Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 25, 1906, Sweiter Theil., Image 13

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    Die Mörder der Wittwe Bor
niche.
Autorisirte Uebersetzung aus dem
Französifchen. Von Michel
T h i v a r s.
1.
Wie aus der Spielzeugschckchtel ge- »
nommen, so sauber, schmuct und ein
ladend sah die kleine Dorfschenle aus, I
die gleich einer vorgeschobenen Schild
wach am Saume des Waldes lag.
Auch die Gaststube mit ihren blanige
Zcheuerten Eichenholztifchen und den
orgsältig geputztem glänzenden Zinn
trüqen aus den Wandgesimsen machte
den Eindruck peinlichster Ordnung
und Sauberteit.
Die Schente war momentan leer.
Man befand sich im Hochsommen und
alles, was nur die Hände rühren konn
te, war aus den Feldern beschäftigt.
Selbst der Krugwirth hatte sich schon
am frühen Morgen aufgemacht, um
lSei der Ernte nach dem Rechten zu se
en.
Nur die Wirthin war zu Hause. Sie
stand in der Küche vor dem Herd und
schnitt Speckscheiben in den über dem
Feuer hängenden Tonf· «
»So!« murmelte sie befriedigt. Das
wird eine schöne Suppe geben.«
Sie ging in die Gaststube hinüber
und sah nach der Uhr. «
»Erst neun! Wenn ich ein halbes
Stündchen meine Zeitung lesen möch
te?« überlegte sie.
Sie schloß die Fensterlädem um sich
gegen die glühende Augustsonne zu
schützen, deren Strahlen durchs Fen
ster drangen, setzte sich bequem in einen
Sessel, entsaltete die Zeitung und
lachte zunächst die Rubrik »Vermischs
es«.
Halblaut wie ein Schul’tind, haustg
stockend, las sie:
»Seit zwei Tagen sind die Bewoh
ner des Dörfchens Souanville in hell
ster Auskeaung. Eine siebzigjiihrige
Frau, die Wittwe Borniche, welche in
einem isolirt gelegenen Häuschen
wohnte, ist mittels Hammerschliige in
ihrem Bette ermordet worden. Die
Mörder hat«-en ihr Opfer geradezu bar
barisch zugerichtet Nicht weniger als
22 tödtliche Verletzunan hat man an
dem Körper der ltnaliictlieben gezählt.
Nach vollbrachtet That haben die Un
menschen in aller Ruhe das Haus ge
plündert und sind dann ungehindert
und unerkannt entkommen« . ..
»Schrectlich! Entsetzlich!« rief die
Wirtbin mit aesalteten Händen.
Dann las sie weiter:
,,. »Aber man ist den Urhebern die
ser Schandthat aus der Spur. Man
hat ihr Sianalement in Erfahrung
gebracht und es sofort überallhin tele
graphirt . . .«
»Gott sei Dant! .. Ach, dieseSchur
ten.«
,,...Es sind ihrer zweit der eine
groß, schlank, brünett, mit ganz
schwarzem Bart, der andere klein, un
tersetzt, mit blondem Bart und blauen
Auaen . . ."
»Holla, Frau Wirth?n!« ertönte
Plötzlich eine Stimme hinter der Le
senden
Sie drehte sich um und erblaßte-.
Jn der Thiir zur lftristltube standen
zwei junge Männer, der eine groß,
schlant, brünett, mit ganz schwarzem
Bart, der andere tlein, untersetzt, mit
blondem Bart und blauen Augen . . ..
Die Unglückliche fühlte, wie ihre
Knie zitterten.
»Sagen Sie mal. Frau Wirthin,
haben Sie srischen Aepfelwein? fragte
der Blonde.
»Ich . . . ich . . .'« stammelte sie.
»Schön! Dann bringen« Sie uns
schnell welchen!., bestellte der große
Briinette, indem er seinen Paletot und
seinen thctsack, den er am Riemen
über der Schulter getragen hatte, über
einen Stuhl wars.
Eilends stieg die Wirthin in den
Keller hinab. Als sie zuriiettann hörte
sie den Großen zum Kleinen sagen:
»Hier können wir nicht ungestört
sprechen.« .
