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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (June 8, 1906)
Des Vaterunser-d Novellette un Michael sortssowitschi Tichistjalom Aus der Liiejnaja (Strasze in St. Peterödurg), gerade gegenüber einein Hause, das vom höchsten Wohlstand sticht, siand ein szostschit (Lohn tutscher). Sein Kastan war ganz von Flicken bedeckt, und mir wollte es dotlornrnen, als aingen diese Flicken durch und durch und sähen wie gro ße, geronnene Blutslecten aus. Doch war er sauber und augenscheinlich sorgfältig gereinigt. Der dünne Bart des Bauern und seine slachåfar denen, sozusagen traftlosenhaare, die wie welke Zweige nach hinten hingen, waren ordentlich gekämmt. Lian sah deutlich, daß er zeigen wollte, seine Armuth sei nicht die Folge vonFaul heii und Nachlässigteit, sondern schwerer, alles verschlingender Noth. Wenigstens mir schien es so, und deshalb blieb ich im Voriibergehen unwillkürlich stehen und sah ihn mir· genau an; dabei fiel mir der unend lich traurige Ausdruck seines Ge sichts auf und » derjenige seines Pserdeö. Es war mager, sein Fell rauh, und es stand mit gesenktem Kopfe da; beide, das Pferd wie sein herr, waren noch sung. Man zählte den 14. April; schon wehten warme Lüftchen, die Erde fing»an zu oth tnen, und trotz der steinernen Nackt heit des Straßenpßlasterc fühlte man, daß draußen,in Feld und Wiese,schon manches hälmchen aus der Erde schaut aus der geheimnißvollen Knospe das dustende glatte Blätt chen hervorbricht; daß die Schneebiis che an den Abhängen schweigen und statt ihrer die hellen Stimmen der hänflinge, der Ammern und der Buchsinten erllingen. Alles rings-. um voll Licht und jungem Griin und4 Wohlgeruch und frohem Lied; aberj das Pferd und sein Besitzer, diese Freunde der Erde, der Felder und Wälder, standen traurig da, und ichi stand neben ihnen. Während dessen ging Jemand an: uns vorüber: ein Mensch in einem jener blauen, fettigen, sibirischen Rö cle unter denen viele schmuhige Bank noten zu stecken pflegen und noch mehr schmutzige Gedanken nnd Ge-: wohnheiten Er erblickte den Vanern und rief ihm grob und besehlend lzu: »Du da! Fährst Du mich siir fünf-· zehn Kopeten?« Der Bauer erwiderte mit einem ei genthiimlichen Lächeln: »Mit einem solchen Pferd, Bruder, fährt man sogar fiir zwanzig Rodeken nicht weitl« »Bruder! Bruder!« sagte dcr Si birjat, ärgerlich und verächtlich das Wort betonend: »Bruoer, wohin denkst Du? Zwanzig Kopeten2 Ja, vor euch Kerlen muß man seine Ba tzen wohl hiitenk Zwanzig Ropeten!« wiederholte er, alg reiße man ihm die Münze vorn Leibe weg. Der Bauer wandte ihm den Rücken zu, und während er that, als bringe er am Geschirr etwas in Ordnung, sagte er halblaut: »Beste nur, helle, Hundeselll Kommst doch dem Wolf noch in die Zähne!« Ich fürchtete, daß der andere ihn doch noch miethen würde, sobald sein Aerger verraucht wäre, und sagte da rum schnell: »Höre, Bruder, fahre Du mich.« »Gut, Väterchem aber das Pferd . .« Er seufzte: »Hal) Nachficht, mein Täubchen schnell kann ich nicht fahren wirklich nichl!« »Das thut nicht-! Komm nur; ich habe teine Eile; mir liegt gar nichts daran.