Yebraska Staats-JEAN nnd Yerold l ! J. P. Windolph, Herausgehen Grund Island Nebr» 230 Mier 1906 (Zweiter Theil.) Jahrgang 26 No.31. ; Mein Bus. Mein Bub hat.hlaue Augen Und-sollst Lockenhaak, Zwei Fäu e, die auch tat-gen Betstand und Willen llar. Mein Bub ist ganz der Alte Ja Wesen und Manier; Und wag ich von Ihm malte, Das hat et ganz von mir. ——— Mein Bub, der hat ein Mündchen, «Das steht des Nachts nur still, Am Tage ist kein Stündchen, Wo dieses rasten will. Das ist kein Vateretbe, Ich weiß es ganz genau; . ch sag es etwas hexhe —---: Das hat er von meiner Frau. »·:«-purcn im Schnee.« Novellette von Josephine Siebe. Frau Ellen trat aus ihrem Hause und schwer fiel mit dumpfem Schall die Thür hinter ihr ins Schloß. Lang sam schritt sie die breite Kastanienal lee entlang, die bis zur Landstraße führte, auf den kahlen Zweigen der Bäume saßen Kriihen, die, ausge schreclt, durch die nahenden Schritte, trächzend ich emporhoben, und sekun de lang rchhallte ihr mißtoniges Ge chrei die Stille. wie schwarze -s-Hchatten flatterten sie über die ver schneiten Felder und verschwanden dann in der grauenden Ferne. Die junge Frau hatte bald die Landstraße erreicht und weiß und still lag das Land vor ihren Blicken, be grenzt von der blauschtvarzen Wand des fernen Waldes. Die Häuser des nahen Dorer versanten bereits in Dunst und Nebel und das targe Licht des trüben Wintertages begann schon zu verhlassen, denn tief hingen vom Himmel die schneeschweren Wollen herab. Rüstiaer schritt die Frau vorwärts, um noch vor Eintritt der Dunkelheit ihr Ziel zu erreichen, nicht einmal ah sie sich nach dem Hause um, das sie verlassen hatte — verlassen siir im mer. Nicht rückwärts eilten ihre Gedan ten, ziehenden Wollen gleich flogen-sie vor ihr ber, ihre aus dem enge Bann der Pflicht befreiten sehn richtigen Glitrtsgedankem hinter ihr lag die Einsamteit, die stille, eintönige Ver gangenheit ihrer Ebe, und vor ihr lag lockend. wie ein von rosigschirnmern l dem Hoffnungsschleiern verhiilltesz Bild, die Zukunft Frau Ellen ging aus dem Hause ihres Mannes, weil sie zu ersticken meinte in der Einsamkeit. Als sie vor « vier Jahren sein Weib geworden war, da war sie ihm willig aus der Stadt auf sein Gut aesolat, auch damals hatte Schnee die Bäume bedeckt, aber es war der Bliithenschnee des Früh lings gewesen, in dessen Schmuck der jungen Frau die neue Heimath wun — derbär reizvoll erschien. Kaum wert bar verrann die Zeit: eines Tages sah der Winter mit ernsten Auan in das stille Haus, da beaaun Frau Ellen die Einsamkeit zu siihlen. Der Winter, den sie bisher gekannt hatte, war so rauschend, lärmend nnd alanzerfiillt aetresen, und eine leise Sehnsucht tam in ihr Herz. Doch im Frühling tam die Sehnsucht wieder zum Schweigen, da blühte in dem einsamen Haus eine tleine Menschenblume aus, mit großen, erstaunten Augen sah ein Bübchen sich in der fremden Welt um. Glückselia lächelte die iunae Mutter. als man ihr das Kind in die Arme legte, doch in der Gluth des Sommers verweilte die lleine Frühlingsblume und ein win ziges Grab unter den Bäumen des Pages umschloß-das junge Mutter alii . · Tfrau Miean Schiner-. war wild und leidenschaftlich sie haderte mit dem grausamen Schicksal, und ivenn ihr Mann, der still sein Leid truq, ein warmes, heiteres Wort zu ihr sagte, dann grollte sie ihm im Herzen um seiner Gelassenheit willen. Als aber der Winter karn, wurde der Schmerz des jungen Weibes mit-» der. und