Der Deserteur. Roman von O. Elfter. (1. Fortsetzung) 2. Kapitel. ! Die Ofsiziersversamw tu n g. i Als harald am anderen Morgens erwachte, stand sein Bursche, ein treu und ehrlich dreinhlickender thüringer1 Bauernsohn, vor seinem Bett. i »Den Leutnant müssen aufstehen,« » sagte der Bursche mit leichtem Lächeln, »es ist acht Uhr.« . . . ; »Aber ich habe doch heute Morgen. noch keinen Dienst, Friedrich;« entgeg- J nete Harald, sich halb ausrichtend. ; »Ich brauch Sich erft heute Mittag zu j melden«. l »Sie Befehl, herr Leutnant. Aber der Herr Major haben schon aus 92 Uxhr eine Versammlung der Herren Osfiziere im Ofsizierkasino anbefoh len, und der Herr Hauptmann mein ten, Herr Leuinant müßten dabei se·in·« »Da hat der Herr Hauptmann wie der einmal recht. Also stehen wir auf. Lege mir Schärpe und Tschacko zu recht, ich kann mich bei der Versamm lung gteich zurückmelden.« I Friedrich entfernte sich. . Harald sprang rasch uus dem Bettf and kleidete sich an. Der Kopf wars ihm etwas wüst, die lange Eisenbahn fahrt, die Kneiperci am Abend vor her,v übten doch ihre Wirkung. Aber« das frische Wasser-, mit dem er Kopf, « Hals und Brust überspiilte, machten ihn frisch und munter. Jetzt erin nerte er sich auch der seltsam wirren Träume wieder, die seine Seele mäh rend der Nacht beschäftigt hatten. Merkwürdig, in all diesen Träumen tauchte das Bild der schönen blonden Henriette Hauoillen auf, die er doch nur einmal erst gesehen hatte. Sollte die Erscheinung des jungen Mädchens, ihm selbst unbewußt, einen so tiefen; Eindruck auf ihn gemacht haben? Aber ! jett in wachendem Zustande entsannJ er sich kaum ihres Bildes, das ihm der 1 Traum so deutlich gezeigt hatte. Er trat vor oen Spiegel, welcherj zwischen den beiden nach dem Marti play hinaussiihrenden Fenstern hing, um seinem braunen iurzgelockten Haar « die vorschriftsmäßige Frisur zu geben. Unwillliirlich warf er einen Blick über den Platz, auf dem schon reges Leben» herrschte, denn es war heute Wochen- ! martt und die Gemüsefrauen, di: Bauern mit Kartoffelnsäcken und Obstkörhen, einige jüdische Händler .. mit ihren Krambuden, hatten den Platz in Besitz genommen. Zwischen den Verkaufsständen gingen fleißige Haus-stauen mit ihren Dienstmädchen, die große Körbe trugen, auf und ab, um dn Bedarf für die tommnde Woche einzutaufen. Gerade am Ende der Budenreibe befand sich der Stand eines Gärtners, der neben den nützlichen Gemüsepflam zen blühende Blumen feilbot. Hier stand eine schlanke Mädchen gestalt und handelte um einige Blu men. « Wahrhaftig es war Henriette! Sie sah so frisch und rosig aus, wie die schönsten Rosen des Gärtners-, und wähnend sie mit dem Gärtner sprach, schwebte ein Lächeln um ihren rothen Mund, das gleich Sonnenschein über ihr liebliches Gesicht huschte. Rasch warf sich Haralo in Uniform und eilte hinaus, so daß ihm Friedrich ganz erstaunt nachsah. »Was läuft er nur so?« brummte er vor sich hin. »Er hat doch noch Zeit . . . und Kaffee hat er auch noch nicht getrunken« . . . Harald trat an den Blumenstaub gerade, als Henriette den Gärtner be zahlte. - »Bonjour, Herr Leutnant", sagte! der Gärtner, ein alter Soldat mili tärisch grüßend. »Was steht zu Dien sten?