Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 18, 1906, Sweiter Theil., Image 10

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    Plale Mitgift
Roman von Gurt Yaruwdorf.
--s--·---s— --
(4. FortsehungJ
Der Zeitpunkt, an welchem Frau
Breitenbach dieser sie in hohem Maße
beuan igenden Anforderung Folge
leisten onnie, trat ehr bald ein. Ein
lester euriger Galopp hatte den Ball
os izie beschlossen und nun gab es
auch für die unermüdlich junge Welt
nichts mehr, das sie noch hier zurück
ehalten hätte. Dem Obersten, der
iet- ebensalls hatte verabschieden wol«
len, rannte der Geheimsrath jedoch zu:
«J bitte Sie herzlich, noch eine
kurze eit zu bleiben. Jch möchte mit
Jhnen und unserem lieben Sohn noch
etwas Wichtige-Z besprechen.«
Eine Viertelstunde später befanden
sich die drei Herren allein in dem Ar
beitsgmmer des Hausherrn, demsel-(
den anme, in welchem der Geheim
rath kurz vorher dem Direktor Rode
tvitz von den Vereinigten Berg- und
Hüttenwerken das Geld ur Flucht
egeben hatte. Bernd von egerndors
Zstte seiner Verlobten, die morgen sein
eib sein sollte, bereits »Gute Nacht«
gewünscht Mit einem langen, wonne
truntenen Blick hatten sie sich verab
schiedet. Seine Gedanken weilten
auch fest bei Malve, und er sah nichts
als ihr aus dem Schreibtisch des Ge
heimraths tehendes Bild, an dem un- 1
verwandt seine Augen hingen. Er ;
Pörle taum, was Gerhard Breitenbach l
pktzckk , » , « 4
um so alljllletl amet aber war ver
Oberst. Jn der « iefe seines Herzens
regte geh bei jedem, auch dem gering
fügig en Anlaß das unüberwindliche
Mißtrauen, das er seiner Erziehung
und seinen Anschauungen nach dem
Geheimrath entgegenbrachte Diese
nsichtige Unterredung in so später
nächtlicher Stunde mußte natürlich
eine sehr triftige Veranlassung haben,
und der Freiherr hatte sich in der Be
sorgniß, überrumpelt zu werden, so
fort wieder in den Panzer einer eisig
höflichen Zurückhaltung gehüllt.
Seine undurchdringliche Miene
machte es Breitenbach schwer, den
re ten Ton siir seine Mittheilung zu
sin en. Aber nach der furchtbaren
Probe, aus die seine Selbstbeherri
schung an diesem Abend schon gestellt
worden war, bedeutete die-«- nur eine
geringe Anstrengung «
»Ich muß rnn Verzeihung bitten,
lieber Herr Oberst,« begann er, »daß
ich Sie noch um eine weitere Viertel
stunde Jhrer wohlverdienten Nacht
ruhe bringe. Aber wer weiß, ob wir
morgen Zeit finden werden, die An
elegenheit zu erledi en. Es drängt
ich da in die kurze panne von we
nig Stunden ja so vieles zusammen:
Standesamx kirchliche Trauung, das
kleine Familiendejeuner— und schon
um vier Uhr will sich unser junges
Paar aus die Reise begeben. Da wer
den wie mit Minuten rechnen müssen.
Und es ist auch wohl nicht angebracht,
morgen von Angelegenheiten finan
zieller Natur zu reden.«
Er machte eine kleine Pause. als
erwarte er ein paar Worte höflicher
«uftimrnung von seinen Zuhörern.
bet der Oberst saß steif und zuge-»
knöpft vor ihm, während der Oberst
leutnant noch immer mit weltabge
lehrtem Blick nach Malt-es Bildnißl
schaute.
