Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 16, 1906, Sweiter Theil., Image 11

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    Weim- Hchtkthkbttkk von s
sitz-i- kwtmugxr. ·«
No. 194.
Lizzie, hot die
Wedesweiletn
den annere
Dag zu mich
gesproche, Ich
deht doch en
nihau gleiche,
emol e PM
schek von dich
zu den-Ich
vuhn mein rtot jetzt e wenig frisch
iiJsickTe un o will ich meine Freunde
a den uffhänge7 off Kohts dekfst
du auch nit dabei fehle. Werde-Zwei
leen, hen ich gesagt, ichmuß zu meine
Schand gestehn, daß ich nit e einzige
Pfsic von mich hen un wie’s is, is
die anze ämmillie mit Pickschers .
fchle t be chlagr. Jch hen mich ja!
ernol e Tinnteip mache losse, awweq
das is au schon so ebaut zwanzig
Jahr zutii gewefe un do guckts mich »
deck- nit mer so recht ähnlich. Ich!
deht arig gleiche emol e diesentess
Fämmillie Pickscher zu heu, awweri
ich kann den Philipp, was mein Ros- i
tunc iset gar nit dazu kriege, da er;
emok Miikvmme duht· Ach, hot doi
die Wedesweilern gesagt, ich gewwet
xicks um e Fämmillie Pictscher; inx
ie
die ganze Gang zusamme zu kriege
un dann is es auch sor e Lehdie nit ’
plefsent, wann se mit so große Buwei
an ein Pickscher is, wo sich jedes aus
fide-re kann, wie alt dir Buwe sin uns
dann das Älter mit die Ma tompehre
tann. Jch muß sage, die Wedeswei
lern is do gar nit so viel aus den
Weg gewese Jch gucke so wie so
sähon nit mehr wie e achtzehnjähriges
teddche, do brauche auch noch die
große Lastese von Buwe mit dabei zu
ein« Jch will dich emol ebbes sage,
hen ich u die Wedeoweilern gespro
che, du sollst das Bild hen; ich gehn
un sehn den Psotograviehrer un losse
mich abnehme, awwer bieseids das
tiemm ich auch noch die Kids mit;
awtoer ich losse von uns all sepverehte
Piitscherö mache un dann duhn ich
den Philipp an sein Geburtsdag
survteise; dann kann er emol sehn,
wieviel Butve er ennihau hot; et duht
sich ja doch so wenig um se beküm
meti. daß er ganz vergißt, wie viele
er hot.« Do war die Wedesweitern
Löttisseit un am nächste Samstag hen
eh die Buwe gesagt: heut habt Jhr
teine Schul un do gehn mer all zu
lamme wo hin; in die erschte Lein
ders awwer euern Pa nie-is von wisse
Un dann no e anneres Ding müßt
Jhr alt so tlien sei, daß es en Staat
is. De hen se Wunner gedenkt, was
se sor e Surpreis triege dehte un se
den sich getlient wie alles un hen ihre
neue Suhtcher angezoge, un hen sich
die Schuhs gescheint, das se gescheint
den« daß mer sich hätt drin schehse
könne un ich hen se dann in Lein an
trete losse un hen serchterliche Muste
tuna gehalte. Do hen ich dann noch
e g-.nze Latt Dessischenzies digtows
wert. Der Johnnie hot seine ganze
Solils an die Schuhs dorchgelause ge
halt, der Bennie hot seine Händs nit
ordentlich geilient gehabt un der Wil
lie lot so ar noch dreckige Ohre ge
habt. No er, hen ich gesagt, den Weg
wer·n bei mich leine Pickschers ge
nomine. Jch hen se dann noch emol
einzeln vorgetnöppt un hen den John
nie seine neue Schuhs anziehe mache»
un ie annere hen ich noch e zweite»
Schirobbin gewwe die war nit von
schfechte Elere. Dann sin mer los
geschowtve. Es war e autes Ding,
daß es e wenig nach Rege geguett hot
un sor den Riesen der Psotograviehrer
nit·dissie war. Er hot sich reiteiveg
dran gemacht, sei Jnstriment zu sickse
un hot sich den Bennie ais erschteg
Wicktim ausgerückt O, dier, o dick-,
was hen mer e Zeit gehabt, bis der
Feger still gehalte hats Jch hen do
gesosse wie an e Pinntuschen un sin
ganz nörwes geworde. Der Kunne
hot immer gegickelt un hot gesagt, wie
mer eckspeckte könnt, daß er e ernsteg
Fehs mache könnt, wann er den Adr
tist sei dummes Fehs immer in Front
von sich hätt. Do sin ich hin gange
un hen den Bennie eine rechts und
eine links hinnrr die Ohre gewwe, daß
er puttinier gesehnt hot. Dann hot
er mit einemvi e ernstes Fehg mache
könne un der Photograviehrer hot ge- »
sagt, er deht nicks drum getvwe, wann
er e wenig mehr plessent gucie deht.
