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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (March 2, 1906)
Eida. Roman von E. Yraddow (7. FortlegungJ , l 14. i Guido Cplins Temperament war« ein se gleichtniithiges, als er aber heute an Tredegat hatte fortfahren » chan egte sich seine Stirne in düstere ; »Natürlich ist Alles Unsinn,« mur- ; melte er vor sich; »aber der Bursche; könnte die Geduld eines Heiligen aus » dem Gleichgewicht bringen. Wie ’ wahnsinnig er in meine Lieblings- « pfekde hineinschnigtt Ek borgt sich! mein Geld aus und träumt nie von ’ einem Zukückzahlen, er besucht michs » u den mir ungelegenften Zeiten, er hört mich in meinen Freuden und l l Betgnügungem und ich erdulde Alles ! mit der Ruhe eines Märtyrers. Wa rum lasse ich mir so viel gefallen-? Jch weiß, daß er obetflächlich, gewissenlos, lelbftsiichtig ist, daß er nur an seine eigenen Bediirfnisse denkt und nur dem Luxus stöhnen will, welcher ihm zusagt. Trotzdem schtagk ich ihm nie l etwas ab; et ist schön, fesselnd, eitel und seist-los. Jetzt spielt er gar da rauf an, daß ich mich in seine Schme ster verlieben sollte. Hof ihn der Teu fel! Diesmal ist er denn doch etwas su weit gegangen und hat über das Ziel hinausgeschossen! Es kann nicht wahr sein! Doch will ich Fräulein Ttedegats Wesen von jetzt an genau i beobachten; sie ist eine Dame der vor nehmen Welt.« Er brach plötzlich ungeduldig ab. »Hu einfältig«, murmelte er vor sich bin, »und doch-« Er sah im Geiste einen seltsamen Ausdruck, welchen er wiederholt in Fräulein Tredeaars Mienen beobach tet hatte. Plötzlich, während er noch über die ihm unanaenehm werdende Situation nachfann, kam die Dame,s mit welcher er sich im Geiste eben leb- » haft beschäftigte, auf ihn zugeschritten: « sie trug ein weißes Kleid, hatte Blu men in der Hand und sah sehr jung und hübsch aus. Jhre blauen Augen leuchteten, sie wußte offenbar ganz ge nau, welch' hübschen Anblick sie biete. »O, Herr von Colin, ich habe Sie in allen Richtunaen gesucht,« bemerkte sie lächelnd. »Wie herrlich doch nach dem Sturme die Luft ist." »Herrlich,« stimmte Colin bei, in dem er auf die Terrasse trat. Er war sich einer aewissen ihn veinigenden Verlegenheit aar wohl bewußt. Fräulein von Tredeaar blickte mit latettem Augenaufschlag zu ihm em por. »Ich habe Blumen in Ihrem Gar ten gefiohlen, ohne auch nur nach der Einwilligung des Gärtners zu fragen, zürnen Sie mir deshalb?« »Ah-ten zürnen —- das wäre un enä lich, mein anädiaes Fräulein!« er lebhaft und fühlte zu seinem Berdrusse, daß er bei diesen Worten erräthete. Er ärgerie sich über sich selbst, die Warnung dse Bruders war wirklich nicht zu früh gekommen, das sah er an dem Gesichtsausdruck des junaen Mädchens, an dem Niederschlaaen ih rer Augen. Besorgt fragte er sich un willkürlich, ob er sich denn wirklich größere Beriraulichleit hätte zuSchul den kommen lassen, als jene, welche ein freundschaftlicher Verkehr rechtfer tigte. Fräulein Tredeaar war ihm allerdings sympathisch gewesen, er hatte manches armiithliche Gespräch mit ihr geführt, und es war die Mög lichkeit nicht ausgeschlossen, daß sie dieses mißverstanden. Die Situation wurde für einen ritterlichen, sensitiven Charakter gleich ihm somit von Mi nute zu Minute peinlicher. Das Fräulein von Tredegar blickte halb erwartungsvoll, halb neclisch zu ihm hinüber « »Seht-neu Sie von irgend einer ihrer RomanFldinnen Herr von Co liukeläapte re endlich. »Er . erwiderte er aufrichtig. ’ »Nun. haben Sie etwa an mich ge dachtf forfehte Edith weiter. »Dir-eh · Bester-IF gerne zur Yacht hinabgehen. te