die Sehnsucht nach der lau ten Welt erwachte von Neuem in ihrem Herzen. Sie begann über ihr Leben nachzudenken, so jung war sie noch und mußte doch so in der Stille leben. ; Sie dachte an ihre heiteren, glänzen-« den Mädchentage, an ihre hellen, lusti gen Träume, alles hatte sie den-« Manne geopfert, der so gelassen neben ihr ging; ahnte er gar nicht die Größe T des Opfer-L das ihren grübelnden-» Sinnen sich zu offenbaren schien? Und i einmal. in einer Stunde, da sie meinte, i die Stille des Hauses müsse sie ers-; drücken. sprach Frau Ellen zu ihrem! Manne von ihren Gedanken, von ih-i rem Re t an das Lesen. daß sie hin- ; aus mii e aus der Einsamkeit, siej sprach heiß und erreat, ihre Stimmei zitterte vor Sehnsucht und verhalte-J nen Thriinem » Der Mann larelte nachsschtig undi sprach aiitig zu ihr, wie man zu einem « Rinde svrickt, nnd in dieser StundeE verhärtete sisx ihr Herz gegen ihn.; Ihre schnaufende Unllarheit verlangte j nach Ernst und Verständnisz,.die nach- ; sichtige Milde machte sie trotzia s Jn dem alten Hause, mit den fest uefiigten Mauern, das so schlicht unds ehrenhast aussah, beaann ein heim-; lieber aufreibender Kampf, mehr und; mehr löste sich die Frau von ihrem! Manne und ging ihre eigenen Werg-J Hans Heide glaubte, Schweinen wär J die Sehnsucht in dem Herzen keines Weibes einschlmmnern lassen un da- ( rum schwieg er, aber immer wilder wurde die Sehnsucht der Frau. immer heißer ihr Verlangen nach dein ab wechslungävollen Leben von einst, und zuletzt, als nach Tagensp voll ahnender Frühlingswonne plötzlich ein herber, harter Nachwinter sein weißes Gewand aus der Erde ausbrei tete; trieb es sie hinaus. . Nun schritt sie den weißen Weg zntlang, der zur Stadt führte, dann noch eine kurze Eisenbahnfahrt und sie war am Ziel, war frei. Scheu und still war sie aus dem Hause ge angen, sie hatte es nicht gewagt, den agen an pannen zuz lassen, unbemerkt wollte sie gehen; »und ihr Mann würde sie nicht vermissen,« dachte sie bitter. Am Morgen hatte es geschneit und der frische Schnee hatte glättend alle Spu ren ans dem- Wege vermischt, nur hie und da unterbrach ein Baum oder Strauch mit dem fahlen Braun seines dürren Gelistes, die weite weiße Fläche. Seltsam empjand die Frau diese wei Stille, es war ihr, als schritte re durch eine Wüste, etrennt von allem Leben, und ein leises Grauen durch schauerte sie. Aus einmal tauchten Spuren vor ihren Blicken auf, von einein Seitenpsad tamen sie, frischgei tretene Spuren waren eg, vor kurzer Zeit erst mochten Menschen hier ge gangen sein und ganz unwillkürlich ging Frau Ellen den Spuren nach, den geraden Weg schienen sie ihr zu zeigen. Sinnend schaute sie aus den fad nieder, eine breite große plumpe «· pur war da« fest eingegraben« inc Schnee und-daneben eine kleine zier lichere, die Spur eines Irauensußes. Ein Mann und ein Weib waren da nor ihr den Weg gegangen, dicht ne beneinander Schritt um Schritt, viel: leicht hatte der Mann seinen Arm um das Weib gelegt, und sie hatte den Kopf an seine Brust geschmiegt, so wie sie einst mit Hans Heide gegangen war. in den Tagen ihrer jungen Liebe. Plötzlich blieb die einsamel Wanderin stehen, ihr war es als habe sie von irgend woher einen Laut vernommen» sie lauschte. ( Alles blieb stin. Sucheud schaut-l sie um sich, das Haus, das sie verlas- « sen hatte, war nicht mehr sichtbar, esi war ver unten in der nebelgrauen; Ferne. is begann zu schneien, große; Flocken wirbelten