Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 08, 1906, Sweiter Theil., Image 9

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    Yeöraska
Itaatanzriger nnd Yerollt
26.
f JWI
Trost.
Der Schmerz gut recht, und nur im
· chmetze "
Liegt, was ihnv tröstet, was ihn lin
' eri. ·
Nicht ewig können wir besitzen,
Doch ewig lieben ungehindert.
Und wo wir ewig lieben müssen
Und was wir hatten nie vergessen,
Da wird der Schmerz verlernen
Glückes
Zum Dank, daß wir ej«einfi besessen.
Und wenn wir weinend danken lernen,
Dann auferfieh’n wie neugebo:en
In unserm Geist die lheuern Todten
Und sind uns ewig unverloren.
Sie sind uns ewig unverloren,
Entrückt, erhöht und doch geblieben;
Denn ewig lernen wir besitzen
Die Theurrn, die wir ewig lieben.
v Wilhelm Jordan.
Ver Abschied-stirbt
Slizze von Rose Auspitzer.
Die Zei er der buntbemal n
Schtoarzroiil er-Uhr wie en die el te
Stunde· Wie lan e rarr Minna
das Haupt aus die and gestützt und
wie geistesabwe end vor ich hin
starrend dagese en hatte, wußte sie
wohl selbst taum. Die kleine Steh
lampe wars ihr Licht aus einen wei
gen Briesbogen, daneben stand ein
intensläschchen, das erst diexeen
Abend geöffnet worden war. n r
großen. schwieligen Rechten hielt die
junge Frau, deren Antlitz Spuren
von Kränkung und Bitterniß aus
X wies, einen Federstil krampshast sest.
Das Schreiben war Frau Minnas
Sache nicht. Die Schlite der Uhr
riittelten sie aus ihren Erärtmereietr
aus. Sie sirich wieder einmal den
weißen Bd en, der vor ihr lag, glatt
und besah ich wieder die Ueberschrist.
Groß und breit stand dort in der
Mitte des Bogens mit ungelenten
Zügen: Lieber Anton. Weiter war
sie trotz reislichen Nachdenkeng über
die Form des Briefes-, den sie nbsasi
sen wollte, bisher nicht gekommen
Sie seufzte ties aus. Wenn sie noch
im Stande gewesen wäre, all dass-,
was sie auf dem Herzen hatte, all dag,
was sie so lange getraxem was sie
elitten, ihm tlar machen zu können.
enn sie ihn doch ihren Schmerz süh
len lassen könnte, den Schmerz, der
ihr Herz zerriß.
Jin ganzen Pause wußten es die
Leute, daß er ie betrog. Und nicht
nur, daß er ihre innig ausopsernde
Liebe so gering achtete, sie wußten
auch, daß sie ihm nichts recht machen
tonnte, daß er siir sie, die sich wag
iider abauälte, um mit den bescheide
nen Mitteln, die er ihr bringen
konnte, ihm das Heim so angenehm
als möglich u machen, nicht einmal
einen guten liet iibria hatte. Nur
das Kind hielt ihn bei ihr zurück,
denn das Kind liebte er. Das war ein
Trost siir ihre lranleSeele, trug aber
auch dazu bei, das Entsehlichr. das sie
vorhalte, zur Reise zu bringen· Alles
hätte sie ertragen können, das Gerede
der Leute« die Demüthiguncem die er
ihr täglich bereitete, alles hätte sie
schweigend wie bisher erduldet, nu:
priigeln hätte er sie nicht "diirsen.
Große schwere Thrönen tamen plößi
lich aus den weißen Von-en, als sich
Frau Minna der häßlichen Szene
erinnerte, die sich heute Morgen abge
pielt hatte. Um eines lleinen Ver
ehens, nicht der Rede werth. hatte er
sie vor dem Kinde geprügelt.
