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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (March 30, 1906)
Zirkus - Marie. VonEtvaldOheim. Der öde Platz am äußersten Ende der verräucherten Porstadt sah zu Schaustellungen wenig einladend aus. Und der alte Eisener hatte dort fein Karussell aufgebaut. Vater Eisenero Karussell war aber ein sehr bescheide nes seiner Art —- nicht eines jener flimmernden Schaustiicle, die von tlei neu und gwszen Kindern auf Jahr tnärlten imd Messen angestaunt wer den, unter deren gold- und silberver ziertem Sammtbaldachin sprinaende Löwen und blutdiirstia ausschauende Tiger hinter muthiaen Pferden, fried lichen Eseln, ja selbst fetten Schwein chen her-jagen, ohne sie jemals zu er reichen » teins jener Karussell5, die sich die moderne Technik dienstbar machten und iiber Elektromotoren und ohrenhetäubende Orchestrions versti gen. Das alles besaß Vater Eiseners Ka russell nicht Woher hätte er ein sol ches Prachtstiiel auch nehmen sollen? Dazu gehörte Geld, recht viel sbgarl Und das hatte er nicht. Ja, früher — vor langen Jahren! . .Aber damals hing ihm der Himmel voller Geigen, und er gab sein leicht verdientes Geld mit leichten Händen aus. Ein kräftiger, schtnurtloser Pfahl, darüber ein kleines. rundes Dach aus rothem, stellenweise recht verblichenem « Tuch, Eisenstanaen, die vom Dach rande herunterhinaen und an denen sechs Paar Pferde baumeltent das war Vater Cisenerg FiarusselL Mähne und Scktranz hatten die meisten Nosse spät-read ihrer lanqen Wanderfahrt offen müssen: auch Farbe wollten sie nicht mehr recht detennen, obwohl Ei seners Pinsel manchmal mit den un tvahrscheinlichsten Anstrichen nachge holfen hatte. Dar- ,,Orchefter« bestand aus einem alten Invaliden, der die Drehorgel spielte und Eise-net auch sonst zur Hand aitia. An einem Sonntaamittaa stand das Karussell auf dein Platz fix und fertig da. Auch die ersten Zuschauer kamen. Eine ganze Horde von iibermiithiaen Jungen im Sonntaagstaat umstand gasfend das Karussell oder jaate mit den Pferden um die Wette im Kreise herum. Nachmittags wurde es lebhaften · Von Zeit zu Zeit luate nämlich die Sonne hinter einein zerrissenen Wol tensetzen hervor, überaon den Platz auf einige Minuten mit tahlaoldenem Licht, versteckte sich dann wieder und foppte so die Menschlein mit ihren Hoffnungen aus autes Wetter. Zu einem Ausfluae Ivar die Witte rung also zu ungewiß. Und weil ges rade in der Nähe, auf demPlatz, »was los war", ging man dahin. So kam es, daß Vater Eisener Abends gute Geschäfte machte. Ein ansehnliches Häuflein Nickel tlaperte lustig in sei ner Tasche. »Wer macht nochmal einen Spa zierritt aus den edlen Vollbliitern, meine Damen und Herren?« Va ter Eisener wurde nicht miide, die »ge ehrten Arnateure« immer·von Neuem einzuladen. Die aiinstiaste Stim mung des Publikums mußte aus-ges nützt werden. »Bitte, mein Herri« Durch die Reihen der Gaffer dränate sich eine lleine, alte Frau in ärmlichen aber sauberer Kleidung. Eisener hatte sie schon länaere Heil beobachtet, wie sie mit leuchtenden Vli cken den während der Fahrt in ihren Eisengeriisten sanft hin und her gon delnden Pferden aesolat war. Unter einem altmodiichen, schwar zen Spitzenbiiubchen erröthend, streckte sie Eisener den Nielel siir eine Fahrt entgegen. »Dante. Wo ist Ihr Kleiner?" »Jetzt-. .Jch bezable für mich!« » . Sol Aber schließlich warum nicht? Werden Sie’s auch aushalten und nicht fchwindlig wer: den?