Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 25, 1906, Sweiter Theil., Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Waldes Mitgift
Roman von Gurt Darm-Idoro
(:3. Fprgetzungd
Die maßloseste e ützung spie lte
sich deutlich genug auf Bernds Ge icht.
»Mein Gott, was fär eine Krani
heit soll es denn sein, von der Sie da
reden? Meine Frau war doch vor
einer Viertelstunde noch ganz gesund."
»Das kann ich nicht glauben. Die
Symptome sind so deutlich ausge
prägt, daß ich mich in meiner Ding
nose schwerlich täusche. Aber Sie beau
chen sich deshalb noch nicht zu denn-«
tuhigen. Solche typhöse Fieber sind
oft nur leichter Natur, auch wenn sie
mit ziemlich stürmischen Erscheinun
gen einsetzen.«
»Ein typhöses Fieber?« wiederholte
Bernd mit bebender Stimme. »Dann
halten Sie es wohl auch für unmög
lich, sie fest nach Deutschland zurück
zu bringen«-»
»Das ist selbstverständlich ausge
schlossen. Eine weite Reise würde selest
bei den peinlichsten Vorsicht-Einlaß
re eln eine Katstrophe herbeiführen
A r auch hier im Hotel kann Ihre
Frau Gemahlin nicht bleiben. Jch em
pfehle Jhnen dringend, sie sofort in
ein Krankenhaus bringen zu lassen.
Und ich stelle mich Ihnen, wenn Sie
mit den hiesigen Verhältnissen nicht
vertraut sind. mit Rath und That zur
Berfiiauna.«
Bei-nd griff sich an die Stirn. Er
war in Versuchung, dies alle-Z für
einen schrecklichen Traum zu halten,
aus dem Maloeå fröhliches Lachen
ihn werten müsse. Aber wie er dann
zu ihr hinüber-sah zu dieser mit
schlossen, gelösten Gliedern daliegen
den, holden Gestalt, zu diesem mar
n:orweiß:sn,, erschreckend veränderten
Antlitz, da wurde ihm mit nur zu
grausamer Deutlichkeit klar, daß alles
entseuliehe Wirkung war.
Und doch vermochte er dag- Schreck
liche, das ihm da zugemuilsxets wurde,
noch nicht zu fassen.
»Jn ein Krankenhaus? Nein, das
ift undentbar. Es wird sich doch auch
hier ermöglichen lassen, meiner Frau
die nothwendige Pflege zu verschaf
sein«
Doktor Lindblad machte eine ver
neinende Bewegung Es war ihm au
zusehen, daß die Angst und Erreguns
des jungen Ehegatten ihm tief zu Her
zen gingen. Aber hier handelte sicbss
um eine unerbittliche Nothwendigkeit,
an der er nichts zu ändern vermochte.
»Man würde die Patientin nicht im
Hotel behalten dürfen,« erwiderte er,
»auch wenn für eine vollständige Jso
iirung Sorge getragen werden könnte.
Es verstößt gegen die gesetz-litten Ve
stimrnungen. d Sie thun im Jn
teresse Jhrer F u Gemahlin am be
sten, die Ueberfiihrung so rasch ais
mö lieh« zu bewirken. Jch verbürge
mirs dafür, daß sie in Sofiahemmet,
trio ich sie mit Ihrer Erlaubniß so
gleich- anmelden würde, oortrefflich
aufgehoben ist. Sie würden ihr un
möglich aus andere Art eine gleich
srogsame Behandlung und Wartung
verschaffen tönnen.«
Nun sah der Freiherr allgemach ein«
daß es vor diesem grausamen Geschick
kein Ausweichen mehr gab. Wasihtn
der Arzt da sagte, war so verständig.
daß er kaum noch versuchen konnte,
etwas dagegen einzuwenden
Durch die wahrhaft aufopfernde
Vermittlung des liebenswürdigen
Arztes wurden ihm die unvermeidli
xhgr Förmtichteiten wesentlich erleich
e . -
Natürlich hatte er für Malve die
beste Verpslegung ausbedungen, die
das gut eingerichtete Krankenhaus zu
bieten vermochte Es wurde ihm ge
stattet, ihr nach dem Walde hinaus
Augurs lust· es und freundli es
Zimmer zu b,si si»,..- est-.- —-. »i-.
gerin, deren besonderer Obhut sie an
vertraut worden war, machte ihrn den
denkbar günstigsten Quark-.