Das konnte sie nicht iilericbein fo
viel stand bei ihr fest. Sie mußte ein
Ende machen. lind jetzt, wo alles
ruhisi war, das Kind schlief, er beachte
die Jiacht wie gewöhnlich auswärts
zu, jetzt mußte sie ihm ein paar Zeilen
zum Abschied schreiben. Wenn sie an
das Kind dachte, folrampfte sich ihr
Herz in tiefem Weh zufammen? Sie
wußte fich keinen Rath mehr, wußte
nur das Eine, wie ein Hund, der
Fußtriiie bekommt und fich dann
icheu in die Ecke drückt, fo lonnte sie
das Leben nichi weiier ertragen. Sie
iroaneie ihre Augen und wifchie for-g
fiiltig mii der Schürze die nassen
Tropfen von dem weißen Bogen, las
noch einmal halblaut: »Sieh-er Anton«
und begann dann langsam zu schrei
ben. »Du haft mir einmal verspro
chen, vor vielen Jahren natürlich, ich
weiß nicht, ob Du Dich noch daran
erinnerft, daß Du mich gehe liiellich
machen wirst, und das elbe ,abe ich
auch Dir gelobt. Du haft Dein Ver
fprechen nichlZehaltem aber ich will
es thun und ( ir beweifen, daß mir
Dein Gliick mehr ifi als mein Leben.
Du warfi lange Zeit gut zu mir, wenn
Du auch oft rob un zornig gewesen
dist, und ich ade Dich dafür lieb ge
habi, wie Dich sicher nie mehr eine
grau lieb haben wird. Ich danke
ie ·ute fiir alle Liebe, die Du ein
mal tir mich gehabt bafi. Ich habe
-Dich noch immer lieb, nnd das beweise
ich Dir wohl am besten, wenn ich
yehr. Wir zwei passen nichi mehr zu-—
ammen, das habe ich endlich einge
sehen, also-mache Plat. Wenn
Du diesen Brief erzätin werde ich
nicht mehr auf der li fein,- Du haft
mir viel an eihan, Anton, ich aber
will Dir a ei verzeihen, wenn Du
meine legte Bitte erfüllst. Behiite die
Kleine, und wenn jie einmal nach mir
fragt, dann sage: die Mutter war
eine nie Frau — das war ich Dir
doch mmer —es war nur letn Plah
giirv sie auf der Welt Berlpreche mir
as und Jei zum lepien Mal gegrüßt
von Deiner unglückliche-i Minna.«
Frau Minna haiie lange, lange an
drtn Abschiedsbries geschrieben, iskid
kst mußte sie die Feder wieder ab
setzen, denn sie konnte durch dieüber
uellenden Thränen kaum das Papier
csichern Nun überlas sie den Jnhali
noch einmal, dann salieie sie den Brief
zusammen und steckte ihn in ihre Rock-«
tasche. Morgen rüh wollte sie noch die
Wohnung in Ordnung bringen und
dann gehen für immer. Schwersällia
stand ie auf, entlleideie sich, verlöschte
das Licht und ging zu Besi. Sie war
nan etwas ruhiger als während des
ganzen Tages; es war die erleich
ternde Ruhe, die einen Menschen über
ionirnt, der lange Zeit geiömpst hat«
nun aber endlichezu einem Entschlusse
geiommen ist. er Schlaf freilich
wollte sich noch lange nicht einstellen.
Endlich machte die Natur ihre Rechte
geltend, und sie schlief ein.
Ist-«
Früh am Morgen erhob sich Frau
Minna, um all die tleinen und doch
so nöthigen wirthschastlichen Angele
genheiten zu erledigen-zum legten
Male. Alles ging denselben Gang
wie sonst. Anton erhielt seinen Früh-·
-stiicls-Kafsee, den er nörgelnd, wie
gewöhnlich, verschluckte. Aussällig
wurde er heute nicht einmal, als er
beim Weggehen seinen Hut nicht fand,
den er Nachts vorher irgendwo hinge
schleudert hatte; er suchte ganz gegen
seine Gewohnheit selber, nur leise vor
sich hinbrumniend, denn sogitr ihm
iiel das scheue, gedrückte Wesen seiner
Frau aus. Alles ging denselben Gang,
wenn auch vielleicht weniger behend
von Seiten Minnas. Nur als es da
zu lam, der Kleinen beim Anziehen
zu helfen und sie iich sagte, daß sie
all die kleinen Handlungen-, die sie so
gerne verrichtete, zum letzten Male
machen sollte, da zitterten der kräfti
,en Frau die Kniee, und sie mußte
ich an einen Stuhl festhalten, un
nicht umzusinlen. Mit behenden
Fingern zog sie den Stamm durch die
weichen, goldblonden Locken, und
ganz verstohlen — das Kind durfte
nicht unruhig gemacht werden s—
wischte sich die unglückliche Frau die
Thränen aus iden Au en. Dabei
durchzuckte ste immer wie r der Ge
danke, ob es nicht Sünde wäre, dass
Kind allein zu lassen in der Welt, obj
sie als«Mutter nicht die Pflicht habe,
auszuharren und alle Widerwärtig
teiten zu ertragen. Mit einem Male
siihlte sie wieder den Schlag aus ihrer
Wange brennen, den sie gestern erhal
ter. hatte. Sie griff in die Tasche
nach dem Abschiedevries Es gab tei
nen anderen Ausweg, sie mußte fort.
