Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 01, 1906, Sweiter Theil., Image 13

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    Das kürzeste Ehegllich
Novelle von O. v. Briesen.
Aus einer reizend gelegenen Besitz
nng in der Umgebung der Kapstadt
lebte schon seit einer Reihe von Jahren
der reiche holländische Former von
Rissen, der, stithittwer geworden,
nur eine einzige Tochter, Herrnine,
besaß, an der er mii allen afern
seines Herzens hing. Durch chön
Zeit und Anmuth, k leiß und Tüchtig
eit gleich aus zei nei, verdiente das
b«londgelockie, oeten aus dem Back
sischalter isretende junge Mädchen die
Liebe und Ziernei un ihres Papas im
vollsten Ma . äu gen wenigen Per
sonen, welche· im Hause verkehrten,
Ahötte vor Allem ein Deutscher,
Mitte der dreißiger Jahre, der sich
vor etwa zehn Jahren ein kleines
Giiichen in der Nähe inaufi hatte,
das ihm bei trefflicher Bewirthschafs
tung so viel brachte, daß er alsJung
geselle reichlich davon zu leben ver
mochte. Max Böhlau, ein großer,
breiischultriger Mann mit einem lan
gen, blonden Barte, dessen treuherzig
dlickende Augen so ungemein siir ihn
einnehmen, war ins Land gekommen,
als Hermine noch ein kleines Kind
war, das Jedermann aern aus den
Schaoß nahm und es liebioste. Auch
Böhlan hatte si , als er das erste
Mal zu van Ni en lam, viel mitder
kleinen mutierlo en Waise beschäftigt,
was ihm diese durch einen seltenen
Grad von Anhänglichkeit lohnte.
Während sie auch andern Besuchern
gegenüber freundlich und zutraulich
war, so ließ sich dies doch nicht mit
der Wonne vergleichen, welche auf dem
liebsichentGesichtchent erglänzie, sobald
Onlel Böhlau erschien.
Ein ähnliches Freundschaftsvers
hältniß wie zwischen Böblau und der
lleinen Hermine bestand auch bald
bei den beiden Männern, wenn schon
Rissen gewiß fünfzehn Jahre mehr
zählen mochte als der Deutsche. War
Bdhlau dem Holländer schon als
Mensch äußerst sympathisch so ward
seine Ofchachtung siir ihn mit der Zelt
noch kesteigert, nachdem er die Wahr
nedmung gemacht, das; jener offenbar
ein hervorragend gewiegter Land
wirth war, denn die nur unbedeu
tende Form lieferte ihm Einkünfte,
die das Staunen aller Nachbarn er
regten.
So vergingen die Jahre und Her
rnine entwickelte sich allmählich zur
Zungfram deren Liebreiz die Bewun
rung jedes Beschauers hervorrief.
Daß auch Böhlau sich einer solchen
Anmuth nicht verschließen tonnte,
trar zu natürlich, und eines schönen
Tage-i mußte er sich zu Hause allen
Ernstes die Fra e vorlegen, aber noch
Besitzer seines erzens ei. Da wollte
es ihm fast erscheinen, als wäre in
leyter Zeit eine merkliche Wandlung
feines inneren Menschen vor sich ge
angen, er fühlte, da ein ganzeigener
ia net im Nissen’ chen Hause vor
han n sein müsse, der ihn mit un
widerstehlicher Gewalt so biiufig dort
hin treibe und ihn so gern daselbst
weilen lasse. Daß dieser Magnet
nicht der alte Rissen, dem er ja in
echter rechter Freundschaft zugethan
war, machte sich der Grubelndc sehr
tlar, zumal seine Betrachtungen un
ausgesetzt von einem blonden Locken
lopf getreuzt wurden, dessen freund
liche blaue Aeuglein ibn so liebevoll
und innig anschauten. Und zu feiner
unaussprechlichen Freude entdeckte er
nach einiger Zeit, daß Hernrine in ihm
nicht nur den ,,Onlel« sah, sondern
seine Neigung von Herzen erwiderte.
Der alte Nissen machte ein sehr er
stauntes Gesicht, als ihm eines schönen
Tages das Paar entaegentrat und ihn
um seinen Segen bat. Aber er war
von Herzen einverstanden —--— allerdings
mit einer Einschränkung »Meinen
Segen habt Ihr, Kinderchen,« rief er
aus, »obgleich ich auf Dich, mein
Herzbliittchen-——sdabei niresterte er Her
mineö Zii e mit einem streng sein sol
lenden B ict —- eigentlich ernstlich böse
sein sollte, weil Du. und dies wohl
möglichst bald, zu descrtireu gedentst.
