Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 11, 1906, Sweiter Theil., Image 9

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    Yeöraska
Staats Anzeigrr Und Yerold
Jahrgang26 ffertdea ndNebr» 11 Mai lSM (Zw cith TheiU
Wirst-sti
Magst Du, daß Dein Lenz entflogen
Jn der argen Jahre Flucht?
Wenn der Mai mit Blüthen prangen
Nur im Hersst reift die Frucht
Nicht im Bach. der triib und schäu
mend
Aus der Gletschetspalte quillt:
In des Stromeg klarem Spiegel
Malt sich treu der Sonne Bild.
Wenn der Gluthenhauch .dec3 Som
mers
Blatt um Blatt vom Zweige streift; ;
Sei der Traube aleich an Süße, - i
Dse ein milder Herbst gereift. I
Wenn der Juaend Quell verschiiuth
Gleich dem Strome fließe Du
Tief und ftill, voll Sonnenglanzes,
Deinem Oreane zu.
Ein Abenteuer in Venedig
l
i
i
i
VonAliceBerend.s (
»Aber Papachen, den glotzenden E
Glatzhans soll ich heirathen? Das
kann doch nicht dein Ernst sein«, hatte
lslli lachend auf die feierliche Rede des
Vaters erwidert, ihre zusammenge
schnürten Malsachen erariffen und,
als wäre nichts geschehen, mit fröhli
chem Adieu ihren Weg zur Kunst
schule anaeireten
Der Vater sah ihr noch ganz ver
bliifft nach, als leise die Seitenthür
sich öffnete und die Mutter eilig her
einlam. ,,,Nun wag faqte sie?" fragte
sie hastia. ,,Adieu«, sagte sie. Der
Vater faltete die Hände über dem
Bauche und drehte dieDaumen umein
ander. l
»So? Hast du denn dem Kinde ge
sagt, was fiir ein Glück es für sie ist?
Wie sorgenlos sie an seiner Seite
wäre?«
»Fünsundzwanzia Minuten hinter
einander, darauf nannte sie ihn ,glo
heut-en Glatzhans’ --— was übrigens
samos bezeichnend ist und ver-—
schwand-«
»Ach, laß doch deine Spiiße bei so
ernsten Sachen!« rief die Mutter ar
reizt.
»Na, eigentlich soll eine Verlobung
wohl eine heitere Sache sein: aber wie
du meinst. Jm übrigen, was niitzt das
Reden! Elli hat nein gesaat, und wir
werden doch etwa keine Zwangsver
suche machen wollen«
»3wangsversuche, wag das fiir
Ausdrücke sind. Soll Elli vielleicht
eine alte Jungfer werden? Das ist
nun der dritte Antrag, den sie aug
schliiat, als wäre sie eine Märchen
vrin,;essin, zu der die Freier 51
Schaaren »Du vilaerii haben. Man
bleibt nicht immer zwanzig. Gestern
las ich in einer Heirathsstatistil. wie
wenige Beamteutiichter einen Mann
belomrnen.«
»Das ist statistisch festgestellt«,
summte der Vater, indem er an seinen
Schreibtisch aina und die Papiere, die
er in dem Bureau brauchte, in seine
Attenmappe zu learn begann.
»Das Mädel ist hübsch und beaabi,
sie nimmt’5 höllisch ernst mit ihrem
Malen, sie wird sich schon im Leben
zurecht finden. So oder so. Gewalt
sam lasse ich mein frisches Mädel nicht
unter die Haube brinaen«, sagte er
dann, »und ein bischen belommt sie
ja doch mal von uns.«
»Dein Mädel! Jch habe sie wohl
nicht lieb? Aber dergleichen verstehen
wir Frauen eben besser. Unverheiras
thete Frauen sind immer mehr oder
weniger verschroben.«
»Na, Mutter«, der Vater lächelte,
»das wollen wir nicht so schroff hin
stellen, in dieser Hinsicht bist du ein
bischen einseitia« .....
J »Unmodern, willst du sagen«, fiel
die Mutter hastig ein, »das weiß ich
«ia schon.·«
»Na, Mutter, laß gut sein. Jch
sann doch schließlich nicht dafür, das;
der Hans so’n bischen Fischauaen und
nur wenig Haare noch hat und ihn
das Möbel nicht maa trotz seines Jah:
regeinlommens von zwölsiausend
Marl.« Unv mit einem Lächeln ging
szzer den altaewohnten Weg in s Bureau.