durch die Lust, die von den hängenden Schneemassen flimmerte und leise sank die Dämme rung herab. Mit geneigtem Haupt, den Blick fest auf die Spuren im Wege ge richtet. so ging , rau Ellen mit schwe rer werdenden --chritten weiter, mith scm gegen das dichter sallende Schnees gestöher antiimpsend Wieder stockte ihr Fus-« da vor ihr liefen nicht mehr zwei Spuren den Weg entlang, nur eine war es noch, die breite feste Spur des Mannes-. Wie eine Vision stieg es vor dein jungen Weibe auf, sie sah sich Seite an Seite mit dem Gatten im Vor friihlinaswehen über ein frisch ge bfliigteg Feld schreiten. Sie hatte ce tlagt, daß ihr das Gehen schwer wirdj in dem lockeren Erdboden, da hatte er» lachend und spottend über ihre ver tröhnten Städterfüße sie plötzlich ein porgehoben und sie mit kräftigen Ar men über das Feld getragen. Wie weit ; lag doch jene Zeit hinterihr, wie lange trar sie nicht mehr in frohem Schrei-— » ten an der Seite des Mannes über das Feld gewandert. Und ec- lain ihr in den Sinn, wie oft er sie gebe ten hatte, mit ihm zu gehen und im mer hatte sie »Nein« gesagt, bis zu letzt sein Bitten verstummt war. Dichter, immer dichter fiel der Schnee, wagend umwallte er die eins-s same Wunder-im eine weiße flockige Schicht legte sich. ihr auf das duntle Kleid. die weißen Sterne zerschmolzen auf ihren heißen Wangen und hingen sich wie glihernder Schmuck in ihr lslondes Haar. So müde wurde sie, immer langsamer ihr Gehen. Da endlich ein Meilenltein am Wege, ermattet setzte sich das junge Weib, nicht lange wollte sie ruhen« nur wenige Minuten, weit konnte sa ihr We nicht sein, bald würden die ersten ichter der Stadt auftauchen, dann war sie geborgen Geborgen?i «Eine große Angst vor der Zukunft, die ihr auf einmal in so weiter grauender Ferne zu liegen ehiem übertam sie.s Sie starrte in das Spiel der wei en Sternchen. wie Schleierwogen wa te es auf und nie der und seltsame Bilder formten sich ihr. Ganz hell- wurde es aug einmal, alles war in rothe flammen e Gluth getaucht und durch die Glutlf führte eine feste gerade Spur aber o weit« so unerreichbar weit war der Weg zu dieser Spur. Klang va nicht ein Ruf durch die Stille? Sie versuchte sich aufzurichten, dcch müde ianl sie zurück, ich will heim gehen, murmelte sie leise, und aus dem ilimmernden Gewoge stieg- ihr das Bild des einsamen Hauses auf. sie sah sich in dem erleuchteten Zimmer sitzen, die Thilr öffnete sich und eine warme vertraute Stimme klang an ihr Ohr: ,,Ellen, mein Liebling.« Da stöhnte sie auf, »Hane", rief sie angstvoll, »san« »Sei ruhig, ich bin bei dir,« klang wieder seine Stimme, da riß der Bann, der ihre Gedanken verwirrt hatte, aufschauend sah sie in das Gesicht ihres Mannes-: »Du hier?« stammelte sie und dann ihre Arme um ihn schlingend, kam es wie erlöst von ihren Lippen: ,,oh du, daß du kamst!« ,,Ellen, wo wolltest du hin?«,sragte cr, die Frau fesser umschlingend, und als er ah, daß sie schwankte, hob er sie empor und trug sie durch den Schnee Und während er so mit ihr ging, da sliisterie sie ihm leise zu wo hin sie hatte gehen wollen und warum, erzählte ihm von ihrer Se nsucht, ihrer Einsamkeit und er laus te und erkannte, daß er auch eine Schuld trug und in diesen kurzen Minuten wurde tlar zwischen ihnen, was so lange vom Nebel des Nichtverstehens Verhüllt gewesen war Nach kurzem Weg strebte sie sich aus seinen Armen zu lösen. »Ich bin zu schwer « bat sie, »der Weg ist Ia noch so weit, wir waren so dicht an der Stadt!