Wie mer von e Kid eckspeckte tann,;
daß es plessent gucke un schnieile duht, !
wann’s zwei Ohrfeige triegt hot, wo
mer iesig vier hätt draus mache
könne« das tm ich auch nit seh-H
Well, der Ahrtist hot das Pictscher ge
nomme un hot gesagt, er deht dente,
ei wär ahlrecht. Well, ich hen jetzt
meine Pehschens verlore un hen ge
sagt, er sollt mich jetzt zuerscht ah
emme, ich wollt dann sort gehn, dann
rinnt er sich so lang mit die Kids
erumheiße wie er wollt. Jch hen mich
dann in Pohsichen gesetzt un do hot er
for e lange Weil an mich erum ge
drückt un mein Kopp bald nach vorne
un dann nach die Seit genascht daß
ich den Minne am Liebste auch e paar
Ohr eige gewwe hätt. Schließlich,
nach m ee mich e halwes Dutzend mot
dorch seine Kämmereh gesohtuszt hot,
so daß ich Ins schrecklich nörws ge
wotde fin, hen ich so e sonniges
Tickele in meine Nod gespürt, daß ich
mich gar zu gern emoi gesträtscht
hätt; awtver in die nämliche Minnit
hot er gesagt: »Jetzt still Mäddemt
un grad wie er den Botten hot pusche
wolle. do hen ich ichniesse müsse unl
--·-.--.. »-.« .
was for en Schnießett Ei tell fuh, ich
hen iiiich geschähmt wie alles. Die
Pleht is gespeuli, hot er gesagt, jetzt
müsse mer’ö noch emol probirr. Un
do is er noch emol dorch das ganze
Bißneß gange. Mei Nohs hat sich
arig gut beheft un hot mer lein Tru
bel mehr gemacht, bis er widder ge
sagt bot: Jetzt still Mäddem, do hen
ich nit einmal schnieße müsse, no, do
hen ich drei mol in Suckseschen
schnieße müsse un ich hen gedenkt,
meine ganze Nohs dehi mich »aus
fliege. Do hot der Fellek gesagt:
Noch e Pleht gespeuli!« Do sin ich aw
wer doch mähd geworde. Jch hen ge
sagt? »Im Hewwens Sehks, was
gen-we Sie drum? Jch denke, ich sin
noch gut genug for so e Paar alte
Plehts; schicke Se nor Ihre Bill un
wann ich mit mein Schnieße ebbes an
Ihre Kanstituhschen gedemrnetscht hen,
dann schreiwe Se das auch noch usi.
Jch denke, e Lehdie kann noch emol
schnieße, wann se dazu fühle duht un
braucht Jhne nit etscht for en Permitt
zu frage. Was denle Sie denn enni
hau, wer Sie sin?« Wisse Se, was
der unverschämte Kerl gedahn hat«
Er hot die Dicht ufsgemacht un bot
gesagt, wann mir nit reiieweg autseit
gehn behie, dann deht er sein große
Hund an uns sicke un der deht Karo
heiße. Schuhr genug, hen ich den
Hund ganze höre un do fm ich dann
mit meine Nachkommenschaft ausge:
rückt. Ei tell fuh, es is weit komme,
wann sich e Lehdie so insolte muß
losie.
Mit beste Richard-J
Yuhrs,
Lizzie HanfftengeL
H-—-——«
»U while Australien-«
Die Abnahme der Einwanderung
in Australien wird immer deutlicher
bemerkbar und macht den Staats-män
nern viele Sorgen. Der Premiermini
»ster Dealin hat kürzlich an die Par
teien das dringende Ersuchen gerich
tet, mit ihren Urtheilen über die Zu
stände in Australien vorsichtiger zu
»sein, denn im Auslande machten die
iabsprechenden Urtheile einen sehr
schlechten Eindruck und viele Leute
ließen sich dadurch abschrecken, die an
derenfalls gern nach Australien ge
kommen wären.
Das Land braucht die Einwande
rer nothwendig, um sich entwickeln zu
tönnen, aber nur die Weißen sind er
wünscht; Japanern und Chinesen
wird die Landung verwehrt. Es ist
bekanntlich besonders die Arbeiterpar
stei, die streng darauf besteht, daß
tdiese Beschränkung aus die Weißen
seingehalten wird, weil Chinesen und
sJapaner eine unerträgliche Konkur
srenz auf dem Arbeitsmarkte bilden.