,,Freiltch nicht!«» antwortete der an
dere. »Aber die gute Frau hat gewiß
noch ein Zimmer. das sie uns geben
tann.«
Und sich an die Wirthin wendend,
sagte er:
«Serviren Sie uns das in einem
Zimmer, wo wir allein sind!«
Ohne ein Wort der Widerrede führte
die Wirthin ihre Gäste in eine Stube,
welche aus den Garten ging, stellte den
Krug mit Aepfelwein und zwei Glä
ser aus den Tisch und entfernte sich
basiia. . « - l
»Sorgen Sie dafür, baß man uns
nicht stört!" rief ihr der Große nach.
Jn der Ganhe angelangt, fiihlte
die Wirthin allmählich ihre Fassung
wiederkehren und benann, sich ihrer
Angst zu schämen. Welch eine Thor
heit! Weil zweiReisende ihr Wirths
haus aufsuchten, um ihren Durst zu
löschen, mußten sie gleich die Mörder
der Wittwe Borniche lein! Als ob es
bloß einen Briinetien und einen Blon
den auf der Welt gab! Wirklich zu
dumm!
Bollständig beruhigt nahm sie die
Leltiire ihrer Zeitung wieder auf.
»...mit blondem Bart und blauen
Augen«, las sie. »Der eine von ihnen
iriigt einen Ruckiack am Riemen über
der Schulter und iit bekleidet mit ei
nem nußfarbenen Uebeeziehet mit ta
stanienbraunem Sammtltngen« . . .
Sie blickte auf und ihre Augen er
weiterten sich in panifchem Schrecken.
Dort lag der Rucksack auf dem Stuhl,
daneben der Ueber-sichern Und der
Ueber-ziehet war ausfarbenl
Wie Espenlaub zitieenb erhob sie
sich und nahm das Kleidungsstiick in
die Hand.
Entseylich!.. Ein tastanienbrau: f
ner Sammtkraqent -
Vergeblich suchte sie sich selbst Ver
nunst zu predigen Vergebens ersann
sie tausend Erklärungen, die eine ims
mer plausibler als die andere, um die
fes merkwürdige Zusammentreffen zu
ertlären,——--ihr erfchreckter Blick lehrte
stets von neuem zu der Thiir des Zim
mers zurück, in dem sich der ileine
Blonde und der große Vriinette einge
schlossen hatte. Was mochten sie da
treiben? Welch neues Verbrechen wur
de dort geplant?
» Eine Weile schwankte sie zwischen
;"Furcht und Neugierde Schließlich
siegie die letztere. Den Alberti anhal
tend, auf den Fußspiszen schlich sie an
die Thür und legte das Ohr ans
Schlüsselloch
Fast im nämlichen Moment prallte
sie mit weit offenen Auqu und schre
ckensbleichem Gesicht zurück Eine Se
lunde stand sie wie gelähmt dann lief
sie zur Thiir hinaus und stürzte in der
Richtung nach dem Maire davon.
2.
s—
Der Herr Maire hatte soeben ae
frühftiiclt. Jn einen bequemen Sessel
hingestreckt, die Augen halb geschlossen,
die Hände iiber dem ftattlichen Bauch
gefaltei. den bei feierlichen Anläffen
die dreifarhige Binde umgab. wackelte
er träge mit dem Kon und hörte sei
ner Tochter Brudence zu,·rvelche am
Klavier einen Walzer spielte in der
läblichen Absicht, die väterliche Ver
dauung zu befördern.
Neben dem erftenBeamten des Dor
fes stand Ramagoet, der Feldhiiter,
und erstattete seinen täalichenRapvort.
Steif wie ein Pfahl hatte er auf die
Fragen seines Vorgesetzten zum sieben
undzwanzigftes Male sein stereotypes
»Ja, Herr Maikr« geantwortet, als die
Schenttvirthin mit fliegenden Haaren
und verzerrtem Gesicht ins Zimmer
stürzte.
»Herr Maire! . .. Ach. Herr Maire!