« »Sieh doch, wo wir sind « ries er und ein leises Frohlocken war in sei ner Stimme- Verwirrt aufschauend, sah sie vor sich die erleuchteten Fenster des einsamen Hauses. »Du hattest dich verirrt « sagte er weich, »du bist im Kreis herumgegan gen, deiner Spur solgend sah ich es!« »Oh, nicht verirrt, es war der rechte Weg,« jubelte sie aus, ,,er führte mich wieder der Heirath zu!« Und Hand in Hand traten sie in ihr Haus, dessen helle Fenster wie strahlende, glückliche Augen in der Dunkelheit leuchteten. - Das Fanal Humoregte von —Alhert Gras von Schlippenbach Jn dem etwas abgelegenen Städt chen — nennen wir es Hileba —— stand vor ungefähr zwanzig Jahren ein Ba taillon Jnfanterie. Von der nächsten Station einer Sekundärbahn war der taum sechstausend Einwohner zäh lende Ort zehn Kilometer entfernt. Um nach der Provinzialhauptstadt zu gelangen, brauchte man wenigstens sechs Stunden, vorausgesetzt, daß der Zug mit der altersschwachen Lokomo tibe auf der Nebenbahn den Anschluß an die große Linie erreichte. Das war aber immer recht zweifelhaft. Die » jungen, unverheiratheten Offiziere wa »i« ren daher darauf angewiesen, ihre. Vergnügungen und Zerstreuungen ini stleba sselbst und in seiner Umgebung zu suchen; denn eine Reise nach der nächsten größeren Stadt oder gar nach der Residenz erforderte immerhin pe luniäre Opfer. Glücklicherweise stand das Offiziergtorps mit der Bürger schaft und den benachbarten Gutsbe sitzern vorzüglich Eine rege Gesel ligteit mußte daher manches ersetzen, wag nur eine große Stadt bieten lann. Aber man antiisirte sich trotzdem gan; gut. Schon der Leutnant von Watte rode und sein Jntimug, der jüngst zum Bataillonsadiutanten ernannte Leutnant Keller, sorgten mit ihrem frischen Humor reichlich für Unterhal tung. Vor ungefähr Monatsfrist hatte das Bataillon einen neuen Rom mandeur bekommen Major. Griin feld war eine stattliche, militäriscbe Erscheinung Doch die Natur ist nicht immer nach allen Seiten hin ver-— schwenderisch. Körperlich hatte sie ihn zwar durch Größe, Breite und durch die Länge eines blonden Schnurrbarts überreich bedacht, geistig gehörte er je doch gerade nicht zu den Heroen Na tiirlich blieb das seinen Untergebenen nicht lange ein Geheimniß. Schon die Art, mit der er bei den Uebungen, an statt lurze, klare Befehle zu geben, sich in längerer Besprechung mit den Of fsizieren über die nöthigen Anordnun gen einliesz, verrieth neben tattischer Unsicherheit geringr..Fähigteiten. Dazu tam seine unglückliche Liebe für Fremdwörter. Da nun seine wissen schaftliche Bildung etwas vernachläs sigt war, so passirten ihm leicht un liebsame Bertvechelungem oder seine Ausspriiche blieben oralelhaft unklar. Schon bei der ersten Felddienstiibuna unser feiner Leitung erregte er durch eine, seitdem zum geflügelten Wort im Offizierstorpö gewordene Kritik über die fehlethaften Maßnahmen ei nes Kompagniechefs allgemeine Sen fation. »Als- ich Jhün Angriff auf jene Dorflisiere fab. mein Herr Haupt mann,« meinte er nämlich tiefsinnig, »wer meine moralische Ueberzeugung zu Ende.