« »Steine Eile?" wiederholte der Bauer mit einem mißtrauifchen Blick auf mich· Wir fuhren ab. Jch befahl ihm, den Weg durch abgelegenr Straßen zu nehmen« um mich besser mit ihm unterhalten zu können. Hierbei, ich gestehe es, hatte ich die Absicht, ihm, nachdem ich eine Zeitlang gefahren, etwas über den abgemachten Preis zu zahlen. Ein richtiges Almosen ge ben mag ich nicht gern; es ift, als ob, indem man einem Menschen hilft, man ihm zugleich eine Ohrfeige gibt. So fuhren, wir dahin, bald im Schritt, bald im fachten Trab. Nach dem ich, meiner Gewohnheit nach, den Jstooftschit gefragt, aus welchem Gouvernement und welchem Dorfe er fei, was fiir einen Bach und was für Wälder es dort gebe, ob das Vieh und die Schafe gediehen lan einigen Orten rechnet man bekannt lich die Schafe nicht zum Vieh), ob er Familie habe u. f. w., fing er an, Vertrauen zu mir zu fassen. Seine Seele wurde weich bei der Erinne rung an die Iheimath, die fiir ihn reich an armen, aber rührenden Hei ligthiimern war, und auch ich gewann ein reges Interesse für den Mann. Zuletzt fragte ich ihn: »Du haft, wie mir scheint, einen Kummers was be drücke Dicht-« »Ach, Väterchen«, erwiderte er, «tag’ selber, wie fdllte ich nicht be triibt fein? Was bin ich hier? Men fchen gibts mehr als genug, und bin doch allein; des Morgens fährt man aus und weiß nicht, wohin man tonrmt; dahin fiihrt man und dort hin, bald gradaus, batd treuz und quer, wie wenn Dich im Wald ein Unhoid neckt —- manchinal tanzt alles nur so vor den Augen« da man ganz dumm wird und die L einafa nicht mehr von der Gorochowaja un Mcheidetz gewiß und wahrhaftig, Du kannst mir’s glauben.« Bekannts und doch unbekannt kommt einem ai les vor, und was gewinnt man da bei? Gar nichts. Abends bringt man ein paar Kapeken heim; das Pferd frißt, und selber ißt man auch — und weg ift aller Verdienst, und der Tag ist umsonst vergangen; nur der Rücken thut vom langen Sitten weh, und wenn man sich zum Schla fen legt, dazu ziehen vor den Augen die Straßen hin, eine nach der an dern, langx lang und ohne Ende, und in den Ohren brutnmt es. Und die Leute im Haus ——- da iit der Wirth, der schimpft, und die Wirthin schimpft, und dann schimpft unser eins wieder-; sie trachten danach«. wie sie einen kränken könnten oder das Pferd. . . Wie kann man da fröhlich sein? Hier sind wohl aanz andere Menschen als bei uns daheim; nicht ein gutes Wort haben sie, und selber wird man auch nuaut. Ach!« Er seufzte tief auf. »Dein Pserdchen sieht auch nicht so recht vergnügt aus« »Vüterchen, darüber rede lieber gar nicht« Das Pferd hat mich in s Elend gebracht, es ist ein Jammer. Es siecht mir einfach dahin.« »He-i es nicht genug Futter, oder zu schwere Arbeit?« ,,,Rein das Futter ist es nicht; Futter hat es genug. Lieber esse ich weniger, damit es seinen Hafer be kommt. Aber es schlägt nichts an bei ihm.« Meinst Du gar, man .habe es Dir verhext?« »Wie tannfk Du so reden, mein Täubchenl Berherti Das haben dum me Leute erfunden. Nein — es hat auch so seinen eigenen Kummer.« »Ein Pferd —-— und soll einen Kummer haben?« »Ja. herr, das Pferd da. Eures gleichen kommt das freilich sonderbar vor —- was tönnt Jhr davon wis seni Jhr lebt in prächtigen Häusern und wir in Schuppen, oft mit dem lieben Vieh zusammen und lassen das Vieh auch in die Jfba (Bauernhaus) hinein; da wissen wir so etwas bes ser.« »Erz·cihle mir doch, bitte, davon.