« Ein lurzes Lachen war die Ant wort. »Ich schwindlia werdens« Es llana beinahe verächtlich. »Na, beleidian wollte ich nicht. Aber den Steigbiigel werde ich Jhnen halten. Sol« Eisener half der seltsamen Arnazone in den Sattel. Da brach ein lautes Hallo und Ge ioble aus. - »Die Zirlusmnrie!« »Seht doch die Zirtusmarie!« Die Neugierigen drängten sich nä her heran, man lachte, schob und stieß sich, um die in dieser Stadtgegend un ter dem Spitznamen »3irtusmarie« bekannte Frau auf ihrem lustigen Sitze heiser sehen zu lönnen. Damme Redensarten, schlechte Witze und derbe Speise haqelten dicht aus die »Nein rin" hernieder. Sie schien nichts zu hören. Jhre müden, alten Augen träumerisch ins Weite gerichtet, wippte sie auf dem abgeschabten Holzaaul hin und her, während Eiiener das siarussell drehte und das Orchester einen vor zwanzig Jahren bekannten Gassenhauer spielte. Kosend fuhr die schmale, hagere band der Alten über den Hals des Pserdes, ihre Lippen bewegten sich wie im Selbstgespräch nnd ein vertlärter Ab glanz reiner Freude und auseichtigen Glücks malte sich in ihren verhörmten, einitige Schönheit verrathenden Zü-« gen. Das Karussell drehte sich langsa mer. Dann hielt es. Zirlusmarie schien es nicht zu bemerken. Als Eise ner sich näherte, mn ihr vom Pferde u helfen, fah ihn die Alte traurig an. « wei große Thriinen rannen über ihre runzeligen Wangen. « »Nami, Mutterchen Sie weinen?« Die Alte luchte in ihrer Rocktasche »Ich habe kein Geld mehr « kam es: tonlos von ihren Lippen. Aengstlich heftete sie die Augen auf Eise-ten Dieser beobachtete fie einen Moment-. Die gute Abendeinnahme hatte ihn freundlich gestimmt Warum sollte er der wunderlichen alten Frau ihren kleinen Wunsch uerweigernl Uebetdies begann der naßtalte Nachk tvind die Gaffer zu uerfchenchen. Viel wijrde heute doch nicht mehr zu ver dienen sein. »Na, meinetwegen bleiben Sie drauf. Bis zum Schluß, wenns Ihnen gefällt.« »Wirklich? O danle sel)r!« Zirlusmarie schlon halb die Augen, setzte sich wieder im Sattel lzurecht und ordnete mit graziöfek Handbewegung die Zügel. . »Total verrückt, die Alte, brummte Eifener. Auf der anderen Seite des Karussells hatte soeben ein junges Liebespaar Platzgenommern Dorthin ging er lassiren, und gleich darauf drehte er wieder die KarnssellkurbeL während die afthmatifche Drehorgel ihren alten -Gasfenhauer herunter kreischte »Nun ist Schluß, Mutterchen. Jch mache die Bude zu. Eisener stieß die Alte an. Die letzten Zuschauer hatten sich verlaufen. »So? Schon?« Zirkugmgrie zog den Fuß ans dem Steigbiigel und sprang auf den Bo den. Von den vielen Drehungen des Karussells lvdgte und wirbelte es ihr aber im Kopf. Sie taumelte, Eifener fing sie auf. »Ohn, oho! So, ietzt geht’"s wie der besfer. Na, gute Nacht, Mutters chen Ob ich noch morgen hier bin? Gewiß! Und wenn die Sache wieder einigermaßen klappt, können Sie auch ganz ruhig tommen.« »Danle, danke fehr Nein, Sie ahnen gar nicht, was fiir einen ver gniigten Tag Sie mir heEtte geschaffen haben. Darf ichc ie vielleicht nach Ihrem Namen fragen?« »Nanu,« dachte liisener. »die ist eigentlich gar nicht fo verdreht, wie ich glaubte. Sie spricht wenigsten-J ganz vernünftig.« l Zirkusmarie fah ihm bittend in die Augen, als er mit feiner Antwort zö aerte. Jhr «verhiirmteg Gesicht, das die Oellamven des-Z Karuffells zur Hälfte mit dunkelaelbem Licht über gossen, erschien in dem Rahmen dieses ftockfinstern Abends noch trauriger als in der fahlen Beleuchtung der- sterben den Wintertage5. Eifener fühlte plötz lich etwas wie Smuathie fiir die Frau. »Mein Name ist heute vom Publi kum vergessen.· Vor fiinfundzwanzig Jahren, ja, da war es anders. Man nannte mich damals Lietello.