Ase war eigentlich sroli, das; sein Lieb
sxl ng noch im Hause blieb.
Aber aus dem Rückweae vom Bu
cau war ihm längst nicht mehr so be
H aalich zumuthe. Jetzt würde es wie
kdek ein so schweigsames Mittagbrot
Hkbem wo sie alle drei worttarg die
H- isscn herunterschlnckten »Hu seinem
IErstaunen aber hörte er schon, alS er
vie Wohnungstliiir aufschloß, Ellis
Lachen und die Stimmen von Mutter
nnd Tochter in lebhafter Unterhal:
tung.
»Nami, sollte sie etwa doch?«
dachte er und eilte unruhig in das
Zimmer. Da slog ihm Elli lachend
um den Hals, und aus dem Lachen
und Durcheinandeereden von Mutter
u-nd Tochter beariss er endlich, daß
«Tante Julchen hier gewesen war und
Elli zu einer Reise nach Venedig ein
geladen hatte.
Tante Julchen war des Vaters
Schwester und wurde im. intimen Fa
milientreise »Das reisende Achchott,
Adschotst genannt. weil sie immer um
berreiste und jeden Sah mit »Ach
Gatt. ach Gott!" nas iie «Achchott,
achchott« aussvrach -—«s ansing und be
Erschloß
J WAckchott achchoti«. sagte der Vater
glachend .wann soll denn die Reise
FlosaebenW
« ..«,llebern1orgen jubelte Elli und
inbalste ibn von neuem.
Art-Catt. achckott«. hatte Tanie
islcren oesait, «ich will doch schließ
cl- eve ich sterbe, auch mal das viel
befungene Venedig sehen. Aber allein
wage ich mich nicht in das Banditen
land, und Elli hat auf der Schule
Jlalienisch gelernt und ist bescheiden,
da will ich denn ein Opfer bringen
nnd ihr das Glück einr solchen Reise
verschaffen.«
Als dann nach Tisch Vater und
Mutter allein waren, erfuhr der Va- ;
ter, daß die Mutter Tante Julchen ihr ’
Herz ausgeschüttet habe und diese ver
sprochen hätte, während der Reise auf
Clli einzuwirken, unmerkbar von-Han
fens Vorzügen zu sprechen und außer
dem zu versuchen, ob sie nicht auf der
Reise irgend eine ehrenhafte Bekannt
schaft machen könnten, die—«— —--—
»Achchotl, achchott, du wirst sehen,
sie kommt als Braut zurück«, hatte
Tante Julchen zum Abschied gesagt.
»Papperlapc1pb«. brummte der Va
ter darauf. »Aber,ich bin ohne Sorge,
das Mädel weiß schon, was es will,
und Venedig wird es beglückw, gleichs
Viel, ob Illchchoth Achchottchen’ für fie
auf Freiersfiißen geht oder nicht. »La
bella Venezia«, murmelte er halblaut.
nUd schweigend, nach Jugenderinne
rungen im Gedäcltnifi trauend, rauch
te er seine Ciaarre
-- ««- --» ,- --, - H
Il
»Achchott, achchott«, sagte Tante
Julchen, als der Zna iiber die lange
Eisenbahnbriicke zwischen Mestre nnd
Venedig fuhr nnd lslli schon die «
Thiinne der Lagnnenstadt sah, »wenn
die Gondeln nnr nicht so schauteln!«
Bald suhr der Zug in die Halle
Ein Stimmengewirr von Sprachen
aller Länder nmsnmnite sie, nnd bald
standen sie ans der Vahntwsgtrevve,
an deren nnterster Stufe wie ein dich
ter Jnfettenschwarm die schwarzen »
Gondeln nmherschirrten. Mit Ent
setzen sah Tante Inlchen ans die
schwankenden, zierlichen Fabr-zean J
während Elli tranmverloren die weiße -
Marmortirche am anderen Ufer unds
den KanaL in dem sich miirchenhast J
Valastsassaden spiegelten, anstarrte. i
Es dauerte lange, bis Tante Julchen «
den entscheidenden Schritt in die
Gondel that, und sie war so verwirrt
dasz sie sich widerspruchglos zu dem ’
Grand Hotel gondeln ließ, statt nach
dem mit ,.ant nnd billia« angeführten
Gasslws den sie sich schon in Berlin
ausgewählt hatte.