So mußte sich der Geheimrath
denn entschließen, fortzufahrem
»Als ich mich bereit erklärte, Ihnen,
lieber Sohn, die Zukunft meines Kin
des anzuvertrauen, haben wir die
Frage des Heirathsgutes ja schon er
örtert. Da Sie kein Geschäftsmann
sind, dem der Besitz eines größeren
Kapitals Nutzen bringen könnte, hieit
ich es damals ür das beste, Ihnen
einen jährlichen uschuß von zwan ig
tausend Mart zur Verfügung zu zel
len. Aber ich bin inzwischen anderen
Sinnes geworden. Die wirthschastli
chen Katastrophen der lex-en Zeit; die
auch an unserem Bantin itute nicht
Fnz spurlos vorübergehen tononten
ben mich nachdenklich gemacht. Wer
ein Vermögen arbeiten läßt, w« ich.
kann niemals wissen, was zwi chen
zute und morgen geschieht. Darum
n ich nach reiflicher Erwägung zu
dem Entschluß gelangt, Ihnen statt
der Zinsen doch lieber gleich das Ka
ital zu verschreiben. Und da es
schließlich gleich ist, ob Meloe ihr
Erbtheil schon jetzt oder erst nach mei
nern Tode erholt, habe ich dies Kapi
tal aus eine Million erhöht. Sie
gaben wohl uichtg dagegen einzuwen
en?«
»Natürlich nicht,« erwiderte Bernd
lachend. Daß meine Frau so un
menschlich reich sein wird, kann mir
ja nur willkommen sein.«
Der Oberst ließ ein eigenthiimliches
Mäuser hören, und da Breitenbach
ihn ragend ansah, Lagte er:
»Im Grunde ist iesxa eine Ange
legenheit um die ich mich nicht zu
Lämmer-i hätte. Da Sie aber meine
Geg enwart bei dieser Untertedung
onsgdtiicklich gewünscht haben, ist es
mir vielleicht auch gestattet, eine Be
merkung zu machen.
Der Geheimroth uickte zustimmend.
Das Ko ital, von dem Sie soeben
Mu, beentet unsiesähe eine Ber
types-un Ins-»der bisher us Auge gefa
MUUIM Und Sie sagen sel
— Vermögen arbeiten la
kIs m. sie othsk ZW
ILIns-It so stoßen
sSumme berauben, müssen dafür mei
nes Erachtens ganz besondere Gründe
vorliegen. Und weil es immer guiist,
vollkommen llar zu sehen, würde ich
hnen für eine Mittheilung dieser«
stünde dankbar sein.'·
»Ich glaubte, mich bereits hinrei
chend deutlich ausgedrückt zu haben.i
Jch wünsche die Zutun t meiner Toch- s
ter ein für allemal icher zu stellen»
Das ist alles.«
»Sie würden das ihr zugedachte!
Vermögen in den Händen meines
Sohnes also sicherer"« glauben als in
Jhren eigenen Z«
Breitenbach zwang sich zu einem
Lächeln. .
»Verzeihun, lieber Herr Oberst,
das ist eine Frage, aus die sich nicht
so kur weg mit Ia oder nein antwor
ten lii t. Natürlich stehe ich im Prin
zip auf dem Standpunkt. daß man
m- Kapital am sichersten immer ielbit
bewahrt. Aber so ganz im thihum
find Sie mit Jhrer Vermuthung da
rum doch nicht. Und ich hoffe, Sie
werden mich nicht mißversiehen, wenn
ich ganlz offer bin. Als Vorsitzender
des 9ufichtsrctthks eines großen
Banlinstituts habe ich die Last einer
schweren Verantwortlichkeit zu tra
gen. Die Möglichkeit, aus Grund ge
setzlicher Bestimmungen mit meinem
Vermögen theilweise in Anspruch ge
nommen zu werden. liegt immer vor.
eDnn auch der Gewissenhafteste bleibt
der Gefahr ausgesetzt, menschlich zu
irren. Und ich wäre überdies nicht
der Mann, mich meiner Verantwort
lichkeit zu entziehen«
»Ich würde« Jhre Vorsicht für über
trieben halten, wenn meine geringe
Kenntniß der einschlägigen Verhält
nisse mir nicht jedes Urtheil verböte.
Allerdings muß ich gestehen, daß der
Von Jhnen belleidete Posten unter sol
chen Umständen für mich wenig Ver
’lockende5 haben würde. Aber das ist
ja nicht meine Sache. Nur eines
noch: Haben Sie auch fiir die Zutunst
Jhrer unverheiratheten Tochter in
gleicher Weise vorgesorgt?«
»Das ist nicht wohl angängig Und
bei normalem Verlauf der -in»ge ist
es ja auch nicht nothwendiq. Sollte
aber gegen alle menschliche Vorauåsicht
jemals der Fall eintreten, den ich eben
andeutete. so werden meine Frau und
Si rid ja nicht allein und hilflos
dasgehen Sie werden allezeit auf
Sie zählen können, lieber Sohn —
dessen darf ich mich doch versichert
halten«-«
»Formen Sie im Ernst, daß ich
auf diese Fira e antworte?« sagte
Beend. »Jhre Familie ist von morgen
an auch die meinige und die SYvester
meiner Frau wird auch meine Schwe
fter sein«
Der Geheirnratlk streckte ihm sicht
lich ergriffen die Hand entgeaen.