« »Lietello Lielello der Name ist mir doch belauan Warten Sie mal Aber gewiß, Sie waren doch Clown im Zentralzirtusil« »Was Sie trifer dar-? Sie ent sinnen sich darauf? Jst eg wirklich möalich? Ja, aber woher? Das miifsen Sie erzählen, Mutterchen!« Zirlusmarie fuhr sich mit dem Ta schentuch über die Auaen. »Wie die Zeiten sich ändern! Ich hätte Sie wahrlich nicht wiederertannt Aber Sie mich auch nicht.« Die Alte ver neigte sich leicht. »Ich bin Mifz lithel.« »Aber nein nein« Eisener sah im Geist die schöne, umfchwärmte Schulreiterin Ethel wieder, deren Artistenloae allabendlich einem Treibhaufe voll löstlicher Blu men geglichen hatte Und das sollte sie sein dieses verhutzelte, alte Frauchen, das soeben noch den Spott der Leute erweckt hatte, sollte einst die. stolze, unnahbare Mifz Ethel gewesen sein, die er vor 25 Jahren im Zentralzirtus getannt?! »Und doch ich erkenne Sie jetzt wieder, Fräulein EtheL Zwar fehlt uns beiden das glänzende Gefieder von ehemals; und Schoßlinder des Glückes sind wir nicht gewesen. Aber so dürfen wir ietzt nicht scheiden. Bit te, lommen Sie doch einen Moment in meinen Wagen Darf ich Sie zum Abendessen einladen? Ja? Na, dann ist’·5 recht. Aber lann ich Ihnen auch wirklich zumuthem mein mehr als bescheidenes Mahl mit rnir zu theilen-P »Ich nehme gern an, Herrn Lieteilo O, wie ich mich freue!« Gra ziös raffte sie itir Kleid zusammen und erstieg mit fast jugendlicher Be hendigteit die Wagenstufen »Ganz recht, so ioar es« »Entsinnen Sie sich?« »Wifsen Sie es noch?« .... Die thaufrische, herrliche Jugend zeit mit ihren Erfolgen und ihren la chenden Lichtseiten erstand vor dein geistigen Auge der beiden alten Leute. Die herben Enttäuschungem die ihnen das spätere Leben gebracht, waren in dem Lichtmeer der Erinneriingen hel ler, heiterer Jugendlust und Jugend freude verschwunden »Wie oft, Fräulein EtheL habe ich Jhnen damals den Steigbiigel halten dürfen, wie heute Abend!« »Und wie schön, wie jung ich war! » Wie gern mich alle hatten!« »Trohdem gingen Sie eines schönen Tages auf und davon.« Das schmale Gesichtchen der Alten« . aus dem die Augen eben noch freudig geblitzt, verdüsterte sich. »Ja. Das war mein Unglück. Jch verheirathete mich. Sie iannten ihn ja auch, den schönen iungenMann, der um mich ge worben hatte Seine Liebe war ein Strohfeuer. Er verließ mich nach tur zer Zeit Und da war ich wieder allein, ohne jede lEptlfa . ch versuchte wohl, wieder in einernZir us unterzu iomrnen. Es wollte mir aber nichts J- —" - T-;:. J. T::.;:J»j IF st- - T » -7 - . .J.-;.:.—x." - mehr so recht gelingen . .. Da mußte ich in die Provinz, ich trat schließlich inJahrmarltsbuden auf. Zuletzt wollte mich niemand mehr . .. Pech wurde alt. Die Noth streckte ihre Krallen nach mir aus und hielt mich fest... Aber als ich heute Ihr Karusiell sah, Lietello, da kam es iiber mich wie ein heißes, aliihendeg Verlangen, wieder wie einst durch die Mauege zu reiten Was die Illusion doch vermag! Als ich die Augen schloß und das Karussell mich auf dem Holzpferd in die Runde führte, da zeigten sich mir noch einmal meine glücklichsten Jugendjahre in ihrem blendenden Glanz.« . » ZirluH--· marie stiitzte die Ellbogen auf den Tisch und preszte das Tafchentuch bor die Augen. »Ja, es ist etwas schönes um den löstlkchen Jugendtraum, dessen har nionisches Licht unsere alten, müh seligen Lebenstage vergoldet. Sehen Sie, Fräulein Ethel, ich habe wahrlich auch leinen Grund, mit meinem Loose zufrieden u sein. Meine Knochen wurden steis, ich konnte mit den ande ren Clowns nicht mehr mit... Na, da ing’s abwärts. Das Publikum pfif mich aus, und der Direktor ents ließ mich. Später kaufte ich mir dann diesen Alapperlastein der mich zur Noth ernährt. Weiin’s nun schon lange nicht so ist, lvie’g sein sollte, höllisch gefreut hat«-z mich doch, daß ich Sie wiedertraf, um so mehr... na, ich lann’s jetzt wohl sagen um so mehr, als ich seinerzeit ordentlich in Sie verliebt war. Natürlich sagte ich damals nichts. Sie waren ja viel zu stolz. Außerdem war ich ein armer »Teufel, und Sie wurden alltäglich mit kostbaren Geschenken überschüttet.