Aber sie bereute es später nicht;
denn die Terrasse des Hotelg wurde
Tante Julcheng Zuslttchtgort. Dort
saß sie nnd sat) sie mit Entzücken um
sich. Aber eine Gottdel betrat sie nicht
wieder, und in das- ,.Labt)rintl)« der
engen Gasse wagte sie sich nur wenige
Male. Von der Terrasse aber, son
nenumslnthet, beobachtete sie entzückt
das Treiben aus dem Canale Grunde,
befreundete sich mit anderen Hotela·ci
sten, zugleich nach einer guten Vartie
siir Elli spähend
Elli war den ganzen Tag unter
wegs. Erst wollte die Tante sie zwar
nicht allein gehen lassen, aber dann
siegte ihr ötonomischer Sinn. Elli
wenigstens sollte so viel wie möglich
von der tostbarenNeise haben: schlimm
genug, daß sie selbst so wenig von den
Herrlichkeiten sah. So sand sich Elli
nur zu den Mahl-reiten ein. Des Vor
niittags durchstreiste sie die Stadt
nnd sreute sich der uKnstschätzex am
Nachmittag fuhr sie zum Lido nnd
wanderte am Strande, immer densel
ben Weg nach Malamocco zu, wo sie
nur wenigen Menschen begegnete. Be
bend sah sie die märchenbaste Farben
pracht, mit welcher die untergehende
Sonne die leise schäutnende Adria
schmückte. Und sie dachte an die
arauen Tage dabeim, wo dasenge Le
ben zwischen Aktenstan nnd entsagen
den Berechnen dahinging und die
Menschen vergaßen, welche Herrlichkei
ten dies Erde barg.
Wenn sich die violetten Schleier der
Dämmerung iilier das Meer leaten,
kehrte Elli zurück. Wenn sie ans dem
flinken Baporetto zitriicksuhn dann
hatte sie Muscheln nnd Seesterne in
den Taschen nnd Lebensfreude und
Glück im Herzen; ihre Anaen leuchte
ten:: ihre Jugend wirkte ordentlich
ansteckend«, wie Herr tsjeheimrath an
der Table d’hote des Hotelg trächth
War es der Zufall, das; ihr aus dem
kleinen Dampser stets der Maler ae
neniiber saß, dem sie jeden Nachmittag
draußen am Strande lurz vor Mala
mocco begegnete? Schon aanz von seen
erkannte sie stets die einsame Gestalt,
die ihr am Rande des Meeres entge
aenkam.
Eines Tages wurden sie miteinan
der bekannt. Er begann das Gespräch
in einein holdernden Jsalienisch, und
sie radehrechte ihr Schulitalienisch,
bis sie lachend erkannten, daß sie
beide Deutsche waren. So wurde iiher
die erste Verlegenheit himveagelacht,
nnd bald war es eine selbstverständ
liche Thatsache, das; sie beide hier je
den Nachmittag spaxieren gingen, von
ihren Träumen nnd Lebenewiinschen
sprachen. während dle weiche Seelust
sie umwehte.
Inzwischen suchte Tante Julchen
aus der hokelsTerrasse durch das
Lorgnon nach einer gutenPsartir. Aber
es wollte sich nichts finden. Die mei- ;
sten Gäste waren Hochzeitsreisende,
und von den Einzelreisenden lam auch
niemand in Betracht· So ein »mitt
lerer, honetter Kaufmann, der sein
gutes, bescheideneSAustommen hatte«,
fand sich eben nicht im Grand Hotet
zu Benedia. Darum begann Tante
Jutchen, während in der langenMondi z
nacht von den Serenadenaondeln die :
weichen italienischen Melodien zur I
Terrasse emporklanaen, von Hausen-Z.
biederem Wesen, von seinen allerdin s E
etwas hervortretenden, aber, ach, o’
treuen Augen zu sprechen. Elli ant
wortete nichts daraus, denn sie spähte
nach den Gondeln, die dagSerenadem
boot Inntreiste. Aus einer von ihnen
bliktten bekannte Augen zu ihr hin
CU .