...Die Mörder...ach!...«
Man hieß sie Platz nehmen. Man
beruhigte fie. Dann erzählte sie, was
sie aesehen. was sie gehört hatte. Der
Maire ließ sie reden. ohne sie einmal
zu unterbrechen. Schließlich erklärte
er in mißvergniiatem Tone:
»Seht unanaenehm nach dem Früh
stück, solche Gefchichteu!... Was fa
gen Sie dazu. Ramaaeot?«
»Ja, Herr IJiaire.«
»Sind Sie Ihrer Sache auch ann;
sicher. meine lieke Frau?« drängte der
Maire. »Ist solchen Fällen ift es
zweckmäßig, reiflich zu überlegen. Man
muß sich vor jeder Uebereilung hiiten
Was sagen Sie dazu, Raum
geot?«
,,I-’ta, Herr Maire.«
,,Nicktsdeftoweniaer müssen wir un
feresliflicht thun. Gehen wir, Raim
geot.«
»Ja, Herr Maire.«
Alle drei machten sich auf den Weg
nach dem Wirthshaus: derMaire, der
Feldhiiter und die Wirthin. Unter
wegs konnte die Frau sich nicht enthal
ten. allen Passantcn die Geschichte zu
erzählen, so daf-» als man vor der
Schente anlanate, aus den drei etliche
fiinfzia aeworden iraren Senfen,
Hettaat·eln, Störle wurden drohend in
der Luft artchwunien
Bevor sie das Haus«-· heiraten
wandte sitt) der Maire an feine Be1lei
tuna und aetsot mit dem Scharfsinn
eines großen Generals:
»Umstellt dar- Haust«
Dann trat er ein. Das erste, was
er in der Gastftube beniertte, war der
Rucksact.
»Rauia«qoet, wir werden eine Durch
fuchung diefes Gegenstande-.- vorneh
men!« aebot er. «
Er öffnete den Rudfact. Aber zu
feiner großen Enttäufchuna fand er
darin nur lauter nichtbelaftende Ge
genstände: Hemden. Tafchentiicher,
Strümpfe usw
,,Sie haben ihre Beute irgendwo an
ders in Sicherheit gebracht«, entschied
das Dorfolxerhaupt mit großer Geis
ftesaeaenwart.
Alle drei näherten sich nun schwei
gend, mit der unendlichen Vorsicht
eines Jndianers auf dem Kriegspfade,
der verhängnißvollen Thür.
»Hoffentlieti haben sie sich nicht in
zwifchen aus dem Staube gemacht!«
bemerkte die Wirthin.
Sie hatten sich nicht »aus dem
Staube gemacht«. Durch die Thür
hörte man sie sprechen Das Trio ver
hielt sich mäuschenftill und lauschte.
»Alle abgemacht?« fragte eine
Stimme. »Der Geldfchrant wird er
brochen?«
« »Abgemacht!« antwortete eine zweite
Stimme. »Mir wirdes sich empfeh-«
len, ein paar Bantnoten im Bett des
Kutschers zu verstecken. Auf diese
Weise wird der ganze Verdacht auf ihn
aeientt.«
Der Matte, der Fett-hüten die
Wirthin blickten einander entsetzt an.
»Und der Alte?« fragte wieder die
erste Stimme.
»Der wird getödtet-«
,,Seibftveritändltch! Aber wie?...
Vielleicht mit Hammerschlägen auf den
stopft-«
»Wie die Wittwe Bornick:e«, hauchte
die Wirthin, deren Zähne hörbar klap
perten. .
»Hamtnerschiäqe? Nein, das ist zu
banal!" widersprach die zweite Stim
me. »Na, wir werden io tehen...·
Bleibt noch die Tochter.«
»O, für die weiß ich schon Rath!
Sie wird durch ein Betäubungsrnittel
einaeichläiert.» Der Wagen wartet
nahe dem Geböiz... Man trägt sie
hinein und tos. Am nächsten Morgen
ist sie in der Gewalt des Marquis de
Corlayor!«
« Z.
Der Maire richtete sich wieder auf.
Er war leichenblaß.
»Die Elenden!« Inurmelte er. »Welch
ein Abgrund von Verderbtheitl .....
Ramageot!« suhr er mit wilder Ener
gie fort. »Wir werden die Gesellschaft
retten!«
! »Za, Herr Maire!«
effnen Sie die Thüri«
Im nämlichen Augenblick, als der
Maire den draußen stehenden Bauern
nein Zeichen gab, hereinzukommen, um
nöthigenfalls Beistand zu leisten, öff
ncte Ramageot, der feinen Säbel ge
zogen hatte, die Thür.
Die beiden Berbrecher saßen fried
lich an einem mit Papier-en bedeckten
Tisch, den Krug mit Aepfelwein zwi
schen sich. Beim Anblick dieser dro
henden Menge, welche ihnen den Rück
eng versperrte, erhoben sie sich er
taum
,,Jm Namen des Gesetzes, ich ver
lzuste Sie!« donnerte der Maikr, den
körper des Flurhüters als Schutzwall
l«-enijtzend.