« Henriette sah zur Seite und ihr Blick begegnete dem Auge Horale Sie erröthete leicht, Harald grüßte ar kiig WPardon Mademoiselle« . .sagteI et, ohne recht zu wissen, weshalb er4 sich entschuldigte. Er fühlte jedoch, wie et selbst erröthete. Und bemitte, die nach der Versiche rung Luluö noch nie einen deutschen Ossizier gegrüßt hatte, senkte leicht das zierliche Köpfchen zum Gegengruß Dann aber eilte sie rasch davon Harald sauste ein kleines Veilchen-. bouquet Dann schritt er langsam die Butsusibuden entlang. Sein Auge steck-e die schlanke Mädchengestalt, aber se war niegendö mehr zu erblicken. So begab sich Hernid denn in das o, um ver der Versammlung noch eine Tasse Kassee zu trinken Was ging ihn auch diese hübsches entrissen ani —- Aber welch’ wem-T Augen He hattet Tiesblau i Die seit-been weicheetin dersand Mk cis-säumt m dunklen Wien-I . mit-hie eigen leise-e Schatten auf die I meet-nd- und übe-wärmt » ists MM duytteu greises-. die in eigenartigem Kontrast zu dem blonden haar standen. Und dieser reizende Mund mit seinem süßen Lächeln . . . »Ich glaube, Harald«, apostrvphirte er sich selbst, »Du bist im B:griss- Dich am ersten Tage Deines Hiersein-s zu verlieben! Mach teine Dummheiten« alter Junge . . .« « Jn dem Kasino, das aus einer frü heren Bastion lag, von einem schnitt gen Garten umgeben, waren schon mehrere Osfiziere versammelt. Der Hauptmann von Falkenhagen, eine ha gere Soldatengestalt mit einem Ha bichtsgesicht und zwei sunteinden grauenAugem schritt mit mißmuthigem Gesicht in den Speisesaal auf und ab, wo er sich durch ein Winken-Butter brot und ein Glas Portwein gestärkt hatte. Sein Mißmuth war sehr be gründet, denn irn Zeitraum von sechs Wochen waren zwei Desertionen bei seiner Kompagnie vorgkommen. Die beiden jungen Leutnant5, welche an einem Nebentische eine Tasse Bouillon tranken, wagten nicht laut zu sprechen, denn öfters streifte sie der sinstere Blick des Hauptmanns, als ob sie die Schuld der Desertationen bei dessen Kompagnie trugen. Aber Lulu, der ietzt eintrat, brachte »Leben in die Bude«. Er fürchtete sich nicht vor dem gestrengen herrn Hauptmann und begrüßte laut und etwas liirmend seinen Freund Haralb. Mehr und mehr füllte sich der Saal. Da war der kleine kugelrunde Haupt mann von Wolfs mit dem lirschrvthen Gesicht und den kleinen, etwas ver schwommenen Aeuglein; der junge, schneidige Hauptmann von Dobner, der erst vor einem halben Jahre vom Generalstab gelommen war; der ge langweilt dreinschauende Hauptmann Dietrich. der schon seit zehn Jahren seine Kompagnie sisihrte und in dem Rufe stand, die Kunst zu verstehen, seine Untergebenen todt zu langweilen; da waren die Oberleutnants und Leutnants, frische, schneidige Gestal ten, denen man die Lust an ihrem Be rufe ansah. Die einen blickten wohl schon etwas blasirt und spöttisch drein, so der melancholische Oberleut nant, der schon seit mehreren Jahren aus den zweiten Stern wartete. Die sem und jenem sprühte auch wohl der jugendliche Leichtsinn aus den blauen Augen. Zuletzt erschien der Oberstleutnant und Bataillonskommandeur, eine schlank-kräftige, sehnige Soldatenqe stalt mit einem kühnen Gesichte, dessen martialischek Ausdruck noch durch den starken, nach oben gestutzten röthlichen Schnurrbart gehoben wurde. Jn dem rechten Auge trug Oberstleutnant von Girnberg ein Monolle, und man sagte, daß er dieses Mouolle selbst in Ten hitzigsten Gefechten des Krieges nicht habe fallen lassen. Seine Brust schmückten mehrere Orden und das einfache eiserne Kreuz erster Klasse, welches er trug, bewies, daß seine Ta pserleit auch von dem obersten Kriegs herrn anerkannt worden war. Jhn begleitete Leutnani von Fuchs, sein Adjutant, dessen ernste Wichtig leit heute noch durch einige Alten ver größert wurde, die er unter dem Arme trug. . «. - « -k s go Der alleslc Dllllplmcmn