sich nichts daraus machen, mich zu begleiten, dann mögen Sie mir die Schönheiten Jhres Schlosses entziehe-X » » — Solln VckUclglc »O ckllnyclfl UND schritt an ihrer Seite dahin. Die »Sonnenbcume« lag jetzt im Hafen. wei der Materier schmauchten ihre fei en am Ufer. Der Steuermann, wel ee eben landete, trat auf Edith u und bestätigte, indem er sich ehr furchtsvoll verneiqte, seiner jungen Herrin Jvan Trebegars Aus-sagen be sting des erlittenen Schadens. »Wir önnen«, so beeichtete er, »höchsieng morgen mit den nothwendiaen Reva taiuren fertig werden, aber auch das mir provisorisch, und sobald wie nach use kommen, wird die Yacht in den müssen-" »Das bedauere ich eigentlich gar ais-H bemerkte Ediih zu Guido ge - wen . »Wenn wie keine Seeausfliige machen tönnen und Sie nichts dagegen — . pleibe ich lieber noch eine Zeit ers hier« denn Papa ist riesgeämig nnd unangenehm, daß ich mit ihm fstbehenden fvdzrbiaustegttmengåißsh - mer ro n,n zu ue » see-eile- su eisiger-. Wenn man ihn I ki, muß Inn-e eh wirklich ver zu slnn n, daß er ein ganz armer Mann Iei, der nichts meor zu nagen und zu beißen hat.« Das junge Mädchen schlug bei die sen Worten wieder die Richtung nach dem Schlosse ein; ihre Hand hatte sich unwillkürlich auf Colins Arm gelegt und sie fügte mit einem zärtlichen Au genauffchlag hinzu: »Sie sehen, daß ich ganz Jhrer Gnade und Barmherzigkeit preisgege ben bin. Werden Sie es über das Herz bringen, mich von sich zu stoßen?« »Ich biete Ihnen gerne in meinem Haufe Ohda , solange es Jhnen nicht angebracht er cheint, nach dem Ihrigen zurückzukehren,« sprach er mit ruhiger und vornehmer Würde. Er gestand sich, daß dieses schöne Weib ihn liebe und fühlte sich von großmüthigem Mitleid und wohlwollendem Be day-ern erfaßt. «-— - -· net-« Occh schwiegen, Vls Its Ulc Quou gallerie erreicht hatten. «Jch fühle mich hier in diesem Ah nensaale fast wie ein Fremder,« be merkte Guido Colin endlich. »Es sind dies lauter Deverills, während ich ein entfernter Sprosse des alten Stammes genannt werden tann.«« »Und doch gehören die Besitzungen der Deverills von Gott- und Rechts wegen Ihnen, das ist ja die Haupt sa e." Zu leiserem Ton fügte sie dann hinzu: «Besindet sich hier auch das Por trät jenes Neffen, des letzten Deverill, welcher jene verruchte That begangen? Jvan hat mir eines Tages die gan e schaudervolle Geschichte erzählt. , Sie zürnen mir doch nicht, Herr von Colin?« forschte sie mit zärtlicher sym pathisch klingender Stimme »Ganz und gar nicht, mein gnädi ges Fräulein. Dort drüben ist das Bild von Franz North, ein schönes-, dunkles Antlitz. Jeder Zug in demsel ben verräth die Abstammung aus dem Hause Deverill.« »Mein Gott, es ist ja noch ein halber Knabe. Es läßt sich dieses Antlitz kaum mit dem Gedanken an Mord und Verbrechen in Einklang bringen,« rief Edith, scheinbar bewegt. »Die Augen aber sind seltsam, wenn auch der übrige Gesichtsausdruct ein sorg loser und heiterer ist.« »Franz North lebt vielleicht noch, armer Teufel,« meinte Eollin mitlei ; dig. »Wie mögen Sie nur Erbarmen für ihn hegen?« « »Ich glaube, daß schwerer gegen ihn gesündigt wurde, als er gesündigt at.« »Er ist aber doch ein Mensch, der seinen Nächsten umgebracht.u »Vom Jmpuls des Augenblicks hin gerissen, nachdem er fürchterlich gereizt wurde,« entgegnete Eolin lebhaft. »Die Wahrheit ist ja erst später zu Tage gefördert worden; er muß dura die Launen seines Oheims zur Ber zweislung getrieben worden sein, durch . die Laune seines Oheims und durch« die Grausamkeit jenes Mannes, wel chen er dann endlich niedergeschlagen. Tas traurige Verbrechen des armen North war sür mich der erste Schritt zu Reichthum und Ansehen. Dieser Gådanle ist für mich oftmals pein li .'