« »Aber heute, Lietello, heute nahmen Sie eine glänzende Revanche, deren Werth mir unvergeffen bleibt: Sie schenkten mir einige Augenblicke der Jugendt« . .. « Der Drehorgelspieler trat in den Wagen. Aus Geheiß Eisenerg hatte er ein paar Flaschen Bier geholt. Das Wiedersehen sollte gefeiert werden. Man fiillte die Gläser. »Auf das Wohl der reizeuden Miß Eihel!« Zirtugmarie lächelte verbindlich wie einst in jenen glücklichen Tagen, als sie der beifallefreudigen Menge feurige, edle Pferde in den Pas der Hoheit Schule vorfiihrte. »Auf das Wohl des uniibertreffli: 1chen Clowns Lietello!« Hart klangen de Gläser aneinander. )Und der iirmliche Wagen Eiseners sah i i Lwei cliictliche Menschen, denen die Jllusiom die hilfsbereite Trösterin der Menschheit, Zeitund Raum in Stun den ieliger Erinnerung hinweggezaw bert hatte. W Aus dem Französischen. i , Der Mord. i I Unter dem heftig hervorschnellenden iWasser, daß an dem Becken des Be hälter-s abprallte, wusch Gustav Le brocq seine von Blut bsttdeltenHändr. Gleichzeitig blickte er die kleine, so stille, saubere Küche an, in der die »Siupferiasserolle blintte, der schwarz spoltrte Herd alänzte, der Holztisch in seiner Weiße schimmerte. Ein Krug »in einer Ecke arn Boden entiachte den .Wunsch, seinen fieberhasten Durst zu !ftillen; er hielt sich jedoch zurück und trank nicht. Er erinnerte sich, daß in den Geschichten der Mordeaetvisse un bemertte Einzelheiten die Polizei auf die Spur geführt hatten; er dachte, daß jede seiner Bewegungen für, die fpähenden Augen-eine Fährte hinter lasfen müsse. Sein literarisches Ge dächtnisz hatte die geringsten Winke Gaborians behalten. Uebrigens erscholl sein Geräusch aus der Nebenwohnuna: er lief; auf der Erde erhob die Alte, die ausgestreckt dalag, ihren Arm, der mit einem dum pfen Schlag auf den Bretterboden zu: rückfieL Gustav neigte sich herab, unt diesen le ten Rest des Lebens zu er sticken, a er in demselben Au·enblict öffnete das Opfer seine leeren lagen, deren Lider einigemale zwintertem dann plöhlich streckten sich die Glieder und wurden starr, regungslos. ,,Uin so desferl" dachten, denn der Gedanke, nochmals zuzuschlagen, stieß ihn jetzt zurück. Nicht aus Reue, nein, aber Angst war eg; er fühlte, daß seine Jeriifte erlahrnien, daß seine Anstren ung zu Ende war. Er war müde, Po müde, als hätte er eine glückliche That vollbracht. Von neuem überslog sein Auge das von seinem Suchen und Aramen der Kästen kaum ein wenig Erworfene Zimmer. Der rückwärtige heil desselben lag in tiefer Ruhe da; er warf einen schnellen Blick auf das hohe, mit einem großen rothen Hirn mel gefchiniickte Bett, ein Lager der Trägheit, auf dem die alte Nentierin. nachdem sie ihre Mitmenschen betrü telt und gut gespeist hatte, von den Mühen des Tages ausruhtr. Er wog in der Westentasche den dicken Baninotenpack, den er in einer Schreibtischlade gesunden hatte; das Gold und Silber war in seiner Geld tassche nnd baufchte seinen Rock hoch au . Gustav öffnete die Thüre und be fand sich in einer der Vorortstraszen, die, von hoher-. Häufern degren t, den noch ländlich aussah. Ungepflasterte