«
»Was bedeutet . .. ?-«
»Steine Ausflüehtet Sie sind die
Mörder der Wittwe Borniche!"
»Bornieke? Wer ist das-V fragten
die beiden Angeschuldigten verstänk
nißlos.
»Bi«g die Gendarmerie kommt, die
benachrichtigt ist, fordere ich Sie auf,
meine Fragen zu beantworten. Jcb
bin der Maire!« erklärte er feierlich,
aus seine dreifarbige Leibbinde deu
tend. »Auttvorten Sie! Wer ist die
Person, welche Sie zu ermorden beab
sichtigten?«
»Ermo«rden? Wir?... Na hören
Sie mal, der Scherz geht denn doch
trsirtlich etwas zu weit!«
»Der Name des jungen Mädchens,«
fuhr der Maire mit tragisch erhobener
Stimme fort, »dieses unschuldigen
stindeg, welches Sie Jhrem Kompli
cen, dem Marquis de Coklahor aus
liefern wollen!«
Bei diesem Namen brachen die bei
ksen Verbrecher in ein wahnsinnig-ek
citcliichter aus. Die Bauern geriethen
rso solcher Gefühlgrohheit in derartige
Wuth, daß sie bereits Miene machten;
die beiden Uebelthäter zu lynchen. Nur
mit großer Mühe gelanges dem einen
rcn ihnen, seine immer wieder hervor
lueehende Lachlust zu bekämpfen und
durch Zeichen anzudeuten, daß er spre
chen wolle·
»Sie hat«-en also an der Thür ge
horcht-« fraate er. »Na schön. Was
Sie aehiirt haben, ist der Entwurf
eines Traume-, welches wir beide ge
meinsam schreiben und welches hof
fentlich noch diesen Winter in Paris
cufaefiihrt werden wird... ·Justin
Lttaucart, Paul Lardy,« fügte er hin
zu, zuerst auf sich, dann auf seinen
Gefährten zeigend.
»Was? Sie wären ...?«
»Ein-ei Pariser Bühnendichter auf
einer Landbartie, fawohl!«
Und sie brachen von neuem in La
clxen aus.
Das Gesicht des Maire wurde lana
und länger. Die beiden Schriftsteller
waren mit allen nothwendiaen Papie
ren versehen, die ihre Jdentität zwei
fellos nachiriesen Sehr verlegen ver
ließ der Maue, nachdem er tausend
iral um Entschuldigung gebeten hatte,
den Schauplatz seiner Heldenthaten
Vor der Thür fragte er den ihn be
gleitenden Ramageot:
»Und der Gendarm, nach dem ich
geschickt habe?... Was wird der to
aen? . .. Er wird mich fiir einen rech
ten Dummtepf halten, was, Raum
steck-"'
»Ja, Herr Maire,« pflichtete Roms
aeot mit unerschiitterlicher tleberzeus
gung im Tone bei. ———
Not-loose ohltsol
Humoreske von H e i n z M e tz n e r.
Guter Rath ist theuer --—-— Komm-Ir
zienrath aber noch theurer, denn wer
et- tverden will, muß nicht nur Gelo,
sondern auch viel Geld haben.
rr Wehlmann führte das ,,theure«
»t-,pitheton erneut-« nun schon fest
vielen Jahren vor seinem Namen, daß
es ihm endlich zuwider wurde und iu
ihm das Verlangen nach einer anderen
Titulatur aufstieg, denn er liebte die
Veränderung.
Wenn er aber auch gelernt hatte,
iiber Millionen zu kommandiren, so
wurde es ihm doch nicht leicht, seinen
Gelüsten zu gebieten, er höufte des
halb »Verdienft« auf »Verdienst«
man jagt, um den Staat -—- VIS eine-s
Morgeng die würzige Lqu seine-;
Paeles nicht mehr den Busen eine-J
Rocnmerzienrathg, sondern eine Ari
stolratenbrust ausdehnte. Er nur
Baron geworden!
»Pub, wag das heiß ist! «-- Leh
mann!«
»Befel)lcn, Herr Baron«·.-« rief der
Gärtner und sprang herzu.