« »Weshalb lassen Sie dieses Bild nicht von hier fortbringen?« forschte Fräulein Tredegar. Eolin aber hbrte sie nicht; er starrte traumverloren zum Fenster hinaus aus die See. . uHaben Sie meine Existen denn völlig vergessen, Herr von olin?« fragte Edith nach einer kleinen Weile ungeduldig « »Das wäre unmöglich« erwiderte er galant. »Wenn ie der Ahnen gallerie müde sind -——« »Erlauben Sie, da ich vor Allem eine Frage an Sie sie e. Wie tommt es, daß ich tein Porträt von Jhnen hier-sinde?«» , f — »Das weiß ich eigentlich nicht. Ich hatte noch gar nicht die Zeit, an die Ausführung eines solchen Vorhabens zu denken. Es mangelt mir wohl auch an Geduld, irgend einem Maler Mas dell su sitzen« Langsam, lachend und plaudernd schritten sie dann von Zimmer zu Zimmer. Das Museum im linken Flügel des « losses interessirteEdith insbesondere « a gab es ausgestopfte Thiere und Reptilien aus aller Herren Ländern, da sah man Waffen der syerschiedenften Nationen, welche die· iWände siertem aber auf Allem lag sder Staub langer Jahre. In den Ecken fund Fensternischen hingen Spinnen faewebe und ein moderiaer Geruch er sfüllie den ganzen Raum. »Die Dienerschaft darf hier nicht eintreten,« meinte Colin, ..sie sind zu- . meistAlle achtlos, und viele der Pierl angesammelten Gegenstände reprä en titen einen roßen Werth. Nebftbei,« stube zu sein.« ich mich in Ihrer Nähe betinde,« rief Ediih lachend. Licht und Sonnenschein? J gestehe fix dieer moderigen Raum ehrlich, daß ich selb leine große Bor- « liebe» · si fügte er la nd hinzu, Meist dieses. Gemach in dem Rufe, eine Gespenster- ; »O, ich fürchte mich nicht, so lange »Wenn Thurme qui ist eine herrliche ! Aussicht wollen wir hinaufgehen in » Während er sprach, siel löslich eine Thüre laut lrachend ins ggloß und wirbelte Staubwollen ans. ith stieß erbleichend einen Schrei ans. »Es ist nichts,« rief Colin liequ gend. »Sie haben gar nichts zu fürchten. Aber es war thöricht von xnir, die Thüre ofsen zu lassen, und ich werde mir meine Nachlässigkeit nicht verzeihen« »Ich in nur erschrocken und werde mich gleich erholen,« ries fie, si Miße suchend an fernem Arm halten . Jn diesem Augenblicke wurde heftig die Thüre aufgestoßen und der haus hosmeisler erschien. »Ich bitte um Entschuldigung, gnä diger Herr,« sprach er verwirrt, als er der Beiden ansichtig wurde, »aber ich börte das heftige Zufallen einer Thüre, als ich mich im unteren Stock wert befand, und ich befürchtete, es könne irgend etwas geschehen sein." »Eine Zuglust, die Staub ausge wirbelt und sogar ein Bild von der Wand geworfen hat. Lieben Sie es aus,« rief Colin, der ein spöttisches ucken in den Augen des Mannes zu eben glaubte, das ihn verdroß; Fräulein Tredegar stand etwas ab seits, leichte Röthe stieg ihr in die Wangen. Colin wandte sich lächelnd - an sie: »Fühlen Sie sich wohler? Dann wollen wir das Zimmer verlassen. Et ist nicht viel Schaden geschehen.« Der Haushofmeister schnitt hinter den Beiden ein spöttisches Gesicht. »Die alte Geschichte," saate er sich; »aber wer würde es sich von ihm ge dacht haben, und es ist ja auch Zeit, daß das Schloß eine herein bekommt. Geschwätzt wird genug darüber wer den in der Küche, wenn ich es ihnen nur erzähle. Meines Bleibens aber dürfte dann auf die Dauer doch nicht sein, und ich werde mich nach irgend einem Friedens-Mützchen umsehen, viel leicht tann ich sogar das Wirthshaus unten im Dorf laufen." Der Haushofineister wischte den Staub