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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (April 20, 1906)
Sonnenschein Warmen heller Sonnenschein luthet in mein Stäbchen, tiehlt sich du ch den Tüllbehang, Küßt mein sch afend Bübchen. Gießi sein wildes, weiches Licht Durch den Raum, den kleinen, Läßt das graue Einerlei Goldig hell erscheinen. Spiegelt sich im Wasserglas Mit Krisiallgeslimmer, Leiht verblichner Bilderprachl Neuen Farbenschimmeri Warmer, heller Sonnenschein Sirt-ist auch mir die Wangen, Scheucht mit leisem, sanftem Hauch Meiner Seele Bangen-! Die stillen Schwestern. Von J. ZangwilL Sie hatten sich in ihrer Mädchen zeii gezankt und sich dabei gegenseitig erklärt, nie wieder im Leben zueinan der zu prechen. Zur Beitatigung be leckten re ihre Zeigesinger und ließen sie im « inde trocknen, eine alte lind liche Beschwärungssormel Solange sie aus dem elterlichen Gehöst wohnten, hielten sie iihren thöri ten Schwur mit dem Eigen tnn schwer älliger Bauern tinder, trotz der Bitten und Züchtigun en der Eltern, trog des täglichen Zu ammenseins, im » ommer und Win ter, beim Säen und Ernten, bei Frost und Hitze, in Freude und Schmerz. Tod und Unglück söifnte sie nicht aus, und als ihr Vater tarb und das alte Gehöst verkauft ward, keiften sie schweigend in demselben Zuge nach London, um Stellung zu suchen. Jhr Dienst trennte sie siir Jahre, obwohl nur ein Steinwurs Entfernung zwi schen ihnen lag. Ost starrten sie sich tumm aus der Straße an. Honor, die ältere; heirathete einen kunsthandwerten und zweiundeinhal bes Jahr später heirathete Merm, die jüngere, einen Mitarbeiter von Honortz Gatten. Die zwei Männer waren Freunde und besuchten sich gegenseitig est in ihren Wohnungen, welche in derselben schmutzig-en Gasse la«en, und die Frauen hießen sie will ommen. Weder Honor noch Merry duldeten eine Anspielung auf ihr Gelübde, aber es war selbstverständlich daß das Schweigen der einen wieder mit Schweigen von der anderen beant wortet wurde· Beide hatten bald eine Schaut muntere Kinder, weiche aus der Straße oder in den Wohnungen Zusammen spielten oder —— sich zank ten; aber teine Schlägerei oder irgend welche gemeinsamen Bekümmernisse tonnten die Mütter zu einem Worte bewegen. Sie standen an den Thüren in ohnmächtigeni Zorn; das Auswals len von bösen Worten lies; sie fast bersten in der Qual des Schlveigeng. Wenn der einen ein Kind durch den Tod entrissen wurde, beobachtete die andere von ihrem Fenster aug das Begräbnis-» still wie eine Stumme. Die Jahre flossen dahin, und noch immer trennte sie dies Meer deiJ Schweigetis. Jhr hiibsdxs Aussehen tveltte, die Bürden des Lebens mach ten sich geltend. Silbersäden zogen sich durch den braunen Haarschmurt nnd später braune Fäden durch die grauen Flechtetn Die Runzeln des Alters traten an die Stelle der Grüb rt:en der Jugend. Wieder verstricheu Jahre, der Tod räumte in den Fami lien aus. Honors Mann starb, und Mercy verlor einen Sohn. Die Cha lrra rasjte mehrere der jüngeren stin ter dahin. Aber die Schwestern blie( Len am Leben, gebeugt und gesurcht, mehr durch Arbeit und Kummer als durch die Flucht der Jahre. Dann. eines Tages ward Merchlrant· Ein innerlichcs Leiden, zu lange vernach lässigt, sollte sie in einer Woche da htnrassen. Das hatte der Arzt u Jim, Merrhs