In Ellis Elternhaug sloaen zwei
Briefe. »Achchott, achchott«, stand ins
dein einen, »das Mädel ist hier so aus-— I
gebiüht, das; ich alte Frau sie immer
ansehen muß. Mir wird ganz unbe- ;
haalich wenn ich ihr den Hang anprei- »
sen soll. Aber ich thue es jeden Abend,
denn Schönheit vergeht, und eine solid
sundirtetihe ist etwas nicht zu Unter- «
schätzende5. Sonst habe ich, trotz»
eisriqen Euckens-, nichts gesunden. Auf
Reisen tann man ja nicht vorsichtig
den-Je sein. Wie viele Hochstapler gibt
es, achchott, achchott!«
Der andere Brief war sehr kurz. Da T
stand nur: ;
,,Geliebte Eltern! Wenn Jhr oochl
hier wäret nnd sehen könntet, wie
schön dag Leben ist. Es umarmt Euch
und die ganze Welt in Liebe Eure
Elli."
Und Vater nnd Mutter lasen die
Briese und sahen schweigend Vor« sich
hin. Sie hatten Sehnsucht nach ih:eni
Mädel. .
Nun kam der Tag der Abreise im:
mer näher und schließlich hieß es:
morgen. Elli war zum letztenmal nach
dein Lido gefahren, nnd die Tante
saß in der Sonne und dachte, wenn
ibr verstorbener Mann eine solche
Reise erlebt hätte und daß sie morgen
in eine schreckliche Gondel steigen iniisse,
iim zum Bahnhof zii kommen. Sie
berechnete, wieviel Trinkgeld sie hier
im Hotel geben müsse, und daß sie
morgen um diese Zeit schon bald auf
dem Brenner wären uiid daß nun Elli
doch nicht verlobt zurückkehrte. Der
Abend kam, die Gondeln steckten die
Laternen an iind tanzten wie Irrlich
ter aus dem stillen Canale. Tante
Jnxchen fuhr aus ihrem Sinnen auf.
Wo blieb Elli heute? Sie sah sich uni,
sie war setzt die einzige aus der Ter
rasse, es mußte schon spät sein. Da
umschlangen sie hinterrücks zwei Arme,
eine heiße Wange schmiegte sich an ihr
run·ieliges Gesicht; und eine jubelnde
Stimme sliisterte: »Tante Julchen,
nie-: bin ich Braut.« Und dann stand
Elii vor ihr und neben ihr ein frem
der, so seierlich glücklich ausseheiider
Mann. Und Tante Julchen sah wori
log die beiden an, die Thriiiien stiegen
ihi iii die Augen, und erst nach langer
Zeit brachte sie ein ,,Achehott, achchott«
heraus· »
Am Abend saßen alte drei auf dek I
Terrasse. Elli suchte gar nicht nact,I
Gondeln, die das Serenadenboot um
treiften, aber Tante Julchen war un
ruhig. Endlich laptzte sie herang, ol)
denn das Malen auch »eintöinmlich«
fei. Und als dann der neue Neffe sie
auch iiber diesen Punkt beruhigt und
ihr erzählt hatte, daß er iiber ein grii
ßeres eigenes Vermögen verfüge, mur
melte sie ganz glücklich: »Achchott, ach
chott, solch Mädel, solch Mädel, ganz
allein, ganz allein!«
Und die beiden Glücklichen lachten
und leerten ein Glas Aiti auf das
Wohl von Tante Julchens Heiratbg
tandidaten, und Tante Jntchen musite
mit anstoßen. 4
Zu Hause aber sasi die Mutter und
las immer und immer wieder einTe
Mitaan Unn draußen lief ein Vater
iin Friihlingsregen umher und erflelite
Seelen fiir fein bräutliches Kind.
Die Wette.
Von Elvald Oheim
»Zum ersten, zum zweiten lind . . .'« I
»haltt« i
Durch die neugierigeMenge, die den ;
Auttionator uinftand, drängte sich ein !
l
i
kräftiger, in den dreißiger Jahren ste
hender Mann.
»Ihr Name?« ;
»Pap! Klingen Schaubudenbe- »
sitzen-« !
Der hammer fiel zum drittenMale. l
Für dreitansend Mart hatte Klinger
den Nachlaß des tiirzlich verungliickten
Löwenbändigers Philipps erworben. i
Es war der Schluß eines Draiiias,
das noch jetzt das Tagesgespriich in.
der Hauptstadt bildete. Zwei Monate
hindurch hatte der Bändiger Philipps ’
den Befuchern desResidenzzirtus einen (
, .
ausregenden Nervenkitzel verschafft,
wenn erAbends in der von einem star
len Gitter fest umfchlossenen Manege
seine sechs prächtigen nubifchen Löwen
zu schwierigen Evolutionen und Ueb
ungen zwang.