Löcher verrie n den öden Stadttheil aufgewiihlte dschichten deuteten aus neue Bauten-—- alte Ueberrefte eines einstigen Gehölzes,—grijne Hecken, hie und da von einem wei en Furt unter brochen, ein unheimli er intel. Die Strake zog sich todt und leer dahin in die er Ta eöbeleuchtung, am Abend, wenn die enschen von der Arbeit heimlehrien, dann sah es an l l s ders aus. Das hatte er nach langem Ueberlegen voraus-gesehen nnd er lö cl1elte vor Vergnügen über feine Ge fchicklichteit. Ruhia, mit dem gleichrnäßigen Schritt eines Spaziergängerz die Blinde in den Taschen, schlenderte uftav der Seine ,3u. Denn sein Plan enthielt keine» Flucht, kein Alibi, das er beweisen; «mußte; er hatte nur das Verbrechen entworfen, vertraute sich dem Zufall« dem Unvorhergefehenen an. Und die Wünsche von gestern, die sehnsüchtigft gefchmiedeten Pläne, sich zu vergnügen, das Zahlen feiner Schulden, alles diinkte ihm jetzt ne nothwendig, weil er- möglich geworden war. Aber beim Anblick des Flusses em pfand er ein Bedürfniß, das ihn ge bieterifch beherrschte, das die vorher gegangene That entschuldigte und er klärte; er wünschte eine Gelegenheit herbei, das Geld fein Geld auszuge ben, den Mord auszunutzen, um ihn zu rechtfertigen. Am anderen Ufer des blauen Flusses unter Bäumen, in ei ner fiir Landstkeicher idealen Land fchoft lagen kleine Weinschenten, mit ihren niederen oder sitzen Dächern blvihren Bretterveranden, mit den Rei hen verlockend gedeckter Tische. Leb kvca athmete den Geruch der pilanten Weinfaucen ein, der die Luft erfüllte. si- -I-« s Als er aus tiefem, schwerem Schlaf erwachte, der ihn infolge feiner Mii digteit und eines kleinen Rausches übermannt hatte, blickte der Flücht ling verwunderten Blickes in dem un bekannten Zimmer des elenden Gast haufes umher, in dem er, feinem klu gen Instinkt gehorchend, Zuflucht für die Nacht genommen hatte. Mit ei Jnemmale tlärten sich seine Gedanken, er setzte sich auf feinem Lager euf — jetzt, zu dieser Stunde, mußte der JMord ruchbar geworden fein, man hatte die Alte gefunden, dag Verbre chen exiftirte. Und ein Gefühl der Neugier, alles zu wissen, trieb ihn hineing, um die Zeitungen zu taufen. Die zwei ersten enttäuschten ihn; er benfächlicl), schien ganz und gar ch fand nicht, wie er erwartet hattespini brit der Tagegneuigteitem »Der Mord in der Ludwigsstraße.« Gustav warf erbost die zertnitterten Blätter zu Boden. Aber eine andere Zeitung, die er augeinandernahin, befriedigte ihn. Mit einein Blick, ähnlich, wie wenn man in großen Schluclen trinkt, las er: »Ein neues Verbrechen, unter den entietzlichsten Umständen begangen, die von der fiirchtbariten Kaltbliitig-i leit iiiid der unglaublichsten Ueber legtlieit des Mörder-H zeugen, hat die Vorstadt wieder mit Blut beschmutzt. Gestein Abend fand man die Wittwe B» Reiitiere, todt in der Parterrewoh iiun«c, die fie in der Ludtoiasstraße be ioohnt...« Hastig lag er zu Ende: »Schwerer Verdacht lastet auf einein der Nachbarn des Opfer-Z, Namens Karl D..., der seit zwei Tagen aus feiner Bebausung verschwunden ist. Man ist, wie verlautet, auf seiner Spur und seine Verhaftiing ist nur mehr die Frage einiger Stunden . . .