Gatten, gesagt. Dielzer brach-te die Nachricht zu Honors älte siem Sohne, welcher noch immer zu Hause wohnte. Abends erfuhr es Ho nor. Nachdem ihr Sohn ihr die Mitthei lung gemacht, gm sie hastig nach oben und ließ ihn vo er Staunen über ihr steinernes Aussehen zurück. Als sie wieder heruntertam, war sie zum Ausgehen an etleidet. Er war freu dig überrasch. sie über die Straße trippeln und das erste Mal in ihrem Leben iiker ihrer Schwester Schwelle treten zu sehen. Als Honor das Krankenzimmer be trat. mit geschlossenen Lippen, erhellte sich das zerfallene, gefurchte Gesicht der Sterbenden. Sie erhob sich ein wenig aus ihren Kissen, ihre Lippen öffneten sich. Dann chlosfcn sie sich wieder ist, und ihr uödruck verfinsterte sich. Honor wendete sich erzürnt an Mer eys Gatten, der geknickt dastand: »Warum hast du es so weit kom usrn lassen mit ihr?" sagte sie. »Ich wußte ja nicht« stammelte der alte Mann, mehr durch ihre Ge genwart als durch ihre Frage einge schiichtert. »Sie war stets eine Frau rcn wenig Worten.« Honor schob ihn ungeduldig beiseite und Brüste die Medizinslaschen auf demW isch lieimtztBettEh Z » äre es je ni t 'eit fiir ihre Medizin?« »Ich weiß nicht« Honor fuhr wiithend aus. »Wo u braucht man einen Manni« fragte te, indem sie sorgfältig die Flüssigkeit ab maß und an der Schtoejter Lippen hielt, welche die Medi in einsogen und sich dann wieder fest schlogew »Wie fühlt sich deine rau jeht?« fragte Honor nach einer Pause. Yebraska Staats-Anzeing Und Yerold J. P. Windolph, Herausgeber. Grund kgland Nebr» 20 April 1906 (Zweiterjtllr Thciu Jahrgang 26 No. :;4. »Wie geht dirs- jetzt, Mercy?« fraqte der alte Mann ungeschickt. Die alte Frau schüttelte den Kopf. »Mit mir geht’s schnell zu Ende, Jim,« seufzte sie, und eine Thräne des Selbstmitleides kann über ihre pergamentene Wange. »Was für Unsinn schwätzt sie da,« sagte Honor scharf. »Warum stehst du da wie eine Hulzpuppe und sagst ihr nicht, sie solle Muth fassen?« »Faß Muth, Mekcy,« slüsterte der alte Mann heiser. Doch Mercy stöhnte nur und drehte sich miixrisch auf die andere Seite, das Gesicht gegen die Wand. »Ich hin zu alt, ich hin zu alt,« jammerte sie, »mit mir geht’s zu Ende·« »Hat man je schon so was gehort!" wandte sich Honor erregt an Jim, in dem sie das Kissen der Kranken glat tete. »Hier bin ich, ihre ältere Schwe ster, die ich sie'schon in meinen Armen getragen habe, als ich fünf Jahre war und sie erst zwei! Jch bin noch rüstig und kräftig und denle noch nicht an’s Grab. Nahezu dreimal so alt wie sie swar ich, als sie geboren wurde, und ’jctzt, denlt nur, hat sie die Frechheit . und spricht eher vom Sterben als ich.« ! Sie legte ihren Hut, ihr Tuch ab. l »Schicke eines der Kinder hinüber, » meinen Jungen zu sagen, daß ich hier s bleibe,« fuhr sie fort, »und dann schicke s alle zu Bett, es ist zu viel Lärm hier ) im Haus« Die Kinder, die vertveiste Enlelchen der Sterbenden waren, wurden zuBett geschickt und Jim auch. damit er sich erholen sollte für seine Arbeit am nächsten Tage, denn der arme, alte Mann humpelte noch immer in die Fabrik. Bald breitete sich die Stille des Krankenzimmers über das ganze Haus-. Gegen zehn Uhr kam der Arzt und gab Honor Berhaltungsniaßre: geln, wie sie der Kranken ihr letztes Stündchen erleichtern solle. Die ganze lange Nacht