T-— Mit der Forderung: »A whjte
»Mit-aus« Australien sitt vie Wei
ßen!), ist die Bevölkerung im allge
meinen ganz einverstanden, wenn
tauch viele Kapitalisten sich die billi
tgen gelben Arbeitskräfte sehntichst
twiinschen Vor einiger Zeit stellte
die Arbeiterpartei fest, daß es 17,000
Arbeitslose in Australien giebt. Diese
Behauptung wird von den anderen
Parteien lebhaft bestritten; die Zahl
der Arbeitslosen wird als weit gerin
ger angegeben, aber die Thatsache
bleibt bestehen, daß viele Arbeitslräste
brach liegen und leine Verwendung
finden. Daraus weist die Arbeiter
partei regelmäßig bin, wenn davon
die Rede ist, daß die Einwanderung
gehoben werden müsse.
cartosltäteniåner.
Das größte Verbrechen des Kaisers
lltero war s- - nach einem Feinde aller
Kuriositiitenjäger —-—,— dass er der Vater
der Sainmler wurde, als er den Man
tel des Cato siir die hohe Summe von
Mist-) laufte. Seine Nachkommen
schaft läuft heute in die Aber-tausende,
und sie sammeln so lziemlich alles, was
die Erde hervorbringt oder berühmte
Männer hinterlassen. Nirgends werden
so teure Preise beazhlt, nie so viel ge
logen, gehaßt und Eifersucht zur
Schau getragen als im Antiquitäten
und Raritötengefchtift. Nirgends wer:
den auch so viele sund erfolgreiche
Fälschungen begangen. Lügen sind so
zahlreich unter den Sainmlern, tvie der
Sand am Meer, und selbst vor Mor
den und Mordversuchen haben verpichte
Sannnler nicht zurückgeschreclL Der
Nachlaß manches armen Teufels, der
zu Lebzeiten oft nicht wußte, wie er
seine verschlissenen Kleider durch neue
ersetzen oder die Kosten eines Mahles
bestreiten könnte, brachten später das
Tausendsache des wirllichen Wertes-;
Violinen, fiir die berühmte Meister
810 erhielten, losten heute oft dreihun
dert bis vier-hundertmal so viel. Ein
alter Mantel Rousseaus wurdej jüngst
in Paris siir 8400 verkauft, ein Spa
zierstock Voltaires brachte 8100 Ein
utSterneö brachte inLondon 86000;
iberhaupt ist man in England in der
Bezahlung von Kuriositäten viel frei
gebiger als aus dem europäischen Kon
tinente. Einen Beweis dafür liefert die
Tatsache, daß Kants Perücke bei einer
Versteigerung nur 840 beachtet Man
bedenke: Für eine Perücke, die dem Ge
hirn eines großen Philosophen so nahe
Ioar, MO, siir einen Hut Sternes
86000t Ein englischer Lord bezahlte
für einen Zahn Newtons S.·3400; da
gegen rvechselte der Schädel von Des
rartes in Stockholm für nur 8200 den
Besitzer! Kuriositätenjäger sind gar
seltsame Kunden.
W
Mancher Ehe-nam! hat seinen
Wunsch noch gar nicht ausgesprochen
—- und seine Frau ist schon dagegen·
t
l
Mara.
Siizze aus den Schreckenstagen Cala
briens von H. C. Jahn.
Gevatter Andrea lehnte an der Ecke
eines Hauses. Durch die morsche
Bohlenthiir des zur ebenen Erde gelei
Inen Stalles hört er das Schnauben
t r Stiere und das Geräusch, das sie
beim Wiedertauen machen· Seine
schwarzen, unruhigen Augen haften
fest auf einer schmalen, halbzerfallenen
Holztreppe, die draußen an der Seite
des Hauses empor zum oberen Stock
werk führt, der Wohnung der Fami
lie. Das Haus befindet sich etwas
abseits von den ärmlichen Sandstein
hütten des Dörfleins, näher an dem
Strande, wo die Fischerboote liegen,
grau und wurmstichig, wie gestrandete
Leichen.
Die Luft ist schwer und schwül und
lastet unbeweglich und stumm auf der
Fläche des Meeres. Ein erstickender
Schwefeldunst erfüllt sie-verschwom
men und grau ist die Weite des Mee
res und die Weite der Luft . . .
Gevatter Andrea fröstelt zusammen
wie im Fieber, dann drückt er den zer
fetzten Hut fester in die braune Stirn
und zieht die gestickte Jacke, die er lose
um den Hals hängen hat, enger um
die breiten, harten Schultern. Er
lauscht gespannt mit dem scheuen und
doåh blutdürstigen Blick einer Zibeth
a e.