meine-te uic vollzählige Anwesenheit der Lsfsixiere; Harald meldete sich von seinem Kom mando zurück. Der Oherstleutnant reichte ihm die Hand. »New mich, Sie wieier beim Ba taillon zu sehen, Leutnant von Hei-— neck,'« sagte der Kommandeur und Hakald trat in die Reihe der Ossizietet zurück Der Oberstleutnant richtete sich et was empor. »Meine Heeren«, begann er, »eg ist keine angenehme Angelegenheit, welche mich bewogen hat, Sie schon zu so seither Stunde hier zu versammeln. Aber die Angelegenheit leidet teinen Aufschub, und ich wünscht. daß die Herren Kompagniechess schon bei dem Mittagsappell ihrer Kompagnien die ersten Nachforschungen in Bezug aus diese Angelegenheit, wenn auch ganz unter der Hand, anstellen können. Sie alle wissen, daß in der letzten Zeit mehrfache Desertionen in dem Ba taillon vorgekommen sind. Namentlich die erste Kompagnie des Hurenhaus-t mannö von Faltenhagen ist davon be troffen. Jch mache Ihnen keinen Vot wuks, Here Hauptmann«, fügte er bet, alZ er sah, daß das Gesicht des haupt manns ein-e dunkelrothe Färbung an nahm, »ich toustatiee nur die That sache: Ich weiß, daß die Desetteuee un zuveelässige Soldaten waren, die uns aus fremden Bezirken überwiesen win den. Unser Etsch aus der thiitingis schen Seimath ist gut und zuverlässig und ich glaube nicht. daß er zur Ve »seetion geneigt if- sbee der lette Zas muß uns doch auch diesem Ersas ge gen-Eber mißtmiflj machen. denn ei band-it sich dabei um einen jungen thü xtngiseben vSoldat-oh seinem Dei-us TM MIN, der stMia bei dem Q« «Wife. Ist-Mann war allerdings etwas leichtsinnig, aber doch ein guter Soldat. Wenn ein solcher Mann desertirt, muß ein be sonderer Grund vorliegen-oder er hat sich durch einen schlauen Verführer überreden lassen, dessen Bersprechuns gen er leichtsinnig Glauben scheue-e Num meine Herren, ich bin der Mei nung, daß der letztere Fall vorliegt. Ja, ich bin der Ueberzeugung, daß diesen Desertionen, die übrigens nicht nur bei uns vorkommen. ein System zu Grunde liegt, ich will sagen, daß ein Komplott gewissenloser Leute be steht, welche die unersahrenen Leute zur Desertion verleiten. Eine Bestäti gung dieser meiner Ansicht habe ich durch ein Schreiben des Generaltom mandos erhalten, welches sich mit der Siatthalterschast in Verbindung ge setzt hat. Man glaubt einer Verschwö rung aus der Spur zu sein, welche be zweckt, möglichst viele deutsche Sold ten zur Desertion zu verleiten und liber die Grenze zu schaffen. Die Spu ren dieser Verschwörung, an deren Spitze. ein sanatischer Feind des Deutsch-thum«s stehen soll, sühren aus unsere Gegend, und ich möchte Sie, meine Herren, ersuchen, auf jedes ver dächtige Anzeichen ein wachsarneö Auge zu haben. Die Soldaten sind vor dem Verkehr mit unbekannten Personen zu warnen. Der Aufenthalt solcher Per sonen in den Kasernen oder den sonsti gen militärischen Etablissements ist strengsten-Z zu untersagen. Die Un terossiziere sollen den Verkehr der Leute tontrolliren, namentlich an den Feiertagen, an denen die Soldaten es lieben, die umliegenden Ortschasten zu besuchen. Solche Lotale, in denen deutschseindliche Elemente verkehren, sind zu meiden. Kurz, es ist eine treuge Kontrolle zu üben, um diesem geheimnißdollen Treiben aus die Spur zu kommen. Die Gendarmerie und Polizei ist ebenfalls unterrichtet und handelt mit uns gemeinsam. Von je dem verdiichtigen Anzeichen ist mir so fort Meldung zu machen. Andere Maßnahmen behalte ich mir noch vor. Jch brauche wohl kaum hinzuzufügen, daß diese Angelegenheit mit der strengsten Dietretion zu behandeln ist. Die Herren Leutnants sind entlas sen und können zu dem Kompagnie Dienst zurückkehren Herr Leutnant von heineck, Sie habe ich der ersten Kompagnie des Herrn Hauptmanng von Faltenhagen zugethrilt. Die Herren Hauptleute bitte ich noch, hier zu bleiben; ich babe noch einiges mit ihnen zu besprechen.