« Wenige Tage später sprach er dann sein Mißfallen über eine verfehlte Ue bung einem anderen Offizier in nicht minder teltfamer Weise aus: »An Stelle der Umgebung hätten Sie den Ochsen vielmehr gleich bei den Hörnern fassen müssen. Natürlich lans com pariment, Herr Leutnani« setzte er mit einer verbindlichen Handbewegung zu dem Gegner des Getadelten hinzu, der in Folge der doppelten Entglei tung feines Vorgesetzten kaum ernst haft bleiben tonnte Natürlich boten diese kleinen Schwächen und Mängel des Herrn Majors den Leutnants Wallerode und Keller stets einen neuen Stoff zu allerhand gewagten Scher zen. Es war ein herrlicher Frühlingstag. als der Major mit seinem Adjutanten durch den schönen Klebaer Stadtforst ritt. Die Kompagnien sollten zuerst einzeln auf dem, etwa eine Stunde von der Garnison entfernten ,,.aroßen (Lxerzierplatz« üben und dann unter der Führung des Bataillonskommaw deurs zusammen gegen einen markir ten Feind operiren, den Grünfeld so eben mit Hilfe des Adjutanten auf ei ner Hügeltette aufgestellt hatte. »Sa gen Sie mal, lieber Keller, was be deuten nur die schwarzen Kreise dort an den Kiefern und Fichten?« unter brach der Major ein minutenlanges Schweigen und deutete auf die zum Schutz gegen Raupen um die einzelnen Stämme mit Theer gezogenen Ringe. Dem Gesragten saß wieder einmal der Schall im Nacken. »Die Ringe, Herr Major,« erklärte er mit todtern ster Miene, ,,sagen dasselbe wie der Flor am Arm eines Menschen. Die Bäume trauern nämlich.« »Die Bäume trauern?« Grünfeld machte ein höchst eritauntös Gesicht. »Um wen denn?« »Ach, der Herr Major wissen wohl noch gar nicht, der Oberförster ist neu lich gestorben, und da werden zum Zeichen der Trauer alle Bäume schwarz angepinselt. Es ist dies eine ebenso schöne wie althergebrachte forst liche Sitte.« ,,Wirllich, sehr sinnig,« meinte - Grünfeld. »Aber wie ist denn das so : schnell gekommen? Vor acht Tagen habe ich ja noch mit dem Oberförster im goldenen Roß einen Slat gespielt. « Armer Kerl, thut mir wirklich herz lich leid. —- Schien ein netter, anstän diger Mensch zu sein. —— Wann soll er denn begraben werden?« steuer org sich auf die Lippen, um nicht laut auszulachen. Zu seinem Glück war man inzwischen auf dem, den Forst begrenzenden Exerzierplatz angekommen. Die Hauptleute spreng ten heran, um ihre Truppen zu mel den. So wurde Keller der Antwort auf die heitle Frage enthoben. Nachdem der Bataillonskomman deur sodann noch einige Zeit dem Exerzieren der einzelnen Lompagnien zugesehen hatte, rief er die Herren Offiziere, um ihnen die Jdee für die Schlußübung zu entwickeln. »Dort hinten aus der Hügeltette steht der markirte Feind,« begann er seine Aug einandersetzung »Die Angriffsrichi tung ist durch das weithin sichtbare trignometrische Fanal gegeben —« »Verzeihung, Herr Major,« unter-— brach ihn der Adiutant, »ich glaube, es heißt Signal.« Auf den Gesichtern der Offiziere zuckte es verdächtig. Griinfeld bemerkte es wohl und wurde etwas verlegen. »Hm! ---— Wissen Sie das ganz ge nau? Wie denken Sie darüber, Herr Hauptmann Rother«, wandte er sich unsicher geworden an den ältesten Ka pitdn « Der Angeredete besah sich eben mit großem Interesse feine Stiefelspitzen. Es dauerte einige Selunden,«bis er im Stande war zu antworten. »Ich glaube — Leutnant Keller « hat recht,« stotterte er endlich, mühsam gefaßt. »Sind Sie alle der gleichen Ansicht, ; meine Herren?« fragte Grünfeld etwas s mißtrauifch und eröffnete dadurch eine ! Diskussion über den richtigen Namen s des trigonometrischen Punktes. Es s entspann sich infolgedessen ein reger Meinunasaustausch Die einen schlos sen sich der Ansicht des Adjutanten an, dte anderen scheinbar der des Majors. Nur der Leutnant von Wallerode hatte bisher geschwiegen. Nun drängte er sich plötzlich vor, warf feinem Freund Keller einen raschen Blick zu und ver kündete dann mit heller, weitschallen der Stimme: - »Meine Herren, der Herr Major haben wie immer recht. Es heißt das trigonometrische Fanah denn wenn es ein Signal wäre, könnte es geblasen werden!