Er wartete das Ergebnis der von
dem leitenden Arzt des Krankenhaufes
Iulich vorgenommenen ersten Un
- Mag ab. Die Auskunft aber,
dienerhie1t, war so ausweichend und
Eis-Mein ehalten, daß sie wenig
zu dienen printe, feine unsagbare
Unruhe zu beschwichtigen Die Dia
s» e des Dr. Lindhlad wurde be
e at. uber den voraussichtxichenVer
lauf der Krcnkheit aber ließe sich vor
läufig noch nichts sagen. Eine nnrnit
telbare Lebensgefahr sei jedenfalls
nicht vorhanden, und es fehle biö jetzt
auch an allen Anzeichen, die einen un
günstigen Ausgang file einen späteren
Zeitpunkt befürchten ließen. Es wurde
ihm freigestellt, jederzeit wiederzutom
men, um sich nach dem Befinden der
Patientin zu erkundigm Auch dem
langer-, stummen Abschied, den er von
ihr nahm, wehrte man nicht.
Etwa eine Stunde später verließ
Bernd das Krankenhaus nnd kehrte
in das Grund hotel zurück. Auf dem
Wege dahin erst stieg wie ein unheim
läeheT riefengroßes Schreckgespenst der
Inhalt von feines Vaters Depesche
wieder vor feinem Geiste auss. Flüchtig
mit waren bis zu diesem Augenblick
die schrecklichen Worte zuweilen durch
seine Gedanken gegangen Die angst
volle Gerge um das theuerfle Wesen.
halte Wes andere so weit zurückge
des-h als sähe es außer diesem
Magen um Malvei Leben
mer noch gleichgültigeDin
le. Rein aber packtei
plögäich das Entsetzen vor diesem un
saß r Grauenhaften An der Wahr
heit der Mittheilung, durfte er nicht
weiseln, denn er kannte die Gewissen
Zastigteit seines Vaters. Schon durch
die Ueberemstimmung beider Tele
ramrne war die Vorstellun eines
Trthums vollständig ausgeschlossen
rhard Breitenbach war todt, das
war unumstößliche Gewißheit Unds
er war nicht eines natürlichen Todes
estorben, tondern durch seine eigene
Sand Er hatte den letzten Ausweg
eingeisblagem der offen blieb, sich sei- j
nem irdischen Richter zu entziehen
Und iiber tie Natur der Versäumt-T
gen, die itm dahin etrieben, hatte sich »
die Depesche des h--li«:rsten wahrlichz
deutlich genug ausgesprochen ;
»Nati) Ansdeckung von ihm oeriibter s
ungeheurer Betrüger-eien,« hieß es dal
mit grausamer Klarheit. Und wenn
Bernd auch nicht begriff- welcher Art
"diese Beträgereien gewesen sein konn
ten, und was den millionenreichen
Mann aus jolche Absage geführt, so
war er doch nicht gestimmt, sich jegt
darüber den Kopf zu zerbrechen. Die
eThatsache selbst war ihm genug, und
er täuschte sich keinen Augenblick über
die verhängnisvolle Bedeutung, die sie
für seine ganze Zukunft haben würde.
Zunächst aber galt es, die unab
wetgdaren Pyliehten zu erledigen. Bag
Schicksal ist ja immer barmherzig ge
nug, dein Menschen gerade in den
Augenblicken der schwersten Prüfun
aen solche nüchternin Pflichten auszu
erlegen, die ihn wenigstens siir eine
kurze Spanne Zeit von der Marter
hirnzerwiihlender Gedanken erlösen.