Plötzlich fragte das Kind: »Hu t du
Kopfschmerzen.i" Sie konnte nur den
Fiops verneinend schütteln. Tie Kehle
war ihr wie zugeschniirt. Alssieiich
etwas gefaßt hatte, sagte sie: ,.Minni.
gehe ietzt in den Hof spielen; aber-—
vorher -—— vorher giebst du der Mutter
noch einen Kuß." Sie nahm das- kleine
Mädchen aus den Arm und tiißteun
ter Thriinen das zarte, weiche, warme
Kindergesicht immer und immer wie
der. Endlich stellte sie das Kind wie
der aus den Boden, tehrte ihm den
Rücken zu und sagte kaum hörbar:
. »Geh« ietzt!«
Das Rind, das sich das sonderbare
Verhalten der Mutter nicht erklären
tonnte, fühlte nur das-Eine, das; die
Mutter traurig war und daß es sie
nicht auch noch er ürnen dürfe und
trippelte artig zur hüte hinaus-.
Frau Minna zog den Abschiede
brief aus der Tasche und legte ihn
mit zitternden Fingern aus das Bett
ihres Mannes. Dann band sie sich
ihr großes, braunes Umhängetuch um
und nun wollte sie den Weg- zu ihrem i
nassen Grab antreten. Als sie durch
die Küche schritt. klopfte es leise an
der Thüre· Das konnte nur Minni
sein. Der Frau schlug das Herz hör
bar. Warum kam das Kind schon zu
rück?« Zögernd öffnete sie. Da stand
das kleine Mädchen und große Thräi »
nen rannen unablässig iiber das rosige
Gesichtchen.
»Was giebt es denn, mein Kind?«
fragte die Frau mit gepreßter Stinii l
me und beugte sich zu dem Mädcheni
herab. Die Kleine schlug fest die;
Aermchen um ihren Hals und klagte:l
»Mutter-—Mutter ———du darfst nicht
terbenl« »Was-W rief die Frau
iinna, »was?« »Du mußt bei mirs
bleiben, Minni tvill keine Stiefmut-i
ter.« Das Kind schluchzte laut auf.
Die Frau hatte in diesem Augenblick
ihren eigenen Schmerz vergessen; sie
lrar nur bemüht, das Kind zu beruhi- »
en. »Freilich bleibt die Mutter bei
ir —-freilich.« Sie trocknete dem
Kinde, das nach dieser Versicherung
bereits ein wenig zu lächeln versuchte,
die Thranen und fra te ganz leise,
kaum harbar: »Wer da dir denn ges
sagt, daß ich sterben oll, Minni?«
»DteMartk1a vom Port er tes mir
Magd Mutter; ja,« bekrii tigte das
nd. als es dre ungläubigen Augen
der Mutter erblickte, ,, e t gesa i,
wenn deine Mutter ftir t, eirathe Hch
deinen Vater.« ·,,Minni, das at sie
gef ti« schrie die ifrau aus. » inni,
wei t du ei be irrtth« »Ja, sie
bclt gesagt, sie wird meine Stiefmut
ter.« »Minni, die Mutter bleibt bei
dir,« sagte sie fest. Das junge Weib
reckte und dehnte sich, als ob es heute(
noch viel zu schuf en gäbe. Sie hob
das Kind im Freudentaumel· hoch,
drehte sich mit ihm wie in Kreisel
und rief unzählige Male: »Nein, nein,
du sollst keine Stiefmutter haben!« i
Nun kannte sie den rechten Weg..
Sie ließ das Kind los, lief in das«
Zimmer und holte den Brief, legte,
ihn auf die Platte des Hei-des und«
schob ein brennendes Streichholz da
runter. Hoch auf loderten die Flam
men des Abschiedsbriefeg . . .
WH
Jn den Lüften.