»Begießen Sie den Weg hier« es ill
mir so fchlriill«
«3u Befehl, Herr Baron!«
--ried-rich!«
»Befehle:1, Herr Baron?«
,,Gehen Sie zur Frau Baronim die
Frau Baronin möchte zu elf Uhr Tol
lette machen, wir wollen ausfahre1-.«
» awohl, Herr Baron!«
» alt,-Friedrich!«
,, err aron?«
»Frage-n Sie einmal meine Joch-—
ja, was molli’ ich doch?-- Ja! Fragen
Sie das Fräulein Baronesse, ob sie
mitfuhren Ivill!«
»Seht wohl, rr Baron!«
»Oh, wie zau erisch das- llang, wie
das sein Ohr umfchmeichelte.—- Herr
Baron! Das Alpha und Omega aller
;
Seligkeit lag in diesem Wort und
machte sein nunmehr blaues Blut
schneller kreisen. Soweit-s sein Enc
brsnpoint gestattete, streclte er seine
etwas kurz gerathene Gestalt in die
Höhe, als ein junger Mann von der
Terrasse her eilig auf ihn zuschritt
und ihm mit gutmiithigem Lachen die
Rechte entgegen hielt.
»Ich komme, unt zu gratuliren,
Onkel Baron. Hoffentlich macht Dich
Deine neue Würde nicht allzu stolz
und läßt Dich mit uns simplen Sterli
licljen in der alten Weise veriehren.«
Der neugehackene Ariitolrat schien
die dargebotene Hand nicht zu sehen;
er schüttelte wie verweisend sein adeli
ges Haupt Und meinte nur streng:
»Du scheinst einen Scherz mit mir
machen zu wollen« --— Uebrigens danke
ich Dir für die Gratulation.«
»Und ich Dir siir die Lehre, die Du
mir gibs.—— Ich will die Tante be
grüßen nnd dann einmal nachsehen,
ob Agnes die Baronesse nicht zu Kopf
gestiegen ist. Adiu!«
Dem Baron kam es ganz gelegen,
daß sein Nesse ärgerlich davonging.
Sonst war er ihm recht gewogen gewe
sen und würde früher mit Freuden
Ja! gesagt haben, hätte Hans Rauer
um Agnes Hand gebeten. Jetzt aber
die einzige Tochter eines Barons von
Wehlmann und ein einfacher Regie
rungs-Assessor? Nimmermehrt
g
Zwar wußte er, daß die jungen
Leute sich innig zugethan waren, doch
—— Noblesse oblige! die reiche Baro
nesse Wehlmann muß wenigstens —
wenigstens —— einen Grafen heirathen.
Was er gehofft, trat nicht ein. Hans
Rauer verkehrte nach wie vor in sei
nem Hause, und das Band zwischen
den jungen Leuten schien sich immer
fester zu knüpfen, man sah die Beiden
jetzt fast stets zusammen. Dem mußte
ein Ende gemacht, Agnes mußten die
Pflichten ihrer Stellung klar gemacht
werden. Noblesse oblige! —- Was
würde aber seine Gattin dazu sagen,
die den neuen Stand beinahe wke eine
Last ertrug und deren seinem Gefühl
das ans Protzenhafte arenzendeGebah
ren ihres Mannes äußerst zuwider
war? Sie hatte Hans, den Sohn ih
res Bruders, stets protegirt und wür
de es nicht so ruhig hinnehmen, wollte
der Baron ihm aus einmal die Thür J
weisen.
»Wo ist Agnes schon wieder Z« fragte
der Baron seine Gattin, als er sich
eben vom Mittagsschlafe erhoben hatte.
»Mit Hans in der Bildergallerie.«
»Mit Hans?! Warum immer mit
Hans? Mag man nach dem gnädigen
Fräulein fragen, wenn man will, im
mer ist sie mit Hans, als ob das gar
nicht anders ginge. Sie wird noch
seinetwegen ins Gerede kommen.«
»Es kann Dir doch nichts Neues
sein, daß die jungen Leute ein Faible
für einander haben. Und mögen sie
doch; ich hoffe, es wird aus ihnen ein
mal ein Paar.«
»Das hoffe und witnsche ich nicht,
Frau Baronin! Ich habe ganz andere
Pläne mit meiner Tochter!«
«Ei, ei, aus einmal Herr Baron?———
Wenn Du andere Pläne, andere Alk
sichten hast, dann mußtest Du aber
schon früher ihren Verkehr hindern,
durftest nicht erst zusehen, wie sich zwi
sei-en den Seelen, zwischen den Herzen
beider die zartesten Fäden spannen
und die plütxlich zu zerreißen, viel
leicht das Glück deines Kindes ver
nichten hieße. Uebrigens zeigtest Du
dich einer Verbindung zwischen Agnes
und Hans von jeher geneigt, und nun
kommst Du mit ——s ,,Plänen«, von de
nen Du bisher nichts hast verlauten
lassen.«
»Nun ja, sie entspringen aus den
Verhältnissen.«
»Verhältnisse? Ach, Du glaubst
also jetzt, nach unserer Nobilitirnng
an einen Gatten Deiner Tochter höhere
Ansprüche stellen zu dürfen, Du möch
tbest einen adligen Schwiegersohn ha
en.«
»Selbstverstiindlich, unter einem
Grasen thue ich es nicht!«
»Und das Glück Deines Kindes?«
,,Unsinn, Agnes wird wissen, welche
Pflichten ihr Stand ihr auserlegt.