« So schuf ihm denn die Polizei selbst tag beste Alibix ein anderer wurde beichuldigt. »Sie verliert fich auf falscher Fähr te«, flüsterte er im Reporterstil. Er empfand-eine jubeliide Freude, einen iiiivefchreiblichen Stolz, da er ich ge i(ttet wußte; er triumphirte. zii der Sonne, die auf seinen Kasseetisch schien, an den er sich gesetzt hatte, strich ein frischer Wind dahin, erfüllte seine abgespannten Nerven mit Wohl-— tsihagem Lebrorq zahlte ini einem tsjoldftiiet und entfernte sich, mi jedem ·Schritt nahm er vom Boden Besitz. Er wollte die Rennen besuchen, er wollte wetten; er hatte ja jetzt die Mittel dazu. Er hatte gefürchtet, wahnsinnig ge fürchtet, daß feine Erscheinung indem lIJiordbericht auftauchen würde. Jetzt, da er dies nicht mehr fürchtete, em pfand Gustav Lebrocq eine sonderbare tfnttäufchungx fein Name war in der Zeitung nicht gedruckt worden? Er hatte es trotz allem erwartet . .. Das Gasthaug, voll von lärinenden Menschen« mit seiner tobenden Musik, vertrieb seine Abspannung, seine Mü digkeit. Er setzt sich in den Schatten, der nur theilweise von den rellen, eleltrifchen Lampen ein wenig eleuchs tet wurde, mischte sich seinen Absynth, faltete die Abendblätter auseinander, irr hatte das Draina bereits ein wenig verwunden. Wutb über seinen Verlust erfüllte ihn; er hatte den ganzen Er ldg seines Unternehmens am selben f Tag beim Rennen, in dein Trotz einer Gewinnsucht verloren... Die falsche Fährte... Der voraussichtliche Mör ver Gustav L.... Die Verfolgung des Mörders . . . Nächste Verhaf tung.« t Buchnaven m der inu i Seine Hände erstarrten, er neigte »den Kopf und hob die Augen, um zu isehen, ob ihn Niemand beobachte, ob Hman ihn nicht erkenne. Er hatte die Empfindung daßer von den Anderen igetrenni sei, dasz Alle ihn ansahen, sihn nannten, und diese Empfindung war so stark, daß er sich hastig erhob, zahlte und sich eiligst in die Menge mischte, in den wirbelnden Strom einer sonntiiglich belebten Straße. Einen Augenblick fühlte er sich da rin verloren, unbekannt; aber allmä Ilig etschreckten ihn die Worte, die Be merkungen, die Blicke; er glaubte, daß das Treiben ich nur seinethalben ent lalte, daß je er Vorübergehende, der ie Zeitung gelesen habe, an feinem Si nalement den Mörder aus deri Lu wigsstraße erkenne. Seine Glie-; der waren in dem Menschengewitr wie l durch Fesseln gebunden . . . Gustav flüchtete in die dunkeln, verlassenen einsamen Straßen. Er ging vorwärts, von dem fixen Gedanken beherrscht, daß er im Gehen die Aufmerksamkeit von sich ablsenke, daß er die verfolgen-den Agenten da mit irreführe; er ging lange weiter, ohne es eigentlich zu wissen. Schwere, laue Gewittertropfen schlugen ringsum mit unerträglicher, ,trauriger Gleich mäßigkeit auf; der Flüchtling, der mit gebeugtem Rücken vorwärts schritt, be merkte das Geräusch erst, als es auf ghört hatte, sich in ein weiches, ein töniges Herabfallen des Wassers auf die Erde verwandelt hatte. Er erhob den Kopf und erblickte Bäume, eine ungleiche Hecke von schwarz-en Wipfeln, darüber ragte eine weiße Mauerreihe gegen den dunklen Himmel. Er wars vor dem Pere Lachaise angelangt und« blieb entsetzt stehen, jetzt waren es die Todten, die ihm den Weg versperrten· . Jm tiefen Schlaf, in einem Ver-; schlag liegend, wo er die Nacht ver-» bracht hatte, vernahm Gustav, wie die ! Thiir des Gelasses leise geöffnet wurde; er hörte es, ohne sich zu rüh ren, festen Willens, weiter zu schlafen, um nicht zu neuem Schrecken, zu neuer ; lucht zu erwachen. Er war so in den ochlaf versunken, wie eine Bleimasse W Grunde des Meeres. Aber eine starke, freudige Stimme drang herein und rief: ,Nun, Lebrocq, geht’s gut, mein( Alter?« » Seine Nerven bebten und erl brummte: »Was will man denn von mir?