« Die Leutnants entfernten sich. »Da bast Du Lja ein schönes Loos gezogen, Harald"", sagte Lulu lachend, als sie der Aaserne zuschritten »Fal lenbagen ersreut sich des Rufes eines Menschenauälers«. »Es wird so arg nicht sein. Wenn man seine Pflicht thut, tann einem nichts geschehen«. »Das denkst Du in Deinem jugend lichen Leichtsinn. Ich habe ein halbes Jabr bei der Kompagnie gestanden und glaube doch auch meinen Dienst zu verstehen, aber toenn es Fuchs nicht fertig gebracht hätte, daß der Major mich zu einer anderen Kompagnie ver setzte, ich glaube, es hätte ein Unglück gegeben oder ich wäre auch über die Grenze gegangen«. Sprich nicht so, Lulu. Das ist Deiner nicht würdig«. »Na ja, es war ja nur Scherz. Aber beneiden thu ich Dich nicht, armer Kerl . · . Doch, um eines beneide ich Dich! Der Kompagnie-Platz der ersten Kompagnie stößt an den großen Gar ten hinter dem Haufe des Monsieur Hauviller. Da steht man öfters Mode moiselle Henriette und Julie im Gar ten spazieren und bietet Anblick ist ge eignet, jede schlechte Laune zu vertrei ben und-den langweitigen Dienst zu beriiirzen«. »Du bist unverbesserlich, Lulu", lachte Harald Die beiden Freunde schüttelten sich die Hände und trennten sich harald begab sich nach dei «Stadt Straß bourg« , um seinen Meldeanzug mit der DienstunisorF zu vertauschen. Als er seinen oet auszog, siel das kleine Veilchenbouauet zur Erde, wel ches er während der Versammlung un ter die Unifornt geschoben hatte Mit einein Male stand ibm das Bild der lieblichen henriette wieder vor Au W! Er hob den kleinen Strauß aus und stellte ihn sorgsam in ein Glas Wasser aus dem Fensterbreti. Das kleine Abenteuer beschäftigte ihn mehr, als er sich selbst gestehen wollte. Der Dust der Veilchen schien das ganze Zimmer zu erfüllen; und sster ertappte sich Harald dabei, wie er an das Fenster eilte, sich über das Veilchenbouquet beugte und dann einen suchenden Blick über den Platz wars, als könne er die liebliche Erscheinung Henrietteö wieder erspähen. Aber nur die Bauern und Marti weiber, welche ihre Körbe und Wagen hackten, erfüllten jetzt den Platz. Seufzend wandte sich Harald ab und vertieite sich in das Order-Buch, wel ches Friedrich aus den Tisch gelegt hatte. Da stand allerdings nichts von Liebe drin, nur Dienst -—" Dienst und abermals Dienst. B. Kapitel. LaTerre Noire. Im Westen der« Stadt, der franzö sischen Grenze zu, lag ein vielfach zer lliistetes Waldierrain mit iies einge schnittenen Schluchten und schrossen Berglegeln, die alle von einem dichten. mit Unterholz stark durchwuchsenen Walde bedeckt waren. Zahlreiche kleine Rinnsale machten die niedrig gelegenen Theile dieser Gegend zu kaum passie baren Siimpsen, die mit Röhrig, Dor nengesiriirp und Schlingpslanzen über wuchert waren nnd zum Schlupfwinlel von allerlei Raubzeug, ja selbsi von Wölfen, die von den Ardennen heriiher wechselien, dienten. La ierre .noire· das schwarze Land, hieß diese Sumpf gegend, welche in früheren Zeiten der Zusluchisort von Wilddieben und Ver brechern gewesen war. An diese unwirthliche Gegend schloß sich jedoch ein fruchibares Wiesenland, das allerdings im Frühjahr den Ueber fcknvernmungen