Kinder-—
tvelt Freude an Süßialeiten habe.
Auch Erwachsene sind oft genug da
rauf versessen. Und das schadet auch
nicht im mindesten. Denn es stände
um die Menschheit in gesundheitlicker
Beziehung um vieles besser, wenn sie
mehr Zucker tonsumirte. Das gilt
für Erwachsene genau so wie fiir die
jungen Menschenbliithen.
w—
ctu isjanttchei Gefängnis
« n der »Na-ne des Deux Mondes-«
veröffentlicht Andre Bellessort eine
Schilderung des Gefängnisses zu
Omuta in Japan: »Ich hatte,«
schreibt er, »schon in Totio ein Ge
fängniß gesehen, ein Ijtustergefäng
riß, vor tem eine alte Fru, die dort
turje seit eingesperrt war, nachihrer
Fre la ung zu ihren Enteltindern
tax-te: ,.Acl,! meine Kinder, was siir
uten Reis man dort asz! Und die
chönen Kirschbäume, die im Hofe
blühten! Solche Kirschbäume gibt eg
nicht einmal im art von Ujeno.« m
Gefängniß von muta habe ich tetne
Kirschbäume bemerkt, aker ich fand
auch dort jene start vergitterten höl
zernen Gallerien, die von einander ge
trennt sind und genau so aussehen
wie die Käfige in unseren Menaap
rien! Hinter den Gitterstiiten lagen,
der Kälte und der hitze preigge eben,
von den Fliegen gepeinigt, die « erar
thetlten unter gelben Decken. Die
großen Käfige enthielten bis zwanzig
Menschen, die mittleren fünf bis
sechs, die kleineren nur einen, der in
seiner Jsolirhaft Furcht und Mitleid
einflöftr. Ein mit einem dicken Stock
bewaf neter Gefängnißwiirter schritt
um Direktor hin, grüßte militarisch,
schlug dann mit seinem Stocke gegen
das Brettern-ers der Gefangenengalle
rten, wie ein Bändiger, der die faulen
Beftien aufriittelt, und schrie: »Grü
ßen!« Die Gefangenen, die nicht schon
auf der Erde lagen, warfen sich niede
und warteten aus das zweite Kom
mando: «Aufstehen!« Ihre Gesichter
sahen gar nicht grimmig aus, sondern
eber traurig: es war die Traurigkeit,
von Leuten, die keinen eigenen Willen '
mehr haben und sich iiber ihre Zukunft
keine Gedanken mehr machen. Die
nicht vergitterten, sondern ganz ge
schlossenen Korrettionszellen erhielten
ihr Licht nur durch eine kleine Lukr.
;Die Verurtheilten, die unsere Ecixritu
igehört hatten, sprangen aus nnd
smachtem da sie «ri:nien, daß man sie
stetrachieie gegen die Wand hin tiese
sVerbeugungen Wir hatten bereits
sast das ganz-.- Eiabiisserneni gesehen
und wollten gerade den Kraniensaal
betreten. als« der Direktor einige Worte
mit unsereni Begleiter, einem japani
schen Le ret sremder Sprachen, wech
selte. I ir kehrten um« und man
führte mich vor zweiKiisige, die nur
von je einem Gefangenen besetzt wa
ren. Ein Stockschlag an die Gitter
stangen, und die beiden, in Ger e
kleideten Männer, lange, sehnige e
stalten mit herabhängenden Schauer
biirten und müden Augen, kniete-i
nieder und warfen sich mit einem soc
chen Ruck zu Boden, daß ihre Stirn
neigt den Fusäeden prallte. »Die
bei n,« sagte Direktor, »sind ein
Hauptmann und ein Maior unseres
s
jtdeereey die aus Formosa vor dem
Feinde geslohen sind.«—« »Ausstehen!«·
trhrie der Warten Die beiden Man
ner sprangen wieder auf und zogen
sich wie scheue Thiere in den hinter
grund ihres Käfigs zurück. Jch hatte
mich entfernt. Diese Schaustellung
war mir peinlicher als- der Anblick der
Lepratranten im Tempel von Kato
Riiornasa »Ja!« sagte der Professor
stolz- »so behandeln wir die geiglinge.
Und diese Männer waren « am, rai,
Edelste der Nation! Sie hohen sich
nicht ten Unterleid ausges lrhtx see
gingen lieker in’s Gesang-il « es est
ichs-wuche- Jch sahum an: sein-Züge
triefen auf eine:1«Bauernsohn hin.
seine Manieren auf einen Empor
tönnnling. »Sie hätten sich selbst be
strafen n:iissen,« rrgänzte er. »Ich
weiß, daß man im ttrieae mit China
Ossiziere gesunden bri. die sich den
Säbel durch den Leid gejagt hatten.