»Mehr verlange ich nicht. Ich danke
Ihnen. Und so hätten wir denn auch
das glücklich erledigt. Um die For
malitäten brauchen Sie sich nicht wei
ter zu kümmern. Das Banthau5,
dem ich morgen das-Kapital überweise,
wird Jhnen eine entsprechende Benach
richtigung zukommen « lassen.«
Der Oberst war ausgestanden und
Lie beiden anderen folgten feinem
Beispiel. Man nahm freundlichen
Abschied von einander und Breiten
bach gab ihnen bis an die Treppe das
Geleit.
Unzufrieden darüber daß er sich
durch die Fragen des cbcrsten und
vor allem durch den unbequemen for
schenden Blick feiner scharfen Augen
bis zu so wichtigen Aeußerungen hatte
hinreißen lassen, kehrte der Geheim
rath in sein Arbeitszimmer zurück,
um mit rascher Feder noch einige
Briefe u schreiben. Mitten in dieser
Thäti eit aber befiel ihn plötzlich
eine o lähmende, bleierne Müdiateit,
daß die Buchstaben vor seinen Au en
verschwammen und daß er genöt tgt
war, die Feder nieder ule n. Mit
schier übermenschlicher rat hatte er
ch so lange aufrecht erhalten; nun
aber war er am Ende feiner Selbst
bcherrschuag angetan t. Er ühte
den Kon in beide hän und prach
halblaut vor sich hin:
»Und nun noch einen ganzen Tag
so wie heute. Es ist mehr, als ein
Mensch ertragen tann.«
Ein Geräusch in seiner Nähe ließ
ihn aussahrcn. Mit verstörter Miene
fah er sich um, und seine Brauen zo
en sich zornig zusammen, als er seine
Frau erblickte.
»Was willst Du?« Luhr et sie un
liebenswiirdig an. » u weißt, daß
rnir nichts so verhaßt ist als eine un
williommene Störung. Und Du stehst,
daß ich noch zu arbeiten habe.«
»Das konnte ich nicht vermuthen,
Gerhard,« erwiderte die blasse Frau
in ihrer sich stets HWEleibendenz
freundlichen Wer . » ach einem sol
chen Abend! erwartete Dich im
Schlaszimmet, a r da Du gar nicht
kamst, ließ es mir keine Ruhe. Jch
wase bei Stgrid. Das arme Kind ist
nicht zu trösten. Jch habe mich ver
gebens bemüht, sie zu beruhigen.«
Breitenbach machte eine abweisende
Bewegung.
· »Ach, sie wird sich xchon trösten! Sol
ein her ensiummee at bei einem so
jungen iibchen nicht viel zu bedeu
-ten. Wenn Du mich nur deshalb ge
störtisst —«
I »
! Nimmst Du et ni t doch u leicht,
åGerhardi Jch habe gigrid sit heute
Ijsr ffiit ein Kind Behalten Aber in
die er Stunde ha e ich erlannt, daß
sie es nicht mehr ist. Und sie hat
einen so entschlossenen Charakter.
Wenn Du aus Deinem Widerstande
hehaerst, ist sie fähig, uns auf und
davonz u gehen«
»Was site Narrheiten sind dass«
brauste er auf. »Das ist die Folge
Deines ewigen Romanlesens, daß
Du Dich von den kindischen Redens
arten eines unerzogenen Bockfifches
einschiichtern läßt. Wohin sollte sie
denn geheg? Fu dem Leutnant von
Malsfeid etwa «
»Nein, daran denkt sie natürlich
nicht· Aber sie spricht davon, daß sie
ihr Brod selbst verdienen, daß sie ir
gend einen Beruf ergreifen will, der
sie sreiu nd unabhängig macht. Und
eigensinnig wie sie ist, wäre sie wohl
imstande, ihren Vorsak auch auszu
führen.«
»Nun, so la sie es in Gottes
narnen thun. ahrscheinlich haben
wir sie set-on viel u lange spazieren
reiten und Tennis spielen lassen. Und
nun laß mich in Ruhe. Jch habe den
Kopf wahrhaftig hinlänglich voll von
ernsthafter-en Dingen.«
Er nahm an, daß sie sich auf diesen
unzweidcntigen Wunsch hin gehorsam
wie immer entfernen würde, und griff
wieder zur Feder.