ausgefeyt war. Diese Wiesen gehörten dem reichen Grund hesitzer Monsieur Eliarles henri Hau viller in Lützelburg und hießen ihrer inselartigen Lage nach Jsle Hauviller. Am Rande des Gehölzes lag ein klei nes Gehösi, die Ferine Terre noire. welches jetzt jedoch nicht mehr bewohnt wurde, so daß die Smllungen und auch das Wohngehäude zum Theil in Trümmer zerfallen waren. « US Mupsltll sich finster- Vagkn un diesen unheimlich-en Ort. Eine Räu berbande sollte früher hier gehaust ha ben; Ermordungen harmloser Wande rer oder der das Revier durchstreifen den Forstbeamten waren mehrfach vor gekommen, und in dem tetzten Kriege war hier der Mittelpunkt einer Bande Franctireurs gewesen, welche im Rücken des deutschen Leeres manchen Schaden angerichtet hatten, bis sie in einem blutigen Gefecht aufgerieben wurden. Bei der Ferme Terre noire befand sich ein Grabhügel mit einem verwit terten Kreuz, unter dem die Opfer die ses blutigen Kampfes ruhten Außer den Förftern und Waldm-" heitern tam selten jemand in diese öde und verrufene Gegend. Um so mehr mußte es anffallen, daß an dem stür rnischen, regnerischen Tage, an dem ein Wetter herrschte, bei dem man. wie man zu sagen pflegt. teinen Hund vor die Thiir jagt, drei Männer aus dein schmalen, durch der- Sumpf sich wins denden Fußpfade sich der Ferrne nä herten und in dem halb verfallenen; Wvbnhause verschwanden. ; Die Männer waren in die landes- ; üblichen Lodenrnäntel gehüllt, die nurj aus einem runden Stück Laden bestan- I den, mit einer Kapuze, welche über den Kopf gezogen wurde. Aus diese Weise wurde nicht nur die Gestalt, sondern auch das Gesicht des Trägers eines solchen Mantels verhüllt, so daß er; nur in nächster Nähe zu ertennen«tvar. « Ehe die Männer in das einsames Geböft eintraten, sahen sie sich vor-«l sichtig um. Aber öde und verlassens leg die Gegend da. Ueber dent Ge birge, dessen höchsten Puntt die Rut nen der mittelatterlichen »Dachsburg« tränken, auollten in phantastiichen Formen die grauschwarzen Regenwet ten empor, wurden von dem stürmt ichen Westwind gefaßt und über den Himmelevlan gejagt, wie eine Heerde teilt-er Rasse von der Geißel ihrer Hirten. Weiße Nebel stiegen aus den Schluchten und Thälern empor, reich ten sich mit den jagend en Walten de 1 Hände und überschütteten Wald und Feld mit talten Regenschauern Alles tropste vor Nässe. eder Baum, jeder Strauch, jedes latt, jeder Grashalm. Jn der Küche des verfallenen Haus seg, auf deren rusz eschwärztem Herde ein schwaches Holzfeuer glimrnte, saß ein Mann in feinen Mantel eäiillh die turze Pfeife zwischen den Fä nen, in der Hand einen derben Knotenstock, und stierte mit finsteren Augen in vie tchtvach brennende Glutb des Feuers. Die rauhe Kleidung, welche derl Mann trug, vermochte jedoch nicht biet Eetenntniß zu verwischen, daß man es mit einein Angehörigen der egbtls deten Stände zu thun atte. Sein blasses vornehme-J Geicht, dessen Wangen und Kinn von einein kurz gehaltenen Spigbart umgeben war, zeigte jenen durchgeistigten Ausdruck der nur Leuten mit wissenschaftlichen Bildung eigen ist. Seine Hände wa ren schmal und sein, seine Füße steck ten in derben, aber elegant gearbeite ten Schnürschuhen. Das Haar an seinen Schläsen wars ergraut, ebenso der Bart, während die s starken Augenbrauen noch eine dunklel Färbung zeigten. Zwischen ihnen rub sich eine tiese Falte ein, wodurch ! fein Gesicht einen insteren Ausdruck! erhielt, der noch durch den scharfen! Zug um Nase und Mund erhöht wurde. . « ; Zu seinen iißen lag ein arlerH brauner Jagd und, der jeyt au merk-; sam den Kopf erhob und ein leises; Knarren ausstieß. ( »Still!