von dem einen oder dem ande ren Einrichtungsstiick und bliclte dann durch das Fenster zum sonnigen Him mel empor. Jm Geiste sah er sich schon als Eigenthümer unter der Thiir des Wirthshauses stehen. Guido Colin war Edith Tredegar ganz und gar nicht gewogen. Dem Umstande Rechnung tragend, daß er ein Schriftsteller war, hätte man ihn für einen Chniter oder fiir einen Pe danten halten können, während er im Grunde genommen eine durch und durch ritterliche, gerade Natur war. Er hatte für Frauenschönbeit nie ein Auge gehabt und wußte nichts von den Schlechtigteiten der Weiber· Daß der haushosmeister ihn gerade über raschte, während er Fräulein Tredegar halb stützend in den Armen hielt, da sie sich unwohl fühlte, war ein uns alüctlicher Zufall gewesen. Sich dein iener gegenüber iii weitere Erklä rungen einzulassen, wäre ihm niemals in den Sinn getommen; er hatte das ruhige, überlegene Lächeln des Man nes, das Zwinlern in seinen Augen ganz gut gesehen, aber tein Wort wei ter darüber verloren. Edith plauderte ganz froh und hei ter mit Colin, ihre Augen leuchteten und befriedigter Stolz sprach aus ihren Zügen. Colin war sehr ernst geworden. »Die Aussicht vom Thrnie hier ist reizend. Jch wundere mich nicht, here von Coliii, daß Sie einen so großen Theil Jhrer Zeit hier zubringen. Nach welcher Seite immer Sie auch aus blicken mögen, jede Aussicht scheint geschaffen, Sie zu inspiriren.« Er lauschte mit nachsichtiger Indis ferenz ihren Worten. »Ich hielt sie nur für eine ober flächliche, weltliche Person, fiir einen TSchmetterling der von Rang, Reich sthiim und gar nichts Anderem träumt. LFch bin aber im Unrechte gewesen, sie l cheint sanft, unschuldig harmlos wie ein Kind.« »Ja, ich bin sehr stolz aus mein heim, gnädigstes Fräulein,« entgeg nete Colin zerstreut. Dann griff er nach dein Fernrohr kund sah zu dein Häuschen hinüber, jwelches halb von einer Fichtengruppe »berdeett war, zu dem häuscheii, in dem lAda wohnte. ! »Es muß reizend sein auch dort sdriiben ini Thale,« bemerkte Edith, iund verlegen ließ er alsbald das Fern srohr sinken. l »Ich hoffe- Sie haben sich nicht zu ssrhr ermüdet durch den Aufstieg, mein IFränlein?« — « . »O nein. Dreier zaa nm seiner Erinnerung wird in meinem Gedächt nisse leben gleich einem farbenpräch iigen Traum.« Ueberrascht blickte er empor. »Sie sind zu nachsichtig gegen meine schwachen Versuche, Jhnen Zerstreu ung zu bieten. mein gnädiges Fräu lein. Und ich fürchte, daß in dem Bilde, welches Sie sich von dem heuti gen Tage entworfen, es auch an dunk len Flecken nicht fehlen wird. Der Zwiichkufsa im Museum, des Schreck, welchen Sie davon hatten und der unvorhergelehene Eintritt des haus hofrneisters waren Jhnen jedenfalls läfti . Dienstlaute schwatzen und trat chen immer und man ist wehrlos, es zu hindern.« Sie senkte den Blick und erröthete über und über... »Den von Colin, ich bedauere, wenn ich mich t seicht oder tattlos de nommen, ich be um« daff ich halb ohnmächtig in Ihre Arme an . Es war thöricht von mir, aber ich konnte es nicht ändern. Wenn Sie sich nichts daraus machen —« T’ e Stimme bebte und Thriinen tra n in ihre· Augen. k »Ich, o nein, meinetwegen mache ich mir nichts daraus. Ein thörichtes Geplauder tann anen möglicherweife Unannehmltchteiien bereiten; wenn Sie meinen, daß es ttu von mir wäre, mit dem haushofme r zu re den, ihm mit sofortiger Entlassung zu dro n, wenn er — ie zuckte verächtlich die Achseln. uNein, Guido,« rief sie in gering schahendem Tone, .ich will derlei Dinge gar nicht hören! Man sollte meinen, ich habe mir ein Verbrechen u fchulden