« Die berittenen Osfiziere bekamen t nach diesem tiefsinnigen Ausspruch wie auf Kommando einen heftigen Schnu pfenansall, wenigstens bargen sie die Gesichter plötzlich in die eilig hervor gezogenen Taschentücher und wackelten ! dabei seltsam mit den Köpfen hin und » her. Die Leutnants zu Fuß aber muß- j ten ebenfalls alle gleichzeitig aus ein- I mal höchst aufsallende Entdeckungen hinter ihrem Rücken machen, denn sie drehten sich urplötzlich mit sonderbar: verzogenen Mienen um, wobei einige ganz merkwürdige, Ineckernde Töne» von sich gaben. Nur Leutnant Keller und sein Freund Walterode blieben’ ernst. Und das war aut, denn so ent ging dem Herrn Maior das eigenar- » ttge Gebahren der anderen Ofsiziere.; Völlig überrascht über die Erklärung starrte nämlich Grünseld zunächst den ! kühnen Sprecher an. Dann schaute erj fragend zu seinem Adjutanten hin. »Ich vermuthe, Herr Major, Leutnant von Walterode hat das Richstige ge troffen,« beeilte sich Keller zu sagen, um den Vorgesetzten zu verhindern, die ander-en, meist noch mit einem Hei terkeitsausbruch kämpfenden Offiziere um ihre Meinung anzugehen. »Hm!-« Grünfeld überlegte einen Augenblick. ,,Wirklichi — ich glaube selbst,« entschied er endlich. —- ,,Also meine Uherren die Richtung ist aus das triaonometrische Fan al —— Eine Stunde später ritten der Ma ior und sein Adjutant wieder durch den Wald der Garnison zu. »Der Waltenrode ist doch wirklich ein sehr kluger Mensch,« meinte erste rer plötzlich im Tone höchster Anerken nung. »Wie ist er nur auf diese unge- l mein klare Erklärung so schnell ge kommen? Possen Sie auf, Keller, der macht noch einmal eine famose Kar riere. Jch werde es ihm jedenfalls naheleqen, doch auf Kriegsakademie zu gehen. Urlaub zur Vorbereitung soll er bekommen, dafür will ich beim Herrn Obersten schon sorgen.« »Herr Major haben auch hierin, wie immer recht, « Pflichtete ihm Leutnant » Keller bei und beugte sich tief aus den Hals seines Pferdes herab. Skizze von H.vonMiihlenfels. Ein silbernes Mondlicht, das auf der spiegelglatten Fläche einesWeihers gaulelt und auf dem Wasser ein Kahn, der leis da in gleitet oder halb im Schilf verborgen stillsteht, und im Kahn zwei junge, junge Menschen, ein »Er« und eine »Sie« und beide schön lind beide verträumt und versunken ——erdentriickt — Wer hätte nie den Zauber solcher Mondnacht empfunden und wer hätte nie iider den armen, jugendlichen Poe ten gelächelt, der solch ein uraltes Mo tiv in neue Form zu kleiden versucht? Das ist ein altes Lied, so oft befangen wie die Liebe selbst; aber dem, der ins solcher Nacht zum ersten Mal hört und fiåhlh dem ist’g doch so neu, so ung! a nt. Die beiden Menschlein im Kahn blickten sich an. Der ..Er«, kaum dem ; Schulzwang entwachsen, hatte die Ru der aug den Händen gleiten lassen und I «Sie«, ein blondes Fräulein, stützte den Kopf in die Hand. Sie wollten sterben! Ja — todternst war es ihnen » mit dem Sterbenwollen. i Der Kahn, der sie trug, würde nun sobald schon einsam aus dem Wasser schaukeln und seine Jnsassen, ver lniipft auch äußerlich durch einen mit-: gebrachten Strick, würden ein feuchtes Grab da unten im tiefen Weiher fin den. Ach, wie so trügerisch. i i Und nun gautelte dieser Mond so silbern, so hell, so leuchtend, als wolle er sie äffen, denn ihr Sinn stand doch nach Dunkelheit und Sturm und Grausen,« nach einem Todtenlied, das die Natur ihnen sang. Seit einer Stunde schon rudern sie aus und nieder — auf und nieder, schweigend —— finster und angstvoll schweicend nur die Blicke in einander tauchend, und in den Augen des »Er« lag oftmals die stumme Frage: »Jetzt?