« »Was ist da zu erzählen, Väter chenZ Das ist ganz einfach; auf un-l serm Hof, in unserer Familie, waren zwei Pferdchen. Illtersgenoffem undi beide, du lieber Gott! fo hübsch so munter und flink und nun, ge rade so rund wie junge Gürkcheni Genannt wurden sie Sivla —--— Burta.s; Von klein auf waren sie so aneinan der gewöhnt, so defreundet, daß sie immer zusammen liefen und gingen, und standen lind wie standen sie?; Zuweilen, weißt Du in der Som-! merhitze wenn es aussieht, als rauchei der frischgepfügte Acker, und es ist: schwül und kein Lüftchen weht: dann gehen die beiden untcr irgendeinen Baum und stehen da; bald legt das eine feine Schnauze auf den Hals des andern, bald wieder das andere diesem Grad in der Seele rührt es; einen, wenn man sie so sieht; Herr- s gott! dentt man: ’5 ist doch nur ein Vieh, und wie es so dasteht! Wahr i saftige- i Hier hielt er einen Auaenblict in ne, als werde es ihm schwer, feinen Gedanlen den richtigen Ausdruck zu geben. i »Nun ja, fo wuchsen die beiden auf und als ein Paar haben wir sie auch eingesahren. Anfangs schlugen sie wohl manchmal aus dabei: das· eine von ihnen traf mich einmal mit den Hinterhtifen auf die stähne soZ daß ich bewußtlos vom Schlitten i auf die Furchen fiel —--- wir fahren die jungen Pferde am Schlitten aufs dem Acker ein --— nun, was lveiter?« Das kommt vor. . .ein junges Thier will nicht gern seine Freiheit aufge-l - den. . . So fuhren wir sie »ein und; singen all, nm tyurn zu Plluqrn, »zu« eg en, alles, weißt Du, wie Gott eg; beioblen hat; aber getrennt haben wiri sie nicht mehr: ioo dag- eine arbeitete,F da ließen Ioir auch das andere mit-l arbeiten; ohne das tonr nichts mit; ihnen anzufangen, auch ioenn man sie noch so gehalten, ja wen-n man sieE mit dem Messer gestochen hättei Wenn man sie iu trennen versuchte,i so wurden sie wild, schlugen aus« wiederten und waren wie bescssenti die Augen traten ihnen aus demI Kapse, daß einem angst und banget wurde dabei. So ließen tvir sie dennl auch beisammen, und die Arbeit ging dabei gut von statten. Aber es tameni Mißher bald Kälte, bald Hitze, bald schwere Regen, bald wieder eine« so große Dürre, daß alle Brunnen versiegten. Ein Jahr, zwei, brachten wir uns noch zur Noth durch; im dritten sagt der Alte zu mir: »«.)lndr juscha, da hilstsnichtöz Du mußt in die Fremde, in der Fremde Brot ver dienen. Du siehst ia selber, es geht schlecht: mit Brot hat uns Gott nicht gesegnet; essen aber, das mußt Du, das muß man doch.« . »Mir stand das Herz still; die Jst-a tanzte um mich herum, ich xschleppte mich in den Krautgarten und siel dort aus ein Beet. . . dort Hinge ich ein Weilchen ganz still. . . » r weißt Du, Väterchen, sei’s nun ivon der heimathlichen Erde oder wo Jvon ——-- in der Seele wurde es wieder ibeller. Ich stehe wieder aus, bekreu zze mich und denke: »Nun ja, soll ich l spri, so soll ich eben sortt Umtonmien ktverd ich nicht gleich und tann den iMeinen vielleicht helfen; unser Herr i kgott wird auch einmal gute Zeiten I schicken, daß die Meinen wieder her auskommen; dann tehr ich zurück·« So komm ich denn zum Alten, die Augen habe ich getrocknet und sage ganz muthig: »Vater, Vater! Wann soll ich denn fort?« ,,Wann?« sagt er, und selber schaut er mich nicht an, sondern macht sich in der Ecke was zu schaffen: »Wann? Nun mor gen, meinetwegen oder nein —— über morgen.« ,,Einen Tag länger wenigstens sollte ich noch daheim bleiben! »Nun ja,« sag ich, ,,iibermorgen.« So hat einer dem andern Muth gemacht, und wir gingen zusammen Holz hacken; dabei reden wir aber immer nur von meinem Abschied. Da erst fiel es mir ein: »Wie wird’s denn,« so sag ich ,,mit Sivla ——- Burka? Beide kann ich wohl nicht mitnehmen?« »Nein, eines brauch ich daheim.« »Aber trennen kann man sie doch nicht; weder mit dem einen noch mit dem andern wird man einzeln fertig.« »Wie sollte man mit einem Pferde nicht fertig werden! Wenn’s auch ein Weilchen scheut und wild thut — zuletzt hört’s von selber auf.