Da er urn nichts in der Welt aucli
nur eine Stunde länger in demHotrl
geblieben wäre, unter dessen Dach er
die glücklichsten und futchtbarsten Au
genblicke feines Lebens empfunden
ging er unverzüglich daran, seine Sa
ck«-en zu packen und die ihm durch das
Hotelpersonal geleisteten außerordent
lichen Dienste zu regeln. Wohl eine
richtungen und er hatte aufs- neue
Gelegenhtsiti die liebenswürdige, tatk
volle Art, in der man ihzn entgegen
tcm, dankbar anzuerkennen. Jm Hotcl
Rndberg. dar-er nun aufsuchte, nahm
rr das erste beste versiiglsare Zimmer,
ohne sich i:.-. mindesten darum zu tiims
mern, daß es im obersten Stockwert
und nach dem Hofe hinaus gelegen
war. Er würde auch mit der elende
sten Mansartentammer zufrieden ac
wesen sein, denn alle diese Aeußerlich
teiten waren ihm jetzt unsagbar gleich
gültig geworden
An die ilstöglichteih das-, er ohne
Malve nach Deutschland zurückkehren
könnte, dachte er keinen Augenblick
Was auch immer in seiner Heimath
für ihn auf dem Spiele stehen macht-.
es konnte nimmermehr wichtig genug
sein, ihn aus ihrer Nähe zu entfernen.
Mußte er doch eigentlich erst seit ihrer
Ertrantung, wie vollständig die Liebe
zu ihr all sein Denken und Empfin
den ausfüllte und wiewenig neben der
zärtlichen Sorge um sie noch für ir
end etwas anderes Platz in seinem
erzen war. Die Vorstellung, jetzt
durch Land und Meer von ihr ge
trennt zu sein, wäre ihn-. als etwas
Unsaßbares erschienen
Aber er mußte wenigstens ihre An
gehörigen ungesäumt von der Unmög
lichkeit einer Rückkehr benachrichtigen
und wünschte auch nähere Aufklärung
über das Voraefallene zu haben. Da
rum begab er sich auf das Trugro
phenamt, um eine Depksche an Sigrid
und eine zweite an seinen Vater aus
zugeben. Jn der ersten theilte er seiner
Schwägerin nur mit, dasz Maer zu
leidend sei, um während der nächsten
Tage die weite Reise zu machen und
daß er sie nicht allein lassen dürfe.
Seinem Vater aber sprach er unter
der gleichen- Motivirung die dringende
s Bitte aus« ihm sofort brieslich genaue
Auskunft über die Ursachen und den
Eiergang der Katastrophe zu geben. Es
war schlimm genu , daß mindestens
sechsunddreißig Stunden vergehen
mußten, eh die Antwort des Obersten
eintreffen konnte, aber es mußte eben
wie alles andere als etwas Unabän
derlicheö hingenornnten werden.
Man zeige sich im Krankenhause
nicht verwundert, als Bernd schon
Inag TweiStunden wiederkam, um sich
no em Besinan seiner Gattin zu
Tertundigerr. Aber man konnte ihm
Fnur sagen, daß ihr Zustand unverän
idert sei. Bernd wagte nicht um die
Erlaubniß Zu bitten, sie zu sehen.
JAber währen er dann in einem fast
unerträglichen Zustande innerer Rast
"lasigteit bald auf dieser-,wa auf jener
Bank im Humlegardevs aß oder die
breite Prachtstra athallaviigen
hsnans und herniederschrit , wurde
rat Mer nach « — Anblick in
ihm nach und nach s- til-ermächtig»
daher alle Bedenken vergaß mir-V aber
Inst-; nach »dem Krankenhanse zur-stet
s e ·
Stunde verging über all diesen Ver-»