Humvreste von Eugen Jsolant.
Max Haltich war mehrfacher Haus
besitzer und Rentier in Berlin. Das
Glück war ihm hold gewesen, so daß
er in der leften Hälfte feines Lebens
über ein re peltables Vermögen ver
fiigen konnte, das er in einigen statt
lichen Häufern im Jnnern der Stadt
angelegt hatte. Allein, wenn er auch
nun dem Drän· en seiner Frau nach
gegeben und fi zur wohlerworbenen
Ruhe gesetzt hatte, fo war doch seine
an rastlose Thätigleit gewähnte Natur
noch viel zu regsam, um sich ganz und
gar einem süßen Nichtsthnn zu über
antworten. Sie drängte nach Bethei
tigung und sollte sie auch bald genug
in ausgiebiger Weise erhalten« denn
.« err Haltirh der sich zunächst damit
esrhäftigte, seiner etwa-J zurückgeblie
benen Bildung durch Beischlingen al
lerhand nützlicher und unnützer Bücher
nachzuhelfcm war eines Tages un
glücklielerweife über inen Aufsa? ge
rathen, der mit lie voller Aus ühr
lichteit von den hängenden Gärten der
Semiramis berichtete.
»Donnertvetter«, dachte Herr Hal
tich, ,,wie müßte sich so etwa-Z erst bei
uns in Berlin ausnehmen!«
Und im nächsten Augenblicke hatte
inh auch schon der Teufel der Steuern
Pferde und der brotlofen Künste beim
Kragen und flüsterte ihm zu: wie
fchän es erst wäre, wenn sich der-Gar-«
ten aus feinem, Herrn Haltuthause
befändet —
Mit der ganzen Kraft der wiederer
wachten Unternehmungsluft warf fich
nun rBett Haltich aus das seltsame
Proie , und bald war Berlin um eine
Sehenswürdigteit reicher: den hän
genden Garten des Herrn Nentiersz
Max Hattich und dieser Hausgaktcn
war fortan Herr Haltiehs Stolz und
Leidenschaft. Mit der ganzen Liebe
eines Schöpfers pflegte er ihn, und ob
auch seine Unterhaltung ein Heiden
grld verschlung, war ihm doch teiiz
Opfer zu groß, und schneller gab er
für seinen Garten einige blaueScheinc
aus, als etwa fiir die Loiletten seiner
Frau und feiner Tochter oder sonst
einen wichtigen Zweck. Wehe alser
dem, der es gewagt hätte, feinen
Hausgarten zu schmähen oder heral
zusetzen; er würde ihn- hassen au-:
tiefstem Herzens-Munde
So hatte er sich mit seinem Ju
gendfreunde Mertens nach beinahe
halbhundertjähriger Freundschaft
üterw orfeni we,l dieser spöttisch ge
äußert hatte, der Garten werde so
verrußt, daß er gerade noch für einen
Rauchfangtehrer en angenehmer Auf
enthalt fei. Und erft, als der Assef
sor Lux. der Fräulein Haltich turz
zuvor auf einem Balle kennen gelernt
hatte und nun Visite machte» mit
harmloser eIronie meinte, der Garten
ei wohl o eine Art Blumentovf.
den ein Mailäfer in einer halben
Stunde abgrafen könne, da gerieth
Papa altich in eine beinahe beängfti
gende uth, die nur dadurch einiger
maßen Luft erhielt, daß er in einem
fort schrie: ,,Diefer Kerl kommt mir
nicht mehr in’s haust Nie wieder
Paef der Asseffor meine Schwelle be
re en.«
Frau Haltich war sehr ärgern-n
über die Blindwiithigkeit ibeeI Man
ries; sie meinte, er werde noch schuld
daran sein, wenn leine einzige Tochter
zur alten Jungfer würde, denn er
habe seinen Garten lieber, ais sein
Kind. Auch List-eth, die den Assessor
Lux sehr gern hätte im Hause ver
kebren sehen, suchte dessen Vorwiy zu
entschuldigen, indem sie sagte, er habe
ja den Garten gar nicht gekannt und
könne da r auch nicht wissen, koie
schön er ei. Er habe sich gewiß
nichts Arges dabei gedacht.
Einerlei!