« Aber sie schüttelte jedesmal leise ihr blondes Köpfchen und dann flehte sie: »Noch eine Minute-ja nur noch eine Minute!« Es ist wohl hart zusterben, wenn man noch so jung, so blutjung ist, wenn das Leben eigentlich noch so schön sein könnte, so himmlisch schön. »O Gott! O Gott!« Der junge Mann stieß diesen Seuf zer aus und er kam ihm aus tiefster Seele, denn in seinen Augen schim merte es feucht und seine Stimme klang wie eine zerbrochene Saite. Und sie erwiderte seinen Seufzer mit einem ebenso tiefen, qualvollen Ausstöhnen, und wieder lag in feinen-. Blick die bange Frage: ,,Jetzt?« Doch wieder schüttelte sie ihr blondes Köpf chen und hauchte kaum hörbar und doch so seltsam dringlich: Noch eine Minute!« Wunderliche Gedanken mögen es sein, die zwei iunae Menschenkinder in der letzten Stunde ihres Daseins quälen und bewegen. Man saat, daß an Schwerkranken in der Stunde ihres Todes das Leben noch einmal vorbeiziehe, daß Freude und Schmerz, Glück und Leid noch einmal vor ihnen erscheine und sie lönnen es nicht fassen, daßsiees sind, die all dies erduldet und getragen haben, die da eejubelt und gelacht, geliebt und getrauert haben. » Aber es liegt doch ein stiller Friede über ihnen und sie geben sich gern dem Schlaf hin, den wir den »ewigen« trennen und der in ein besseres, so fer nes, so unbekanntes Jenseits führt. Vor den Augen unseres jungen Hel den begannen auch die Erinnerunaen greifbare Gestalt anzunehmen. Sein» kurzes Leben wollte noch einmal in» bunten, schillernden Farben an ihmi vorüber gaukeln. Es war so vieles schön gewesen und «lustig und kindisch und teil. Aber do bei weitem nicht alles. Es hatte . au ernste Stunden gegeben« s e I orahre, angegillt mit lateinischen und griechischen egeln und Werber-, mit. Alaebra und schwierigen deutchen Auffsätzen und der arme Kon ,tte ost treiken wollen. Dann aber hatte des Vaters Wille eingesetzt und der war so stark, daß der junge, rebellische Kopf das·Träu men und Dichten vergaß und schließ lich das Chaos von Wissenschaften wohlgeordnet in sich barg. Das war nun schon ein halbes Jahr her-; man hatte ihm die Hände gedrückt, als er sein Examen mit Glanz bestanden hatte; der Vater hatte warme Segensworte zu ihm gespro chen und sein Herz war so groß und weit gewesen, Und ein Muth so stolz und stark hatte ihn beseelt, daß er glaubte, von nun an allem Erdenleid lfnkd aller Last für immer enthoben zu mi. Dann war dies blonde, 15jährige Fräulein in sein Leben gekommen und dies Fräulein war das Töchterchen eines strengen, harten Vaters, eines Vaters, der so klug, so voller List war, daß er das- entlegene Winkelchen, in dem sie seit Tagen ihre ersten, glühen den Küsse tauschten, entdeckt hatte. Und so tückisch, so wenig vornehm war er, daß er den jungen Mann nicht, wie sich’s ziemte, zu einer Un tmdung unter vier Augen einlud und fiel- mit ihm auseinandersetzte — nein——seine Bosheit ging so weit, daß er dem Vater des un lüctlich Lieben den einen groben Brie schrieb. Der junge Selbstmordlandidat faßte wieder an seine Wange. . O diese Schmach! Diese elende, un verzeihliche Schmach! Und warum war der Vater so maß los heftig geworden, trotzdem er, der 10jährige, ihm versichert hatte, daß er ges-wen sei, unt des Fräuleins Hand zu «oerlsen?