Es war nach einer ZchlachtZ Jhsre
Soldaten, Leute aus«- deni Volte, wa
ren der Ansicht gewesen« dasz sie (die
Ofijzierej nicht tapfer genug getärnpft
hatten: und während der Nacht waren
Unterosfiziere in ihr Zelt getreten und
hatten ihnen zu Geniüth geführt, daß
re rni Interesse des tilegirnents ver
schwinden müßten, wenn sie nicht den
Muth dazu hätten, würde man ihnen
nacht-elfen Ich weisz das Alles ganz
genau, aber man darf das nicht laut
sagen· Es ist nicht ehrenvoll genug fiir
Leute aus dem Adel, und sür Leute
aan dem Voltc ist es wieder zu ehren
vo ...'«
Ee langte ferne Gesunder-.
Der neue Gouverneur von Deutsch
Osiasrita, Freiherr von Rechenberg,
war in den neunzisxsr Jahren, nach
dem Sansibar in englischen Besitz
übergegangen war, dort unächstVize
tonsut und nachher Konsan Als sol
cher hat er sich durch seine seste und
energische Haltung große Verdienste
erworben. Diese seine Haltun im
ponirte auch den Englanderm e da
siir ein gewisses angeboreneo Ver
ständniß haben und nur iiber Anzei
ajen der Schwäche die Achseln zucken.
Die »Leivziger Neuesten Nachrichten«
erzählen von der damaligen Wirksam
teit dei- neuen Gouverneurs folgende
hübsche Geschichte:
»Als man in Sansibat darüber ver
handelte, wie man im Juni 1897 das
rJubiiiium der Königin Viktoria feiern
sollte, forderten die Englander. alle
Häuser sollten englisch siaagen, der
deutsche Konsul ietztees jedoch durch,
daß jeder Staatsaneehörie mit sei
ixen Landeesarben slanatr. St besorgte
in aller Heirnlichleit in Paris-Se
laam so viel schtvarz-weisz-rothes
Flagaerituch atz auszutreiben lvar,
und am Festtage erlebten die Englän
der ein eigenartiges Schauspiel. Da
die hauptsächlichsten Handelshiiuser in
Sauf-bar deutsche sind und diese von
even bis unten in schwarz-weiß-rothe5
Tuch einaetvieteit waren. so präsen
iirte sich die Strandtinie der engli
schen Rolonie von der See aus ge
sehen als ein fast ununterbrochener
Streifen von Schwarz-Weiß-Roth.
Ein interessanter Epiloa um San
sibariVertraas Aber die -,nglir«nder,
die viel Sinn siir einen grotesken Du
inor haben, nahmen Freiherrn von
Stieckenbern diese eigenartige huldi
cung zu ihrem nationalen Fest nicht
übel, sie feierten den Juhiiiiumgtag
sehr augqiebig unter der deutschen
Magaz sie wußten aber: der Many
ist aus dem Posten«
Praktisch
Gast: »Bringen Sie mir vier ge
tochte Eier . . . oder drei das genügt
auch!«
Wirthin: »Na, nehmen Sie nur
vier; ich's-tun Ihn-n ja ganz tleine
aussuchen!«
Dtchtertinns Klage.
Dichterling (in der Sommersrische
zu seinem Wirthe): »Alle-Z ist«in Jhrer
Sommersrische sehr schön und gut . . .
nur die Brieftasten sind viel zu klein!«
-—·-»-.—...
Unenvortrr.
Gast tzum Pitolo): «Nun, Kleiner.
was thust Du mit den vielen Trink
geldern, die Du betornmst?«
Pitolo: »Die muß ich alle dem Kell
ner abgeben, und bei Ihnen muss ich
jedesmal noch siins Pfennige zulegen.
weil der Kellner mir nicht glauben
will, daß Sie nur Iiins Pfennige
Trinkgeld geben«
——
Modern.
--
» . . Jch begreife nicht, wie Sie Jhee
ausgedehnie Thäiigieit ia den Verei
nen mit den Pflichten gegen Ihre Fa
milie in Einklang bringen können!«
»Das macht mit nicht die geringsten
Schwierigkeiten Jch sehe meinen
Mann und meine Kinder bei-ists alle
Tages« .