saß sie wa chend am Bett der sterbenden Schwe ster, Hand und Auge stets bereit, je den Wunsch zu erfüllen. Doch tein Laut brach das furchtbare Schweigen. Zeitig am nächsten Morgen langte Merchs verheirathete Tochter an, das einzige ihrer Kinder, das in London wohnte. Sie wollte die Mutter pfle gen. Aber Honor weigerte sich aufge bracht und wollte sich nicht vertreiben lassen. »Eine schöne Tochter bist du inir,« sagte sie, »du tannst deine Metter ei nen Tag und eine Nacht liegen lassen, ohne daß sie dein häßlicheg Gesicht zu sehen belomnrt.« »Ich habe meinen Mann nnd meine Kleinen zu verlorgen,« vertheidigte sich die Tochter. »Und weshalb verläßt du sie seith« erwiderte die alte Frau gereizt. ,,Erft vernachlässigst du deine Mutter-, dann deinen Mann und deine Kinder! Scheere dich sofort nach Hause, da wirst du gebraucht. Jch habe deine Mutter aus meinen Armen getragen, ehe du geboren warst, und wenn sie jetzt eine Hilseleistuna braucht, so soll Hie« es mir sagen, ich bin ja gern be , rett.« i Dabei sah sie herausfordernd das s gelbe, runzelige Weibchen in dem Bett Ian. Merrvs schmale Lippen zuckten ! trampshaft, aber kein Laut laut dar» i über. i Jim fand es an der Zeit, das Wort i zu ergreifen: ; »Der Doktor sagt, du tannft hier i nichts nützen. Wenn du eine Stunde i erübrigen kannst, sieh ein bischen un-« I ten nach den Kindern. Ich muß aus ! Akt-sit gehen. Jch schicke vix ein Te k legramm, wenn etwas passiren sollte,« ’ flüsterte er der Tochter zu. i Diese, nicht unzufrieden damit, zu I ihren häuslichen Pflichten zurückkehren ’zu können, küßte ihre Mutter, stand i noch ein Weilchen herum und stahl sich , dann leise weg. Den ganzen Taa verbrachten die ; zwei alten Frauen in feierlichem I Schweigen, das nur durch des Arztes iBefuch unterbrochen wurde. Dieser I berichtete, daß Mercch noch ein paar , Tage leben könne. Am Abend vertrat iJim seine Schwägerin, die nur ge ; zwangen ein wenig ausruhtr. Um ; Mitternacht kam sie wieder und fchictte ihn zu Bett. Die Krante wälzte sich . unruhig auf ihrem Lager. Gegen halb « drei erwechte sie, Honor fütterte sie mit Fleifchbrühe, wie sie ein neugebo renes Kind gefiittert haben würde. ’Merch schien thalfächlich nicht viel ngößer als ein Kind, Honor erfchien iihrerseits nur durch ihre Kleidung »etwas voller. Jn der Ferne schlug Feine Thurmuhr drei. Die Wärterin »ntctte. die Lampe flatterte und ließ ; ihre Schatten an den Wänden hüpfen l als ob sie sich im Fieber von der einen . Seite zur andern drehe. Ein eigenar ! ttges Ticken machte sich Plötzlich in denr holzwerk hörbar. Mit einem Schrei s des Entsetzens richtete sich Mercy auf I »Im-« rief sie, zJimkss Donor öffnete den Mund, um ihr zuzurusenx »Sei still!« Doch plötzlich wie erstarrt, hielt sie ein. »Jim,« weinte die sterbende Frau, «,,horch nur! Jst das der Todtenkäfer'?