Noblesse r«blige!«
»Ah, lommst Du auch damit? Nun,
wenn Agnes Dir nur keinen Strich
durch die Rechnung macht, Du kennst
ihr Köpfchen«
»Das wollen wir schon beugen.
Von Dir verlange ich aber, daß Du
für die vorläufige Entfernung des
Hans aus unserem Hause Sorge
trägst; er darf nicht mehr täglicher
Gast bei uns sein«
»Für ein Weilchen lasse es nur noch
beim Alten«
· »Warum? Was geschehen soll,
kann besser gleich geschel)en!«
»Einen Monat wenigsten-z mußt
Du noch tvarten.«
·,,Ja, warum denn? Jch sehe nicht
ein —-«
»Gott, was Du hartnäckia bist! Nun
muß ich Dir, auf die Gefahr bin, den
Kindern die Freude zu verderben, ver-—
rathen, das-, sie fiir Deinen Geburts
tag eine Ueberraschuna vorbereiten, bei
der mehrere von Aanes Freundinnen
und einige junge Leute unserer Be
lanntsast betbeiligt sind. Hans ist
der Arrangem, und da wirst Du be
greifen —«
»Ja, ja, ist mir aber gar nicht lieb
—- doch meinetwegen, lassen wie es
dann vorläufig, aber —- er kriegt sie
nicht, niemals, das sage ich Dir!«
a· « si
Der Geburtstag war da, im Fest
saal der Billa Wehlmann überfluthe
ten die Lichtstrahlen unzähliger Kerzen
den Schein alitzernder Diamanten,
bildender Ordensstetne und Unisor
men und glänzender Toiletten, denn«
felbft viele Mitglieder des höchsten
Adles hatten es nicht verschmäht, der
Einladung des neuen Eindringlings«
in ihre Kaste Folge zu leisten.
Am Ende des Saales war für die
geplante Ueberraschung eine Bühne
aufgeschlagen; es sollte ein von Hans
verfaßtes Festspiel aufgeführt werden,
in welchem Agneg und ihr Vetter die
Hauptrollen übernommen hatten.
Der Vorhang geht auf und sofort
regen sich- die Hände; der Beifall gilt
der wirklich reizenden Erscheinung
Agnes’, die in ihrem Schäferinnenko
ftiim, die schwarzen Locken weißgepu
deri, sämmtliche an wesenden Herren,
alte und junge, geradezu bezaubert
,,Superbe, magnefique, himnclifch!«
flüstert Psrinz X. dem glückftrahlen·
den Baron tnsOhr. Und auf Hans
weisend, der neben Agnes den Schäfer
spielte nnd dazu seinem blonden
Schnurrbnrt durch Fettfchminke eine
intensiv schwarze Farbe verliehen hat,
setzt er hinzu: »Aus gnädigster Baro
ncfse und Herrn Neffen foll ein Paar
lrerden, was, Baron? Habe so etwas
gehört.«
»Aber Darchlaucht!« antwortet der
kleine Mann neben ihm mit Ent
rijstung: ,.Eine Baron-esse Wehlmann
mit einem ganz gewöhnlichen Men
schen, loenn’g· auch der Neffe meiner
Frau ist!«
»Nun, nim, begutigt derPrinz,und
sein Auge blitzt unter dem Monocle
»Berzeihen Sie lieber Baron, gnä
digsteBaroiiesse ist ja des Edelsten
nerth, aber-meinte nur so—
Auf der Bühne waren jetzt die Ein
gangsverse herunterdetlaiiiirt, ein
Chor trat auf und intonirteeinen Ge
fang, während die Schäferin hinter
eine Kulisse verschwand Der Schäfer
hatte sie dann zu suchen. Ein Reiner
begann-, und nun mußte er das Fehlen
der Geliebten bemerken und durch Ab
und Zug-eben auf der Bühne pantoini
inisch andeuten, daß er sie nicht finden
könne. Endlich, nachdem er wieder
etwa günfMinuten hinter der Kulisse
—geblie en und der Reigen gerade zii
Ende geht, hat er sie, genau wie es
die Rolle Vorschreibt, entdeckt und
zeirt die anscheinend sich Sträubende
vor die Lampen.