»Wenn er meinen Garten nicht
kennt, so braucht er sich nicht über ihn
iustisi zu machen,·' wetterte der ein
pfin liche alte Herr
.,Ueber »meine Schwelle kommt mir
der Windbeutel nicht mehrt«
i Und dabei blieb es. So oft Frau
sdaktich oder Lisbeth den schüchternen
Versuch machten, den unglücklich-n
Assessor bei dem hauötyrannen wie
ber etwas in Gunst zu bringen, er
Ihpekten sie die gleiche ftereotype Ant
wort: »Macht, was Jhr wollt; mit
neeiner Zustimmung betritt der Asses
sor meine Schwelle nicht mehr.«
Für Herrn Haltich war der Assei
sor somit aus der Jnterefssensphäee
feines- Hauses für immer ge tri n
Nicht aber fo für die zunächt tBe
theiligteir
Der Assefsor hatte trotz feiner miß
lungenen Visite Lisbeth doch mehrere
Mal gesehen und zwar im Haufe sei
ner Tante, der verwittweten Frau
Justizrath Lux, deren Tochter Lis
beths intimfte Freundin war. Auch
syrau Haltich wußte um diese Zusam
nientiinfte und duldete sie fti ll chroei
gend, denn ie hatte gar wohl die
aufteimende teigung der beiden jun
raen Leute zu einander erkannt und
gerade die Starrköpfigleit ihres Gat
ten drängte fie in die Opposition.
Auch glaubte sie nach echter Frauen
.u.rt tro alledem noch den Sieg überJ
feinen Zchrullenhaften Eigenfinn da
ivonzutrarem Auch der Asfessor und
ILigbeth gaben die Hoffnung nicht
lauf, die übereilte Abneigung Papa
?.5:altichg gegen den Assefsor schwinden
Izu sehen, wenn er erst einmal Gele
lcenheit hatte, den jungen Mann ten
uen zu lernen Denn im Grunde ge
lnommen besaß Herr Haltich ja ein
laner Herz und handelte in dieser
iSache nur unter dem Druck— eines
Ifaltchen Autoritätsgesiihls, das ihm
verbotv, ein einmal gegebenes Wort
weidet zurückzunehmen oder zu igno
i likcIL
So war in stiller Entwicklung der
Dinge das Pfingftfest herangekommen.
Tag war nun immer ein ganz beson
deres Fest im Haltich’schen Hause
Denn mit diesem Tage begann sozu
sagen dieSaison seines Hausgartens,
und dieses Ereigniß wurde stets im
Streife einiger Freunde bei einer selbst
gebrauten Bowle freudigst begangen.
Frau Haltich und Lisbeth bauten nun
aus diese Gelegenheit ihre ganze Hoff
nung. Stand doch auch um diese Zeit
dac- Barometer seiner Laune aus »be:
ständig schön«, und so piirschte sich
Frau Haltich eines-Tages an ihren
libeherrn heran und lenkte das Ge
spräch geschickt aus den Assessor. Er
sei doch ein höchst ehrenwerther und
angenehmer Mensch, stamrne aus gu
ter Familie, habe eine aussichtsreiche
liarriere vor sich und sei mithin eine
vortreffliche Partie siir ihre Tochter,
Und die bevorstehende Gartenaesell
ischaft sei ein günstiger Moment, die
jungen Leute zusammenzubringen
und zugleich die Ansicht des Assessors
Tiber den Haltich’schen nausgarten zu
widerlegen. Aber der Starrkopf er
widerte nur:
,,Ueber meine Schwelle kommt der
Assessor nicht; Du weißt, wen-n ich
einmal etwas gesagt habe, so inufzeg
dabei bleiben.«
So war also auch dieser letzte Ver
such gescheitert. Frau Haltich war
zornig und Lisbeth sehr niedergeschla
gen, nur der Assessor lachte vergnügt
in sich hinein und sagte: »Und ich
werde doch zu Eurer Feier kommen
und Papa Haltich wird mir seinen
Hausgarten persönlich zeigen.«
»O. Du weißt eben nicht, wie Papa
sein kann!« erwiderte Lisbeth ängst:
lich. ,,Denn wenn er einmal gesagt
hat« Du darfst ihm nicht über die
Schwelle kommen, so bleibt es dabei!«
»Und ich komme doch,« rief sieges
gewisr der Assessor, »und wenn ich in
einem Luftballon in Euren Hausgars
ten fliegen sollte.«
Damit gingen die Liebenden ans
eiuander; Lisbeth in banger Erwar
jtrgig der Assessor voll froher Zuver
r t.