Daraus wird aber vor Ablauf von
114 ahren nichts und die Verlobung
soll « iner Jugend haben Herinine,
auch erst heute über zwölf Monate
öffentlich bekannt gegeben werden.
Dies soll uns aber nicht abhalten,
heute schon ganz unter uns eine tleine
Vorfeier stattfinden zu lassen.«
Somit waren die Beiden. wenn
vor der Hand auch heimlich, verlobt.
Die von Rissen bestimmte Frist war
fast verstrichen, als sich tu der Nach
barschaft ein reicher Italiener, ein
Mann noch in den Zwanzigerm eine
sehr umfangreiche Besihung kaufte.
Not-eini, dies war der Name des
noch unverheieatheten Siidlijiidetg,
verfehlte nicht, bald nach feiner An
kunft überall Visiten zu machen, da et,
als echter Lebemann recht zahlreichen
Umgang suchte. Auf feiner Runde
kam et denn auch zu Nissen, wo er,
wie in den übrigen Familien, freund
lich aufgenommen wurde. Wunder ;
durfte es nicht nehmen, daß die blen :
dende Schönheit Hektninens den leiclxt j
entzündbaren Noteini völlig betiicttep
Die Folge davon war, daß ee seine’
Besuche auifallend oft wiederholte und
durchaus eine Annäberuna meint
Man empfing ihn zwar stets höflich,
ließ aber durchblickem daß man einen
vertrauteten Umgana teinestveas wün
sche. Wenn ver Jlalienet dies auch
merken mochte, so ignoriete er es doch,
indem et der Ansicht war, daß fein
Mammon ihm schließlich die Arme
und auch die»heezen Heemineg und
ihres- Papas offnen würde. Nur e·n
agemeint-» stand ihm bei seinen Zu
kunfteplanen vssenbat im Wege, und
dieö war kein Anderer als Böhlau,
den er häufig im Nissen’schen hause
traf. Von vorn herein betrachtete er
diesen Freund der Familie mit tiefer
Abneigung.
Norrini beschloß, von Leidenschaft
getrieben, die Sache zur Entscheidung
zu bringen. An einem Sonntag
Morgen erschien er zu Pferde vor der
Thiir des Nifsen’schen Hauses, sprang
aus dein Sattel und verlangte den
Hausherrn in einer dringenden Ange
legenheit zu spreechn. Artig ftellte
sich ihm dieser zur Verfügung »Herr
van Nissen,« begann er diesen ohne
Weiteres zu interpelliren, »ich bin
heute gekommen. um mir von Jhnen
die Hand Jhrer Tochter zu erbitten,
der ich vermöge meiner Mittel eine
wonnereiche, brillante Zukunft zu be
reiten vermag.«
Nissen, der anfangs sprachlos da
gestanden, hielt es nunmehr an der
Zeit, den Werber zu unterbrechen.
»Mein Herr,« sprach er, zu diesem
gewendet, »fat1ren Sie nicht fort, denn
jedes Jhrer Worte ist nunlog gespro
chen, da Hermine bereits heute die
Braut Böhlaus wird, den Sie hier im
Hause ja Gelegenheit hatten, tennen
zu lernen.«
»Was,'« brauste ’ltorriui, der sich
nicht recht bemeistern konnte, auf,
,,diefem blonden Hungerleider wollen
Sie die Tochter geben...«
Weiter tatn er nicht, denn mit
einm kräftigen Griff sah er sich am
Kragen gepackt und befandsfich ehe
er es sich versah, vor der Thus-. Wit
thend und fluchend rannte er nach dem
Stall, um sein Pferd zu holen, und in
wenigen Minuten raste er vom Hofe
»Mir eine solche Schmach anzu
thun,« schrie er in brüllendem Tone
vor sich hin, »das soll blutig gerächt
werden, o, möchte mir doch ietzt der
erbärmliche Deutsche begegnen, der
mich um mein ganzes Lebensqliick be
tragen; ich würde ihn niedertnallen,
wie einen tollen Hund«
aum waren diese Worte hervor
aesoszen, so bemerkte er Böblau in der
Ferne, der ihm entaeaentarn. Sosort
faßte er nach derSatteltasche, um den
Revolver zu ergreifen ——er war nicht
da, wahrscheinlich beim Satteln ver
loren gegangen. »Na, warte Bursche,
polterte er siir sich weiter-, ,,da werde
ich Dir anderweitig beizulonmxen
suchen, ich denke, mein Vollblutganl
wird wohl im Stande fein, Dich mit
sammt Deiner elenden Rosinante ist-ei
den Hausen zu rennen, so das-, minde
stens die Verlobunasgarderobe demn
girt werden dürfte.«
Jn voller Karriere preschte er daher
auf den Ahnungslosen zu. der jedoch,
ein äusserst gewandter Reiter. dem
Ljnprall seid-tat aus-U und sich nun
seinerseits lzur Versosgnnxi des sreelsen
Patrons aufmachte, der zhm so iibel
hatte mitspielen wollen. War sein Rai-.