kommen lassen! Wenn es ern Mann beliebt zu glauben, daß wir Verlobte sind, so habe ich da egen auch nichts einzuwenden. Mir," iigte sie mit lotettem Augenausschlag hinzu, »diinlt es nichts so Schreckliches-, als Ihre Braut zu gelten. Doch lassen Sie uns wenigstens immer gute Freunde bleiben. Wahre Freunde sind eine große Seltenheit! Jch habe leine, wenn Sie sich nicht meiner annehmen wollen« Eolin fügte sich bewegt durch den plötzlichen Ausdruck der Trauer, wel cher aus den schönen Auan des Mäd chens sprach. Er fand sie uniiberlegt gleich einem Kinde, sie, die Weltdame, die Königin des Salons, die von den Leuten für so obersliichlich gehalten wurde. Man that ihr unrecht; er hatte selbst ganz llar und deutlich gesehen, wie ihr Blick feucht wurde »Ich hoffe, daß Sie mich immer mit oihrer Freundschaft beehren werden," sprach er ernsthaft. Sie aber fragte hastig: »Sie mögen mich also doch ein klein wenig lieben?« »Sie sind die Schwester meines Freundes-, und um seinetwillen bringe ich Ihnen wohlwollende Gesinnung entgegen, warum sollte es anders spie-S« Er hielt verwirrt inne, denn er sah, daß sie ihm unverwandt ties in die Augen blickte. »Sie haben mich sehr glücklich ge macht, Herr von Colin,« flüsterte Edith. »Es freut mich, wenn Sie auf meine Anschauungen irgend einen Werth legen,« erwiderte er mit ruhigem Lä cheln. »Diese Worte klingen nicht natür lich aus Jbrem Munde! Sie sagen, daß Sie mir freundlich gesinnt sind, und das freut mich, weil ich Nieman den aus der ganzen weiten Welt so hochhalte und schätze wie Sie. Jchz leniie Sie aus Jhren Büchern, und es « ist mit, als wären Sie« ein alter Freund, den ich liebe und anbete.« Edith wandte ihr Antlitz dem See zu. Colin befand sich in steigenderI Erregung; sie hatte Worte zuihm ge sprachen, die gleichbedeutend waren mit einer Liebeserlliirung, und es war, als ob sie sich der Thatsache gar nicht bewußt, daß sie Außergewöhn s liches begehe. Während er sie einerseits J bemitleidete, fühlte er sich andererseits-Hi doch geschmeichelt. Sie war ein schö- ! nes Weib, von guter Herlunft, vonj gesellschaftlicher Stellung, und sie liess wunderte, nein, sie liebte ihn —-— sie hatte gelernt, ihn zu lieben durch seine ! Werke. Ostmals waren sie einander’ begegnet, sie hatten zusammen geplan dert, es hatte sich ein Band der Sym- ’ pathie gebildet, obzwar er sich dessenJ taum bewußt geworden. Vielleicht hatte er sie unbewußt ermuthigt, viel leicht niu te ihn herber Tadel treffen —er wu te es" nicht, aber in einigen Tagen würde ja Alles andere gorm unt-Gestalt angenommen haben. eine Verlobung mit Ada sollte und mußte bekannt werden, und im gegenwärti cen Augenblicke eriibrigte ja nichts Anderes, ais dem Miit-check die Jau sion zu nehmen. »Sie halten mich hoch, wohl in dem Sinne. wie man einen Vater hochhiilt, iiicht wahr, Fräulein Tredegar?« forschte er, indem er mit fast baterli chem Wohlwollen nach ihrer hand fsßic. 8 »Sie wollen mich absichtlich mißver kiehenf unterbrach ihn Edith leiden chaftlich. »Ist es gütig von Jhnen, mich zu zwingen, dasd ich das aus spreche, was von so ielen nicht fsiir mädchenhaft ehalten würde? Sie ind so grundvers ieden von anderen Mön nern. Sie leben in einer Atmosphäre, welcher ei an Wirklichkeit gebricht. Ich habe den Versuch gemacht, Sie we n zu wollen, und wiirde lieber sterben, als daß ich mit einein Anderen so rede wie ich versucht habe, mit Ihnen zu reden. Wir hegen die gleichen Sym pathieii, wenn auch ich als Weib ge zwun en bin, in einer Atmosphaee titnsi ich aufgebauter Kälte zu existi ren. Ihnen gegenüber vermag ich nicht anders als wahr zu sein. Ach, Guido, es ist Alles so schwer zu tragen. Ich kann nicht anders — ich nenne Sie Guido in meinen Träumen und nun auch in wachem Zustande.