Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 02, 1906, Sweiter Theil., Image 12

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    Ehrliche Finder-.
nasse von Reinhold Ort
mann
n einem schönen Sammet-sonntag
Mmd der tand. med. Herbert
ne am Fenster feines Par
Mzimmers und schaute mit fo sehn
Wtigsen Brian die Straße hinab.
»U- Inkm in feinen Jahren nur auf
M theutes weibliches Wesen oder ei
Im Geldbeiefträget zu warten pflegt.
UND diesmal mußte es wohl der letz
Me en fein, dem die sehnsüchti
« licke gegolten, denn als die uni
. miete Gestalt des Postboten umdie
Ecke bog, ging es wie ein freudiges
Aufleuchten über das Gesicht des jun
kn Mdiziners.
.Schnell, schnell, Herr Postkaka
tief er ihm zu. foittld er in Hör-weite
Ist-. »Ich habe eine Verabredung
und keine Minute mehr zu verlieren«
« Aber der Angerufene, statt feinen
Schritt zu beschleunigen, schüttelte mit
einer Miene wehmüthigen Bedauern-Z
sen Kopf.
»Nichts da, Herr Doktor! —- Viel
Mt deshalb, weil die süddeutsche
st weg-en Zugverspiitung ausgebuc
n ist. Hoffentlich kommt’s 1norgen.«
: Herkett Wolffram sah etwas nieder
geschenettert aus, denn er hätte bei sei
Ier grundsätzlichen Abneigung gegen
des Schuldenrnachen schwerlich den
Wigen Ausflug mit feinem Freunde
. Asiessor von Lexow, verabredet,
denn er nicht mit voller Sicherheit auf
(
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!
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den pünktlichen Eingang seines Mo
mtöwechsels gerechnet hätte. Aber am
Sude war die Sache ja nicht weiter
tragisch. Lexow war ein Nabob» der
then rnit Vergnügen aushelsen würde,
und das Reinlich-e für Wolffram war
nur »die ungewohnte Nothwendigleit,
ihn um solche Gefälligleit anzugehen.
St til-erzählte seine Baarschaft und
Æte fest, da fie noch aus beiläufig
f Mark be and. Das war unge
genug, um die Fahrt nach Lin
zu bezahlen. Um ein paar
Zehnniarlsiüele also würde er den gu
ten Affessor jedenfalls anvumpen
Izniisiem Aber er wollte mit dem fata
Ien Aulieaen unter allen Umständen
warten, bis sie an Ort und Stelle wa
nn. Es hätte doch einen gar zu
schlechten Eindruck gemacht, wenn er
es gleich bei der erften Begrüßung
nearly-acht hätte.
MS er den Freund vor dem Bahn
hofkgebliude erblickte, ging er denn
aueh mit der unbefangensten Miene
m Der Welt auf ihn zu und da
Lexow auf seine Frage erklärte. daß
er noch kein-, Fahrtarten gelöst habe,
erbot er sich sogar mit besonderem
Eifer, das statt seiner zu thun, wie
wenn er sich durch diesen kleinen
Rast einen gewissen Anspruch auf
feine Dankbarkeit erwerben wollte.
Rückfahtlarten reichte es aller:
— s nicht aus« denn die Billetts lo
Ietru genau fünf Mart, aber das
spielte ja weiter keine Rolle. Für die
speimfahrt wie für alle weiteren Aus
sehen würde eben der Assessor sorgen
müssen ·
In heiterstem Gespräch legten sie
Ue Fahrt zurück und schritten frohge
muth in den gleich hinter der Station
Lindenhof beginnenden Wald hinein,
auf einein nur wenig Ausslüglern be
kannten Wege, der denn auch zu ihrer
WftenGenugthuung ganz menschen
Mlassen war. Jn dem auf der Höhe
Mauren Restaurant »zu: schönen
— . sicht«, das wegen feiner trefflichen
M und feines vorzüglichen Rhein
M berühmt war, gedachten iie ein
Mientes Frühstück einzunehmen Und
ehe sie es erreicht hätten. wollte der
Enge Mediziner natürlich dem
rennde feine Mittellofiateit beichten
Er war in einiger Verlegenheit, wie
et »die rechte Anknüpfung dazu finden
stellte. Da ereignete sich etwas Uner
Urietes, das ihm die Sache gewaltig
erleichterte. Seine scharfen Augen er
fpiibten nämlich mitten ais dem Wege
einen Gegenstand den sie sogleich als
cis sehr elegantes und zierliches Da
Wortemonnaie erkannten, und er
Mann fich natürlich nicht, das Fund
Mel aufzuheben.