« besahl der Mann« der sich der sran ösischen Sprache bediente. Mennst u unsere Freunde nichts« ; Jn tiiesern Augenblicke ließen sichs draußen schwere, tnirschende Schrittetl hören und died rei Männer welchej vorhin den Bruch dutchqueri hatten,; traten ein« ( Der Gegensatz5 zwischen ihnen unds dein Mann an k euer trat sofort her-? vor-z Während dieser den gebildetenl Stein-den angehörte. waren jene An ehörige der arbeitenden Kla en:l aldarbeiter oder Köhler. hrel derben Gestalten, ihre rauhen, sasil i rpil n Gesichten ihre schwieli n Hin und ihre einsache. abgetraagre i teidut1g, die oftmals geflickt war, zeigten es znr Genüge an. »Komm Jhr endlich?« fragte der Herr am Feuer mürrisch. »Ich «er-. warte Euch seit einer Stank-U .Der Weg i weit und schlecht bei dem Wetter, onsieur«... Der Sprecher, ein alter genaht-ari ger Waldarbeiter, wollte scheinbar einen Namen nennen. Doch auf ei nen awrnenden, finsteren Blick des Herrn schwie er, wie erschreckt, still. »Na, einer ei«, ent egnete der herr, »Ihr seid fest da. as hast Du mit niitzutheilem Gaögard?« »Nicht viel und doch sehr Wichti aes, Herr,« antwortete der alte Wald- E arbeitet. »Ich war neulich mit eine-r Fuhte Holzlohlen in Zabern auf» dem Marlte, der finde Simon auf-: Mauersmiinster lau te sie mir ab undi erzählte mir dabei, daß die Polizei; einer Verfchwörung auf der Spur! sei, welche den Zweck habe, deutsche Deferteure über die Grenze zu brin cen.'« ! Woher wußte- das der Jude?« »Er wollte rnir nicht sagen, Mon sieur Jch wollte auch nicht weiter fragen, um teinen Verdacht zu erwe elen, nahm mir aber vor, es Monsieur zu erzählen« »Du hast recht daran ethan. — Habt Jbr den letzten Bur chen glück lich iiber die Grenze gebrachte« »Ja, Herr, hier Jean und Philipp Ehaben ihn nach Brunville bugfirt. ’«tDa ist er dem Komite iiberqeben wor en »Gut fo» . biet ist Euer Lohn» « Er zählte bei diesen Worten fiinf Ztoanziafranlenstiicle auf den Rand des Herdes, welche die beiden Arbei ter chmunzelnd einsteckten. » br könnt ietzt gehen«, fagte der Herr. »Mit Gasgard habe ich noch zu fprechen.« »Nun, Gasgard, setzt Euch«, fiiqte er hinzu. Ja, Herr« entgegnete der alte« Könler und setzte sich auf die Bank neben dem Herd e Der Herr zündete fich seine Pfeife von neuem-an und reichte den leder nen Tabatsbeutel dem Alten, der mit einem ,,Merci Monsieur« seine Pfeife ebenfalls stopfte und in Brand setzte. sFortseyung solgt.) Aus Großvaters Dem-. Das Haus der Großeltern in Köln stand nur wenige Schritte vom alten großen Dom entfernt, der zu jener Zeit, von welcher ich erzählen will, noch nicht feine herrliche Gestalt in Vollendung zeigte. Nur der Chor wuchs in feinen reinen, schönen Linien aus dem Meer kleiner und größerer häuschen und Häuser beraus, und wunderlich ragte damals der Dom lran, als Wahrzeichen der Stadt, in die blaue Luft. Für uns Kinder, die wir in Berlin aufwuchsen, tam ein Besuch bei den Großeltern im alten Hause am Jiilichsplatz lioohlriechenden Angedenkens) einer Reise ins Mär chenland gleich. Und wir staunten jemals von neuem, wenn wir die prächtige Stadt mit ibren mächtigen Türmen und zierlichen Türmchen über dem breiten Strom auftauchen sahen, zu dessen majeftötischem Rau schen der Glockenhall so gut passen will. der uns feierlich grüßte. Mit unserem schwismerisch gelieb ten jugendlichenOnlel Franz kletterten wir, gefolgt von »Spitz" und feinem Sohn »Kind«, den