Mit einer heftigen Bewegungl fuhr
er von seinem Schreibstuhl auf, als
er sie statt dessen nach Verfan einer
Minute sagen hörte:
»Was hast Du denn eigentlich gegen
Herrn von Malsseld,« Gerhard? —
Bist Du nicht der Meinung. daß et
einen ebenso guten Ehemann abgeben
würde wie Tegerndorf?«
»Was ich gegen ihn habe?" ries er,
in seiner nervosen Ueberrciztheit jede
Rücksicht vergessend. »Daß er binnen
heilte und·drei Tagen aus freien
Stücken wieder zurückgetreten sein
würde, wenn ich wahnsinnig genug
gewesen wäre, jetzt meine Einwilli
gung zu geben — das ist es, was ich
gegen ihn habe.«
»Mein Gott, wie erreat Du bist!
——— Können wir denn nickt in Ruhe
darüber sprechen? Weshalb hätte Herr
von Malsseld zurücktreten sollen? —
Er ist doch ein Mann von (5hre.«
»Vielleicht eben deshalb. Und nun
sracåee mich nicht weiter. Jrh bin nicht
in r Stimmung, ein Verhör zu be
stehen«
»Wie magst Du es so nennen, Ger
hard, wenn die Sorge um das Glück
unseres lKindes mich treibt, einek rage
an Dich zu richten. Jch verstehe eine
Worte nicht, aber wenn es Dir so
lästigish will ich nicht weiter in Dich
dringen. Denn ich weiß ja, daß Tu
Sigrid nicht weniger liebst als ich
und daß Deine Entschließungen ge
rriß wohl überlegt sind. Nur um et
was anderes möchte ich Dich noch bit
ten. Und sei mir deshalb nicht böse
— es ist ja das erstemal, daß ich von
Dir verlange, als Deine Frau auch
fie Vntrauie Deiner Sorgen zu
ein.«
»Die Vertraute meiner Sorgen?
Was, um des Himmels willen, soll
das heißen?«
»Ich weiß, daß Dir etwas ans dem
Herzen liegt. Zeit gestern schon habe
ich es bemerkt. Du machtest durch
Deine scheinbareHeiterteit die anderen
darüber hinwegtäuschen; ich aber
tenne Dich besser, Gerhard! Und ich
habe in diesen vierundzwanzig Stun
den mehr als einmal aus Deinem G-e
ficht elesen, daß ein schwerer Kum
mer ich bedrückt.«
Breitenbach war auss äußerste
überrascht. Da diese Frau, der er
sich in seiner ra tlosen Jagd na dem
Golde seit langem sasi ganz entrun
dethatte, so liebevoll in seiner Seele
zu lesen verstand, mußte ihn verwirrt
machen. Wie er selbst sich lauin noch
um sie lümnierte und ihre ewige
Kräntlichleit nur als etwas Verstün
inendes empfand, so sege er auch bei
ihr vollkommene Glei iilti teit für
sein Jnnenleben voraus. Da er sich
darin getäuscht haben sollte. verdroß
ihn im ersten Augenblick mehr, als-es
ihn rührte.
»Dein Scharsblick ist ja höchst wun
derbar,« sagte er mit einem Anslu
ron Sartasmus. Eber wenn is
wirklich ernste Sorgen hätte, weshal
sollte ich mit Dir darüber sprechen?