Oer grokze zag war yeranqerom
men. Herr Haltich hatte seinen Garten
schön geschmückt mit Maien und bun
ten Fähnchen und eine herrliche Mai
bowle in schier unerschöpflicher Menge
gebraut. Der Tag war prächti« und
versprach somit einen äußerst harmo
nischen Verlauf zu nehmen. Wider
Ermatten aber wollte teine rechte
Festesstimmung aufkommen Der
Gastgeber selbst, Herr Haltich, war
nicht so froh, wie sonst, und daz über
trujgn sich unwillkürlich auf seine Gäste.
enn er zu seiner Frau hinüber
,sah, begegneten ihm ein paar vor:
wurfsvolle Blicke, und die thränen
feuchten Augen seines Töchtercheng
klagten ihn als hartherzigen Raben
svater an Und das ging ihm am
tmeisten ins Gemüth. Sonst war
Lisbeth in ihrem hellen Frühlingsge
wand und in ihrer lachenden Jugend
istets der Frohsinn ausströmende Mit
telpunlt seines Lieblingsfestes gewe
sen, während sie heute mit ihrer Lei
Eengmiene ihm die ganze Freude ver
ar .
Warum hatte er sich auch in seiner
verwünschten Hinblütigkeit zu so
dummen Konsequenzen hinreißen las
sen! Aber-was einmal geschehen war,
ging nicht wieder rückgängig zu ma
,en.
Doch was sah er da? An dem
Spalier, das seinen Garten gegen das
Nebenanwesen abschlosz, bewegte sich
etwas; das Weinlauhgewinde schob
sich beiseite und mit einem kühnen
Schwunge setzte eine Gestalt über die
Umplantung.
Es war der Assessoir Lux!
,,Entschuldigen Sie, meine Herr
schaften, daß ich störe,« sagte er mit
rtscher Stimme. »Aber ich ging da
ein wenig aus den Dächern spazieren,
und als ich an dies Hinderniß ta-in,
sprang ich kurz entschlossen darüber
hinweg. Ahnte ich doch nicht, daß sich
dahinter so ein prächtiger Garten be
fiinde. Doch, was sage ich Garten-—
cin kleines Paradies. Man meint im
Morgenlande zu sein und nicht in
Berlin. Wahrlich, hier muß eine
tunstsinnige Hand gewaltet haben -und
ein aparter Verstand-·
Und che sich die"«Umstehenden, vor
nehmlich Herr Haltich, von ihrer
Ueberraschung erholen konnten, theils
wegen des Erscheinens des Assessors
iiberhaupt, theils wegen der Gefahr,
in der er bei seiner gewagten Promc
nahe geschwebt hatte, trat dieser auf
den Herrn des auses zu und fuhr
fert: ,,Kennen Sie mich noch, Herr
lcjsaitichY Jch hatte schon einmal das
Vergnügen, leider traf mich damals
das Unglück, mir Jhr Mißfallen zu
zuziehen, was zur Folge hatte, daß
Sie dem Assessor Lux verboten, Jhre
Schwelle zu betreten. Was das leh
tere anbetrifft, so habe ich das Ber
bto nicht verletzt. Denn erstens bin
ich kein Assessor mehr, sondern seit
gestern Richter und zweiten-s bin ich
auch nicht über Jhre Schwelle« gekom
men. Ich yosse tonan. daß Sie mich
nicht von hierw egweisen werden, ehe
es mir vergönnti st, einen großen Her
zenswunsch auszusprechen: Verehrter
Herr Haltich, ich bitte ganz ergebenst
um- die Hand Jhrer Tochter, und ich
denke, für Jhren Schwiegersohn hat
ja auch das ominöse Verbot keine
Giltigteit.«
Jn Herrn Haltichs Kopf brauste
und surrte eg· Eine solche Keckheit
hatte er doch noch nicht erlebt. Aber
das sichere Auftreten des Assefsors ent
wafnftee ihn vollständig.
»Herr Assessor —Herr ——Herr f
stammelte er. Aber schon schlangen sich
zwei weiche Arme um seinen Hals,
und eine zärtliche Stimme flüsterte:
»Ach, Unpa, gib ihn mir dochä Er ist
ja nich über die Schwelle gekommen
und auch Deinen Garten hat er ja ge
lobt!«
Das Wort Garten brachte den Ren
tier aus dein großen Wirrwarr seiner
Gedanken wieder einigermaßen zur
Wirklichkeit zurück.