« Honor lauschte, ihr Blut gerann fast. Dann ging sie nach der Thitr und öffnete. »im,' sagte sie in leisem Tone, auf den Korridor hinaussprechend, »sage ihr, daß es bloß eine Maus ist. Sie war stets ein kleines, furchtsamekz Ding« Und sie schloß leise die Thür, drückte die zitternde Schwester sanft in die Kissen und wickelte sie warm in ihre Decken ein. Am nächsten Morgen, als« Jim wirklich kam, bat die Kranke rührend, man möchte eines der Enkelkinder Tag und Nacht im Zimmer lassen. ,,Laß mich nicht wieder allein, « bat sie, ,,laß mich nicht allein! Jch möchte einen Menschen haben, mit dem ich sprechen tann. « Honor zuckte zusammen, aber sagte nichts-. sLippen öffneten sich mechanisch, um Das junafte Kind, weiches noch nicht zur Schule ging, wurde gebracht —- ein hiibscher, kleiner Junge mit braunen Locken, welche die Sonne, die ; durch die Fensterscheiben ftrömte, ber- l goldete. Der Morgen verging lang-; sam. Gegen Mittag nahm Mercy des I Kindes Hand und ftrich über feine Locken. J »Meine Schwester hatte auch gol dene Locken wie du," flüsterte fie. »Die sind erblich in unserer Fami- « lie, Bobbl),« antwortete Honor. : »Deine Großmutter hatte sie auch, als » sie ein kleines Mädchen war.« Dann kam eine lange Pause. Mer rys Augen waren halb erstarrt, aber ihr inneres Auge fah ein fernes Bild: »Die Resederi werden bald im Garten blühen, Bobby,« murmelte fie. »Ja, Bobbh und- die Ringelblumen auch,« sagte Honor weich. »Du weißt, Bobby, wir wohnten auf dein Lande.« »Auf dein Lande wachsen viel Blu men,« erklärte Bobbh ernst. l »Ja, und Bäume auch,« fuhr Honor fort. »Ich möchte wissen, ob fich deine Großmutter noch erinnert, wie wir Schläge bekamen für’Z Aepfelstehlen!« »Freilich weiß ich’s noch, Bobth ha, hal« lrächzte das sterbende Weib mit einem Ausbruche von Begeisterung. »Wir waren ein paar wilde Rangenl » Der Bauer lief uns nach und schrie: i Heda! Heda! Aber trir beachteten exi nicht. Hi, hi, his« j Honor weinte iiber dag Kirlrern» Der heimathliche Dialekt, den sie ein l halbes Jahrhundert nicht gehört hatte, s ließ ihr Gesicht unter Thränen lächeln. l »Sag’ deiner Grofmmtter, sie foll sich ! s nicht so aufregen, Bobbn. Jch will ihr ihre Arznei geben.« Sie schob den Knaben sanft beiseite, und Meran die Flüssigteit aufzunehmen »Pub bn,« gurgelte sie immer noch vor Ver ( gniigen zitternd, ,,er fiel dabei iiliert den Heuhaufen Hi, hil« l »Ton! ist schon seit vierzig Jaltrenl todt, Vorw- fiiistekte Honor l Mercys Kopf fant zurück, ein Aug- . druck höchfter Erschöpfung lag aus ihrem Gesicht. Eine halbe Stunde verging. Bobby wurde hinunter geru fen zum Essen. Die stillen Schwestern waren wieder allein. Plötzlich richtete sich Merrn mit einem Ruck auf. »Es wird dunkel, Tom,« fagte sie heiser, »ist’s nicht Zeit, daß du die Kühe aus der Marsch heimtreibstr« »Sie schwätzt wieder Unfinn,« er widerte Honor mit erftictter Stimme »Sage ihr, daß sie in London ist, Bobbh." Ueber das blaßgelbe Gesicht og ein Ausdrua von Vertliirung. Jnmer noch aufrecht sitzend, wendete sie sich nach der offenen Seite des Bettes. »Ah, Honor ift immer noch da? Küsse mich — Bobbh!« Jhre Hände griffen blindlinge. Ho nor beugte sich nieder, und der alten Frauen verweltte Lippen berührten ich. Und in diesem Kusfe glitt Mercy hinüber in ein noch tieferes Schweigen. — I Ver Mordbrenner. l —— Von Carl Muusniann. Aus dem Dänischen. Der Mordbrenner hatte seit Jahr nnd Tag im allertiessten Keller des s roßen Zuchihauses gesessen. Dreimal « satte er den Aufseher überfallen Nach den ersten beiden Uebersällen b ite man ihn mit der neunschmänzigen z Katze bis aus s Blut gepeitscht. Das j Letzte Mal war er in Eisen gelegt wor en Von diesem Tage an begegneten er und der Aufseher sich jeden Morgen mit drohenden Augen und seindlichem