« ,,Väterchen, denl Du an mich: das gibt ein Ungiicl.« »Ja, was ist denn da anders zu thun2« »Freilich —- was ist da anders zu thun!« »So sprachen wir. Man sing an, alles für-meine Abreise zu richten, aber weder Mutter noch Schwester, noch der kleine Bruder sagen etwas; Niemand weint, schweigend gehen wir herum, und ein jedes thut seine Ar beit; von Zeit zu Zeit schaut man sich an, heimlich, furchtsam, und das kleine Brüderlein geht immer hinter mir her; wo ich bin, da ist es auch, schmiegt sich an mich und hält. mich am Kastan »Sie tamen alle, als ich wegsuhr; die Leute in unserm Dorf find so gute, mitleidig-e; fast alle waren der saminelt. Man sing an, Abschied zu nehmen; da hielt es uns nicht länger, nun ja, wie’s eben der Bauer nicht anders thut —- geheult haben wir, geheult. « »Ich sitz aus dem Karten und will schnell vom Hof absahren, um die Seele nicht länger zu quälen. Aber das Pferd, eben dieses da, steigt ter zengerad in die Höhe, steigt und wirst sich seitwärts und mit den Hinterbeinen in die Lust. Alles ha ben wir versucht -- ja, was ist denn mit Dir, Mütterchen, Täubchen, um Gotteswillen —-- waso --— Reiszt und schlägt aus nnd will nicht vom Fleck und wiehert, wiedert, als wäre der Wolf hinter ihm her. Und das an dere, was man in den Stall einat sperrt hat, schlägt auch ans und wird so wild, daß die Stallwand wackelt, und wiehert fo, weißt Du, daß ihm die Stimme überschnappt Nun tvur den die Leute alle böse: einige grif fen nach Stöcken und wollten es schlagen. Nein, Brüder, sag’ ich, wa rum denn schlagen? So ein Pferd hat doch auch ein Herz! Nehmen wir es lieber am Zügel und führen wir es eine oder zwei Werst hinter dasDorsx vielleicht wird es dann ruhig und fügt sich— »So führten wir es denn hinter unfern..f,)iigel, führten es aus’s freie, weite Feld; ich setzte mich aus, nahm die Zügel sest in die Hand, strich ihm eine über mit der Peitsche, und wir fuhren ab. Wie es dahinraste, immer weiter, weiter -— wohl an die stins Werft weit ——— ganz mit Schaum bedeckt! Der Dampf fteigt nur so von ihm auf; dann beruhigte es sich und ging langsamer. Nuhig blieb es auch den ganz weiteren Weg über· Wir tamen endlich in die Stadt. Jch ließ mein Pferd ausruhen und sing dann an, Fremde zu sahren. Doch schon unterwegs hatte ich bemerkt, daß eine Veränderung mit meinem Pferdchen vorging: es wollte nicht recht fressen, magerte ab, wurde trau rig und seufzte viel. Jch dachte, das komme don der Müdigkeit her und hoffte, daß es sich erholen würde, wenn wir an Ort und Stelle wären und es sich aus-ruhen könne. Aber nein, was ich auch thun mag, Du siehst es ja selbst, es hilft nichts. Ob es nun die Luft hier ist« oder ob dem Thier die harten Steine weh thun, oder ob es Heimweh nach dem freien Felde und seinem Kameraden hat - Gott allein weiß es! Jch habe schon den Thierarzt geholt der hat ihm in den Zähnen und in den Niiftern herumgeftochert « hat Geld dafiir genommen und ist wieder fortgegan gen. Jch habe auch einen Wunder doltor um Rath gefragt —— der gab ihm jeden Morgen ein Stück Brot mit Salz und hat für jede Brot fcheibe ein ordentlicheg Stück Geld verlangt. Als ich ihm aber sagte, das sei zu theuer, da erwiderte er, mit Wunderdottoren diirfe man nicht handeln, sonst schlage die Kur nicht an. Jch sagte von da an nichts mehr, aber die Kur schlug doch nicht an. Da geschah etwas Seltsames —— und von da an begann es noch mehr zn träufeln. Einmal Nachts gehe ich zu meinem Pferdchen, um zu schauen, ob ihm auch Niemand ein Leids anthut. hier giebt es ja Leute unter dem Boll, die immer nur auf Diebstahl aus sind, Leute von unsrem Schlage, dies—man schämt sich fast es zu fa gen, Vöterchen —- sogar den Pfer den das Futter wegstehlen. So komm ich denn hinaus: da steht mein Pferd chen, hat den Kon gesenkt, und ich sche. daß es sein Futter kaum ange ,rlihrt hat. Leid thut es mir, ach —so Ileidl Jch trete heran und streiche es ,und lieblose es und nenne es ,,Sivka 3—— Burta, Sivka —- Burta!