Ob Gevatterin Mara wohl schon
schläft? O, er weiß, warum sie allein
zurückkehrte, während die übrigen
Mitglieder der Familie der Feigen
ernte wegen auf dem Felde übernachte
ten! Die schimmernde, blaue Uniform
des Gevatter Luigi hatte ihr das
Köpfchen verdreht, des Bersagliere, der
auf Urlaub im Dörfchen weilt und der
in seinem Federhut so stolz durch das
Dörfchen geht. Dann folgten ihm die
brennenden, schwarz-en Augen aller
Mädchen, und die alten Weiber, die
zur Messe trippelten, steckten die wei
ßen Köpfe zusammen und schnatterten
wie die Gänse. Gevatter Andrea frö
stelt und tnirscht mit den Zähnen, seine
schwarzen, unruhigen Augen sunielten
böse, wie die Augen eines bissigen«
Hundes gegen den Holzschuh, der ihn
bedroht-Die Eifersucht saß in seinem
Herzen und fraß darin wie die Fäul
niß in dem morschen Stamme eines
alten Olivenbaumes, bei dem kein
Austtatzen oder Ausbrennen mehr
nützt. Er war ihr nachgeschlichen, ge
räuschlos wie eine Zibethkatze, durch
das abendliche, graue Dunkel. Die
schlanke, weiche Gestalt des jungen
Mädchens hatte sich scharf von dem
« hellen Abendhimmel abgehoben,
schwarz und wie auf’s Papier ausge
schnitten in dem Golde und dem Pur
ver der sinkenden Sonne.
! Während Gevatter Andrea drunten
lautlos um das- Haus schlich, wie ein
» Kater beim Mausen, stand oben in der
. Schlafkammer die schöne Mara vor
J dem kleinen, zersprungenen Spiegel
und ordnete ihre langen, blau-— schwarz
schimmernden Haare. Sie hatte ein
Licht entzündet und nickte, ein Lied
» chen zwischen den rothen Lippen sum
» tnend, ihrem holden Spiegelbilde fröh
lich zu.
,,,O santifsima Madre!« ruft sie
« plötzlich übermüthig aus-: »Wie gliick
lich muß der Mann sein« der mich ein
mal zum Weibe betommtt« und dann
kauert sie sich lachend auf den Rand
des Bettes zusammen und verbirgt ihr
ergliihendes, braunes Gesichtchen in
den braunen, arbeitsharten Händen.
Nachdem sie vor dem Bilde der Ma
donna gebetet hatte, streckte sie die wei
chen, runden Glieder auf das harte
Strohlager, schlägt die rauhe, ärmliche
Wolldecke um sie und entschliift müde
von der Arbeit· Nur undeutlich gan
lelt noch eine schimmernde, blaue Ber
sagliere-Uniform vor ihren müden Au
gen und ein stattlicher Federhut machte
ihr Herzchen höher schlagen, dann ver
schwanden auch die in einem festen,
traumlosen Schlaf.
Es mußte schon lange nach Mitter
nacht sein« als sie erwachte mit einem
Gefühle. als läge etwas Großes und
Schweres aus ihrer Brust, sie fast er
stickend Sie will sich emporringen,
angstvoll durchirren ihre Augen die
ärmliche Schlafkammer, da ist es ihr,
als bewegen sich die Bilder der heili
gen Jungfrau und des heiligen Fran
cesco an der Wand und schütteln
angstvoll ihre Häupter. Vor Schreck
will ihr das Herz fast stille stehen und
sie faltet entsetzt ihre behenden Hände
um den Rosenlranz.
Da ward sie plötzlich aus dem Bette
geschleudert, während das Haus in
seinen Grundsesien erbebte und ein
Regen von Kaltstaub und Steinsplits
iern sie über-schüttete und ihre Auan
und Ohren sast vertlebte. Die Erde
zitterte und schien sich zu heben wie eine
Woge im Sturm, ein dumpfes Rollen,
wie das Poltern unterirdischer Dämo
nen erklingt, und plötzlich zerspringt
die Mauer, wie morsche Leinwand
und stürzt poliernd in die Tiefe . . .·
Die Thiir wird ausgerissen und in
das verwitsieie Gemach stürmt haar
häuptig, mit aschsahlem verzerrtem
Gesicht Gevatter Andrea. Er hebt die
vor Schreck halb Ohnmächtige empor
und trägt sie in seinen starken, harten
Armen davon. hinter ihnen stürzt
das bröckelnde Gemäuer des Hauses
zusammen, die Stiere und allen Haus
raih begrabend.
»O, carissmia mia!« hauchte er,
während er schwerfällig in seinen Holz
schuhen dahinstapste, ihren weichen,
runden Körper an sich drückend: »O,
Signorinai sterben Sie nicht, sterben
Sie nicht!«
Er mußte längst des Sirandes ges
hen, um den Bahnhof zu erreichen.«
Zwischen stürzenden Mauern hindurch,
über Hausen von Hausgeräthem Bal
ten und Steine fort mußte er klettern.