auch nicht non edler Heetnitsh wie das
des Italieners, so ·«f«euz:e er- sih doch
einer unijesnein schnellen Stuttgart nnd
es nsiibrte nicht siins Minuten, so war
der Aue-reißen der Alles anwandte,
um Zu entlommen, eingeholt, mit
wahrer Riesentrast Ins dem Sattel
aehoben und zurtirde geschleudert,
wo er, halb betäntt vom Falke, ie
aen blieb. Als er sitt, nack. einen:
Weilchen erholt hatte. eees ihm Miit
lau in sehr ernstem Takte ists »Sie
erbiirnelicher Mensch sehst-. das-, Sie
völlig in meiner wenigst sind; i«!«,
könnte Jhnen ietzt mi: dieser Reis
veitsche eine Lettion erweitern an die
Sie einige Zeit deutet-. wsjjrfein stete
jedoch davon ab, weit Sie sonst
schwerlich nach Hause in triemen vir
möchten So viel lassen Sie ticb aber
gesagt sein« h:«ten Zie sech, meineWesie
fernerhin In freuten, Si-: diirsien als
dann nicht so Mindle snrttommen.
wie es deute der Fall·«
Damit wandte er sein Nos, nnd.
oime den Menschen ists-h einezi Blickes
zu würdigen, jaate er ron dannen.
Dte Verlobungsaäste traten bereits
versammelt, ali- Vchtau bei Nissens
eintras, nnd beim frohen Mahle
innszte er iiber das Rencontre berick
ten. tret-fes er mit dem allgemein
nicht beliebten Norrini gehabt. Man
ltigliigwiinschte den Bräutigam, das-,
er dein Störeniried einen Dentzettel
verabsolgt; bald dachte überhaupt
Niemand mehr an das häßliche Jn
termezzo
Das schöne Fest war in der glück
lichsten Weise verlaufen. Beim Aus
bruch hatte Rissen den Gästen betannt
aemacht, dasi die Hochzeit in vier,
Wochen stattfinden werde, zu der sie
hiermit srenndlichst eingeladen seien.
Golden war die Sonne am Morgen
ausgegangen, als Hermine sich siir die
seierlsche Trauhandlung in der nahe
gele-1enen Dorstirche vorbereitete. Zur
sestgeseyten Zit fuhr das Brautpaar,«
dem der Vater folgte, zum Gottes
hause, vor welchem die gelasenenGäfte
und auch sonst viele Neitgiekige bereits
harrten. Oeemine im Kranz und
Schleier sal) entzückend schön ans und
erregte die Bewunderung aller Anwe
senden, als sie, leicht wie eine Gezelte.
an der Seite deet Ausertoeenem auf
dessen Antliy die höchste Glückseligkeit
etfteahlte, der Kirchenpfotte zuschriti.
Wahrhaft ekgteiiend war die Einseit
nnng, trclccek der Pfarrer, ein Freund
des Nissen’schen Hauses-, vornahm,
und in der er des Himmels Segen
für die Neicveemöhlten erflehte. Nach
dem der feierliche Akt beendet. iclkidte
Hinan sich, voran das junge Ehepaar,
qum Veelafien der Kirche an.
Soeben trat Böhlau mit seiner
jungen Frau hinaus nvg dem Feie
fckenvoetal« um« die bereititehende
j Equivane en kecteiaem als- drüben auf
,der Straße ein Reiter Voeiibeeiagte,
Jeinen Augenblick sein Roß pariete
. und, einen Revolver schnell gegen das
Ehepaar richtend, losdrtickte Der
Schuß trachte —- mit dem Aufschrei:
»Ach, mein Max, wie turz ist doch
unser Glückl« sank die zu Tode ge
troffene Hermine in die Arme Böh
aus.
Von dem grenzenlosen Schmerz des
jungen Ehemannes tann man sich
unmöglich eine Vorstellung machen.