t
1
7. K a p i t e- l.
Es waren Tage voll immer Qual
und Unruhe, die Bernh von Organ
dorf berief-te Planlos durchittte er
die fremde Stadt um immer wieder
nach dem Kranteåxsausc urück used
ren und sich nach alves Nu n zu
erinng-m das nach wie ver unver
ändtzrt blieb. Jetzt, w« das Theuerste,
f
das er besaß, zwischen Tod und Le
ben schwebte, fühlte et erst, wie sehr
et sie liebte, und der Gedanke, ever
stieten u können, lasiete wie ein nicht
baker lp auf ihm. Dazu kam vie
Ungewißheit über das Schicksal von
Malt-es Angehöstigenz denn noch im
mer hatte et steine nähere Nachricht
über die etschütternbe Katastrophe, die
sich in Malt-es Elternthufe abgespielt
hatte, erhalten Endlich, am Abend
des zweiten Tages, brachte die Post
wei Briefe für ihn. den einen von
feinem Vater-, den anderen von Si
grid, feiner·Schswägerin. bafti öff
nete er zuerst das Schreiben seines
Vaters-. Es lautete:
«Lietser BerndZ l
Aue- Deinem heute eingetroffenen
Telegramm ersehe ich, bog-Du nicht
gesonnen bist, Deinem chroie eri
vater die letzte Ehre zu erweisen
Die plötzlictåe Ertranfung Deiner
Frau, die — ich dieser Nachts-endigt
teit überhebt, tonnte jedenfalls nicht
gelegener kommen; denn wenn ich
auch annahm, daß Du Dich von
nichts anderem als etwa durch
eigene Krankheit abhalten lassen
durslest, unverzüglich zurückzuteh
ren, so sehe ich Doch vollkommen
ein, daß die Dinge, die Dich hier er
wartet hätten, zu den unerfreulich
sten gehören, denen ein Mann von
Ehre ausgeseht werden kann. Nie
ist die allgemeine Entrüstung über
ein Vergehen größer, und nie ist sie
berechtigter gewesen als am Sorge
dieses Mannes. Noch läßt sich die
Größe des Unheil-J nicht iibersrhen,
das der Geheiinrath Breitenbach
über viele Tausende gebracht har.
So viel aber ist nach der-. Vorgän
aen an der geutigen Börse doch
schon klar, da zahllose Existenzen
durch ihn zu Grunde getichtettvors
den sind.
Du erwartest von mir Einzelhei-—
ten; aver ich tann in diesem Augen
blick nur die glaubtoitrdigften der
Gerüchte wiedergeben, die hier im
Umlauf sind. Die Thais-schen seibst
sind in wenig Worten eezä !t. Eine
Stunde nach Ausgabe d heilte
genden Abendblattes, dao die ker
nichtenden Enthlliiungen über die
Paudelsbant und die von ihr ske
tiitzten VereinigtenBeras und Hitz
tentoerle enthielt, fand man Brei
tenbach mit durchschofsener Schlafe
todt aus dem Teppich seines Ar
beitszimmero im Bantgescäude ani.
Der Zusammenhang seiner Ver
zweiflungothat mit jener Veröf
fentlichung steht außcr Zweifel.
ute Morgen schon wußte man
überall. daß er durch das Erschei
nen des Artilelz keineswegs über
rascht worden war, sondern, daß er
von dem Inhalt des-selben schon vor
mehreren Tagen Kenntniß gehabt.
Der ArtiteL dessen Angaben all
gemein fiir richtig gehalten werden,
t naturgemäß ungeheures Aus
ehen er:egt. Er beweist ja, daß
die angeblichen Erfolge der Bee ·
nigten Bera- und Huttenwerte le
diglich Vorspiegelungen waren. da
rauf berechnet, den Kurz der Aktien
in die Höhe zu treiben und der Ge
schäftsleitung einen ungeheurenGe
winnanrheil zu sichern.
Die ungezählten Millionen zur
Weiterfiihrung der innerlich mor
schen Unternehmungen und zur
« hlung der abenteuerlich hohen
- ividenden aber flossen aus den
Rassen der Handels-baut deren et
ntliche Seele Breitendach war.
« as ganze mit höchstem Raffine
ment nufgebaute Syhstetn von Be
trügercien war ein zwischen ihm
nnd dem Direktor Roderoitz von
den Ber,- und iittenwerten abge
tarteteo Spiel. - ie beiden scheinen
in der That die ein igen wirklich
Schuldigen zu fein. Greitenbachift
todt, und sein Mitschultiger, Di
eettor Roten-in hat Zeit gefunden.
sich in Sicherheit zu bringen. Ei
ist festgestellt, daß der Geheiuttath
ihn vor drei Tagen telegraphif
aus Breslau zu sich berief und da
seitdem jede Spur von ihm verloren
ist. Alle diese Dinge waren ander
zeitigen Börse bekannt und sie
··hrten einen un eheuren Kurssturz
der Berg- und Hüttenattien herbei
Der Banterotti er Gesellschaft ist
unauzsehließlich, und er mu nach
Ansicht eines von mir be agten
Banters nothwendig auch den
Konkurs der handelsbant nach sich
sehen. Die Aktionäre dieses Jn
Äituts werden ebenfalls nicht viel ·
weniger als altes verlieren; und die
Konsequenzen für die breitesten
Schichten des Publitums sind, wie
gesagt, ganz unabsehbar. Die all
eineine Erbitterung ist ungeheuer.