.Aber dann, faft am Ende der Cir
kussaisoin war das Unglück gekom
men· An einein schmälen Frühlings
tage»-—sder Winter hatte sich in diesem
Jahre fast tampflog vertreiben lassen
— zeigten sich die Löwen sehr erregt.
Einige Thiere ließen ihre gewohnheits
mäßige Fleischration unberührt. Und
alHPhilivps Abends den Käfig in der
Manege betrat, hatte ihn eine Löwin
mit inächtigem Sprunge heimtiickisch
niedergerifsen.
CI gelang schließlich, die Bestie in
eine Ecke zu jagen. Aber dem armen
Philipps war nicht mehr zu helfen.
Die Löwen kamen unter den Ham
mer. Kein Bändiger verspürte jedoch
Lust, die Thiere zu erstehen. Das
Schicksal des unglücklichen Philippg»
war noch in frischer Erinnerung. So
verlief der erste Auktionstermin ergeb- «
nifiloS.
Auch heute hatte die zum zweiten»
Male angefetzte Verfteigerung ungün
stig begonnen. Und erst beim letzten
Angebot des Atlktionator5, das den
Verlaufspreis fast auf die Hälfte des
friiher Verlangten verminderte, griff
Ftlinger zu.
Als er vor die Thiir des- Verlaufs
ranmes trat, hörte er plötzlich feinen
Namen rufen.
»Sie wollen also ietzt Löwenbändis
ger werden, Zitinaer?« Der Schan
steller einer Riesendame klopfte ihm
auf die Schulter.
»J, woher denn! Ich denke ja gar
nicht daran! Mich etwa zerreißen las
fen wie der arme Philipp5?...Nee!«
»Nanu, dann verstehe ich aber gar
nicht . .
Klinger lachte sorglos-. »Ich habel
schon meinen Plan! Sie sollen mal
sehen, was ich da noch für Geld her
aus-schlank Vorn. an den Eingang
meiner Bude, kommt ein Riesenbild.
Darauf muß man Philipps im Lö
wentäfia sehen. Rothe Farbe darf nicht »
gespart werden; Sie wissen ja, dag?
»sicht« innrer fo’n bißchen mehr. Na, »
ngdbei zehn Pfennig Entree wird je- »
der die Thiere, die so viel Unheil an- l
richteten, sehen wollen. Es müßte doch .
mit dem Teufel lzugehen, wenn das
nicht glückte!«
So tani es denn, daß Filinger mit
seinen Löwen im Lande umherzog
Dai« Geschäft gan aut. Die Feauffum
me hatten ihm die Thiere schon nach
wenigen Monaten eingebracht
Auch dieHauvtstadt berührte er wie
der auf seiner Wanderfahrt. Hier traf
er Bekannte, Schanstellerwieer selbst·
Tag gab einen veraniiaten Abend. Erst
in später Stunde hatte man sich ge
trennt.
tllinger rieb sich die Augen. Mit
schwerem Kopf war er plötzlich erwacht.
t5:s mußte noch friih sein, denn um ihn
her war es dunkel wie in einem Sack.
Seine Glieder schmerzten Kein Wun
der! Er lag aus der Diele. Jn seinem
Ranonenransch hatte er wahrscheinlich
das Bett nicht finden können. Ohne
ZweieL so mußte es sein.
llnd jetzt kam ihm auch langsam die
Erinnerung an den Vorabend Der
Stat mit dem ;-?uderbäcker912iiller und
dem Karusselbesitzer Ehmte war recht
seßhaft gewesen. Aber auch Aeraer
hatte eg« gegeben. Er entsann sich jetzt
der Vorgänge genan. ,,Liiwenbändi
ger« hatten ihn die anderen fcherzhafl
aenannt. Und er, der sonst Spaß ver
stand, nahm, unter dem Einfluß dec
Vlltoholes diesen harmlosen Scherz
krumm.
lsr war darüber wrnia aeworden ..
Gewiß sei er ein Löwenbändiacr . . ..
lind wag andere könnten, mache er
anw. . .. Es komme nur auf dickler
be an, und die wolle er, wenn sie ciJ
wünschen, sofort ableaen . . ..
Tie beiden anderen hatten ihn aber
lachend zurückgehalten Da war er
erst recht aufnehmqu lsr wolle eiJ ih—
nen dennoch beweisen. Noch heute
Nacht werde er in aller lslemiithgruhe
in: Löwenkiifia schlafen lsr aehe jede
Wette darauf ein«-.