« T Sie legte in fteigender Erregung das Hau t auf seine Schulter und er fü l-te si immer verivirrter. Mit einer he tigen Bewegung wallte er sich zu rückziehen, aber sie hielt feine fand fest. Was lallte er lagen —was ollte er hinn? Wie konnte er ihr begreiflich machen, daß fein herz einer Anderen gehöre? Er fühlte, daß er ihr dadurch einen empfindlichen Schlag verletze; sie war ein Weib und ihr Hauptfebler be xtand darin, dafz sie ihm unaufgefor ert ihre Liebe geschenkt. Vielleicht hatte er fie irregeleitet; er gestand sich diese Msglichieit zu· Aber er wußte doch in innerfter Seele, daß dem nicht fo war, und er tröstete sich mit dem Gedanken, daß er in kurzer Zeit im Stande fein werde, Alles aufzuklären »Sie thun recht daran, mich Guido zu nennen, und ich will zu Ihnen Edith sagen,« rief er, während ein freudi verlliirler Ausdruck über ihr Gesichk chte. »Wir sind la alte Irr-Lade, van undlch, daß ich mich nur wundere, wie so viel Förmlichleit . so lange zwischen uns hat bestehen können-« »Ich weiß nicht, wag Sie von mir denken werden; aber Sie gehören nach meinem Dafürhalten u jenen Man nern, welche der rau Wirkli seit .bes Lebens nicht achten, bis es zu at ist, es sei denn, baß Jemand, der h nen wohl will, Sie aus Jhren Trau men erweckt." Sie hatte sich von ihm abgewandt Jud ihr Antlitz war sehr bleich gewor en. »Ich habe meinen ganzen Muth zu sammengerafst,« sprach sie ernsthaft, »und redete, wie mit ums her war. Jch that es um Jhretwillen safi eben so sehr wie für mich selbst. Sie mögen mich gerne leiden, das haben Sie selbst gesagt, und ich lasse mir damit genü gen, weil ich weiß, daß alles Uebrige kommen wird.« Fortsetzung folgt.) Nächtliche Fahrt. Slizze von Else Krassi. Durch die geöffneten Lulen des Schiffes drang die herbe, scharfe-Salz luft des Meeres. Das schwimmende hotel glitt geräuschlos iiber die Wel lenmafsen des Atlantischen Ozeans. Bei einer Kajiite 2. Klasse war ein leichtes Geräusch, eine schmale Thiir öffnete sich, eine feine, schlanke Mäd chengestalt glitt lautlos hinaus auf den Gang. Mit suchten, leisen Bewe gungen, aus den Fußspitzem um die Schläfer nicht zu wetten, schritt sie dem Ausgange zu, durch die verdun kelten, jetzt leerstehenden, großen Schifsssäle die breiten Treppen hin auf ziim Deck. Mit durstigen, tiefen Athemziigen sog sie die reine, scharfe Nacht-Oft ein. Das Herz tlopfte ibr zum Zerspringen. Ueber die niedrige Brüstung hin weg sah sie die unermeßliche Breite des Ozeans-, der einer flüssigen, dunk len Stablniasse glich, über den sich der lichte Horizont wie eine umge kehrte Schale von mattem Silber wölbte. Am Hauptmast, am Kiel und Steuerbord leuchteten die farbigen Lichter der Signale. Scharf hob sich vom lichten Horizont die dunlle Sil houette des wachthabenden Ossiziers, der einsam auf der Aommandobriicte stand. Sie war allein. Nein — dort vorn an der äußersten Spitze des Schiffes die hochgewachsene sehnige Männergestalt in dem wehenden Wet termantel, das war jener, zu dem die Sehnsucht sie herausgeirieben Harrn Wilsonl Das Blut stieg ihr in die Wangen, sie zwang sich zu gesellschaft licher Ruhe. »Guten Abend!« rief sie hinüber. Da war er schon mit gro ßen Schritten an ihrer Seite und nahm die kleinen, talten Mädchen hände herzhast in seine starken Män nerfäustr. »Ich erwarte Sie schon seit einer Stunde, Fräulein Elisabeth. Jch dachte mir, daß Sie ebensowenig wie ich schlafen könnten in der heißen, dunstigen Lust der Kasiite, daß Sie zu mir kommen müßten, damit wir den letzten Abend gemeinsam feiern.