Sinn. Es war ein stiller Krieg und eine gegenseitige Furcht« aber lein Wort, nicht einmal ein böses, wurde gewechselt Da starb der alie Jnspelior, und es kam ein neuer. Ohne daß darüber gesprochen wurde, verbreitete sich die Nachricht lautlos unter den Gefange nen, und Hoffnung und Furcht misch ten sich im Geiste der eingeschiichterten, einsamen Sträflinge. Eines Tages erschollen fremde Fuß tritte im Gange vor der Zelle des Mordbrenners. Die Thitr wurde ge öffnet, der Aufseher blieb draußen ste hen, während ein einzelner Mann ein trat. Er war von dem Dunkel geblendet, fo daß seine Augen jeden Ausdruck verloren, der Mordbrenner aber, der das Tageslicht ganz vergessen hatte, sah ihn so deutlich wie eine Offenba rang. Der Striifling erhob fich schnell, nahm die Absätze zusammen und legte die Hände an die Hosennaht, während er den Eintretenden anstarrte. Es war ein noch junger, blasser Mann mit fei nen, fast durchsichtigen Zügen. Seine Augen waren tiefblau und träume risch, sein Haar war lang und der blonde Bart flon ihm bis tief über die Brust. »Der Herr Jnspettor!« verkündete eine harte Stimme von draußen. Der Mordbrenner nahm eine noch stram mere Haltung an, nnd der Fremde trat ganz hinein. Seine Augen hat ten sich san die Finsterniß gewöhnt, und es schien, als wirke die Umgebung unheimlich und störend auf ihn, seine Stimme war aber weich und melo difch. »Ist dies der Gefangene Nummer Sieben?« —- ,,Jawohl!« -——- »Du hast Deinen Aufseher dreimal überfallen?« « ,,Jawohl!« ——— »Du bist zweimal mit der Katze bestraft worden?« — »Jawohl,« sagte der Sträfling, dies mal aber im höhnischem Ton, als be lustige ihn die Frage. " »Du bist in Essen gelegt?« Der Gefangene antwortete nicht, man hörte aber ein schwaches Klirren der Kette und eine Ungeduld verra thende Bewegung draußen. »Ich bin der neue Jnfpektor. Du mußt mich nicht als Fein ansehen. Betrachte mich vielmehr als Erzieher.« »Als Erzieher!« wiederholte der Sträfling unwillkürlich und mecha nisch, gleichzeitig glitt aber ein spötti sches Lächeln iiber seine Lippen. Er fühlte sich in diesem Augenblick weit welttliiger als dieser Mann, obgleich er beinahe die Hälfte seines Lebens hinter den thchthausmauern zuge nacht hatte. ' »Ja -—— als Erzieher!« fuhr der Jn sreltor fort. Dieselbe ungeduldige Bewegung wurde auf dem Korridor hörbar. » ,,Jeh werde Dich in Zukunft mit Gute behandeln. Hoffentlich erziele ich da mit mehr als mit Schlägen.« ,,Jawohl,« sagte der Gefangene me ctanisch ohne iirer den Sinn der Worte nachzudenken »Heute haben wir den l. Oktober. Am Heiligen Abend komme ich wieder. Hast Du Dich während der drei Mo nate gut geführt, so werde ich Dir etwas geben, was vor Dir teiu anderer Gesangener bekommen hat. Nimm Dich zusammen.« Und des Jnspettors schmale, weiße Hand legte sich auf die Schulter des Esjiörders. Der Gefangene hatte eine derartige milde menschliche Berührung scit Jahren nicht erlebt, und obgleich ex stramm aufgerichtet dastand, fühlte er, wie die Kniee unter ihm wankten. Der anpettor ging. Die Thiir fiel zu. ie Schritte entfernten sich; die jenigen des Aufsehers aber träge und triderstrebend. Der erste Gedanke des Zurückblei benden war Rührung, der zweite war Haß gegen den neuen Vorgesetzten, der die Macht besaß, ihm Gutes zu erwei sen, der dritte und letzte war ein un unterbrochenes tage-, wochen-, monate langes Grübeln über diese Worte: ,,Etwas, was vor Dir kein anderer Gefangener bekommen hat.