« Jm ;selben Augenblick, wie absichtlich, Hkomint ein neuer Bauer im Dunkeln »auf denselben-Hof gefahren, und. sein zjungeg Pferd wiehert hell auf. L »Mein Pferdchen spitzt die Ohren, »zittert am ganzen Leib, hat auch an tgefangen zu wiehern, aber so, als Tspringe ihm das Herz entzwei und freißt sich plötzlich von der Kette los, stvtrft sich zum andern, dem neuern sgetonimenen Pferd, nnd fängt an, es Izu befchnuppern; hat wohl gedacht, Ider arme Tropf, es sei sein Kame irad von daheim! ——— Ja, du liebe JZeit derwar weit, weit weg, und ialg mein Pferdchen eine Weile ge zschnuppert hatte, ging es langsam Jwieder weg, anf seinen Plan zurück, » hing den Kopf und seufzte, so tief, so ’ recht aus Der Seele heraus-, daß mir, » tkveiß Gott, das Wasser in die Augen l AM. , »Seit jener Zeit gehtg immer schlimmer mit ihm, und wie Du sel iber siehst, kann es jeyt kaum mehr Idie Beine fortschleppen Eigentlich müßte man es ganz ausruhen lassen Aber ich und das Pferd müssen uns jdoch irgendwie ernähren· Jch möchte mich verdingen, Arbeit als Holzfä ger suchen; wollte von Morgen bis Abend schaffen bis zum Schweiß; vielleicht könnte ich soviel verdienen, daß eg fiir uns Beide reicht. Mein Pserdchen aber soll unterdessen ra sten, wer weiß, vielleicht erholt es sich »Wieviel Futter braucht es denn im Tage?« »Wenn es nicht arbeiten muß, et wa fiir 25 Kopeten.« »Und verkaufen willst Du es uicht2« »Was Baterchen?« »Dein Pferd da?« »Das Pferd, das tranke? Bloö, um es los zu sein? Es hat mich ge fahren, ernährt, erfreut und jetzt —-— nein, Herr, lieber soll es bei mir ver enden; das wird ihm leichter sein, und ich lade dann nicht die Sünde auf meine Seele, daß ich es verlas sen habe. Es ist ja auch das einzige , von daheim,was mir bleibt. Wenn ich eS anschaue,sällt mir alles wieder ein, -— unsere Hütte, und die Felder, und ldie Wälder, und die Stimmen in den jWalderm wie Mutter und Vater und die Schwestern einander rufen und alles, alles. . . Und das Herz brennt und thut weh!« »Höre, Freund, wo wohnst Du?« »Ja, jetzt immer aus der Straße-— es« ist eine wahre Schande!« »Nein, ich meine, wo Du über 2nachtest, wo Du Dein Pferd ein ’ stellst?« »Ja der Jamstaja natürlich; bei äunserm Arbeitgeber; da wohnen ja jsast alle Kutscher.« »Fahre mich dorthin.« . »Warum denn, Väterchen? Willst Du mich bei meinem Herrn verkla «gen? Jch habe Dir doch nichts Un rechtes gesagt. Und nimm mir nicht iibel, was ich in meiner Bauern ’dummheit herausgeredet habe, und lsage ihm davon nichts; ich bitte E Er sagte es mit fast kindlicher lch)iichternheit; augenscheinlich toar ’er ein Mensch mit tiefem und zartein l.57mpfinden·und fürchtete sich vor Scheltworten und Vorioiirfen. »«5iirchte Dich nicht, mein Freund« sagte ich; »Dein Herr geht mich nichts an Jch möchte Dir helfen, damit Dein Pferd aus-ruhen, sich augsiittern und erholen kann, und Du wieder »sröhlicher wirst « Er ließ die Zügel hängen, drehte sich nach mir um und sagte mit seuchten Augen: »Was sagst Du? Vergelte Ding Gott, Vätercheni Ja, wie kann ich Dir denn genug dan ten?