Du würdest sie nicht einmal verghem
am allerwenigsten aber würdest sie
mir abnehmen oder erleichtern tön
nen.« -
»Und iftes nicht schon eine Erleich
terung, Gerhard, ich offen ausspre
chen zu tönneni ch habe mich Dir
niemals aiifgedriingt, denn ich weiß
wohl, daß Du mich iir zu gering
halth mich in Deine orgen einzu
weihen. Aber ich habe manchmal fehr
schmerzlich darunter gelitten. Und
jeßt, ivo ich die sichere Empfindung
gab-» daß etwas sehr Schweres auf
.-.-ir lastet, jetzt bitte ich Dich von an
em herzen, laß mich zum erften al
in Wa rheit die treue Gefährtin Dei
nes Le ris fein. Wenn ich Die nicht
helfen kann, will ich das Schlimme
»doch mit Dir tragen. Und Du darfst
mir glauben, daß es fich dann leichter
trägt.«
Vielleicht war niir feine nerviiie
Abspannung f ld daran, daß i re
Worte und no mehr der innige, f e
hentliche Klang, mit dein sie gespro
· n waren, ihm nun doch eigenthiiins
l ans Herz ifgm Er sah fein
Hieb gealtertei · mit anderen
u en an, als feit langer Zeit. Und
in einem Innern regte es sich wie eine
vorwiiefsvolle grase, ob sie nicht viel
leicht nur des lb fo fchnell verblülpt
irae, weil er sie schon nach dein ersten
Jahr ihrer Ehe tinniee Ernte tin
,
Schatten stehen lassen. Eine Weich
heit, die ihrn sonst ganz fremd war,
wollte ihn überiommen. Ilnd er war
nicht sehe weit davon entfernt,·« ihr
wirklich sein belümmertes erz aus
zuschiitten Denn daß es au er jenem
Mitfchuldi en, dem er vorhin zur
Flucht oeräolsem niemanden Fab, mit
dem er über das drohende » erhäng
niß reden konnte, machte ihm seine
furchtbare Situation gewiß nicht leich
ter. Aber die Anwandlung ging doch
,schnell vorüber, ohne daß er ihr un
terlegn war. Und er schalt sich im
Stillen einen Thoren, daß er nahe da
ran gewesen war, sich von einem
Weibe umstimmen u lassen.
»Wenn die Welt fo beschaffen,wöre,
meine liebe Katharina. wie sie sich in
Deinem Kopfe malt, so könnte ich al
lerdings gar nichts Besseres thun. als
mich mit Dir des langen und breiten
über meine geschäftlichen Angelegen
heiten zu besprechen. Jch bin sicher,
daß Du eine Menge schöner Worte in
Bireitschast haben würdest, mir meine
Sorgen auszureden und mir im übri
aen zu ve.sichern, daß alles Mißge
schick nur ein Kinderspiel sei, wenn
man sich dabei so recht lieb hat. Aber
die Wirklichkeit sieht leider etwas an
ders aus. Da lomint man mit leeren
Phrasen auch nicht um einen einzigen
Schritt weiter. Lassen wir’s also lie
ber beim alten. Wenn Du Dich Si
grids annehmen und dafür sorgen
willst. daß sie uns nitch durch irgend
eine Thortieii Malves Hochzeitstag
stört, so hast Du alles gethan, was
Deine Frauenpslicht ersordert.«
Nun erwiderte sie nichts mehr, son
dern ging still mit gesenktem sion
hinaus.
Die Müdigkeit des Geheimraths
aber war vdllig verslogen, und bis
zum Morgengrauen saß er sinnend
und zeitweise emsig schreibend an sei
nem Arbeitstisch
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6. K a p i t e l.
· Jn einer Fensternische im Speise
taah des Grand Hotel zu Stockholm
saß Bernd von Degerndorf mit seiner
jungen Frau am Frühstüdgtisch Nach
langer Fahrt waren sie gestern Abend
in der schmediichen Hauptstadt, der
heutige Takt sollte der Besichtigunxj
Fer ssehengwiirdiakeiten gewidmet
tun
Bernd, der in seinem grauen Reise
anzug ebenso stattlich und imponirend
aussah wie in der Uniforni, strahlte
tsor Glück. Auch Malve war in ihrer
holden Verwirrung von entzückender
Lieblichkeit, aber ihre Wangen waren
aussallend bleich und das zärtliche
Lächeln, mit dem sie die leuchtenden
Blicke ihres Gatten erwiderte. hatte
etwas eiaenthiimlich Miidss und Ge
zwungenes. .