Miiller und Ehrnke hielten dieWekte.
Der Bierfcherz stlinaerg war wirklich
ausgezeichnet Die Fröhlichkeit hatte
am Skattifch wieder Platz aeariffen.
Man trank daraufeinethndeskoanah
noch einige Gläser Bier. Weiter reichte
die Erinnerung Klinaers nicht.
Er lachte vor sich hin: Ja, ja, wag
fiir ein Unsinn doch in der Trunken
heit ver-rupft lvird
Nun war’s aber wirklich Zeit, das
Bett auszulachen um noch etwas zu
ruhen. Ah, wie das wohl that, als er
sich reckte.
Da schan sein aeitreckicr Arm plötz
lich aeaen einen Eisenitab. Es klana
dumpf, und der Boden unter ihm zit
terie leicht. Jn der Nähe hörte rnan
schweres Schnaufen
Klinaer zuckte in jähem Schrecken
rnianunen Es kroch ihm eisia den
Rücken hinauf. Also doch wahr? Die
wahnwitzige Wette hatte er wahr ge
macht?...Oder vielleicht doch nicht
ganz? Es gab ja noch die Möglichkeit,
daß er außerhalb des Käfigs, nahe
dem Gitter lag. An diese Hoffnung
klammerte er sich. Unbelveglich und
mit verhaltenem Athem lauschte er in
die Nacht hinaus. Sein Herz pochte
laut nnd jagte ihm das Blut in die
Schläfe, während kalter Schweiß seine »
Stirn nähte
Der erste Strahl der Morgenröthe
fiel jetzt schräg durch das Zeltdach
Das dämmerige Licht gab Klinger die
fürchterliche Gewißheit seinerLage: Er
war im Käfig; etwa acht Schritt ent
fernt, am anderen Ende des Zwinger-D
schliefen die Löwen.
Rathe Schleier tanzten vor den Au
gen Klinger5. Wahnsinnige, entsetz
liche Furcht raubte ihm jeden klaren
Gedanken. Mit erschreckender Deut
lichkeit zeigte ihm seine intensip arbei
tende Phantasie grauenvolle Bilder.!
Er sah das Drama im Cirtus, dem J
Philipps zum Opfer gefallen war; sah !
sich selbst schon unter den Krallen und i
Hähnen der Löwen verbluten. Läh
mende Furcht unterdrückte jeden Ge
danken an Rettung. Er entsann sich
plötzlich eines Gebet-H, das er als Kind
oft gesprochen und dag ihn seine Mut
ter gelehrt. Mechanifch murmelte er
den kurzen Spruch vor sich hin. Mit
atmstver,ierrten Mienen und leerem
Blick stierte er dann wieder nach der
Ecte des Käfig5, wo die gelben Leiber
der Löwen im Moraendämmer undeut
liche Konturen auf die dunkle Hinter-—
wand des Zwinger-«- zeichneten
Jn tollem Wirbel, blitzartig, zog
sein vergangenes Leben an seinem gei
stigen Auge vorüber. Enttiiuschungen
hatte es ihm genug gebracht. Und jetzt
.. . ietzt, wo er endlich glaubte, aus dem
Wege zum Glück zu sein, stand er vor
seinem Lebens-endet Sah er dein siche
ren, gräßlichenTod in’s Auge, der ihm
noch eine ininutenlangeGnadenfrist ge
währte! Und das alles geschah durch
seine Schuld! Durch einen läppischen,
kindischen Duimneniungenstreich, den
er imRausch ausgeführt hatte. . . Heiß
wallte es in ihm auf. Seine Augen
triibten sich. Eine Thräne rann ihm
iiver die Wangen . . . noch eine . . . Bes
hutsam lehnte er den Kon an dagGiti
ter. Er weinte...
Da itbertam ihn eine große Ruhe.
Die Sonne war aufgegangen nnd
ihr gedämpft durch die Zelteinwand
fallendes Licht erhellte die Schaubnde
bis in die entferntesten Winkel.
Draußen erwachte die Großstadt »in
neuer Arbeit. Aug der Ferne scholl
der Ruf einer Dampfpfeife heriiber·
Man hörte das helle Klingeln derEleli
trischen, die an einer Seite deSBudens
platzeg entlang fuhr.