« iemano aber tann diese Erbitte
rung mehr empfinden als ich; denn
niemandem hat er schöndicher mit
gespielt als uns. Jch finde tcin
Wort, unt feine Handlunasweisc
gebührend u bezeichnen. Zwei Tage
vor der Hochzeit feiner Tochter
schon wi: te er, daß sein Name
binnen kurzem gebrandntartt fein
würde. Und er erbetteite sich oon
dem Redakteur, der sein Schidsul
in der Hand hielt einen Aufschub
zu keinem anderen Zweck, als um
vorher das Ne znziehen zu können,
in dein man ich gefangen. Mit
lächelndee Miene spielte ee det:
glücklichen Brantvater, obgleich er
doch schon ist-jener Stunde zu dem
lehten Schritt entschlossenz Hei n
mußte. Es war ihm nicht genug«
sich selbst und feine Angehdtigen
mit Schmach bedeckt fu haben, auch
unt mußte er in delen Abgrund
von Schande nettes telpe n. Nun ist
es nwiliä fel ndlich, weshalb
t-«se net Tochter Mis
lich verdovve te, nnd westhd er
«
darauf betand, Dir flatt der in
en das apital zu übern-ei en.
· Summe sollte nicht nur die
Zukunft Deiner Frau, sondern
auch die feiner Wittwe und feiner
unverkirotheten Tochter Umstel
len. enn er fah voraus, aß man
fein Vermögen mit Beschtag belegen
würde, wie es nach meinen Infor
rnationen ja auch unzweifelhaft ne
fchehen wird. Darum nahm er Tit
das feierlich-e Versprechen ab, inf,
Du Dich im Fall der Noth fe:n-:r
übrigen Hinterbliebenen annehmen
würdest. Ich habe vorhin mit mek
nein alten Freund-, dem Jnfrizraty
Sattel-ins aus Potsdam, gespro
chen, und er Tat mir versichert, daß
die th.1rfiichlich bereits in Deinen
Besi übergegangene Mitgift Dei-·
ner z rau von keinem Negrefzaw
fptuch erreicht werden kann. Jn
dieser Hinsicht würdest Du also
volltornmen gesichert sein« Ich hielt
es nicht für überflüssig, Dir dies
ausdrücklich niiizutheilenz irn übri
gennber enthalte ich mich Jede-is
neaihes und jeder Liermiithung hin
sichtlich reifen, waaDu ieht zu thun
Mel-ließest Du bift alt genug, uni
selbst dei- richtigen Weg zufindei:.
Und ich brauche einemOffiziet nimt
zu sagen, daß der Schwiegerfohn
eines solchen Mannes den Rock
feines Königs nicht weiter tragen
darf. Daß Du fiir Deine Kamera
den and für« die Leute, an deren
Urtheil uns gelegen sein muß, bir
jctzt nur der Gegenstand aufrickti
sen Bedauerns bist. kann ich Dr
nach de: Erfahrungen die rnir
während derl ehten vierundzivan«z«g
Stunden beschieden waren, niit au
tent Gewiser versicheru. Ein Ge
aenftand der Verachtung würdest
Du ihnen erst von dein Augenblick
an werden, tvo Du zögerft, das
Band zu zuschneiden niit dein
Tucke and Arglist Dich iu fesseln
wußten. Jedenfalls erwarte ich
Deine fcsortige Erklärung denn
auch fiir mich ift der gegenwärtige
Zustand fehlt-er zu ertragen. l-;
war nichts als ein Zusalt, daß ich
ineine Heimreise nach Iiöcknitz ii:i;
vierundzwanzig Stunden verscho
ben hatte, und das-, die Kunde voi
der Kaiaftrophe mich infolge dessen
noch hier antraf. Nun aber werde
ich bleiben» bis Ecki Deine Antwort
erhalte· Die Wittwe ksreitcndaisa
und seine Tochter habe ih bisher
nicht gesehen; denn esift selbstver
ständlich, daß ich aellg vermeide,
wag den Anschein einer weiteren
Zufamnienaehörigteit ernseiien
könnte. Jch bedauere namentlich
das junge Mädchen von ganzen
lHerzen, nnd auch Maine hatte i.i.
keinen Antlxeil an der Schuld ihres-.