Honierisches Gelächter, brausender
Jubel empfängt die Beiden, und die
Baronin erbleicht, und im Gesicht des
Barons verräth sich das lslaueBlici.
Auf der Biihne stockt das Spiel, den;
Akteuren ist dieser plötzliche Beifall
unbegreiflich! Agnes schaut fragend
auf Hans, und dieser, anstatt seine
Verse weiterzusprechen, prallt entsetzt,
dernichtet einige Schritte zurück, als»
er einen Blick auf die Geliebte rewor
fen Was er auf ihrem Gesicht sieht·
macht ihm das Blut erstarren!— ——Ani
dem zarten Weiß über ihrer Ober
lippe heszt sich keck das schwarze Kon
terfei seines Schniirrbartes ab, und
das weiche Rofa ihrer Wangen Yes-at
hier und da den gleich-n Stempel.
Sie hatt-en die kurze Zeit der Mufze
hinter den .5iulissen nicht iingeniitzt
versteichen lassen wollen.
Prinz X legte dem Baron, der im
Grimm uiid Zorn beinahe erstickte, die
Hand auf die Schulter.
»Bleibt nichts übrig, Baron, als
Verlobung zu Vertijiiden. — Wenn
auch nur gewöhnlicher Mensch, scheint
giiädiaste Baroiiesse ihm das Hei-geben
geschenkt zu haben Bleilt nichts
ubrig!«
Und es blieb nichts übrig. Der
Baron iniißte in den fauren Apfel
beißen und so th,un als ob das Paar
mit seiner Erlaubniß schon lanqe ver
lobt fei under die Gesellschaft niii der
Proklamirung erst heute habe über
rafchen wollen.
»Ueberraschiing, meine Herrschaf
ten, auf Ehre, freudige Ueberrasch
ung! — Brautpaar lebe ho ch· l«
Die Gesellschaft stimmte in das
Hoch ein, der Baron aber konnte sich
nicht enthalten, seinem Neffen une
Schwiegerfohn, als dieser ihn uns
armte, zuzufliisterm
»Der Teufel soll alle Ueberraschun:
gen holen!«
Eine Heirath-Unfriqu
Herr: »Mit Jhnen, iiiein Fräulein,
wiirde ich qern bis ans- Ende der
Welt fahreiil «
Dame: »O, mir würden sechs Wo
chen in Jtalien genügen«
Liebe kann alles.
Mutter: »Bist Du auch sicher, Kla
ra, daß er Dich liebt?«
Tochter: »Aber, Maina! Jch sehe
doch wie er mich anfchaut, wenn ich
nicht hinschau’!«
Einziqev Mittel.
Vater der Braut-. »Sie haben keine
Stellung, tein Vermögen, womit wol
ten Sie denn da heiratheii«s.’«
Bewerber (tleinlaut): ,,«.llieine Uhr
tönnt’ ich versetzen!«
Erklärt.
»Die Batonin von der Engel-ekelt
der Sie aeslern bei Tafel gesessen, ist
lgcnz entziiit von Ihnen«
Ich war aber ein triite er Ge- feli
äsctiaitey hat-e kaum ein Wort geredet "
i ,,Eben drum: sehen Sie, da hat
Hich die Baronin mal richtig ausspre
fckyen können!«
Nüchtkrne Auffassung.
(Sohn, in Extase heimkehrend-.
»Denke Dir, wie start Huldag Lieke
ist! Vorhin erst sagte sie mir, sie sei
,fiir mich zu ierben berei t. «
i Vater: as sollts nützen! Er
lsiens hat fse’s Rittergut noch cmr
lnicht, und weiten-; steht Dir als
inäuiigam einerlei Erbrecht zul«
Unrrwuktcte Betrinfachuug.
»Dös is wieder guat —: Seit i
veheirat’ bin, brauch« i’ au toan
Mittag z’ geh’n; hie-Itzt krieg’1' glei«
daheim meine Schläg’!«
Der Spezialift.