Er übersiihrte seine sv innig geliebte
Oermine in Gemeinschaft mit dem
aufs Tiefste gebeugten und völlig
gebrv enen Vater in das neue im.
Dort and in einem stillen, laus igen
Winkel des herrlich gepflegten Gar
tens die Veerdi ung der so jäh aus
dem Leben Geri enen statt· Vöhlaus
ganzes Glück, von dem er so viel ge
träumt, ruhte unter ten wenigen
Schollen Erde, die hinfort seintägli
ches Wanderziel bildeten, um sich
stundenlang an dem mit Blumen be
deckten Grabhügel mit der leider achs
so früh Geschiedenen zu unterhaltens
Sein fast steter Begleiter an dies ein- !
same Plätzchen war sein Schwieger
vater, und als nach einer Reihe von
Jahren Rissen starb, bestattete ihn!
Böhlan an der rechten Seite Hern1i-I
nens, während er den Platz links von
ihr zu seiner letzten Ruhestiitte be
stimmte.
Um schließlich noch des Mörder-Z
zu gedenken, der so viel Elend unds
Trübsal angexstkifteh so war es kein
anderer, als orrini, der es fertig?
brachte, mit kaltem Blute ein soJ
schau-riges Verbrechen zu begehen. Die
Strafe dafür sollte aber auch auf dem
Fuße folgen. An jenem verhängniß
vollen Tage hatte sich sofort ein hal
bes Dutzend Former zur Verfolgung
des Hallunien ausgemacht. Jn der
Todesangst achtcte der Mörder nicht
genau auf den Weg, so daß sein
Pferd plötzlich eine steile Böschung mit
ihm hinabstürzte. Alsv das Thier sich
aufraffte, blieb Norrini mit einem
Fuß im Bügel hängen und ward bei
der weiteren Flucht iiber Stock und
Stein mitgeschleifL So kam das ge
ängstigte Pferd schließlich an das
Ufer eines infylge Hochwassers sehr
reißend gewordenen Stroms-; es
setzte hinein und —— Roß und Reiter
sah man niemals wieder.
,--—
Erinnerung-en an eine alte
Heerstraße.
Von Thies, Hannover.
Vor dem Zeitalter der Eisenbah
nen war die alte Land- und Heer
straße, die von Hamburg bezw. Lübeck
til-er Lüneburg, Uclzen, Gifhorn,
Braunschrdeig bis nach Wien führte,
die belebteste und bedeutendste ganz
Deutschlands-; sie vermittelte vorzugs
weilse den iiberseeischen Verkehr der
vol reichsten und in der Kultur am
meisten vorgeschrittenen Binnenländer
des alten Deutschen Reiches. Die An
fänge dieser alten Verkehrgstraße las
sen sich big in das srüheste Mittel
alter verfolgen. Sie war gleichmäßig
bedeutend als Handels- und Heer
strasze. Jn Friedenszeiten war diese
Straße ein großer Segen siir die
Länder, die an ihr oder in ihrer
Nähe lagen. Sie ermöglichte einem
Theil der Bewohner, Handel und Ge
schäfte zu treiben, ein anderer Theil
der Bevölkerung, Wirthe und Hand
n«-rrter, erzielten großen Gewinn aus
dem sehr bedeutenden Frachtvertehr
zu Firieggzeiten aber wurde diese
Heerstrasze der Bevölkerung zum Ver
derben, Freund und Feind brand
fchatzten die Länder an der Heergraßr.
Das Wort: »der Krieg mu den
Krieg ernähren«, bestand gleichmäßig
für alle Heere. Geschichtlich nach
tveisbar benutzt zuerst Kaiser Fried
rich Barbarossa aus seinem Ra ezuge
gegen Heinrich den Löwen diese
straßr. Auf seiner Burg Artlenbucg
bei Lüneburg suchte der Herzog dein
Zorn des Kaisers zu widerstehen, aber
vergeblich; nach turzem Widerstande
wurde die Burg erobert und nieder-s
gebrannt, der Her og mußte flüchten.