beiden Haut-hun den, in« Keller- und Bodenräumen des Großvaterbaufes umher, nnd es gru selte uns gehörig, denn es gab auch köstliche Spukgeschichten im alten Haufe, und ritten auf dem gefchninten Treppengeliinder, oder gingen mit «Tant Settchen«, Mutters jüngster Schwester, in die schöne Vorwis stube, wo bunte Kachelverzierungen aus duntler Eichenbolzoerkleidung blickten, und wu ein ganz eigenartiger ,—. Bust herrschte, ver Den tmtveren, gro- " sten, metallverzierten Leinenschränlen entströmte und sich mit dein seinen Apfelgeruch mischte, der ans der an stoßenden Obsttamtner herüberdrang Am schönsten tvar es aber in den Zimmern der Großmutter, die damals schon lange verwitwet war, aber stets gern von des Großvaters Lebzeiten er zählte. Jn der »Putzstube« wurden die grauen Leinenbezitge nur selten von den hellroten Damastpolstern genom men, und auf dem Mahagonischränt chen stand unter schießenden Glasglots ten ein Alttneißener Schäferpaar und eine prächtig vergoldete Stutzubr. An den Wänden aber, die nicht mit Ta pete, sondern mit «richtiger Seide« be kleidet waren. hingen Oelbilder derFa milientnitglieder in ernster Wär-de und steifer Anmut. Großvater in präch tiger Bürgerwehruniform, seine Schwester, die Großtante Bart-them deren Bräutigam als Missionar von einem vergifteten asritanischen Pfeil getötet worden, in Nonnentracht, vor allem aber der Urgroßvater in stan zöstscher Oberstenuniforrn, von dem es hieß, daß er der schönste Mann in der ganzen Stadt gewesen sei. So hatte r es denn auch gewagt, trotzdem er nichts besaß als seinen Degen und sein blantes Wappenschild, um«-das einzige Kind ittst dieses Kölner Ge schlechterhauseö zu werben, wo er mit eint en Generalen des kleinen großen Katfers einquartiert war. Aber der Vater seiner Erwählten wollte von der Betrat nichts wissen. Denn es war sene böse Zeit, in welcher nichts feststand, weder Thron noch Altare, noch des einzelnen schwer erworbener Beng, und vte Sonne. dte am ersten Morgen jenes ernsten Jahres blutrot ausging, war vte von Jena und Uner ssiavn um so fester schroß sich vie an )eingefessene Bürgerschaft der großen sfreien Städte aneinander und wehrte Edern Eindringen fremder Elemente. fund so beyqekte dee Ahnhekk bei ser »nem «Nein«, und als das Töchterletn igar nicht abließ mit Bitten und Strei cheln und nach ihrer Mutter Ansicht säar blaß und fchrnal wurde und der ’ rgroßvater im ftiirrnifchen Werden nicht no ließ, wies der alte, eisen töpfige aufherr auf das steinerne Wappen über der Tür feines hau feö, durch die fchon vier Generationen geschritten. Er gab feinen Segen un ter der Bedingung, daß der Urgroß vater, der als Bayer in französischen Diensten stand, die fremde Uniform auszöge, Degen und Adelsbtief sorg farn dazu packe und in den Rheinftroni perfeniywo er am Tiefsten fei, unt eorean die Wage des oeoiner erqui manns in die Dand zu nehmen. Da ist der Urgroßvater zuerst in schwei gendem Zorn von dannen geritten, am Rhein entlang aus Koblenz zu. Aber je weiter er ritt, desto langsamer gan die Reise· Denn neben der Sehn sucht, die ihn nach den Mauern der alten »heiligen Stadt« zuruckzog, sprach noch etwas anderes laut in see nem Herzen: die mit aller Macht wie der ausgewachte Liebe zum deutschen Vaterlande, zu deutschem Wort, deut schem Sinn und Wesen. Und nn schlanlen Trab ritt er wieder nach Köln zurück. Die Familienchronil meldet, daß der stattliche Soldat den Abschied erbeten, das sanfte Ehojoch ergeben aus den stolzen Nacken genom men und daß