Die Treppe des Zelteingangs
tnarrte unter einem schnellen, elnstis
schen Schritt. Die Leinwand des Bo
denzugangs wurde zurückgeworsen Ein
junger Mann, silingerg Gehilfe Wil
helm, trat ein. Er pfiff ein lustiges
Liedchen.
Jäh prallte er zurück silinger hatte
warnend den Arm erhoben. Er winkte.
Behutfani, aus den Zehenspitzen schrei
tend, näherte sich Wilhelm dem Käfig
lsr wollte etwas fragen, aber Klinger
schüttelte den stopf.
»Die . . Scheidewani«, fliisterte er. ;
»Zwischen unserem Zelt und Müller. -
Hinten, am Ende der Bude.«
,,Angenagelt?«
Wilhelm nictte.
»Rafch Hammer nnd. . . Zunge . . .
Nägel herauss! Müller und Ehtnie . ..
sollen helfen. Aber leise..utnsHi1n
melgwillen. Jenseits der Wandsuge
. . . liean die Löwen. Zufällig . . .
Wenn ihr die Wand an ihren Platz
bringt, ist Rettnna . . . möglich Aber
schnell . . . schnell!«
tilinaer war wieder zusammenar
funken. Eine arosze Miidialeit iiber
fiel ihn. Dass Sprechen hatte ihn er
schöpft tsr war aealtert . . . nni
Jahrzehnte
Und die andern, die ihn retten soll
ten, die tatnen ja gar nicht wieder! Sie
ließen ihn itn Stich. Wahrscheinlich
waren sie iiber die Störung ihrer
Morgenruhe ungehalten O, die au
ten Freunde und Nachbarn! silinger
lachte in sich hinein.
Er hatte jetzt aar leine Furcht mehr.
Mit aroßetn Interesse blickte er nach
dein Zelteingana hinüber. Der Vor
bang war nicht gut geschlossen, und
durch den schmalen Spalt stahl sich ein
avldiger Sonnenstreifen in’s Zelt.
Myriaden von Stäubchen tanzten in
dein flintniernden Licht auf und nie
der. Klinger freute sich daran.
Vorsichtig, ihren Athem zurückhal
tend, näherten sich ietzt vier Männer
dein Käfig. Sie trugen die eiserne
Scheidewand
» Jn der Gruppe der scltlafenden Lö
« tven begann sichs ·iureae n. Hier und
« da ftreelte sich eine Tatze, iträubte sich
eine Mähne oder holte eines derThiere
ties Athetn.
" Die Spitze der Scheidewand ruhte
bereits in der Fuge des Käfig-L Plötz
W
lich hob ,,Sultan«, der größte der Lö
» wen, seinen mächtigen Kopf.
f Mit verzweifelter Anstrengung ho
; ben die Männer ietzt die Wand. Ein
lraftvoller Stoß, und mit dumpfen
I Seite des Käfigs hinüber
Ein betäubendes Geerll war die
Antwort Der Käfigwagen erdröhnte
unter den Sprüngen der Löwen, die
fich gegen die Scheidewand warfen.
Wilhelm öffnete die eiserne Doppel
thiir des Zwingers Aber verständniß
los lachte ihnKlinger an Plötzlich be
gann er zu singen und zu tanzen. Sein
unbändige-s Schreien übertönte fast
das zornige Knarren der Löwen. Man
mußte Gewalt anwenden, um ihn aus
dem Käfig zu entfernen. Er war
wahnsinnig geworden.
Die Löwen kamen zum drittenMale
unter den Hammer. Die Verwaltung
eines Zoologischen Gartens erwarb sie
zu einem Spottpreig.
Er versteht e:«.
Es war im Jahre 1658, ais die
Schweden unter dem König Karl X.