« Sie konnten ihn dahin brngen, daß er sich im Fieber der Erwartung schüt telte, und vor Furcht, daß er getäuscht werde, schaudertr. b szas iviirde der Jnspettor ihm ges -eu'. Einen Spiegel! Allerdings hatte er sein Bild seit vielen, langen Jahren nicht gesehen, und jeder hat doch das natürliche Verlangen, seine eigenen Züge, auch dann, wenn sie verweltt und entstellt sind, von Zeit zu Zeit zu betrachten. Bei Nummer Sieben wa ren sie aber im Lause der langjährigen dierkerhast in Vergessenheit gerathen. Eine Blume! Ja, eine Zeit lang nsareg sein sehnlichster Wunsch gewe sen, ein Topsgewiiehg zu besineih das er pflegen und beaießen konnte. Jetzt machte er sieh nichts mehr doraug. Es war hier unten ja auch zu dunkel, daß etwas gedeihen konnte. Ein Beefsteat mit Zwiebeer und Spiegeleierni Nein, eine solche Kost durste ein Gefangen-er nirht beanspru ehen. Sie hätte seinen Körper ja auch nur zu neuem Widerstand aekriistiat und neue Sehnsucht nach der Freiheit in ihm wachgerusen. Der Flug seiner Wünsche war zu Ende. Er vermochte sich gar nicht zu einer wirklichen Sehnsucht nach etwas B·estimmterem zu erheben, und sein Grübeln artetc schließlich zu einer schlafer Neugierde aus, deren Ziel es war, zu erfahren, was der neue Jn spektor wohl mit ihm im Sinne habe. Träge, schwer und langsam ver strich für den gefesselten Berbrecher die Zeit. Tag, Wochen und Monate ver gingen. ie Striche, die er in seine Rette geritzt hatte, während er alle Wuth herunterschluckte und sich ruhig nsie eine Maus verhielt, diese-Stiche Verriethen ihm, daß das Weihnacht5 fest gekommen sei. Wenn sie etwas an seinem Betragen anszusetzen hatten, wenn er nie erfuhr, was ihm zugedacht wart! Jn dem selben Augenblick, als dieser Gedanke in ihm erwachte, wäre durch ihn bei nahe das Licht seines Verstandes aus aelöscht worden. So gewaltsam hatte er auf ihn gewirkt Zur Mittagszeit hörte er Schritte im Gange, und diese Schritte waren für ihn zu Worten geworden. So scharf unterschied sein Ohr jeden Laut. Es war der Jnspektor und der Auf seher und dann etwas, das schwächer klan , das er nicht kannte und nicht begriff, das ihn aber mit so seltenen Ahnungen erfüllte. Sollte ihm wirk lich das beschieden werden, was vor ihm kein anderer Gesangener bekom men hatte? Schon lange bevor die Schritte seine Thür erreichten, hatte er sich erhoben nnd die vorgeschriebene,srrarnrne Hal tung mit den Händen an der Hosen naht angenommen. Sein Blut häm merte in den Schläsen und drohte, ihm das Herz zu zersprengen. Gingen riese Schritte an seinersZelle vorbei, so war — das wußte er—seine Wi derstandgsiihigkeit sür immer »ebro elen. Aber die Schritte und der fremde Laut machten draußen vor seiner Thür halt, und sein Herz stand einen Augenblick ganz still. Da wurde langsam geöffnet, schwer und rasselnd, und der Jnspettor trat em. »Du hast Dich in den verflossenen drei Monaten gut gesithrt.« ,,Jawohl,« sagte er. Seine Stim me zitterte. So sollte er es- also doch haben. ,,Erinnerst Du Dich, daß ich Dir eine Belohnung versprach?« Er vermochte nicht zu antworten. Ob er sich dessen erinnerte! Jn dem ganzen Vierteljahr hatte er Tag und Nacht an nichts Anderes- gedacht. ,,lirinnerst Du Dich dessen nicht?