Vaterex Aber das Leben ist ern-r i
bittlich uitd die Sünden der Väter-«
werden nun einmal unnachsichtig
heimgesucht an den Kindern
Die nnbefleclte Ehre reines Na
mens muß mir jedenfalls höher
stehen als jede andere Rücksicht, und ·
der gegenwärtige Zeitpunkt ioiiie
wahrscheinlich niazt geeignet,
schwächlichem Mitleid aiichzugedets.
Sehr-eine mir sofort, andere
Deine Entfchliiffe und kehre unver
züglich zurück, auch wenn Du ge
nöthigt fein solltest, Deine Frau in
Stockholm allein zu lafien.
Jch tviirde es für eine Beleidi
gung meines Namens halten, wollte
ich noch einmal ausdrücklich an
Dein Ehrgefiihl appelliren. Ein
Degerndorf mufz in solcher Lage
immer wissen, was er zu thun hat.
Dein«Bater.«
Mit düfterer Miene harte Berisd
den Brief zu Ende gelesen, dann legte
er ihn beiseite und entfalteie das bei
efiigte Zeitun Sblatt mit dem ver
"ngni vollen rtitel, der fast eine
ganze eite einnahm und ihm alles
erlliirte, wag ihm in dem Schreiben
seines Vaters noch duntel und under
ftändlich geblieben war.
Er mußte die Entrüstung des
Obersten wohl begreifen. und doch
fiihlte er sieh von der Schreibweise fei
nes Vaters aufs tiefste verletzt. Kein
Wort der Theilnahme fin Malve,
nicht einmal eine Ertundigung nach
ihrem Ergeben! Das f ien ihm hart
und un erecht. Und w er Ie t den
langen Brief noscb einmal ii rlas,
wurde es ihm zur Gewißheit, daß sich
zwischen feinem Vater und ihm mit
diefem Ereigniß eine tiefe Kluft auf
gethan, über die hinweg es schwerlich
eine Verständi ung geben winde. ·
Dann griff rnd nach dein zweiten
Brief und erbrach ihn. Es liber
rafchte ihn fast, da die zierlichen
Buchstaben fo feft un energifch wa
ren, als hätte die Brieischreibeeiii fie
im ruhigsten Gemüt uftande auf
das Papier ebannt. nd auch das
vertraultehe u der Anrede berührte
ihn eigenthiimli , denn das war das
ecfternal, daß igrid fiih desselben
bediente. Am Vorabend feiner Doch
zeit eeft atten fie, das vertrauliche Du
geirret-hieb während es zwischen ihm
und einen Schwiegereltern eltfainer
weise auch noch am hochzeitstage bei
dem steifen, förmlichen Sie geblieben
Mat.
Statid lehrt-b
»Liebet Schwageri
Dein eben eingetroffenee Trie
gtaknm hat mich sehr erschreckt Um
Gottezwillem was isHs mit MalveZ
Sie muß seht krank sein, wenn sie
in einem solchen Au enblick ihrem
Elternhause fern bletbt Schreide
misr bitte gleich, was ihr fehlt, und
swrhehke mit nichts. Denn es gibt
in unserer ge enmärtigen Lage iser
schrecklichen ngewißheit schon so
viel, daß ei grausam wäre, sie ohne
Noth noch unt eine weitere zu vers
mehretr. Undadeessite das Tele
IRS-verständnis.
) Frau: »Du bist also gefieer erst wieder um ein Uhr aus der Kruste
»gewmmen! Wie man nur daran Gefallen fikxden kann!« « , »
; Mann: »An dem Nachbausegehen Hab’ ich auch gar sucht behaupte-IT
l
gransen oder den Brief jedenfalls an
mich und nicht an die Manier. Denn
von ihr muß jede neue Aufregung
auf das Aengftlichfte fern gehalten
werden. Sie ift unter dem entsetz
lichen Schlage vollftändig zufam
menqebrochem Die heftigften Vet
zweiflungsnuöbriiche wechfeln mit
Zuständen tiefster Apathir. Sie
tann sich um gar nichts tünimern
und auss, wag gethan werden muß
in der uns betroffenen Familien
tragödie, liegt auf mir. Ich wotite
ja auch gerne altes thun, wenn ist
nur nicht to unerfahren wäre nno
wenn ich nur einen einzigen Meu
schen hätte, bei dem ich mir Naiv
holen könnte. Aber es giebt nie
wandern Von alt unseren viele-:
Freund-en hat sich bis jetzt nichten-.