Sie hatte es bis jetz tapfer verbot-i
gen, daß sie sich schon seit dem Mor s
.aen ihres Hochzeitstages nicht recht?
wohl fühlte, aber die schwere MattiasJ
teit im Ron und Gliedern, mit der sieI
an diesem vorgestrigen Morgen aus.
unruhigem Schlummer erwacht want
lastete heute aus ihr mit so dumpfem, i
sast unerreiiglichem Druck, daß sie;
fürchtete, nicht lange mehr einGeheim: l
niß daraus machen-zu können. I
Waren doch die Geschehnisse derz
beiden letzten Tage sast wie im Traum ;
an ihr vorübergegangen. Die Freier
lichieit in der Kirche« von der re ei
gentlich nichts anderes im Gedächtniß
behalten hatte, als die letzten Segen-ös
worte des Geistlichen und das herz
brechende Schluch en ihrer Schwester
——— das turze, auf einen sehr tleinen
Kreis von Theilnehrnern beschränkte
Mahl, nnd dann die lange, lange
Eisenbahnsahrt vereinigten sich in«
ihrem Geiste u einer Fülle wirrer
und untlarer Eindrücke, deren Einzel
heiten sich aus eine seltsame Weise ver
mischten. Sie hatte wohl sreundlich
enickt undh ier und da ein Wort der
ewunderung geäußert, wenn Bei-nd
sie aus die malerischen Schönheiten
der endlosen, schwedischen Wälder, der
froßern stillen Seen und der anmu
higen Dörser mit ihren kleinen, roth
gestrichenen Häusern ausmertsam ge
macht hatte. aber es war kaum etwas
davon greisbar lebendig in ihrer Erin
nerun haften geblieben. Todmüde
war re nach der Antunst im hotel
aus das Lager sunken und nur mit
Anstrengung ha te sie sieh heute erhe
ben und ankleiden können. Noch im
mer war sie se entschlossen, ihren
ungünstigen Ge undheitizustand vor
Ver-nd zu verheimlichen. Au seine
durch ihr leidend-Z Aus hen ever
eru enen Fra en hatte e immer eine
ru igende twort gesunden und
bit t war es ihr auch gelungen,
ihn zutiiuicheeu
Er kannte die Stadt ebensowenig
wie sie selbst, und war nun eifrig da
mit beichiistigt, nach dem Reiseband
buch ein Programm für den heutigen
Tag zu entwerfen. Malve ziztterte bei
dem Gedanken an die Strapazen, die
ihr bevorstanden. Schon das Glitzern
des breiten Stroms über den vom
Fenster des prächti gelegenen Hotels
aus derBlick dahin chiveifte, das Pfei
sen der kleinen, bli i nell über die
Wassersläche dahins ie enden Dam
pfer, das Leben und Treiben aus der
mächtigen Nordbriicke that ihren Ner
ven weh. Aber Bernd war voll Ent
ziicken über die ersten Eindrücke, die er
von Stockholm empsangen, und voll
fröhlicher Erwartung dessen, was
ihnen an Sckzönbeiten der Natur wei
ter bevorstan , dak siees nichts übers
Herz gebracht bät e, ihn durch eine
Bitte um Schonung u enttäuschen.
Berettnzillig stimmte re allen seinen
Borschlekgen Zu und auf sein Zureden
zwan e ggar. etwas von den
auzge ragenen perer zu nehmen
un trat einer der Kenner an ihren
Tisch heran.
Die lohnt-use Tom-.
dåSagen Sie, Kutschen ist die Tour nach Schloß FAMIer WH
nen "
,,"’5reili’ —- da hab’n wir ja doppelte Tax’!«
»Herr Bei-nd von Degerndors9«
fragte er in deutscher Sprache. Und
als der Freiherr erklärt hatte, der Ge
suchte zu sein, reichte der Kellner ihm
ern eben eingegangenes Telegramm.
»Es wird noch ein verspäteierGliicl
tvtinsch sein," sagte Bernd, »oder ein
Gruß von zu Haus«
Damit hatte er schon die Depexche
erbrochen und ihren Inhalt über los
gen. Molve glaubte wahrzunehmen,
daß sein Gesicht einen Ausdruck der
Bestiirzun annahm
»Wa·5 ist es, Bernd?« fragte sie er
schckroåtem »Doch teine schlimme Nach
ki -t.—««
Er beherrschte sich, doch das sorg
lose Lächeln lehrte nicht aus sein Ant
litz zurück. Indem er das Blatt rasch
usammenfottete und in die Tasche
steckte, erwiderte er ruhig:
»Nichts, das Dich beunruhigen
müßte, mein setz! Etwas Dienstliches
rson meinem ommandeur. Aber ich
werde sofort oben aus unserem Zim
mer eine Antwort niederschreiben
zmiissen Willst Du mich aus zehn
zMithtten entschuldigen, mein Lieb
Una-«
. Sie war nicht ganz beruhigt, denn
das Hastiac und Gezwunaene in sei
inein Benehmen lonnte ihr nicht ver
horan bleiben.