Meinerwettey « wie gewichtig!«
Jagte er. »Wir wollen doch sehen, ob
fass sich dabei nicht etwa bloß um eine
Verspxgelung falscher Thatsachen
- ’ Er drückte auf das Schloß und fein
dacht gegen die Verliererin erwies
als ungerechtfertigt, denn das
Wilan enthielt außer mehreren
Silbermün en eine ganze Anzahl blin
bstber le ftückr.
»Alle Achtung! —— Diese jungeDame
scheint ja eine glänzend-e Pariie zu
sauf' scherzte er. »Und da steckt auch
eine Visitenkarte: Melitta Schiönborn,
Paristraße s. — Na da wissen wir ja
gleich wo wir den kostbaren Fund
morgen abzuliefern haben.'·
«Melitta Schönborn?« meinte der
I eifor nachdenklich »Mit ist H, als
Akte ich den Namen schon gehört ha
den« Aber das arme Mädchen wird
- Mehr in der Paeksttaße vor
damit sie sobald als möglich
" M «« Abe ßt d
en —- r wes u
DIE-, daß ich diesen Fund als
Its ugeschcnk des Himmels be
» Niede, wenn ich nicht einen
"» wie dich an meiner Seite
M nie-in Wechsel ansgeblieben
" « — meine Baarschaft in die
u-»
. es i Be ,
ist-ist« ZEIT-: stät
Ess— nd das sagst
du erst jetzt? — Du besidest in deiner
Armuth noch immer fünfzehn Pfen
nige mehr als ich. Jch entdeckte näm
lich vorhin aus dem Bahnhofe, daß ich
mein Pordemonnaie zu Haufe habe lie
gen lassen. Und ich verließ mich da
raus, daß du mir gerne aushelsen
würdest. Da bleibt uns also nichts
anderes übrig, als mit dem nächsten
Zuge zurückzufahren.«
»Als wenn das so einsa wäret —
Jch habe ja nur einfache k hrlarten
lös, und die Eisenbahn wird uns
schwerlich ans Kredit befördern. Es
wäre eine nette Situation, wenn der
Fimmel in feiner Huld uns nicht die
en Bund bescheert hätte."
» ie meinst Du das? —Du denkst
doch nicht etwa daran, etwas von die
sem fremden Gelde zu nehmen?«
»Warum denn nicht? — Bist du
nicht in der Lage, es unmittelbar nach
unserer Heimlehr zu ersetzen?«
»Allerdings. Aber es bliebe trotz
dem eine glatte Fundunterschlagun .«
»Ach, U inn! Wenn Dein iuriti
sches Gewi en sich dadurch beschwert
fühlt, so nehme ich das Verbrechen aus
mich. räulein Melitta lann froh
sein, da ihr Eigenthum nicht in an
dere Hände gefallen ist, als in die
unsri en. Und ich würde bei der Rück
gabe ogar nicht einmal Bedenken tra
en, ihr zu beichten, aus einer wie gro
gen Verlegenheit sie uns durch ihre
Nachläsfr teit geholfen hat«
Der A essot hatte zwar noch aller
lei Bedenken, aber sein lustiger Ge
siihrte wußte sie zu verscheuchen. Und
dann blieb ihm ja auch in Wahrheit
kaum etwas anderes übrig. als sich
den glücklichen Zufall u Nutzen zu
machen. Eine Vierte unde später
saßen sie in bester Laune oben auf der
Terrasse desRestaurants »Zur schönen
Aussicht«, hatten ein reichliches De
jeuner dinatoire und eine Flasche gu
ten Ritdesheimers bestellt. und ließen,
als man ihnen das Berlangte servirte,
ihre Gläser fröhlich auf die Gesund-:
heit des Fräulein Melitta Schönborn
zusamnrentlingen.
Da pS li verfiirbte sich das Ant
lit des A ors und er faßte seinen
Freund am Arm.
»Sieh dort-. die jun Dame in dem
grauen englischen Ko iiint —- Jch
wette, das ist die Besi erin des von
uns unterschla enen ldtäschchens."