Aus den Trümmern ragen Glieder»
zerschmetterter Menschen, noch zuckend -
im Todeskampfe. Männer, Frauen
und Kinder, alle fast nackt, nur mit
zerrssfenen Hemden bekleidet, drängen
sich im wirren, rasenden Knäuel an
ihm vorüber, tämpsend mit Auskrie
tang aller Kräfte um’s Leben. Er
steht Kinder und Frauen stürzen nnd
von ten harten Füßen der vor Angst ;
fast sinnlosen Menge zermalmt wer-s
den. Ganze Hausen der Fliehendeui
verschwinden plötzlich unter den tra-;
chend niederdröhnenden SteinmasseIH
-— ein Stuer der Nachfolgendemz
dann stamp en die schweren braunen!
Füße über die Trümmer dahin ——t
weiter dem Bahnhose zu Wweiter —;
— der Rettung entgegen —— i
Hausgeräthe, Balken und SteineJ
Alles durchfliegt die Lust, sausend und
rolternd niedertlirrend. Ueberall stür
zen Menschen getroffen, blutend zu
samusen,« Angstschreie, Gebete, ein
schautigeg Chaos von Tod und
Schrecken. Der Staub blendet die
Augen, man tappt, wie im tiefsten
Dunkel, durch diese Hölle der Vernich- «
tnng, man strauchelt über zuckende
Leuten und riesige Trümmerhaufen
Gevatter Andrea schwankt dahin,
den ieblosen, vollen Körper des Mäd
chens mit seinen Armen umklammernd .
wie im Fiebertraum· DaHBlut rinnt ’
von seiner Stirne in schweren, trägen
Tropfen und zieht lange, schmutzigex
Streifen iiber Gesicht und Hals-.
Mehrere Steine haben ihn getroffenk
denn er bückt sich über die bewußtlose !
Mann um sie zn schützen, und wäret
es mit senem Leben. i
lsr taumelt, seine schweren, hartens
Füße vermögen ihn kaum noch zu tra- !
gen nnd er wimmert wie ein Kind.
Noch einmal steht sein ganzes Leben
vor seinem geistigen Auge, scharf und
tlar wie ein Bild, das man mit einem
Blick übersehen kann, und alles Licht
nnd alle Wärme, das es ausströmt,
das Bild voll Arbeit und Entbehrung,
kamen von ihr, der kleinen Mara . ..
Dann hatte er den Bahnhof erreicht
und wirst den immer noch leblosen
Közrer des jungen Mädchens in die
Arme Gevatter Luigi’5, der ihm ent
aegen eilt. Er sieht es nicht, er ist
glücklich, sie gerettet zu haben, und
stam:nelt: ,,Gelobet seist Du, heilige
Zungfrawi Gepriesen seist Du, daß
s u mir meine Mara gerettet hast-—
o! nun laß mich sterben!«
Schwer schlägt er zu Boden. Man
half ihm aus, man bemühte sich urn
ihn, doch Alles ist ver ebens. Man
mus, seinen starren Lei nam zwischen
die vielen Todten legen, die längs des
Bsahntörpers ruhen-, zwischen die vielen
Todten, deren nackte, braune Körper,
theilweise nur durch blutige, weiße
Fetzen bedeckt, so traurig in dem ros
then Licht der Windfacleln leuchten. —-—- !
Mai-a erholte sich bald wieder unter
der treuen Pflege des Gevatterg Luigi :
und ihrer Familie. Jhr alter Vater
liißte und segnete sie: »Mein Kind«
die Mutter Gottes hat Dich uns er
halten —- o! wie dante ich ihr! —
Das war ja ein Erdbeben wie damals
den ?0. Februar 1783, von dein mein
Großvater mir ost erzählte, und wo
gegen 300 Städte und Dörfer zerstört
wurden und 30,000 Menschen um
kamen Laßt uns der heiligen Jung
xrau danken, daß sie uns beschützt
iat.« —
Aus einem Sodom-Bade.
Hammam-Salahhin, Algerien,
Jn diesem Bade gibt eg keinen Kur
aczt, keine Kurtaxe, keine Fiurpronie
nade, keine Kurmusik und leine Kur
mark-er, es unterscheidet sich also we
sent-ich von der Banalität anderer
Bitten Wer jeden Abend zu den
rerlorenen rechnet, an « dem er
nicht gesellschaftlichen Vergnügungen
nachgeht, dem rate ich dringend ab, sich
in HammanisSalahhin häuslich nie
derzulassen; wer aber für starke Na
tureindriicke empfänglich ist und ein:
mal alles, was an unsere Kultur er
innert, tausend Meilen weit hinter sich
lassen will, der mag getrost herkom
men, selbst ein paar Wochen hält er es
aus. Man verliert hier alles Inte
resse fiir die Dinge draußen in der
Welt. Seit acht Tagen habe ich kein
Buch, keine Zeitung angeriihrt. Wie
klein und unbedeutend erscheinen im
Rahmen der Unendlichkeit ringsum
alle Menschenhändelt Wenn der
Schnee schmilzt, wird da draußen wie
der alleg anders sein als heute; hier
aber kann der Erdball tausend- und
hunderttausendmal im Jahresreigen
tanzen, das Antlitz der Wüste verharrt
in seiner steinernen Ruhe, in seinem
ungeheuren Schweigen.