« ,,Jawohl!« nd diesmal klang es wie ein unterdrücktes Schluchzen. »Dann sollst Du sie auch haben.« Der Mordbrenner zitterte am gan zen Leibe. Der Jnspeltor drehte sich um und knipste mit den Fingern. Ein kleiner schwarzer Pudel kam langsam und vorsichtig herein, als fürchte er, daß man ihn in eine Falle locken wolle. »Den Hund kannst Du behalten,« sagte der Jnspektor. Draußen entstand eine ungeduldige Bewegung. Der Mordbrenner blickte den Jnspeltor mißtrauisch an und fragte: »Wie lange?« »So lange Du gut zu ihm bist und Dich ordentlich führst.« Der Jnspettor sah, wie die Augen des Verbrechers im Dunkel leuchteten, » sagte aber nichts Die Thiir schloß sich wieder lang sam, und der Gefangene blieb mit sei-— » nem neuen Gefährten allein. Diesmal klangen die Schritte drau « ßen verächtlich, als wenn einer-sich über etwas ärgerte. — Drinnen starrten die beiden einander lange an. Er Egerte, das Thier zu locken. Eine unbestimmte Furcht sagte ihm, daß es nicht zu ihm kommen würde. Schließlich wagte er den Versuch. Der Pudel näherte sich ihm langsam nnd zögernd. Als er ihm ganz nahe trat, begann er, ihn zu beriechen. Der Gefangene faßte Muth nnd fuhr ihm niit der Hand über den Kopf. Der Pudel richtete sich aus und legte ihm lie Vorderpfoten auf das Knie. Dies erschreckt-e ihn so sehr, daß er beinahe hinteniiber gefallen wäre, er faßte sich ater und strich ihm vorsichtig mit bei den« Händen über die Ohren bis lzur Schnauze. Der Pudel nahm aber einen Satz und sprang ihm auf den Schoß, und während der Sträfling ibni den Rücken hinnnterstreichelte, we relte das Thier ununterbrochen mit dem Schwanz und versuchte, ihm Stirn und Augen zu lecken, bis der Mordbrenner seinen Kopf ganz in dem trausen Pelz des Hundes verbarg und laut zu schluchzen begann. Diesinal war draußen kein Laut hörbar, alles blieb in lautloser Stille. Als der Jnspektor aber seinen-Rund acng beendet hatte, sagte der eine Auf seher zum anderen: · »Ich glaube, daß er nicht ganz rich tig ist. Jetzt wird der Mordbrenner W wohl auch noch seinen Hund aus uns he en.« tzSein Kollege nickte nur. Sie waren beide schon seclkzehn Jahre im Amt nnd wußten wie ie mit den Gefangenen Umzugehen hatten. Seit diesem Tage ist aber nie wie der eine Klage iiber Nummer Sieben geführt, und doch saß er noch sechs lange Jahre im tiefsten-Keller des großen Zuchthauses. Als er starb, wurde der Pudel her ausgelassen. Der Hund kämmerte sich aber um nichts, weder um Menschen stirch um Thiere. Ohne Speise und ; Trank zu sich zu nehmen, wich er nicht » vom Grabe des Mordbrenners, bis er nach ganz kurzer Zeit dem einzigen Freund, den er Wohl e in seinem Le ben gehabt hatte, unter die Erde folgte. Das Zeremonien am spanischen Hofe. Bei der Hochzeit des spanischen Kö nigs mit der Prinzessin Ena von Bat tenberg werden die alten Ceremonien wieder zur Anwendung gelangen, die für den Fernerstehenden und Unbefan genen genug des Humoristischen an sieh tragen. So ist es einer spanischen Königin durch das Ceremoniell streng verboten-, die Füße sehen zu lassen. An dieses Verbot knüpft sich eine amii sante Anekdote. Als Philipp der Zweite von Spanien sich verheirathet hatte, kam eine biedere Baue-tin vom Lande nach Madrid, um der jungen Herrscherin ein Paar selbstgewebts Strümpfe zu schenken. Die Frau nurde vor den Hofmarschall gelassen, ; nnd als dieser das Begehren derBiiue ;rm hörte, gerieth er in Wirth Er E warf der Bestiirzten die Strümpfe vor JtsieFiiße mit den tlassischen Worten: »Die Königin von Spanien hat keine Fiiße!