»Du wirst mich nicht lanae allein
lasten, nicht wahr?'·
»Gewiß nicht. Jch bin gleich wir
der dir-«
Er aiiia kastig ohne den Fahrstuhl
zu benutzen, iiach seinem Zimmer. Da
aber rißer das Telecramm noch ein
mal au: der Tasche und starrte aiis die
wenigen inhaltsschweren Worte, ais
wäre es ihm tauni möglich, ihren
Sinn zu fassen
Und doch waren sie klar nnd ver
fiiindlich genu -
»Papa schwer erkrantt Eure
Anwesenheit drinaend nothwendia.
Kehret sasart zuriick. Sigrid.«
Die Dedesche war a:n qestriaen
Abend ausgegeben, und so beunruhi
gend auch immer ihr Inhalt lauten
mochte, zweifelte Vernd doch keinen
Augenblick, daß sie noch teineswegs
die ganze Wahrheit enthielt. Nur
irenn sich das Schlimmste ;ii etraaen
hatte, tonnie inan sich entchlossen
haben, ihnen eine solche Schreckens
botschast aus ihre Hochzeitsreise nach
zuienden. Die Fassung dieses Tele
ramnis war ostnbar nur dazu be
stimmt, sie aus das Allerschrecklichste
vorzubereiten Jhm aber siel die na
menlos schmerzliche Ausgabe zu,
Malde durch die grausanie Nachricht
aus dem Himmel ihres jungen Glückes
zu reißen. Er hatte sich mit der ersten
besten Nothliige gesiiichtet weil er
einige Minuten des Alleinseins
brauchte, um sich aus seine schwere
Pflicht vorzubereiten. Aber ivie er
auch sein Gehirn zerinarterte nichts
wollte ihrn einsallen, das ihr wenig
stens das erste Entsetzen, den ersten
siir terlichen Schrecken erspart hätte
An die schonendste Umschreibun
mußte ihr sosort alles verrathen, au
hinter der leisesten Andeutung würde
sie auf der Stelle die ganze Wahrheit
vermuthet haben.
Noch war er nicht zu einein Ent
schluß ck,teimmen als er hinter sei
inein Rck en die Thür gehen hörte.
Er bemühte sich, hasti das Tele
Igrarnni nizzu verstecken. ie er vermu
t t hat , war es Malve, die aus der
chtveclest st.and Aber innerhalb der
wenigen Minuten war eine er
zihreitenliev Veränderung in ihrem
usseheri eingesungen-J Ihr vorhin
nThon blasses war ietzt weiß
e Sinnen; ihre unnatürlich weit ge
svssneten An en hatten etwas von dem
Innheimlich starren Glanze, den man
in den Augen hochgtadig Fiebertran
ter sieht.
Auch sie hatte ein entfaltetes Tele
grarnrnformular in der rechten Hand,
während sie mit der linken eine Stil e
an dein Thürpfosien suchte. Sie wo te
sprechen, aber ihtevLippen bewegten
ich, ohne daß ein Laut vernehmlich
wurde. Nur das in ihren zitternden
ingern knisternde Blatt konnte sie
hm entgegenhalten.
Bernd stürzte auf sie zu und er
faßte mit einem einzigen Blick auf das
unselige Papier dte Ursache ihres be
iin ftigenben Zustande-L
nn da Land mit klaren, un
barmherzigen Worten geschrieben:
«Gehe·tmrath Breitenbach hat sich
gestern nach Aufbeckun von ihm
verübter un eheuret Eritis ere en
erschossem ofortige Rückle r un
bedingt nothwendig.
Dein Pater haer Degerndorf.«
Wel ein furchtbares Verhängnis-!
An dte ern»Augenl-lick tng all seine
tiavnche Lah- mmk u einer Em
Pfindung leidenschaftlichen Zornes
ge en den Mann, der es übers tz
krick tacht hatte, diese Depefche zu en
n
»Malve! Mein Liebling! Mein Her
zensweibs So fasse Dich doch! Esist
Ia ni t wahr —- es kann ja nicht
wagt ein!«
e hatte seinen Arm um die Wan
kende geschlunqu Um sie zu stützen.
Und schwer sank ihr blondee Kopf
gegen seine Brust.