« ( Die Wachlente schüttelten und ersi! griffen ihn. l Die ers-euren Wurst. Jn einer fpaßhaften Reise-Beschrei bung von Berlin (1824), so berichtet die gltational-Zeitung, wird folgendes Gefchichtchen erzählt, das für die Ilsaterliebhaberei der preußischen Hauptstadt von Alters her charakteri Ttifclx erscheint. Ein Schlächtermeister hatte einen begabten Sohn, der, allen väterlichen Einwendungen zum Trotz, durchaus zur Bühne gehen wollte. Endlich gelang es dem Anfänger, bei der töniglichen Bühne anzutomnien, natürlich trat er fürs erste nur in stummen Rollen auf oder in solchen, in denen sich der Dialog nur auf we nige Worte beschränkte. Allmählich wurde der Vater stolz auf seinen ,,Kiinftler« und konnte unter seinen Freunden nicht Worte genug finden, seine Freude über dessen Laufbahn auszudrücken Wer sich bei ihm in Gunst setzen wollte, brauchte nur das Gespräch auf den Sohn zu lenken, dann hatte er gewonnenes Spiel. Diese tleine Schwäche des alten errn war allgemein bekannt. Eines ages trat eine Frau in feinen Laden und ver langte fiir zwei Groschen Wurst. Der Meister nahm eine schöne, lange nnd dicke Wurst vom Nagel, ergriff sein Messer und maß mit diesem das Stückchen Wurst für den befechidenen Preis ab. Als er eben einfchneiden wollte, fragte ihn die Frau: »Liebe: Meister, ist der Schauspie: ler o«hres Namens nicht Jhr Sohn?« »Gewiß, das ist ja bekannt!« »Ich hab’ ihn neulich spielen sehen —-« »So—?« Der Meister schob während dieser Frfige das Messer bischen weiter hin-: au . «ch«Er spielt ganz vortrefflich, finde l ——« Der Meister rückte noch weiter mit dem Messer. »Der feliae x leck war ein großer Schauspieler, a er gegen Ihren Sohn kann er doch nicht ankommen —---« Jetzt schob der Meister das Messer bis zur Hälfte der Wurst. »Man hat so viel Wesens von Jff land gemacht, als er noch lebte -—— er spielte sehr gut, es ist wahr —— aber Jhr Sohn wird noch ein ganz anderer Künstler werden ———« Der Schnitt unterblieb und der Meister gab noch ein Stück zu· »Jetzt redet man fo viel von dem Ludwig Devrient, er tritt ganz in Jff lands Fußstaper, doch mit Jhrem Sohn kann er sich lange nicht messen.« Der Meister strahlte, warf das Mes ser hin und reichte der Käuferin für ihre erlegten zwei Groschen die ganze Wurst mit den Worten in den Korb: »Da, liebe Frau, behalten Sie stet« Und die tluge Berlinerin ging mit ihrer Beute nach Haufe. Bei einem unserer heutigen hellen Schlächter Inetifter hätte sie sie wohl nicht ergat er . Weibliche Gmmmstth Es ist nicht immer aesagt, das- der größte Reiz der Frauen im Gesicht liegen müsse. Schlanke, geschmeidige Körperformen, ein leichter Gang, An muth in der Haltung und den Bewe gungen —sie haben auch ihren Zau ber, dem schon so manches gepanzerte Mönnerherz erlegen ist. Und wäh rend das-, wag man Schönheit nennt, als willkürliches Geschenk der Natur gelten muß, das man aus eigenem Vermögen nicht erlangen, über das man sich nur dankbar freuen kann, liegt es in der Hand jeder normal ge bauten e«’5rau, jene anderen Vorzüge sich selbst anzuetgnen. - Wir alle kennen das Geheimniß der ; riechischen Frauenschönheit; es bes fiand in methodischen Leibesiibungen, die den Gliedern Elastizität, dem Kör er Widerstandssähigleit und die ge funde Blüthe verliehen, die uns heute an den Xellenischen Bildlverken ent-" zückt. nlniipsend hieran bat auch die neuere Hygiene die gymnastischen Uebungen wieder zu Ehren gebracht, idie in der Mädchenerziehung jahrhun Hdertelang vergessen war. Wie bei allen sportlichen Leitungen nahmen Ame rila und England die ührende Stel lung sein und haben ise bisher auch siegreich behauptet. »Na ihremGrund satz ,,alles oder nichts« lassen die ame rikanischen und englischen Frauen den Männern kaum auf ein-ein sportlichen Gebiet den Borrang; sie schießen und reiten, sie schwimmen und rudern, mei stern den Bogen Und das Rakett, schwingen sich am Reck und Barren mit einer Ausdauer und Gewandtheit, die dag Wort vom »stärkeren Ge schlecht« als ein fast überwundenes erscheinen lassen. —-———-.