Bei der großen siebe, Treue und
Anhän lichleit der Stammlande an
ihren gerzog werden die Bewohner
der Lüneburger Heide diesen glänzen: -
den Heereszug der ihrem geliebten;
Herzog Verderben bringen sollte, mit.
sehr bon en Empfindungen haben!
vorüberzie n sehen. Jnr dreißigjäh-.
rigen Krie e wurden die Länder an i
dieser Heerftraße vor allen anderen ge- l
braudschatzh entsetzlich haben sie lei-!
den müssen. Noch schlimmer als die
Kaiserlichen verwiistete der Dänen
tönig Christian die Lüneburger
Lande. Auf seinem Rückzuge nach der »
verlorenen Schlacht bei Lutter ami
Bärenberge lennzeichneten Mord au
ler weht osen Bevölkerung und Eins L
üfcherun der Dörfer den Weg, den
das beie,te Heer des Königs einge
schlagen satte. Jn äolchen ernsten
Zeiten half die gro e Frönimigieit
ten Bewohnern der Lüncburger Heide
ihr Schicksal leichter tragen, ernst nno
gottergeben fügten sie sich in den Wil
len der göttlichen Vorsehung, die
ihnen nicht mehr auferlegen würde,
cxls fie zu tragen vermöchten. Jcbcr
bestellte frühzeitig feinHaus. Auf diese
crnftr Stimmung ift es wohl zurück
zuführen, daß es oft vorkam, daß je
mand« fchon zu Lebzeiten sich feinen
Sarg anfertigen ließ, der rann in der
Regel auf dem Kirchenboden aufbe
wahrt wurde. So erzählt man von
einer alten Frau, die iåren schon zu
Leb eiten angefertigten · arg von Zeit
zu eit hernnterfchaffen ließ, um sitt-.
l-ineinzulegen, um die Feier ihrer Be
erdigung schon vorher zu genießen
Ftnechte und Mii de umftanden ihren
Sarg, und da i re Herrin eine sehr
mitequ war, wurden vieteThriinen
der Rührung vergoffen. Nur einmal
lonnte eine junge naseweise Magd, die
eben in Dienst getreten war, das La
chen nicht verbeißen, zornig richtete
sich die alte Frau in ihrem Sorge
auf und haute ihr mit den Worten
eine Ohrfeige herunter, die sich gewa
schen hatte: »Jck will Dick das Lachen
awgewöhnen, Du freche Deern!«
Zog dann wieder der Friede ins
Land, so verwandelte sich die Heer
strafze schnell wieder in eine Land
nnd Vertehrsstra«e. Schwer beladen-:
Frachtwagen beflizirderten überseeische
aaren nach dem Fruchtbaren Braun
schweig dcm Kur iirstenthnm Sach
en. nach Böhmen und Oesterreich.
Wie außerordentlich start der Verkehr
schon in alter Zeit gewesen fein muß,
dafür sind noch heute stumme Zeugen
vorhanden. Unweit der heutigen
Kunststrafze findet man noch öfter
Spuren der alten Landstraße, oft un
glaublich breit, bis u 1 Kilometer;
wenn die schweren Frachtwagen die
Heidnarke durchschnitten hatten,
wurde nebenan ein neuer Weg einge
fahren und der alte erst dann wieder
benuht, wenn er wieder mit einer
neuen festen Narbe bedeckt war. Die
ungewöhnliche Breite der Landstraße
weist aber einen außerordentlich star
ten Verlehr nach. Die alten Fuhr
leute, waren derbe, aber lustige und
fröhliche Menschen, in ihren blauen
Vlnsen waren sie allerorrg gern ge
schene Gäste; ihr lustiges Peitschens
getnall war weit in der einsamen
Heide zu hören. Viele von ihnen
fuhren von Hamburg bis nach Wien,
sie waren vorzugsweise die Uebers
bringet und Verbreiter wichtiger Be
gebenheiten und Neuigkeiten; wohl
noch viel sehnsüchtiger, als ein mo
oerner Mensch das Erscheinen der
Zeitung erwartet, werden die Bewoh
ner der Ortschaften das Eintreffen
dieser weitåereisten Gäste ersehnt ha
ben An onntagen betheiligten sich
die jungen Fuhrleute an den Vergnü
gungen der Dorfjugend Es ist er
staunlich, wie zahlreich die Verschiede
nen Arten von Ball- und Schlagspie
len in den Dörsern an der alten
Landstraße sind; dies kann nur da
durch erklärt werden, daß die Fuhr
leute die ihnen aus ihren Fahrten be
kannt gewordenen Spiele in allen
Dörsetn, die sie berührten, heimisch
machten. Nitgends habe ich eine so
reiche Auswahl von Spielen gesunden,
als in meinem Heimathsdorse Spr.