«Laß mich sterben, Bunds-wenn
Die-mich lieb hast, fo laß mich· stet
ben,« bat Malve leise.
) Dann stürzte ee zu dem Zeitgen
»phen und klingelfe unaufhörlich, bis
Iein Zimmermädchen bestürzt den Kopf
szuzr Thür l,eteinstreckte·
i pEinen Arzt!« schrien ier zu;
!,,llmGotteswillen, schnell etnen Arztt
i Und sie mußte wohl genug von set
ner Sprache verftehen, um u begrei
fen, was er begehrte, denn te zogst
eilig wieder zurück. Und kaum futt
Minuten später, während Ver-nd n
immer die verzweifeltsten Versuche
machte, sein junges Weil-. tng Leben
zurückzurufen, trat ein großer, blon
der Herr mit typischem Standtnavter
gesicht und goldener Brille in Beglei
tung des Mädchens über die Schwelle.
Er war des Deutschen nicht mach
tig, aber er sprach fließend fr·anzo-«
fiich und so war die Verständigung
nicht schwer. Nachdem er sich als
Doktor Lindblad vorgestellt und zur
Erklärung feines raschen Erscheinen-Z
hinzugefijgt hatte, daß er eben zufah
lig bei einem anderen Patienten tm
Hotel gewesen fei, trat er zu Malve
und ließsi ch von Bernd darüber un
terrichten, unter welchen Umständen
ilxre plötzliche Erkrankung erfolgt set.
»Es war der Schrecken über etne
unvermutbete schlimme Nachricht, der
diese Ohnmacht verursacht hat,« er
plärte der aufs Aeußerste erregte
junge Gatte.
Der Arzt, der die höfliche, sichere
Art aller gebildeten Schweden hatte.
und dadurch sogleich Bernds Ver
trauen gewann, winkte dem Mädchen,
dtePatientin soweit zu entkleiden, als
es für die Zwecke seiner Untersuchung
nothwendig war. Er ging sehr künd
lich zu Werte und Bernd, dem tch un
terdessen die Sekunden zu aualvvllen
Ewigteiten dehnten, suchte in seinem
Gesicht zu lesen. Aber die Miene des
Doktors blieb unverändert und un
durch-dringlich
Endlich vermochteBernd nicht län
ger an sichz u halten
»Sagen Sie mir, Herr Doktor-,
um was es sich handelt! Es ist doch
nichts Ernstzaftesi Können Sie denn
gar nichts t un, sie wieder zum Be
wusztfein zu bringen«-«
Lindblad schüttelte nachdenklich den
Kopf.
»Es würde zwecklos sein. Gedulden
Sie sich, bitte, nur noch kurze« eit,
mein here-Wann werde ich J nen
Rede stehen«
Ein paar Minuten iirchterlichen
Wartens vergingen noch, ann richtete
sich der Arzt auf und zog den Frei
herrn beiseite.
»Es handelt sich leider nicht nur um
eine vorüber-gehende Ohnmacht, " sa te
er. »Die rantheit, von der Jfre
Frau Gemahlin befallen worden si,
sdatirt nicht erft seit dem Augenblick,
»da» sie die schlimme Nachricht empfing
»Die Erscheinungen können durch dte
HErregungbeschleunigt und gestei ert
twordett eur. Aber diese Bemessung
tlett ware sichert-lich binnen kurzem
Hauch ohne sotchen Anlaß eingetreten.«
; Entsetzung solgt.)
Gekommen iii sie wieder. hie herr
liche Zeit, da der Vorstädier mit gro
ßem Stolz fiir fünfzig Cents Ravig
chenfamen in die Erde versenkt, um im
Sommer fiir 229 Cents Radieschen zu
lernten.
3 t- iec —
j Dem Gorli ist das schlimmste pas
siert, was hierzulande einem Mann
Ipassieren kann, der in der Oeffentlich
leii wirken will — man redet nicht
mehr von ihm.
i O .
»Der König Viktor Emanuel«, fagt
eine Pitisburger Zeitung, ,,ift ein Kö
nig, jeder Zoll ein König-« Es toiite
Unrecht. von der Größe diefes Königs
auch nur einen Zoll abnehmen zu wol
len, um fo mehr, als er nur 62 Zoll
hoch und im Stande ifi, unter dem
wagerechi ausgestreckien Arm feiner
Königin durchzusehen, ohne ein Vase
feines königlichen Daupies zu lriims
Uml- -