»Wie —— was —-— was sagten Sie
doch iiber meinen Garten, Herr Asses
sor« tames zögernd von seinen Lip
pen
»Daß er ein kleines Paradies sei,«
beeilte sich Lisbeth zungenfertig einzu
werfen. »Und daß eS eine tunstsinnige
Hand sein müsse und da «———-——
»Herr Haltich,« fiel nun seinerseits
der Assessor ein, ,,fchaffen Sie auch
fiir zwei Menschen, die sich innig lie
bne, ein solches Paradies, das-das
beinahe so schön wäre, wie Jhr Gar
ten, indem Sie unsere Hände zusam
menaeben zum Bunde sür’"5 Leben!«
»Schockschtverenoth!« rief Herr Hal
tich, den die Rührung überrumpelte,
einmal wegen des Lobes über seinen
Garten und dann weil ihm ein Zent
nergewicht vom Herzen fiel über die
glückliche Lösung des insamen
»Schtvellenverbotes« und der damit
verknüpften Familienstreitiqteiten —
,,Sct,«ockschwerenoth, sage ich, so neh
men Sie sie denn hin, Sie frecher
Maikäfer, der mir die schönste Blume
aus meinem Garten in weniger als
einer halben Stunde weggegrast hatt«
Und Assessor Lur ließ sich das nicht
fweimal sagen. Herr Haltich aber
tieg hinunter-, um noch eine, diesmal
viel größere — Verlobungsbowle zu
brauen. "
Mißverständniss.
Jn einem Städtchen unweit der
lieblichen Mosel konnte man den
Gang der Uhren am Kirchthurtn und
am Rathhau e nicht in liebereinstim
mung bringen, wie das erforderlich
ist, wenn die Einwohner genau wissen
sollen, was die Glocke geschlagen hat.
Mit dein Ausziehen und Richtigstellen
der Zeitme er war der im Dienste
ergraute c«tadtt:siener betraut, der
aber leider an einem Gehörfehler litt,
was ihm die erwünschte peinliche
Regelung der Uhren ungemein er
schwerte. Das Stadtoberhaupt, das
Muster eines gewissenhaften und in
Sachen der Pünltlichteit besonders
strengen Vorgesetzten, machte ihm we
gen dieser Unzuverlässigleit des öftern
in energischer Weise Vorhaltungen,;
so daß der gute Mann nicht aus noch
eni wußte. Als nun beim Abend
schoppen auch noch festgestellt wurde,
daß die Stadtuhr bereits eine volle
Viertelstunde der Kirchenuhr vorgehe,
war das dem Gestrengen denn doch zu
viel. Schon längst war es bei ihm
Brauch geworden, um wegen der
Schtverhorigteit möglichen Mißver
ständnissen vorzubeugen, alle Anord
nungen dem Untergebenen au kleinen
Zetteln zu übermitteln. o fand
denn am anderen Morgen derSchwer
horige auf seinem Schreib- und Ar
veitsbrett einen größeren Zettel mit
der Lapidarschrist: »Die Stadtuhr
Fall eine Viertelstunde vorgehen.« So
ort machte sich der gute Diener voll
Eifer auf, um seines Amtes zu wal
ten, und schon Mittags konnte man
sich überzeugen, daß die Stadtuhr
nunmehr eine halbe Stunde vorging.
Eine gute Partie.