Manche dieser schönen Spiele scheinen
Gefahr zu laufen, in Vergessenheit zu
gerathen. Lehrern, Jugendbildnern
und Volksfreundem die es sich zur Le
bensaufgabe gemacht haben, durch
Pflege von Spiel und Sport unsere
Jugend körperlich und geistig gesund
zu erhalten, kann nur dringend ans
Herz gelegt werden, diesen einsam in
derHeide verborgenen Schatz nationa
lerSpiele zu heben und der Allgemein
heit zugänglich zu machen. Die Aus
fponnwirthfchaften an dieser Land
straße, besonders in der Heide, wo die
Dörfer so wenig zahlreich, waren
reine Goldgruben; es war nichts-»Un
aelvöhnliches, daß in einem solchen
Gasthofe 200 Fuhrleute übernachteten
An Sonn--v und Festtagen strömten
dann die Bewohner aus nahe und ent
fernt liegenden Dorfern herbei, um
sich das lebhafte und frohe Getriebe
im Orte an der Landstraße anzusehen,
wie die Bewohner kleinerer Stadte
heute zum Bahnhose gehen, um dasv
Leben und Treiben dort zu beobach
ten. Das letzte große Schluspiel hat
die Landstraße 1849 gesehen, zueiner
Heit, als sie durch die Eisenbahn be
reits im Niedergang begriffen war.
Die österreichische»«zlrmee benutzte auf
ihrem Marsche nach Schlemmer Hol
ftein den Landweg; einige Wochen
Iauerie dieser Durchmarsch Eines
Tages siel den Ortsbewohner-n auf,
daß bei einer Arbeitsabtheiung ein
gemeiner Soldat beim Wagenschmie
ren die feinsten blitzsaubersten Hand-—
schuhe tru , und sobald sie beschmutzt
waren, sofort ein Paar neue anzog,
um die alten dann wegzuwersen. Es
war ein Graf Esterhazy, der wegen
iertdauernder schlechter Streiche de:
gradirt und einer Arbeitsabtheilung
eingereiht war. Dieser Graf blieo
allen in bester Erinnerung, denn je
den kleinen Dienst, jede ileine Gefal
ligteit be ahlte er mit einer Doppel
pistolr. Die österreichis chen Osfiziere
waren durchweg sehr liebenswürdige
Leute; ftrenY Manneszucht herrschte
im Heere. ei meinen jung verhei
ratheten Eltern war eine große Zahl
von österreichischen Offizieren ein
auartiert. Nach einem vorzüglichen
Diner waren die Herren einmal in
bester Stimmung, ein General bat
meine Mutter, einen Wunsch zu
äußern, der schon im Voraus ihr ge
wahrt ware. Zunachst lehnte meine
Mutter ab. Als sie gleich daraus die
Milchkammer betreten wollte, ver
wehrte ilzre ein Posten vor Gewehr,
der vor rThiir ausgestellt war, den
Zutritt zu derselben Aus ihr drin
gendes Ersuchen wurde ihr schließlich
der Eintritt gestattet, sie sah dort
einen in schwere Fesseln aelegten Sol
daten vor sich. Auf die Frage meiner
Mutter, wie er hierher loinme, und
was er verbrochen hätte, fing der
Mensch bitterlich an zu weinen und
erzählte, daß er ein schweres Diszi
plinarverbrechen sich habe zuschulden
kommen lassen, und daß ein Kriegs
gericht ihn in nächster Zeit wohl zu
mehrjährigem Kerker, verbunden mit
körperlicher Ziichtiaung, verurtheilen
würde. Der citefanaene schüttelte
traurig mit dem Kopfe, alg meine
Mutter sagte. sie wolle versuchenein
putes Wort siir ihn einzulegen. Kurz
entschlossen ging sie zum General nnd
sagte zu ihm: »Herr General, Sie
haben mir vorhin gesagt, ich möchte
eine Bitte äußern,s- die im Voraus
schon ersüllt wäre.« »Gewiß, Ma
dame, das würde mir auch setzt no?
eine Freude sein,« erwiderte höfli
der Osfizier. »Nun, in der Milch
Hammer liegt ein Mann in Fesse n
fund geht schwerer Bestrafung entge
"gen; erfüllen Sie mir die Bitte und
geben Sie den Mann fr-ei.« »Das-ist
die größte Bitte, die Sie überhaupt
stellen könnten, und die Erfüllung
derselben für mich am schwersten; aber
»ein Offizier darf nie wortbrüchig
’ werden, am wenigsten einer Dame ge
i genüber. Der Mann ist frei, Madame,
s und ich gestatte Ihnen, ihm das selbst
jmitzut ilen.« tie hat meine Mutter
seinen röhlicheren Menschen gesehen;
aber ihre Herzensfreude war nicht ges
iringey und noch einige Wochen vor
Hhrem vor nun bald 2 Jahren erfolg
Iten Tode, schon schwer leidend und
ssiech, er ählte sie mit leuchtenden Au
»gen dicken Vorgang, der ihrem Her
;zen alle Ehre machte.