- Warum? O, natürlich —— m r deshalb, weil der Vater der blon den Hertha sein Vorgesetzter war, sein bärbeißiger, grob-er, ungeschlachter Vorgesetzten « Wie verstört war er in sein Zimmer gerarr-.t, hatte die Thitr verriegelt und einen Brief an die blonde Hertha ge schrieben, einen Brief voll verzweifel ter Klagen — einen Brief, der das arme Fräuein Hertha in einer so trostlosen Stimmung traf, daß sie lei denfchastlich in den Vorschlag einwil ligte, diesem entwertheten, harten und grausamen Leben ein Ende zu machen. Der Zunge Mann schaute ins Was ser, das ganz leise, feine Kreise zog; er beriihrte es mit seinen heißen Hän den und zog sie erschrocken zurück. Ein Schauer lief durch seinen Körper. Er direkte zu Hertha hinüber-. Die hatte sie Hände vors Gesicht geschlagen und ;oei::te, ras; ihre Schultern zuckten und das Mondlicht flocht einen silber nen Kranz um ihre goldenen Haare. Wie eine Heilige sah sie aus. .,««,)er:!:a!« sagte er leise und trau rig. Da blickte sie auf. »Es ist so hell, Hertha!'« ,,Sr furchtbar hell!« seufzte sie und dann schwiegen sie wieder Er ergriff die Ruder, um ein Stück sein weiter vom Ufer fortzusegeln. Tof, feine Hände waren kraftlos: die Ruder fielen ins Wasser. Das spritzte hoch auf und näszte Herthcks Gesicht und ihr blaues Tuchkleid mit dem hel len Spitzenkragen Da wurde sie ärger lich, begann sich sorgfältig zu trocknen und sagte vorwurssvoll: s »Wie kann man so ungeschickt ein-« Er schwieg; er fühlte sich verletzt. Wie konnte sie an dergleichen denken? Jetzt? Jn dieser Stunde? — Sie aber dachte darüber nach, wie ärgerlich eg wäre, wenn man in dem schönen, neuen Tuchtleid die Wasser flecte sähe und wie Mama schelten würde, und dann über-kam sie eine jähe Angst. O Gott-wenn sie zu Hause schon vermißt wiirde, wenn man sie suchte, wenn der Vater es schon er fahren hätte! O Gott —- o Gott! Jhr Herz schlug bis zum Hals. »Wie viel Uhr? Sag schnell-wie viel Uhr, Ernst·c-’« bat sie. Er sah sie mit einem Blick an, der grenzenloses Staunen ausdrückte. »lWa«5 tiimmert’5 uns?" sagte er rau i. Da ciber fuhr sie aus. »Was lüminert’s uns? sagst Du? Ja, wenn Papa es aber schon erfah ren hat? Und Mama weint vielleicht und sie werden wieder so bös und Du hast die Schuld an allem! oea, an allem! Auch wenn mein schönes Tuchtleid Verdorben ist. O, ich hasse Dich —— sabr ans Land! Sosort! Jch will e5.« »Hertl)a, hast Du denn vergessen, wag nan hierbei siilirte?« Er fragte es traurig-sehr trau rig. Sie aber hatte nlötzlicb alle Senti-: mentakität al«gestreift, wie man ein liistiaez Kleidunasstiick abwirft. ,,.5tinderei!« rief sie. «Duminheiten! Ein itbcrspannter Mensch bist Du. Jch will fort Von Dir; ich will Dich nie nie irieder sehen!« Leise und eintönig klangen die Ru derschläge. Jn zwei Minuten waren sie am Land. Ohne ein Wort des Abschiede eilte sie fort —nur von dem einen Gedanken beseelt: ,,-Ob sie’s schon wissen? Ob sie mich schon suchen?« « Und er sah ihr nach, schüttelte den Kon und griff an seine Ssm ,,Narr!« sagte er leise und dann pfiff er das Liedchen aus einer O er, die er unlängst bei seinem Ausent alt in Berlin gehört hatte Und das ihm so besonders gefallen hatte: · »Ach wie so trüaerisch —- sind Wei i berherzen!·«