« »Den letzten Abend,« sagte sie mit einer heißen, zitternden Bewegung ihrer Stimme. »Unser letzter Abend —- morgen sind wir in New Yorl.« Das junge, weiche Mädchengesicht war blas-, und verstört. ihre Augen füllten sich mit Thriinen, ihre Lippen zitterten, und der Mann sprach in tiefer Bewegung: »Wir müssen Ab schied feiern; es ist eine jener grausa men Jsronien des Lebens, daß es Menschen zusaminenfiihrt für eine winzige Spanne Zeit, die einander lieben müßten, und daß dieses Leben sie wieder sortreißt ins Userlose.« Er faßte sich gewaltsam und zwang sich zu leichtem Plaudertom »Kommen Sie, Fräulein Elisabeth, lassen Sie uns diesen leßten Abend nicht unwillig zerstören durch thö richte, traurige Reflexionen. Unser Lieblingsplatz ist frei, wir wollen noch einmal diese nächtliche Stunde erle ben, das stille Glück empfinden, ein ander als Menschen zu wissen in die ser großen Einsamkeit des Meeres. Jch habe den Steward angewiesen, uns den Thee auf Deck zu bringen« »Wie gut Sie sind!« sagte sie schüch tern, »wte rührend gut." Und er sagte scherzendc «Loben Sie mich nicht ungerechtfertigterweise, mein Kind; ,ich bin stets ein hartge sottener Egoist gewesenr wir sind es alle, wir Männer, die mit riielsichts loser Energie sich ihren Weg im Le ben erlitmpst haben, mit harten Hän den und eifernem Willen!« Die Tbeegläset dampsten zwischen ihnen aus einem Klapptischchem er goß ihr den Thee ein, richtete die klei nen, gerösteten Brötchen und bediente sie mit der liebenswürdigen Geschick lichkeit der Männer des Westens, siik welche die Frau die eigentliche Mist-) lratin ist. Dann saßen sie dicht an einander geschmiegt -—- die Atmen aus das unermeßliche Dunkel des-s Meeres gerichtet. Eine weiche, schwere Stim mung war zwischen ihnen, wie un Jsägliche Melanchslie des YbschiedC « «Friiulein Glisabetb,« sagte er leise, »lassen Sie mich in dieser Stunde danken sitt all« das Köstltche, das Sie mir in diesen Tagen gegeben haben. Jch titnnneke mich niemals um Frauen, mein Leben ist barter Arbeit und eisernem Lernwillen gewidmet, aber an jenem Abend, wo ich Sie zu erst sah, in dem großen, strahlenden Musiizimmer, lieblich und mädchem hast in Jhrem schlichten weißen Kleidchem zwischen all’ den eleganten Ameriiamrinnen, da empfand ich siir Sie sofort das Gefühl einer unendli chen Sympathie. Dann sangen Sie mit Jhrer warmen jungen Stimme die köstlichen alten Bollslieder vom Rhein. Wie ein Traum war es -—— wie ein Klang versunkener Kindheitsglos elen, wie deutscher Wald und deutsche Märchen! Ein Klang, der fremd ist in meinem Leben. Jn meiner harten Welt der Arbeit klingt das Eisen werl der Maschinen, das Surren und Rauschen elektrischer hochspannung — wir wissen nichts von Seniimenta liiäten in unserem Leben.« »Sie find Deutscher?'« fragte sie. »Nein,« sagte er mit dem kaum durchdringenden und doch fühlbaren Selbstbewußtsein der Männer seines Landes. »Ich bin ein Vollblutameris kcner, durchaus »Yantee«, leitender Jngenieur von Steward Fc Petri-il limited in Montreal —- aber meine liebe alte Mutter war eine Deuts e. Sie hatte sanfte, blaue Augen, wer e, braune Haare, wie Sie und eine sii e, warme Stimme. Sie gleichen sehr meiner Mutter. Sie war eine Träu merin, eine weltfremde Jdealistin, und ich wette, mit weißen Haaren las sie noch begeistert ihre kleinen deutschen Gedichtc. Sie hat immer an Heimweh gelitten und sehnte sich immer zurück wie Sie sich zurücksehnen werden nach Jhren tleinen deutschen Stadien, h ren deutschen Wäldern. Sie wer en immer einsam und fremd bleiben unter unseren lustigen, oberiliichlichen Frauen und den anderen mit dem kiihi len, talten Thatsachensmn, einer Ener qie, die nichts von weiblicher Milde an sich hat. Ein kleines deutsches Mäd chen — weshalb tommen Sie in die Staaten? Das Leben wird Sie hart anstoßen.