« Von diesem Vorfall hatte auch die Königin gehört. Sie nahm die Bestimmung der Hofetikette und die Worte des Hofmarschalls fiir blu tigen Ernst und schrieb voller Angst an ihren Vater, sie wolle lieber ster ben, als sich einer solchen Barbarei aussetzen. Als ihr Gemahl, Philipp der Zweite, davon erfuhr, soll er herz lich gelacht haben, zum ersten und letz ten Male in seinem Leben. Mit der Zeit aber ist der Ausspruch jenes of inarschalls sprichwörtlich gewor en, »und noch heute heißt es in Spanien: ; »Die Königin von Spanien hat keine T Fiiße!« Eine andere eigenartiae Vor »scl-rift will, daß die Königin nur am ; Tage der Hochzeit ihr Brautkleid tra jaen und behalten darf. Am nächsten sTage bereits muß es der heiligen Jungfrau von Atocha geweiht werden. Die messvranstite Hitfsbereitschast König Ch.iftians. Man schreibt aus Kopenhagem Von den unzähligen Anekdoten über den zuerstorbeiien König, die gegenwärtig ’erziihlt werden, sei hier eine wieder gegeben, die insofern charakteristisch ! genannt werden kann, als sie des Kö inågss sprichwörtliche Hilfsbereitschaft Zillustriri Auf einem Spaziergang-e sticmertt der Monarch an einer Haus tl,iir einen Knaben, der ein unglück lichees Gesicht macht, vermeintlich, weil er die Thiirglocke nicht reichen kann. Der König tritt herzu, fragt, ob er fiir den Knaben läuten solle und erhält ein freudiges »Ja!« zur Antwort. Der Alte schellt und wartet nIit dem Jun gen die Wirkung ab, als dieser den König beim Rock faßt und halblaut ihm zuraunt: »So, nun müssen wir sit-er berschwinden...« Fragend blieb der eKönig stehen, während der kleine Schelm sich davon machte; und erst als eine Frau mit dem Stocke in der Hand heraustrah verstand der König, noin man ihn gebraucht hatte. Wurst-ich »Sie gingen wohl lieber ohne die strenge Tante, die so sehr auf Sie aufpaßt, zu Balle?-« ,,»«a, die alte Tante ist mir ein lästiger Ballballast.« Bewundrrunnøwütdig. »Ist Jhr neuer Kollege wirklich so fleißig?« »Na, ich sage Ihnen, so was ist noch nicht dagewesen! Wir thun den ganzen Tag nichts anderes-, als dem zuschauen!« Der tüchtige Geschäftsmann. Optiker (zu seinem neuen Kom iniS): »Wenn Sie die Preislisten fort schicken, so schreiben Sie die Adressen so klein wie möglich, damit die Kun den merken, wie nöthig sie Brillen brauchen!« Schlechte Austritt-. Richter: »Sie sind um zwei Uhr Morgens im Kassenzimmer der Stadtbank angetroffen worden. Was hatten Sie dort zu thun?« Anqeklagter: »Ich interesfire mich sehr für Börsengescl säfte und da wollte ich nur schnell mal die in dem Kas fenzimmer auslieaenden Kurse vom .letzten Abend überfliegen.« 0teduldig. Bliemchen MS ihm der Bader drei falsche Zähne gerissen hat): »Na sähn Sie mer awer balde, daß Sie den richtigen treffen nu hab’ ich’s its-We satt!« Der Doeffalomo. Polizist: »Was soll ich nur thun? .. « Jch hab’-heute einen Spitzbuben ertoisck;t, der fünf Gänse im Orte ge stohlen hatt Der Arrest ift aber ganz voll!« Dorfschulzet »Na, da lass’ halt einfach einen, der weniger gestohlen hat, laufen!« ,