(Vor dem Richter steht ein Sub
jekt, das in einer Strafsache seine
Aussage machen soll): Richter-: »Er
l)eken Sie die rechte Handl«
Zeuge: »Kann ich nicht, Herr Rich
ter, ich hab’ mer nämlich die Eidfin
ger geklemmt, trag’ ja die Hand in
der Binde.«
Richter: »Ach was, das ist eine
faule Aus-ede. Sie wollen einfach
nicht schwören, und Sie wollen nicht
--—n:-eil Sie nicht können-«
Zeuge: »Ach nee, Herr Richter, von
nicgen Können is gar keene Rede —
den Eid möcht’ ich einmal sehen, dev
in, nicht schwören thu’.«
Die Hauptsache.
»Heute habe ick och nich ecnen Pfen
Izig erbettelt.«
»Na, so geh’ doch zu der Villa nü
t«er, da jiebt et immer wat. —- Aber
bloß Essen!«
»Wenn det aber alle is? — Daan
jiebt et Eßmarken -obn.de Volksliichz
und davor trieg ick keenen Schnapåk
Devot.
Baron Jtzenplitz inspizirt seinen
Garten nnd fragt den Gärtner. ob
alles in Ordnung fei. »Alles,« be
mertt dieser bescheiden, »nur auf mei
nen allernnterthänigften Scllerie
könnten der hoclkgebietende Herr Ba
ron noch einige Equipagen von Fo -
dero gnädigenrMist hinfahren la en,«
Angebot-ein
Richter: »Wie, Meyer, schon wieder
we en Diebstahls vor Gericht?«
Jieyert »Ja, Herr Gerichtshof, ich
tannse tyiirklich nischt daeor, das is
mer nämlich angeborn Jch bin se
nämlich in Greifenberg an der Elfter
gebor’n nn meine Eltern war’n Ra
beneltern!«
HypeebeL
t Erster Expedient: »Der Herr Kanz
leirath ist aber wirklich ein recht be
quemer Herr, alles muß man ihm zu
reichen nnd nicht ein einziges Mal be
nxiiht er sich selbst.«
Zweiter Expedient: »Ja, ich glaube,
ker ist sogar zu bequem, nin einmal
in den Ruhestand zu treten«
Aue- der Schule.
Lehrer Czn Fritz, den er soeben we
aen wiederholter Unpiinkttichteit ge
ziichtigt hat): »Daß Du nun stets
pnnktlich kommst, ich bin auch immer
pünktlich hier, es gibt ein Sprichwort
von der Pünktlichkeit, Du kennst es
gewiß auch, Fritz,——- nun sage es ein
n:al.«
Fritz (de.". getroffenen Körpertheil
reibend): ,,Pijnttli-cnkeit ist — ist die
Wurzel alles Uebelsl«
Ein aufmerksamer Liebhaber-.
Erster Soldat: »Warum laßt D«
denn hent’ d’ Anna toa Minut’n aus
’m Ang’, was habt’33 denn mit
anand?«
Zweiter Soldat: »Oan Geldbeutel
hani mer mitanand, nnd den hat sie.«
Der erste Patient.
»Nun, wie bist Du mit Deinem Pa
tienten zufrieden?«
»Seht Jch habe seinen Zustand
wesentlich erleichtert: nm mindestens
fünf Mart pro Besuch«
Wahre Freundschaft
,,Woraus schließt Du denn, daß
kie Hanny allein Deine aufrichtige
Freundin sei?«
»Weil sie die Einsiae ist, die mir
nicht zu meinem »dreißigsten Geburts
tag« graiuäirt hat.«
Aus- der guten alten Zeit.
»Ich werde Jhn melden, Pieftet Er
lsat auf der Wache geschlafen und ge
tränmt!«
»Ja! Aber blos von guten Lotterie
nnmrnern, und wannst mi nit meld«st,
seorporah nacha fag’ i Dir eine da
von.«
Aniz einer modernen Schule-.
« - --— -..-.-..-.-.I-.
—.-.—. -...-. «--.:..-s
,Jcb nöckte in dk Stunde deines
,,Hierbleisscns« noch eins-« e Fragen an
dich nachholen. Ncnne mit ein paar«
Zeitwörfer, die mit vcr cnfangen!«
»Verl: ebt, ve lobt, ve duftet!«