Hamman-Salahhin ist ein Sahara
Bad, unweit der Oase Biskrcn Ein
Sahara-Bad —— das klingt so wider
spruchsvoll tvie «·aebackenes Eis-", aber
ein Blick in die Badezellen schlägt jeden
Zweifel nieder. Aus dem Sande spru
delt ein heißer Quell und bildet einen
dampfenden Bach, der nach seinem
Laufe durch das Bad allmählich wieder
im Sande versickert und in den Erden
schoß zurückkehrt. Sonst Pflegen Wü
stenauellen die Schöpfer und Ernährer
einer Oase zu fein, aber dieser Born
läßt keinen Pflanzentvuchs aufkom
men, dazu besiyt er eine zu hohe Tem
peratur, und außerdem duftet er nach
faulen Eiern, ist also stark schwefelhal
tig. Seine heilkräftige Wirkung steht
bei den Arabern von alters her in
hohem Ansehen.
Trotz feiner Abgeschiedenheit ist
Hammathalahhin bereits durch ei
nen kleinen Schienenstrang mit der
Welt verbunden eine Miniaturpferde
bahn führt über den Sand nach Bis
kra. Wenn es die Kolonisien des was
serarmen Biskra gelüstet, in die Bade
wanne zu steigen, so machen sie einen
Ausslug nachHainniani-Salahhin, und
wenn die spärlichen Jnfafsen des Wü
stenbades das Leben wieder einmal in
vollen Zügen genießen wollen, fahren
sie nach Biskra
Es gibt kaum ein anderes Badeleben
auf der Welt, das so wenig aufregend
wäre wie das vonHammam.-Salahhin.
Man badet, schläft, läuft in die Wüste,
geht aus die Schakaljagd, natürlich
ohne jemals einen Schakal zu sehen,
und läßt sich schmecken, was dieWirtin,
eine resolute Deutsch-Schweizerin, un
ter Assisienz ihres französischen Ge
mahls bereitet. Damit habe ich alles
gesagt, was sich iiber Hammam-Sa
lahhin sagen läßt, und ich wäre wirk
lich in Verlegenheit um weiteren Stoff,
wenn es nicht rings um unser Bade
haus in verschwenderischer Fülle Wüste
gäbe. Ueber die Wüste kann man aber
ganze Bände schreiben — welches-Glück
für den Leser, daß ich mich mit wenigen
Zeilen begnüge!
Zunächst eine Betrachtung: Wer
hötte nicht schon mit Kummer erlebt,
daß ihm gerade in einem feierlichen
Augenblick irgendeine nichtige Erinne
rung oder ein alberner Einfall durch
den Kopf geht und sich mit der Zähig
leit einer Zwangsidee an die Hirnfa
sern klammert? So geschah es mir
neulich, als ich von Bigtra hierher
durch die Wüste streifte. Von den
herrlichsten Eindrücken gepackt, konnte
ich es doch nicht unterlassen, einen ir
gendwo und irgendwann einmal ge
hörten Operettentext zu trällern: »Ja,
in der Wüste ist es schön, in die Wüste
laßt uns gehn·« Der Dichter dieses
geistreichen Librettos ahnte schwerlich,
wie sehr er unbewußt die Wahrheit
sprach. Denn die Wüste ist von erha
bener, unerschöpflicher Schönheit. Jch
glaube, die meisten Mensechn haben
ganz unzutrefsende Vorstellungen von
der Wüste. Sie denken gewöhnlich an
eine eintönige, dem ruhigen Meer ähn
liche Sandsläche. Diese Art von Wü
ste gibt es, wohl, aber es ist nur eine
von den vielen Formen ihrer Erschei
nung.
Hier in der algerischen Sahara zeigt
sie fortwährend ein anderes Gesicht.