« Wir hielten vor einem schlechten, unsauberen Häuschen Jch war da mals noch jung und start, die Arbeit ermüdete mich nicht; es schien mir, alg verdiene sich das Geld von selber, und ich sparte nicht damit. Darum gab ich dem Bauern mehrere Rubel fiir Futter, damit er sein Pferd ein fpaar Wochen lang iin Stalle stehen slassen könne. Er warf sich mir um »den Hals. Die Vorübergehenden und »die Kutscher, die aug- und entgin Yaem mochten deuten, wir seien beide »betrunten. Und wirklich, es mußte isonderbar aussehen ein Bauer, »und dazu noch in der Residenzstadt tan der Straße, umarmt einen ) Herrn! l ,,Nun«, fragte ich, «wirst Du Dei Tnem Pferde Ruhe gönnen, es nicht mehr fahren ?« »Der Herr bewahre mich!« »Was dentst Du denn nun zu I thun'i« ! »Ich finde Arbeit genug! Wer jweiß, vielleicht ist es Gottes Wille, Isdaß von daheim bessere Nachrichten eintreffen, daß dort gute Ermang sichten sind, dann tehr ich, sobald ich stetwas verdient habe, dorthin zurück — auf’s Feld, auf den Acker, zu den Meinigen! Wie werden die sich freuen —- Du glaubst es tauin!« Wir trennten uns. Einige Tage später erfuhr ich, wo mein neuer Be itannter Arbeit gefunden hatte, und Iging eines Abend, nachzusehen, wie » er sein Wort hielt. Jch kam zu den Ufern der Nema, wo eine Menge Holz zum Zersägen aufgestapelt lag. fEö war schon dämmerig; die Bau I ern, in Gruppen ans Balken gela gert, aßen fröhlich zu Abend. Nur einer von ihnen schleppte noch Asstl und Klötze und zerhaclte sie zu Klein holz, da er allein nicht sägen lonntc: lIes war mein szostschil, Der Schweiß rann in Strömen an ihm herab, sein Gesicht brannte, und St schwang die Axt, als habe er gerade erst begonnen. ,,Hör doch aus, Du!« rief ihm einer der essenden Bauern zu. »Laß doch ,die Arbeit bis morgen!« ,,Red Du nur«, erwiderte jener. »Was ich heut zustande bringe, das ist morgen gethan!« Und er begann mit neuem Eifer, die Holzblöae zu zerhacten Mich sah er nicht in der einbrechenden Dunkelheit. I »Mein Geld ist in die rechten Hände gerathen«, dachte ich und ging mit den angenehmsten Gefühlen im Herzen weiter. Die Newa glitzerte wie Silber; in den Häusern glommen Lichter aus; am Himmel begannen die Sterne zu leuchten; der Lärm und das Gerassel von Stimmen und Wagen erstarb allmählich, und in die ser Stille kam mir das Hacken der einsamen Axt tvie eine fröhliche Mu sik vor. V Etwa zwei Jahre später, auf einer Reise durch Rußland, verließ ich die große Straße und durchlreuzte, bald zu Fuß, bald im Einspänner, die reizende Landschast mit ihren düs tenden Linden- und Ahornwäldern, den üppigen Weizenseldern, deren! Ränder von einfachen, aber lieblichenE kBlumen, die murmelnden Bäche, diei lvon den Höhen herabrauschten«, die: trillernden Lerchen und Wachteln, der» Ruf der Bachstelzen, die geschivätzi-» gen Schaaren der Spatzen, alles das · floß in eine einzige lebhafte Empfin zdung ländlichen Genusses zusammen. «Am Bach, auf gelbem Abhang, wa-l l ren zerstreute Bauernhütten, und ob-i jgleich altersschwarz und schief, ta-i s men sie mir doch ungemein malerisch! vor. ,,Willtommen, Herrl« sagte ein weißtöpfiger, aber frischer, kräftiger Alter zu mir. »Willkomrnen! Dies Jahr, Gott Lob und Dant, können wir gute Menschen bei uns aufneh ;men und ihnen etwas vorsetzen!« Jch dankte ihm für seine freundli: chen Worte und bat, im Heuschuppen Iaus-ruhen zu dürfen. « «Ruh Dich nur aus, mein Täubi ; chen! Derweilen richten wir Dir ein All-ermessen Andrjuscha! Llndrju scha! Komm mal her und fiihre den Herrn da zum Schuppen, damit er laus-ruht, bis das Abendesseu fertig l l! " k Andrjnscha trat heraus-: wir sahen seinander an, und ich rief: »Du bist fes, Bruder! Mein alter Betanntert fDaS ist ja eine wunderbare Benen snung!