« »Mein Bruder hat eine tleine deut scheSchule in New York; ich habe mein LehrerinnensExnmen gemacht, ich werde ihm bei der Arbeit helfen.« »Armes Kind,« sagte er, »armes tleines, deutscheg MädchenF ,,Werden Sie in New York blei rent« »Nein,« sagte er, »keine vierund zwanzig Stunden.'· Er reette sich in ieiner rraftvollen, sehnigen Männlich teit. Dort oben in Canada ist Raum für Männer meines Schweres-, «un · fröuliches Land, das- der Axt er chlo - sen werden soll, wilde, unregulirte Flüsse, über die Brücken zu leiten sind, Schienenstriinge, die wir legen wollen in untultivirtes Land.« Sie sah ihn an mit großen, schim mernden Augen. mit einer Empfin dung, die sie nicht zu verbergen ver mochte. Eine flehentliche Bitte war in diesen Mädchenaugen: »Nimm mich mit in dies Land —- nimm mich mit — in den Kampf!« harry Wilson sah nachdenklich eu ihr herüber —-- er fühlte, wie sie zitterte — er sah die Farbe kommen und gehen in dem jungen, lieblichen Gesicht. Die Versuchung tam über ihn, sie in seine Arme zu nehmen und ihr zu sagen: »Komm mit -—— sei meinWeib!' Er fühlte ihre hingebende Wärme, aber doch wiederum jene keusche- miids chenhafte Lieblichteit, die ihn an seine trdte Mutter erinnerte. Aber sein ge schärfter Blick, sein unerbittlich klares Bewußtsein, aestählt im unerbittlichen Kampfe des Tages, siegte auch in die sem Augenblicke, und er empfand: »Jene Fran, die in mein Leben treten wird, die kämpfen wird an meiner Seite, die wird anders sein als diese. Rein süßes, blasses Mädchen, keine Träumerin und «dealistin, die Schu mann’sche Lieder ingt in wohlbehiites ten deutschen Pfarrhausernl Jene Frau, die in mein Leben treten wird, wird traftvoll sein, jung und rothbllii tig, mit hellen, scharfen Augen« eine Arbeiterin und —- ein Kamerad· Arme kleine Lisa —- arme, süße, kleine Träumertn Er faßte sich gewaltsam. »Wir müssen scheiden," sagte er welch. »Leb wohll« «Leb wohl, Harrh Wilfvn!« Da schlang er seine starren Arme iiber die seine, zitternde Märchensc slalt, iüßte dieThkiinen von ihren Au en, kniete nieder vor ihr, wie eins in iernen Tagen zu den iißen seiner deutschen Mutter, und iii te die seine-r « ten Mädchenaugen »Wenn Du je - nen Freund brauchen solltest in Dei nem Leben —- dente an Harr? Wilsou in Monireal. Gott segne Dch, mein Liebling!« . .. Heller Sonnenschein la aus vers Deck. Langsam und majeiiiiiiich glitt die «Deutschland« in den New Yorker Oasen, vorbei an dem schar en Buse, wo gliizernd im Sonneni in das Denkmal der Freiheit sieht. Ein dröh nender Böller — das Rasseln her An tek, langsam und seierlich tieg has Sternenbannee am Haupt-no empor, die Schiffsmusii intonirte » he star spangled banner«. Harry Wilson stand neben seinem Gepäet, die Stummeli pfeife im Munde, has Gesicht war sesi und verschlossen. Er zog die Mühe ehrfurchtsvoll und grüßte gleich den iibrigen Söhnen der VereinigtenStaa ten s-- die heinmthliche Erde. Er blickte auf, Elisabeth stand nicht weii von ihm, ihr Gesicht war Mathiqu ihre Augen verweini. Ein heißes Mitleid ergriff ihn, hinüber zu gehen ru ihr, ihr die Hand zu reichen nun Abschied Da iagie er hart in sich selbst: »Wer Dir liegt besseres Gliick. als eine Frau Dir zu geben vermag — Deine Arbeit. Farewell!«