Mit einem dramatischen Knsallessekt
endete eine Verlöbnißseier, die tiir lich
im Hause des Pariser Rentiers Ida
mignon stattfand. Um die Tochter
Damignons, Fräulein Jeanne, hatte
sich zunächst eins gewisser GabrielOr-·
meaux beworben, der zwar als anstän
diger Mensch gern in der Familie ge
sehen wurde, aber alsFreier mitRitcks
sicht aus seine bescheidenen Einkünfte
einen Korb erhielt. Bald darauf
tauchte eine »glänzende Partie« am
Horizont auf, und zwar in der Person
eines gewissen Charles Delatour, der
sich als reichlich mit Glücksgiitern ge
scgneter Vertreter großer Häuser ein
siihrte. Seine Bewerbungen wurden
sofort angenommen, auch Fräulein
Jeanne zeigte sich sehr entgegenkom
mend. Ormeaux, der Zurückgewiesene,
der weiter im Hause verkehrte, schloß
sich nun dem glücklicheren Bewerbe:
an. Bald entwickelte sich zwischen
ihnen eine große Jntimität, die es Or
meaux ermöglichte, allerlei über die
Verhältnisse Delatours zu erfahren
und sich sogar gewisse Dokumente des
selben anzueignen. Er stellte fest, daß
Telatour kein anderer sei, als der
Hochstapler Henri Rouvray, nach dem
die Pariser Polizei eben fahndete. Sei
es nun, daß Ormeaux sich nicht frü
her die nöthige Gewißheit verschaffen
ionnte,· sei es, daß er seiner Angede
teten eine kleine Demüthiigung gönnie,
kurz, cr verschob die Enthüllung bis
zur Verlobungsfeier und zog die korn
promittirenden Papiere erst hervor,
als man das junge Paar am fest« i
geschmückten Tisch hochleben ließ.
Während die Braut in« Ohnmacht fiel,
die Eltern loiitheten und die Gäste
sich disiret zurückzogen, verduftete der
angebliche Delatour, wurde jedoch von
Polizeiagenten festgenommen
-—--.-—
Hetmchenrämpke beiden Chinefem
Jn einer kleinen Straße, die von
Westindia Dock Road in London ab
biegt, befindet sich eine kleine chinesi
sehe Kolonie, zu der alle «in England
einwandernden Chinesen ihren Weg
finden. Jn dieser Kolonie wird der
grausame Sport der Heimchenlämpfe
eifrig betrieben. Die chinesischen Zu
schauer machen dabei Wetten auf die
Heimchen, genau wie der Englänsder
auf Pferde wettet. Ein Mitglied der
chinesischen Gesandtschaft in London
erklärte einem Vertreter des »Dain
Expreß«, daß der Heimchenlampf in
China der Zeitvertreib der oberen
Volkskreise sei. Ueber diesen Kampf
seien mehr Bücher und Gedichte ge
schrieben worden, als über irgend
einen anderen Sport. Die Heimchen
werden in China sargfältig gezüchtet
und erreichen oft auf dem Markt in
Peting einen sehr hohen Preis. Sie
sind größer als die englischen Heim
eben und haben einen unverhältnißi
mäßig großen Kopf. Der berühmte
Lihungtschang war eine Autorität auf
dem Gebiete der kämpfenden Heim
chen und hat mehrere Bücher über die
wichtige Frage der Heimchenzucht ge
schrieben.
«- —---.-...—
Lebensweishett.
Gepriesen nnd verlästert wird der
Gute,
Bald folgt ihm Hosiannah bald der
o n,
Bald Ruhmesalanz und bald des
Schicksals Ruthe;
Wer will noch bauen auf der Welten
Lohns
Drum soll dich fremdes Urtheil nicht
verwirren,
Und Tadelsworte haben kein Gewicht;
Laß Deine Schmäler stündlich weiter
girren
Und fürchte nicht ihr scheues Straf
gericht!
Seine Auslegung.
Zigeunerin (dem jungen Kassier
Meier aus den Linien der Hand
wahrsa end): »Hier, junger Herr, sehe
ich eine tinie, die fiir Jhr Leben große
Bedeutung gewinnen wird.«
,,Weiß ich, das ist die Hamburg
Amerika-Linie!«
Eine Kritik.
LTränlein Holdhauser hat in einer
Ge ellschast mehrere Lieder gesungen.
Nachdem sie geendet hat, sagte ihre
eingebildete Mama zu einem bekaan
ten Opernreferentem »Na, was sagen
Sie dazu? Jst das nicht ein Talent?
An der ist gewiß eine Primadonna
verloren gegangen.«
Kritiker: »An jeder Bühne wäre sie
sicher so r t getommen.«
»Du, Spund, Du trintst ja heute
unbändig! Hat Dein Onkel Geld ge
schickt?«
«Nee —- nber ’ne gesalzene Ant
wort.«
; Alte Dame: »Ich glaube, Sie sind
sder saulste Mensch auf Gottes Erd
sboden!« ,
) lBettler: »Glauben Sie das ja
nicht, Madame, da hätten Sie meinen
Bruder Fritz sehen sollen, der tarb,
Preis er zu saul tout zum nan
en.«