’ Bis etwa zum Jahre 1850 herrschte
»noch cin ziemlich leLhafter Verkehr
san der Landstraße. Nun ist die
sStraße schon seit langen Jahren zur
»völligen Bedeutungslosigteit herabge
jsunken und unterscheidet sich in nichts
’von einer gewöhnlichen Straße. Nur
seinem aufmerksamen Wanderer fällt
wohl die große Anzahl der einzelnen
Gasthöfe auf, die in gar keinem Ver·
bältniß zu dem heutigen Verkehr
jstehtz die alten einsamen Gasthöseer
zählen noch heute in beredter Sprache
Hvon dem gewaltigen Verkehr, der in
fafltter Zeit an ihnen vorüber gefluthet
Hi .
Posemmuket Tripstrtll Schilde-.
Ja, jene Städtchen, deren sprich-«
wörtlich gewordene Namen hier in
Frattur prangen, sie bestehen wirklich,
nicht nur als Redensarten Pose
tmuckeL das ,,Nest« in seiner höchsten
iPotenz liegt bei Bomst in der Pro
binz Posen. Sein schöner Name ist
sogar aus der Landkarte zweimal ver
treten, als Groß-— und Klein-Bose
n:uckel. Auch Triptis, das reizende
thüringische Städtchen an der Okla,
lebt als ,,Tripstrill« wie im Sprich
wörterschatz in Wirklichkeit Die
Schwankliteratur des 17. und 1.8.
Jahrhunderts ließ mit Vorliebe
Großsprecher und Bramarbasse als
Junker von Tripstrill austreten.
Wieso aus Triptis Tripstrill gewor
den ist, wird in der Triptiser Chro
nit wie folgt erzählt: »Es hat vor
Zeiten gelehrte Leute gegeben, die ge
meint haben, der Name Triptis
tomm her von drei Burgen: Märla,
Triptis und Rounenstein, die aber alle
längst bis aus den letzt-en Stein ver.
schwanden sind. Dieses Burgentrio
lron dem aber die Geschichte nichts
wissen will, habe zu den Namen Tru
kerg, Trephonis Truilla und zu den
Scherznamen TriptissTrio ode:
Trivtis-Trillo Anlaß gegeben.« Eine
andere Sage weiß von einem ritter
lichen Triptiser zu erzählen, der seine
Frau »getrillt«, das heißt geschlagen
haben soll, weshalb man seine Lands
leute »Tripstriller« genannt habe.
Das scheint aber schon deshalb wenia
glaublich, weil das ,,trillen« in der
Vergangenheit eine allgemein geübt-.
Gewohnheit war. Schilda war nicht
nur die Heimath des Feldmarschalli
Eneisenarn der hier am 27. Oktober
1760 das Licht der Welt erblickte,
sondern auch die der Schildbiirger, die
hier ihre Streiche veriibten, die noxs
heute, nach drei Jahrhunderten, die
Jugend und das Volk ergötzen. Das
Buch mit den löstlichen Dummheit-en
der Schildbiirger erschien 1597 zun-.
erstenmal. Nach Kalau, das sich of
siziell Calau schreibt, werden jen:
Witze benannt, die dem Hörer ein
schinerzhastes Au erpressen. Warum
gerade das gemiithliche Städtchen bei
Frankfurt a. O. bei diesen beriichtia
ten Scherz-sen Pathe gestanden haben
soll, ist bisher noch nicht genügend
ausgeiläri. Bei dem uralten Vurte
hude, das auf eine fast tausendjähriae
Vergangenheit zuriietblickt, trägt nur
ter ungewöhnliche Name Schuld an
der neckischenNebenbedeutung, die man
der Stadt selbst und ihren betrieb
samen Bewohnern beilegt. Das hüb
sche Burtehude in der Nachbarschaft
Hamburgs macht im Volksmunde
Posemuclel und dem Landstädtchen
,,Kyritz an der Knatter« Konkurrenz.
Khritz im Regierungsbeziri Potsdatn
ist berühmt durch sein ,,Hostheater«
und durch das Flüßchen Knatter, das
aber gar nicht Knatter, sondern Jäg
litz heißt.
Je enger der Kreis des Lebens und
je bestimmter das Werk ist, in dem
man Vollkommenheit sucht, um so eher
wird man sie finden.