sich alles zum Besten gesiigt habe. Neben dem Bilde der Gro eltern, aber, das den Großvater im p unten den Bürgerwehr-'und Wassenschmuck zeigte, hing ein anderes, das uns vor allem gestel, und das deutlich Kunde gab vom Wechsel der Zeiten und Dinge. Es war eine seine Kreide zeichnung in schmalem goldenem Rahmen und stellte einen prächtigen Mönnerlops dar. Und darunter stand in entschiedenen Schriftziigem »Und gleich den Sternen lenlet Gott deinen Weg durch Nacht! Gottfried Makel-« Dieses Bild aber hing zusammen mit einem interessanten Ereignis-, das sich im alten Hause folgendermaßen zuge tragen hatte: Als unser oben er wähnter Onlel Franz noch ein klei ner Knabe war, hatte er seinen Va ter aus Schritt und Tritt begleitet und es aufs schmerzlichste empfunden, als ihm das plötzlich nicht mehr ar statiet wurde. Denn es lamen häufig in der Abendstunde fremde Herren zum Großvater, die dann in seinem Arbeitszimmer bei einein Glas Wein uni« einem meisz lange in ernstem Gespräch verweilten. Die Großmutter setzte sich an solchen Abenden mit den Kindern in die abgelegene Wohnstube, nahm sie zu sich aus den Fenstertritt und hieß sie mit nachdenklichem Gesicht und sorgenvollen Augen stille sein und zu niemand von den Gästen spre chen. Das Gebot wollte Onlel Franz, der Jüngste, gern besolgen, nur selber etwas mehr zu wissen hätte er ge wünscht. So schlich er denn Nachts wieder aus seinem Kämmerchen und bemiihte sich, etwas zu erlauschen; denn der Besuch dauerte ost bis zu später Stunde. Endlich wurde sein Mühen getrotzt Da war spat Abends ein fremder, großer Mann, von einem der altbe tannten Gäste geleitet, erschienen, den der Großvater gleich in das Fremden zimmer geführt und ihn dabei aebeten hatte, zu ruhen, damit er für die Nacht ein wenia aestiirkt sei. An jenem Abend aab es viel Heimlichleiten im Hause, nnd die allezeit tapfere und lustige Großmutter weinte und schlang ihrem hochgewachsenen Gat ten die Arme um den Hals und schluchzter »Du darfst es nicht tun, Franz, ich stürbe, wenn dir etwas ge schähe! Denke an mich und die Kin der und tue es nit.« Und der Groß vater hatte ihr beide Hände auf die Schultern gelegt, ihr fest in die Augen aekehen und gesaat: »Ich leg’ es in deine Hand, Nettchen. Willst du wirtlich, daß ich hier bleibe?'« Da hatte die Gefragte den blonden Kopf fest an die Brust ihres Gatten gedrückt und noch ein paar Minuten leise ge schluchzt, bis sie endlich toum hörbar gefliistert hatte: »Gott möge euch gelei ten!« tlnd dann hatte sie lange aus den Knien gelegen, das Antlitz in die ge falteten hände gedrückt, um dann wie der rubig und gefaßt an ihr Tagewerk zu gehen. Und als es Nacht wurde und tiefes Dunkel die Gassen einhüll te, hatte der Großvater mit dem Fremden, der von ähnlicher Statut war wie er selbst und dein er seinen eignen Mantel und Hut gegeben, das Haus verlassen und war bei einer An verwandten in Diisseldorf geblieben, wie die Großmutter den Kindern auf ihre beständigen Fragen zur Antwort gab, bis er eines Tages ernsten, fast seterlichen Gesichts heimkehrte und zur Großmutter sagte: »Nun ist er, so Gott will, in Londont« An jenem Tage —- es war tm Ro vember 1850 —- brachten die ituns gen die Nachricht, daß Gottfrie Kin lel durch Karl Schutz aus der haft in Syandau befreit und mit ihm auf der Flucht begriffen sei. Ein Jahr später erhielt der Großvater zum Andenken die ichnung, welche fortan das Staa szimmer schmückte. Zeit danke. oimmer- rnehr wird Deuts land das andderDtchter und Denkt-litten « » e