« Auch er erkannte mich und eilte auf mich zu. Wir umarmten uns freundschaftlich Die ganze Fa milie lief zusammen, es kamen auch die Nachbarn. Jin Dorf war unsere Geschichte längst bekannt. Einige wunderten sich, andere wieder wein: ten; an’c- Lachen dachte niemand. Der Bauer denkt lange an eine ihm erwiesene Wohltbat zurüct und sieht nichts Lächerliches in der Herzlichteit TJch brauche nicht zu sagen, wie be reitwillig ich aufgenommen, wie gut ich bewirthet wurde· »Nun, und Dein Pferd«, fragte ich, »lebt es noch?« »Es lebt, Väterchen freilich! Und es ist wiedkr wie früher, so munter geworden, so gesund und ftart; es arbeitet wie ich!'· »Nun, gottlob!« »Ja, gottlnb, und Dir, Herr, lau send Dant! Wir sind setzt alle so zu frieden und fröhlich, nnd nun hat und zur Freude der Herr auch Dich noch hergeführt!« Jch blieb drei Tage bei ihnen zu Gast und konnte mich auch dann noch nnr mit Gewalt losreißen Als ich fortfuhr, versammelte sich die ganze Familie und begleitete mich weit vor das Dorf hinaus. Andrjuscha hatte natürlich das unzertrennliche Paar Sivla —-- Burta eingespannt, und ich sah mit Freuden, wie die beiden Pferde, ohne Anstrengung, den grü nen Weg dahinflogeu. Mein Freund fuhr mich gegen siinfundzwanzig Werst und hätte mich gerne noch wei ter gefahren. Wir nahmen Abschied wie Verwandte. Als ich ihn verlas sen hatte, sah er mir noch lange nach und grüßte endlich tief, bis aus die Erde hinab. Des PMU schlug schl Jn einem Hotel im Süden fiel im letzten Winter ein anscheinend alter Herr auf, der trotzt-ein wunderbar schönes, lodigeg dunkles Haar trug. Ob sein eigenes oder eine Perriidsh war nicht heraus zu Unden; war es eine Perrücte, dann war sie minde steng so wundervoll gearbeitet, daß jede Schauspielerin ihn darum benei: det haben könnte. Schließlich beschloß eine Wundnachs barin, die Wahrheit zu ergründen, es koste nun, wag eg wolle. Eines Nachts hätnmerte sie also an Herrn Blanks Thiir nnd rief ihm mit angsterflillter Stimme zu: »Ste hen Sie schnell ans nnd retten Sie sich — das Hotel steht in Brandt« Sie hörte Herrn Blank aus dem Bett springen, der Thür zueilen und sah dann aus seinem Kopfe einen gro ßen weichen Filzhut, der ties in die Stirn und bis in den Hals hinunter gezogen war. « Die feinere pöflichseih Ein der italienischen Botschaft in Washington attachirter Conte, der jetzt di: rchans gewändt und fast dia lettlos englisch spricht, erzählte dieser Tage-, daß eine Art falsche Höflichkeit der guten Gesellschaft die Vervoll komniuna in der englischen Conversa tion sehr erschwert " : ,,Wiihrend Jtaliener rnd Franzo sen einen Fremden, der sich bemüht, ihre Sprache gut sprechen zu lernen, auf etwaige Fehler freundlich und verbindlich aufmerksam machen, ge schieht hier nichts dergleichen. Jch will Jhnen ein Beispiel geben. Jn Newport lud mich eine Dame, die de ren Hause ieh zu Gaste war, zu einer Spaziersahrt ein. Jhre herrlichen Pferde tanzten förmlich die Bellevue Ave. entlang. Jch wollte ihr ein Cornpliment über das schöne Ge spann niachen, aber ich konnte nicht aus das englische Wort für « nun, Sie werden hören. Ich tlopfte also auf meine Beine und fragte: »Wie nennen Sie doch das?