Zerstreut.
Lehrer: »Ich begreife nich-i, Schäpke
warum Jhr Zeichenheft immer we
Löcher hat. Hier auf der ersten eite
ist ein Loch und auf der zweiten Seid
—- auch eins.«
Verfehlter Appell.
»Sie müssen heirathen, junger
Mann, dann werden Sie sich erst
wahrhaft wohl fühlen.«
»Wenn ich etwas muß, pflege ich
mich überhaupt nicht wohl zu fühlen!«
Genitgendes Motiv.
Soldat: ,,Katherl, warum wollen’z
denn nit mein Schatzerl sein«-«
Köchin: .,,Weils zu dick san. Die
anä Frau meint dann, Sie essen IV
viel bei mir.«
Bedingungsweise.
Richter: ,,Also die zwei Ohrfeigen
aeben Sie zuk«
Angeklagter: ,,Jawohl, aber nur
dann, wenn auch der Kläger seine zwei
Ohbrfeigem die er mir gegeben, zu
qie t.«
Gitter Nath.
Redakteur: »Was find Sie dem
fonfi noch außer Dichter?«
Dilettant: »Schuiter.«
Redakteur: »Nun, dann könnten Sie
fa den Versfiißrhem die Sie erzeugeiy
gute Dienste leisten.'«
Ein Wortklanber.
d Beirtkn »Ein gesundes Weinerl
as.«
Gast (Professor): »Um zu konsta
tiren, ob der Wein gesund ist, müßte
ihn erst ein Weinarzt untersuchen, und
da es keinen solchen giebt, können Si
das auch nicht wissen.«
Auch ein Jubilar.
Armenpfleger: »Sie wünschen?«
Almosenempsänaer: ,,Entschold’gen
Sie, ich wullt’s bloß melden, daß es
heute grade 25 Jahre sein, seit ich vom
Armenarnt unterstützt werde. Da
dacht’ch. ’ne kleine Ufsbesserung hätt’ch
nu verdient!«
Entgegen-kommend
»Aber Herr Windmeier, jetzt steige
ich schon so ost die vier Stockwerke zu
Ihnen hinaus, um Sie zu mahnen!«
»Beruhigen Sie sich, lieber Herr —
niichste Woche übersiedle ich in des
dritten -Stocl!« «
Trinken-paid
Gast: »Den Wirth, i glaub’ alle
weil, Ihre zinnernen Maßkrugdeclel
san bleihaltia!«
Wirth: »So, warum denn döstsp
Gast: »Weil, ie mehr i aus an Krug
trint’, je bleierner am andern Tag mix
Die Glieder san!«
Auch etwas.
Herr lzum Vermittler): »Ist denn
das Fräulein, welches Sie mir da
vorschlagen, auch sesch und repräsen
tabel?«
Vermittler: »Das will ich meinen,
. . vor fünfzehn Jahren hat sie so
aar in einer Vorstellung des Dilettan
tenvereins die Jungfrau von Orleans
daraestellt.«
Wiclcs trifft.
Hausfrau (zu bettelnden Kindernp
Warum bettelt Ihr denn?
Kinder-: Unser Vater ist iraniL
Hausfrau: So, was fehlt ihm
denn?
Kinder: Manchmal ist er blind un)
manchmal ist er lahm!
Verwandtschaft
»J«ch glaube, der Millionär Reis
heiin ist ein entfernter Verwandter von
Ihnen.«
»Jawol1l, und weil wir von einan
der entfernt sind, kennen wir uns go
nicht«
Schlechte Andreden
Richter: »Sie sagen, Sie hätten die
sechs Flaschen Sett ans Hunger ge
stohlen, ich glaube, Sett stillt nicht
den Hunger.«
Angellaqter: «Pardon, Herr Rich
ter, ich habe mich geirrt —- ans
Durst!«
Bedenklichr Anerkennung.
Frau des Hauses: »Nicht wahr,
lieber Doktor, Käthe spielt schon ganz
hübsch —— wenn auch dann und wann
noch ein Bock nnterläuft?«
Doktor: »O, das macht nichts,
Verehrtefte, ich höre ganz gern mal est
bischen Bockinnsit!«
Dienstbcflisscn.
If
Reisender Cder sich krampfhaft bemüht, seine heiße Suppe hinunterzus
bringen): »Was willst du« Kleiner?«
Pistolm »A bissel blasen wollt’ ich Ihnen helfen; der Zug ist schon an
gemeldet!« l