einziger blicien lassen. Wenn je
mand tara-un ist ec- frckzer ein Offi
zier vor-. der Poiizei, ner allerlei
Fragen zu stellen wünscht und dei
ich nur mit Mühe davon ·zukiick:
halte, bis- zu der armen Mama vor-»
zubringen Briefe freilich tornmenj
rn )5u!le, Acutzerungen dist- Einerlei-III
und gewundene Entsaxuldägunaenti
daß nan aus diesem oder jenrn:«
Grunde verhindert lei, sich periöii l
lich einzufindem Auch Zuichriften
ganz anderer Art sind unter ihn-n,
grauianre Veiefe voll Taf-, nnd Ver
wünschungen. Jch ha e mir vorg
nornmen, überhaupt Feine-r Inelrr zu
lesen, denn es ist doch nothwendin
daß ich- einen llaren Kopf behalte
und mich ron all dem Schrecklichen
nicht ridersoältiaen lasse. Wenn iii
nur darüber beruhigt fein kann,
daß Malves Kranlhert teine aes
fährliche ist, will ich ganz zufrieden
damit sein« daß sie all dies Fürch
terliche nicht hier zu durchleben
braucht. «
Ich verlasse das Haus natürlich
so tvenia tvie irgend möglich, aber
ich höre von den Dienstboten, wie
die Leute draußen sprechen, und ich
habe es auch deutlich genug heute
in der Zeitung lesen lönnen Das
ist ia-rielleicht das Hör-teile von
allem, aber ich sage mir immer
wieder, daß ich um der armen
Mann-r willen den Muth nicht der
lieren darf. Wenn sie auch mich
fassungslos sähe, toiirde die Ver
toeiflung re ja vollends-«- aufreiben.
on man m, ans dessen Freund
schaft wir wohl hätten zählen dür
fen, thut mir's ja weh, daßer uns
ietzt im Stiche läßt. Aber dann
kommen auch wieder Augenblicke,
wo ich mir lage, daß es so ans
besten ist. Ein Leid wie das unsere
kann doch durch freundliche Trost
rvorte nicht gelindert werden, das
muß man eben aushalten und muß
sich an der Gewißheit aufzurichten
uchen, daß doch tdieder bessere
Tage lonirnen miiqqem Die Padiere
und Brieffchalen apas find heute
amtlich ver-siegelt worden. Die Be
amter-, die das zu besorgen hatten,
sind ja mit der größten Schonung
und Rücksi tnahme zu Werte ne
aanaen. A er es war doch schreck
ticher, als ich Tir’s schildern kann
Und ich danke Gott, daß Malve ers
nicht mit ansehen mußte. II;
glaube, sie ist in manchen Dingen
weniger widerstandsfähi; als ich.
Jch muss aufhören, oenn ei itt
schon wieder jemand da, derManm
zu sprechen verlangt Und es ifA
ja auch gar nicht meine Absicht ges
weten, Dir etwas vorzutlagen
Gieb mir sofort Nachricht und lat,
mich wissen, wenn Ihr voraus-sticht
tich zurückkehren werdet. So lange
Malve noch teidentzith muß sie der
Unruhe und den Aufregungen, die
ihr hier nicht erspart werden tön
nen, jedenfalls fern bleiben.
Jn ichwettertichee Liebe
Sigm-.
.S. Papa hat kein Wort veJ
A chieds zurückgelassen weder für
Manu, noch stir Matve oder mich.