Gustav zur Winterszeit in Dänemark
eindrangen und die Hauptstadt des
Lanes belagerten. Ganz in der Nähe
von Kopenhagen wohnte damals ein
el)rsamerLandpfarrer, JoachimBrägge
mit Namen, bei dem fchwedische Offi
ziere sich sehr oft zu Gaste einluden
und sich dabei keineswegs immer ein
wandfrei betrugen. So ließen sie ei
nes Tages dag sämmtliche Silberzeug
Von des Paftorg wirklicher Tafel ver
schwinden. Der Prediger fah es,
schwieg jedoch — und schwieg auch ge
genüber dem König Karl Gustav, der
bald darauf der Gast des Pfarrers
war. Er sparte sich- die Vergeltung
auf, bis er einige Zeit später zur kö
niglichen Tafel geladen wurde. Er
ließ sich Speise und Trank womit-me
cken und steckte nachAufhebung der Ta
fel mit der harmlosesten Miene der
Welt von den silbernen Bestecken und
Löffeln sowie goldenen Trinkbechern
in seine Taschen, was er stecken konn
te. Darob eine allgemeine Verbliif
fung und eine verwundernde Stand
rede seitens der schwedischen Majestät,
woran Pastor Brägge unbefangen er
klärte, es.. läge ihm lediglich daran,
die schwedischen Tafelsitten nachzuah
men, da doch des Königs Offiziere bei
ihm tiirzlich in der gleichen Weise ge
handelt hätten. Die Ofsiziere er
bleichten. König Karl Gustav aber
verabschiedete tiefernst seinen Gast
und sorgte dafür, daß ihm aller Scha
den ersetzt wurde.
s-—--I.-.--—
.« Texas als Indianername.
Viele andere Staatennamen in un
serer Union sind indianischen Ur
sprringes. Ob dies aber auch von Te
axs gilt, oder woher dieser Name
überhaupt kommt, darüber konnte
man bis jetzt nichts Bestimmte-I sa
gen
Ein altes und selteneg Geographie
werk jedoch, vom Jahre ·l1747 datirt,
welches in den Besitz des Privatge:
lehrten E. W. Heusinger von San
Antonio gekommen ist, giebt nebenbei
auch iiber diesen Punkt einige Aus
kunst.
Dasselbe spricht von T e xa LA - Jn
dianern, welche in der Gegend deg
Rio Grande lebten. Damit ist aber
nicht ein einzelner Stamm gemeint,
sondern die Angehörigen mehrerer
Jndianerstämme, welche das Chri
stenthnm angenommen hatten, warm
berziae Freunde der Spanier waren
und sich den Elltissionsstationen ans
schlossen Sie waren unter dem ge
meinsamen Namen »TecaH" bekannt,
nnd wahrscheinlich ist aus ihm »Te
raH« aeworden.
»Bicrmerkel«.
Aug Iliiinctien wird der »Angs:sb.
Abedztg.« geschrieben: Ein wirksame-«
,,Biernierkel« entdeckte der Diener ei
neås hiesigen St·oiiiiiierzienrathe5. Jin
Pupierlorb seines Herrn fand der Be
diente ein aufgesrlxnitteneg Couveri,
das tin-J der iikaniiner der Abgeordne
ten staininte, nnd ist«-» ioie üblich, iiiit
deni blauen ,,W.ii«-p-eel«, welches die
Ziione und die Inschrift ,..Knmiiier der
Abgeordneten« eingeprägt trägt, ver
schlossen wur. Der Diener hatte seis
ncrzeit niii ebenso isiel Sachverständ
iiisj wie Genuß k«si-« Verhandlung-en
über den Etat des Hofbriinlianszs »ar
lesen, und nun blitite ihm ein qenicis
ler Gedanke ans. Vorsichiiq löste er
dass »Waiiperl« bon dein Coiioeri und
anininirte ei. Ani Abend veranlcifzie
er seine Bekannten, niit ihni ins Hof
b:·cinhaiiri zu gehen indein er ihnen
Versicherte, dafi sie heute in ganz
kltkiincheii niraeiidJ sc gut eiiigescliänkt
beliiinen wie dort. Und der Gute hatte
nicht zu viel versprochen Lllssie dort
iinlaiiieii, holte sich jeder einen Krug,
schwenkte ihn aus-, dann klebte der
Diener das »Wapiserl« auf den Deckel
und ließ sich durch die stellnerin so
iiohl fiir sich, ioie mich für seine Her
ren ,,Kolle·qen« je eine Maß bringen.
Wie gesagt, die Spekulation war nicht
falsch, und die Schanllellner zeigten,
baß sie auch ohne dag- in Aussicht ge
stellte erhöhte Schanminaß einen vollen
Litet einschenken tönnen —- iveiin sie
wollen.
NR
Kinder-stund
Peperl: ,,Tante. Du hast aber schöne
Zähne!« -
Taute: »Gelt?«
Peperl: »Wenn die erst echt wären!"
·Es fragt sich immer mehr, ob der
Miasma-Fall früher außer Betrieb
gesetzt wird, als der Panamassianal
in Betrieb kommt.