Da gibt es Gebirgslandschasten mit
Bergen aus hellem Kaltstein, rotem
Porphyr und schwarzem Basalt, die
je nach dem Stande der Sonne in den
wundervollsien Farben leuchten, dann
welliges Dünenland, wo der Fuß im
weichen Flugsande versinkt, dann wie-—
der die harte, mit Halfagras bewach
sene Steppe und die von Salztristallen
sunlelnden Schotts, die sich zur Regen
zeit in Seen verwandeln — da gibt es
ferner Flußbette, die ebenfalls nur zur
Regenzeit Wasser führen , jetzt
aber mit ihren ausgespiilten Ufer
wänden und ihrem Felsgerölle
schwer passierbare Schluchten bilden,
und schließlich die glatte Sandsläche,
eine fahlgelbe, am dunstigen Horizont
in den Himmel verschwimmendeEbene,
aus der die Oasen wie grüne Tuper
leuchten. Jn dieser Mannigfaltigkeit
der Formen welch ewig wechselndes
Spiel der Farben und Lichter! Wenn
ich Landschaftsmale wäre, würde ich
ein paar Jahre lang weiter nichts tun
als Wüstenbilder malen (vorausgesetzt,
daß ich Käuser fände).
Und dann die lebhaften Stassagen
dieser großartigen Landschastgbilderl
Bei Bistra sorgt hauptsächlich das
Militär dafür. Hier Zuaven in den
verrücktesten roten Pluderhosen, ganz
hinten auf dem turzgeschorenen Kopf
die Troddelmiitze, dort Fantassins,
dort wieder ein Spahi in purpurnem
Burnus auf langschweifigef, tänzeln
dem Apfelschimmel, eine jener schönen
männlichen Erscheinungen, an denen«
das algerische Armeekorps so reich ist.
Weiter draußen sind es die Beduinen
lager und Karawanen, die das Wü
stenbild beleben. Jch werde nicht
müde, die Karawanen auf ihrem Mar- H
sche zu betrachten. Stumm und ernst
in langer Kette ziehen sie hin, mit vor
gestrecktem Halse schreiten bedächtigen
Schrittes die Kamele, daneben und da
hinter dieMänner in grobem, braunem
Burniis, das Gesicht fast ganz ver
hüllt, den Stab in der Hand, den Be
schluß machen auf Eseln die Weiber
und Kinder. Zu beiden Seiten der
Ramelriicken hängen die Lasten herab:
Säcke mit Datteln, Kassee, Tuchbal
len, Holz. So ziehen sie nach Tugurt
und Uargla, nach Tuni5, Tripolita
nien und Marotto. Ungeinein sesselnd
ist auch das Leben und Treiben in den
Zeltlagern der Nomaden, aber der Be
obachter muß Zurückhaltung zeigen,
denn dem Araber ist taum etwas ans
dereg so unsympathisch wie indiskrete
Einblicke in seine Häuslichkeii.
Einfach genug sind diese Behausnn
gen der Nomaden. Ein aus Wollen
tiichern und stützenden Stäben gebil
detes Zelt, so niedrig, daß man nicht
aufrecht darin stehen kann, auf dem
Erdboden ein paar Decken zum Sitzen
und Schlafen, neben dem Zelt zwischen
aufgehäuften Steinen ein kleiner Herd
mit einigem Geschirr —— das ist die
ganze Herrlichkeit Auf die weiblichen
Jnsassen paßt noch Schillers Wort:
»Sie flechtett und weben«, allerdings
nicht »himmlische Rosen ins irdische
Leben«, denn so hoch versteigen sich die
Wünsche ihres Herrn und Gebieters
nicht, sondern sie weben, vor den Zel
ten sihend, tnit der Handtvindel und.
slechten die Fäden zu Matten und Tit-·
chern Die ganz jungen sind meiltens
hübsch, aber ein Blick aus die Mütte
gibt zu melancholischen Betrachtungen
Anlaß. Meine hier und dort vor e
brachte Frage, ob ich sie photograp e
ren dürfte, stieß entweder aus schroffe
iAblehnung oder wurde dahin beant
wortet, daß ich vorher, wohlverstanden
vorher einen hohen Backschisch zahlen
müßte. Ueberhaupt verhalten sich die
Beduinen Südalgeriens dem Fremden
gegenüber wenig liebenswürdig; Ga
ben werden zwar-gern genommen, oft
auch erbettelt, allerdings nur von Kin
dern und Weibern, aber immer wie ein
selbstverständlicher Tribut eingesteckt.
Den beredtesten Dolmetscher ihrer Ge
fühle bildet der bei keinem Zelte seh
lende Hund. Diese treuen Wächter
gehören alle der gleichen Rasse an:
gelbe hochbeinige Köter von « der
Größe eines Schäferhundes, von
unüberwindlicher Abneigung ge
gen Europäer - Waden beseelt
und durch kein Schmeichelwort,
keinen hingeworfenen Bissen zu beste
chen. Ich glaube, sie drücken in ihrer
unbefangenen Weise dieselben Empfin
dungen aus« die bei ihren Herren nur
durch die erhöhte Einsicht im Zaum ge
halten werden.