Als er uns verließ, um in sein Bu
reau zu geben« war et zwar ernst,
aber ganz ruhig und unbefangen
wie immer. Was auch immer die
Leute von ihm tagen mögen-es
wird :ni:h nicht an meiner Ueber
zeugung irre machen, daß er nur
ein Opfer unglücklicher Verhältnisse
war. Gott verzeihe denen, die ihn
dazu getrieben. Ich werde ihnen
gewiß niemals verzeihen, denn iie
haben unieren Vater in den Tod
geltievcn.«
Während er diesen Brief-las« hatte
Betnd seine anmuthige Schwiigerin
fast greifbar deutlich vor Augen ge
habt und es fiel ihm ichs-sey sich vor
zustellen, daß dieses übermüllzige,
lebensluslige, junge Geschöpf und die
Schreikerin des iapfeten und efaßlen
Briefes eine nnd dieselbe Ver-fort sein
sollten. Jn das Gefühl tiefen Mil
;cids, das er fiir sie hegte, mischte sich
eine Empfindung ehrlicher Bewunde
rung und zugleich eine Regung des
Zorne-s iibet das herzloie Pharisäer
lhnm seines Vaters, der ichutzlofe
Frauen die Schuld des aus dem Lesen
gefliichteren Fünlilienhaupies entgel
ten ließ. Der Brief feines Vaters
irollte ihsn ietzt noch härter erscheinen
als zuvor, und immer unabweis
barer drängre sich ihm die Frage aus«
Oder denn wirklich berechtigtieL hier,
iro seine Anwesenheit doch riemandem
von Nutzen war, unthätig zu verhar
ren, während dadeim eine lranke dTun
und ein unerfahrenes Kind ohne ilfe
und Beistand den furchtbaren Kampf
Je en die Uraulamleiten der Welt
in ren mußten.
Noch hatte er sich nicht zu einein
Entschluß aufgerafft, als einBedien
steter der« Hotels ihm meldete, daß
vom itrankenhause aus :elephonisch
nach ihm gefragt worden fei. Man
träte um sein baldigeg Erscheinen.
Bernd beeilte sich, diesem Rufe zu
folgen. Jn höchster Aufregung er
reichte er das Krankenhaus-z denn er
meinte nicht anders, als daß feitsei
ner vor etwa zwei Stunden erfolgten
letzten Nachfrage eine plötzliche Ver
schlimmerunq in Malves Zustand
ein etreten ein müsse.
« och schon die ersten Worte des
Arztes nahmen ihm die Last dieser
tödtlichen Angst vom Herzen.
»Wir tiefen Sie auf den ausdrück
lichen Wunsch Jhrer Frau Gemahlin
Die Patientin hat das Bewußtsein
wiedererlangt und bestand darauf.
Sie zu iehen.Jch bitte Sie allerdings,
die erste Unternde so kurz als
möglich zu halten on einer eigent
lichen Besserung iann trotz dieses giiizs
stigen Symptoms in dem gegenwaetis
gen Stadium der Krankheit noch nicht
die Rede sein. Und jede Aufregung
ist deshalb nach Möglichkeit zu ver
meiden.«
Man führte Bernd in Malt-es ins
n:er, und er nahm seine ganze rast
zufammen, um die Thränen zurückzu
dränaen, die ihm heiß in die Augen
steigen wollten, als er sich dem LaEger
seines sunsigen Weibes näherte. rst
setzt wo mit offenen Augen dalag
und ihn durch ein mattes in seiner
Gez,e ngenheit unbe chreihlich ergrei
fen sLiicheln zu tro ten suchte, wurde
ihm die Veränderung in ihrem Aus
fehn völlig bewußt.
Er wollte sprechen, wollte sie mit
einem unbefangen und etmuthigend
tlingenden Wort begrüßen: aber es
blieb ihm in berstet-le stecken Und al
les, was er tlnm konnte, war, emßek
net-en demBette niedertniete und die
nie-it auf der Decke liegende, schnee
weiße Hand mit feinen Flüssen be
breite.
»Sei matt-ich Vernd,« fliisteeie sie
ihm zu, »Du Mystik-, es geht miejo
auch schon viel besser. Und ich bin
to glücklich, Dich wiederzusehen.«
Daß sie es war, die ihm Muth zu
sprach, etsiillte ihn mit Befchltmung.
Er richtete sich auf, und indem-et die
tleine Hand festhielt, die von Zelt zu
Zeit in der seinigen zuckte wie ein ge
fangenes Vögelchen, ließ ee sich auf
den Stuhl nieder.
lsFortsesnng folgt.)
Umsonst wirst ds: die besten Wiss
ma .
Bringt man nicht auch die Neigung
sitt sum Lachen.