« ,,Trousers«, antwortete die Dame. »Ja doch Und nun kann ich sa gen, Jhre Pferde und überhaupt amerikanische schwingen ihre Tron sers wie eine Prima Ballerina«. Die Dame verzog keine Miene. Am nächsten Tage hatten wir ein Picnic auf den Klippen iiber dem Meeresstrande. Madame tranchirte ein Huhn und fragt mich: »Was siir ein Stück kann ich Jhnen geben?« · »Eins von den Trousers, wenn ich bitten «darf.« »Da konnten sich einige junge Da men nicht enthalten laut aus-zulachen. Die ganze Gesellschaft stimmte ein, und ich erklärte. — Wäre es nun nicht eine feinere Höflichkeit gewesen, wenn jene Dame meinen Irr-wund sosort eorrigirt hätte?« s Salt-aberm Daß dieser- Wort so riel wie lang weiligen, unnützen Schwatz führen heißt, ist bekannt; nicht so allgemein bekannt dürfte jedoch seine Herkunst sein. Es sind nunmehr fast dreimal hundert Jahre verflossen, da wohnte in Jena am Mühlbache, auch »die lleine Saale« genannt, ein Bartschee rcr oder Bader, der seine Kunden« während sie sich von ihrn bedienen lie ßen, durch allerlei lustige Einfälle und Schimrren zu unterhalten pflegte nnd bei dieser Art der Unterhaltung naher nugschließlich dasWort führte. Man nannte den Mann nun nicht, wie jeden anderen, Hinz oder Kunz,, sondern auf Grund seines Berufs und der Lage seiner Werkstatt einfach den ,,Saalbader«, und später so jeden,. der immer vielerlei zu reden hatte und teiiien andern su Wort tonunen lief-» Aktion darf wean dieser festste henden Abstammung deg Wortes denn auch niclitEnlbaader, salbandern aus sprechen, sondern es heißt richtig Saalbader, saalbadern. —-———-- - - - - .—- - -—«-———-— Eine nettes Mieter-wurzelt Unetdoth Mitterwurzer gastirte in Mann heim alg Geßlen Ein biederer Sohn des Lande-j, der auf der Bithne ein ebenso reines-I Hochdeutsch, wie im ge wöhnlichen Leben reinen Dialekt sprach, gab, wie seit 25 Jahren, den Reiter-, der im vierten Alt zu mel den l)at, das; sein gnädiqu Herr, der Landoogt, dicht liinter ihm geritten komme Ijtitterzvurzir, dcsr nie ein Pferde bestiea machte den Darsteller darauf aufmerksam und ersuchte ihn, die Anliindiauna dementsprechend zu ändern. Bei der Probe deraasz der Herr zwar, daraus zu achten, der sicherte aber, daß Iliitterwnrzer sich Abends döllia aus ilm dertcxisen tön ne. Der Abend ils-sinnt Der Lands tnecht stiirzt auf die Ecene nnd mel det prompt, das; der Lnndoeqt hin ter ihm aeritten komme Aus der Coulisse zischt eine Fluth von Grob heiten: »Schafgtops! - — Sperlirigs3-" hirn! Was mache ich nur? ---— Hornviel)!« usw« Einen Moment ist der Vergessliche verdutzt. Dann schaut er noch einmal wie spähend zurück. wendet sich zum Publikum, und· im schönsten Ipliannlseimer Dia lelt ertönt eg: »Allen):il steigt et ab!« —-——-—- - - - «-------—— Todesntfache festgestellt. Ein Automobilift iiberfnhr und tödtete auf einsamer Landstraße ein Huhn Als er eine Stunde später denselben Weg zurückfithr, ftnnd ein Mann mit dem sonvetänsten Ausdruck der Todegverachtung mitten ans dein F Weg und gab ihnisSignate, zu hinten m izielt an nnd der Mann deutete ischweigend ans das Hunn, das nicht mehr znrtte, aber seinen letzten, inn florten Blick zum Himmel aufgethan hatte. »Ich möchte Sie fragen, wer dieses Hahn überfahren hattm fragte der Mann. »Ich setber,« antwortete der Autler etwas benommen »Und ich bin be reit, den Schaden zu ersetzen. Wieviel verlangen Sie?« »Oh, das ift schon recht. Sie müs fen wissen, ehe ich das Hahn heim nehme, wollte ich wissen, wie es ge storben ist. Es könnte ja Alters fchwäche gewesen sein. Ader wenn Sie c- überfahren haben, wird es tot-til noch weich zu kochen sein. Laffen Se sich nicht weiter aufhalten.«