Diese passive Feindseligkeit tritt na
türlich nur bei den Bauern und Roma
den zutage; der in den größeren Ort
schaften seßhaste Eingeborene hat
längst seinen trotzigen Stolz verloren
und nimmt gern jedeGelegenheit wahr,
durch Ausdrängen kleiner Gefälligkei
ten dem Fremden ein paar Groschen
aus der Tasche zu locken. Nach orien
talischer Gewohnheit wird der Mund
nghörig voll genommen, Diensten von
lächerlicher Richtigkeit gehen die glän
zendsten Verheißungen voraus. Jm
sogenannten Negerviertel von Biskra,
dem Quartier der allerärmften, aber
auch faulsten Eingeborenen, hielt mich
so ein zerlumpter Kerl an mit der Fra
ge, ob ich Lust hätte, ein »sehr interes
santes arabisches Jnterieur« kennen zu
lernen. Warum denn nicht? Darauf
führte er mich in — seine Lehmhütte.
» Das interessanteJnterieur zeichnete sich
I durch die Abwesenheit jeglichen Inven
tars aus. Nun begann die Erklärung:
»Meine Frau, mein Kind«, und er deu
iete auf ein verhutzeltes, in blöder Ver
legenheit aus dem nackten Lehmboden
kauerndes Weib mit einem kleinen
Scheusal von Baby an der Brust.
»Mein Bett' —- er wies ans einenHan
ern von Reisig und Lumpen. Dann
holte er aus einem Winkel eine Photo
graphie hervor, das Porträt eines
europäischen Biedermannes im Bra
tenrock, und übereichte sie mir voll
Stolz: »Das ist ein Herr, den ich ken
ne«. Jch äußerte einige Worte des
Beifalls und verabschiedete mich mit
Hinterlassung eines Backschischs von
» der interessanten Familie.
Streift man durch dieses unwirtli e
Land, so hält es schwer, sich vorzuste -
len, daß es einst die Römer locken
konnte, und doch bildete gerade die Ge
gend zwischen Konstantine und Biskra
einen der wertvollsten Bezirke ihrer
afrikanischen Besitzung. Von Fachint
ten hörte ich, daß der Boden hier ganz
vortrefflich wäre und es nur des be
lsruchtenden Wassers bedürfte, um ihn
in bestes Ackerland zu verwandeln
Daraus find jetzt die Bemühungen der
französischen Behörden in verftärktem
Maße gerichtet. Man hat bereits mit
einer Etappenlinie artesifcher Brunnen,
die von Bistra tief in die Sahara bis«
über Uargla hinaus führt, glänzende
Resultate erzielt; jeder Brunnen bildet
den Mittelpunkt einer neuen Oase.
Und da das Wasser gar nicht sehr tief
liegt, ist die Hoffnung begründet, daß
ein namhafter Teil der algerischen Sa
hara dereinst für den Ackerbau gewon
nen wird. Viktor Ottmann.
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Jmlicntfcher Pfanntuchem
Man bereitet zwei Kalbsmilche vor,
briiht sie dreimal, läßt sie dann zehn
Minuten in Salzwasser abkochen Und
schneidet sie in kleine Stücke; hierzu
giebt man noch ein Kalbshirn, das in
Salzwasser mit einem Eßlösfel Essig
zehn Minuten abgelocht und in Wür
fel geschnitten wird. Dazu servirt man
folgende Saure: Jn Butter werden
zwei Kochlöffel gelblich geröstet mit
Bouillon zur dicken Sauce ausgefüllt,
daran ein kleines Weinglas Weißwein
und einige Eßlöffel sauren Nahm ge
geben werden, dies muß man eine
Stunde kochen lssaen und dann vier
Eßlöfsel geriebenen Schlveizerläse, eine
Prise Pfeffer, einen Stich Sardellen
butter, eine lleine Dose Champigiions,
etwas Salz und Mustat, nebst Kale
milch und Hirn hinzugegeben. Hierauf
läßt man dies noch eine Viertelstunde
ziehen. Nun bäckt man zwei ziemlich
dicke Psannluchen von acht Eßlöfsel
mit Milch glatt verrührtem Mehl, drei
Eigelb, das nöthige Salz, zuletzt den
Eierschnee. Aus einen Psannluchen
wird das Ragout gestrichen, den ande
ren Pfannkuchen legt man darauf und
läßt ihn mit saurem Ruhm bestrichen
und mit geriebenem Parmesantiise be
streut noch eine viertel bis eine halbe
Stunde in dem Backosen erhöht gestellt
stehen. Auf derselben Platte wird et
servirt.
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Dame: »Also Sie meinen, Herr
Professor-, daß der Mensch ins Tier
reich gehört?« Arzt: »Das unterliegt
keinem Zweielf.« Dame: »Demnaeh
sind Sie und der Tierarzt Kollegen.«·
Arzt: »Da muß ich schön bitten, meine
Gäätdigy so weit sind wir doch noch
n .«