-.———— Der schlaue Elyemami. Die Gattin: ,,Morgen umßt Du mit mir in die Oper gehen. Du brauchst mir nicht erst zu erzählen, daß die Zeiten schlecht sind und das Geld knapp ist. Jeder geht hin, und Ich will auch hin —- so, nun weißt Du Bescheid!« — - Der Gatte (ein Schlaukops): »Na türlich gehen wir hin. Jch sah die neue Primadonna heute in der Regen tenstraße—das entzückendste GeschopL das je geschaffen wurde. Diese Flu gen! Diese Haare! Diese ebennliaszrgen Züge! Jch möchte der Oper nicht um alles in der Welt fern bleiben! Das Geld ist allerdings knapp genug . . . Die Gattin: »Wenn das Geld knapp ist, warum sagtest Du das» nicht gleich? Was brauchen wir denn in die Oper zu gehen? Jch werde statt dessen in die Vereinigung alter Damen ge hen!« Umschriebm Student (der wieder einmal seine Uhr auslöst): »Mit der goldenen Uhr da hat mir der Onkel wirklich eine dauernde Freude gemacht . . . sie ist heute schon zum neunten Male mein Eigenthum l« vaiel verlangt. Richter: »Wie lange haben Sie wohl an dem kritischen Tag betrunken im Straßengraben gelegen?« Zeuge (in Lachen ausbrechend): »Ha, ha, ha —- wenn i das wüßt’l'« Entgegenkommcnd. A.: »Ich wollte Ihnen schon etwas anbieten für Ihre Vermittelung, al lein, ich fürchte, Sie zu beleidigen.« B.: ,,Papperlapapp, —- in dieser Hinsicht kann mich einer gar nicht arg genug belidigen!« SelbstgesiinL Vater (zu seinem Sohn, einem neugebackenen Handlunggledrling): »Wenn Du Rechnungen für die Firma bezahlst, bieten Dir da die Leute nicht manchmal ein Trinkgeld an?« Handlungslehrling lsich in die Brust werfend): »Wie kannst Du denken, Papa, « das wagt niemand!« Des Einen Leid. A.: »Das Urtheil ist zu meinen Un gunsien ausgesallem ich muß dem Fräulein Weber zwanzigtausend Mark Schadenersatz wegen gebrochenen Ehe versprechens zahlen.« B. (fchüttelt ihm die Hand): »Mein lieber Freund, ich bin ganz entzückt« A.: »Wie, Sie sind ganz entziickt?« B.: »Ja, entschuldigen Sie, aber es ist mir unmöglich, meine Gefühle zn verbergen. Sie müssen wissen, ich bin seit vornestern mit Fräulein Weber verloltsi.« Vogt-aft. A.: ,,Wol)in mag wohl der Herr Baron das liefern, was er aus seiner Jagd schießt?s« B.: »Was der schießt, kommt alles ins Krankenhaus-W Kleine-Z Mißverständniss. Bürgermeister: » . . . Ihr, als Ge meindediener, solltet doch, wenn es im Wirthshaus einen Streit gibt, vor allem für die Räumung des Lokales Sorge tragen.« Gemeindediener: »Aber Herr Bür germeister, ich war ja der erste, den s’ ’nausgeloorfen haben!« Wutmtitlsia Bankier: »Sie kommen leider zu spät! Meine Tochter hat sich gestern mit ihrem Kousin verlobt.« Bewerber: »Na . . . der arme Teu sel tann’s auch brauchen!« Im Wirthshaus. A.: »Wie sich die beiden Wirths häuser gleichen!« B.: »Ja ——— da weiß man niemals, ob sie Zwillinge sind, oder ob man zu viel getrunken hat!« Sie nicht. Sie: »Alle unsere Kinder sind ei gensinnig —- das haben sie von Ditt« Er: »Ich eigensinnig?« Sie: »Etwa nicht? Wie lange quäle ich Dich schon um einen neuen Hutt« Ein nobler Dienstboten Hausfrau (von der Reise zurück kehrend): »Ich glaube gar, Sie sind während meiner Abwesenheit in met nen Kleidern ausgegangen?« Dienstmädchen: »Ja — aber nur an den Wochentaaen!« Uniständlich. » . . . Du willst die Wittwe Deines iFreunds Meier heirathen?« s »Ja! Jshr Waldl hat den Meier Nachts immer so nett vom Wirths haus heimgesührt; allein aber gibt sie das Thierl nicht her!"