Herbert Wol rains Blicke wandten
sich der bezeichneten Richtung zu, und
er gewahrte eine sehr hübsche und sehr
elegant aussehende junge Dame, die
sich anscheinend etwas erregt mit
einein Kellner unterhielt, und sich
dann, da ihr der dienstbare Geist «
nach seinem wiederholten Achselzucken
zu urtheilen —- ofsenbar eine wenig
besriedi ende Auskunft gegeben, mit
allen nzeichen der Niedergeschlagen:
heit an einem etwas abseits stehenden
Tisch setzte.
Auch der schwer z’u verbliissende
Mediziner war im ersten Augenblick
etwas betroffen.
»Du könntest wohl recht haben.'«
meinte er. »Aber wir müssen uns vor
allem volle Gewißheit verschaffen.'«
Er winkte den Kellner heran.
»Borausgeseszt, daß es nicht gerade
ein Geheimniß ist —- wiirden Sie uns
dann vielleicht sagen, was die junge
Dame von Jkinen wolltet-«
»Sie erkundigte sich, ob hier viel
leicht ein Portemonnaie gefunden wor
den sei, das sie nach ihrer Behauptung
entweder hier oben, wo sie den Mor
geiikaffee genommen, oder aus dem
Rückweg-e zur Station verloren haben
muß. Sie scheint sich in großer Ver
legenheit zu befinden.«
»Da haben wir’ö!« sagte der Bisses
Er in höchster Erreguiig nachdem sich
r befrackte Ganvined wieder zurück
Zezo en. »Du hast uns mit Deinem
eichztsinn in eine schöne Lage gebracht.
Wir haben jetzt nur noch die Wahl,
entweder we n Fundunterschlagung
oder wegen chprellerei prozessirt zu
werden!«
»Das eine so wenig,« ais das an
dere!'« erklärte Wolsram mit größtå
Seelenruhe. »Wir irerden der jungen
Dame zunächst mit ihrem eigenen
Gelde aus der Verlegenheit helfen und
dann, wenn wir uns volle Gewißheit
uber ihre Persönlichkeit und ihre
Adresse verschafft haben, werden wir
ihr morgen das Portemvnnaie mit sei
neiri vollen Jn lt anonym zurück
kchickm Das ist doch das einsachste
chicken. Das ist doch die einsachste
Sache von der Welt.«
«Und ehe noch der Assessor einen
Einwand erheben konnte, war er schon
ausgestanden und hatte sich der jungen
Dame genähert, um mit chevaleresler
Verbeugung seinen Hut zu ziehen.
e,·Jci) bitte um Verzeihung, mein
anadiges Fräulein —---— aber mein
Freund, der Assessor von Lexow und
meine Wenigteit, der rund. med.
Wolssram verdanken einer Jndislw
tion des Kellners die Kunde von h
rem bedauerlichen Mißgeschick sie
wahrheitsgemäßen Angaben, die ich
Ihnen iiber unsere Persönlichkeiten
gemacht habe, sind ihnen hoffentlich
iirgschast genug da ür, daß nur der
selbstverständliche Wunsch, einem in
Vetlegenheit gerathenen Nebenmen
schen beizustehen, uns den Muth giebt,
Ihnen unsere Dienste anzubieten.
Wir würden untröstlich sein, wenn
gädigeö Fräulein unsere Absicht miß
verstehen und uns durch eine Ableh
nung betrüben könnten. ,
Die junge Dame überflog ihn mit
einein- raschen. Züsendsen Blick und salj
dann zu dem · rsckze hinüber, an dem
der Assessor in der Qual seiner Ge
wissenkbisse saß. Namentlich die Per
sönlichleit des Herrn von Lexow schien
ej sein, die ihr einiges Vertrauen
e.
·«Wenn Sie mir Ihr« Ehrenwort -
sen wollen. mein Herr, morgen o
weiteres den kleinen Betrag zurück-n
nehmen, deffen ich fiir die Heimfahrt
bedarf, fo würde ich mich in meiner
ärgerlichen Zwangslage wohl dazu
verstehen, Jht freundliches Anerbieten
zu atzeptiren.«
»Mein Ehrenwort darauf, gnädiges
Fräulein! — Aber es ift 1 Uhr Mii
tags und der nä fte Zug na der
Hauptstadt geht er tun vier. nn
wir gnädiges Fräulein bitten dürften,
bis dahin mit unserer bescheidenen
Gefellfchaft vorlieb zu nehmen und
vielleicht einen kleinen meiß nicht zu
verschmähen — -—«
Seine Verwegenheit nöthigte ihr ein
Lächeln ab. Und sie war ihm nicht
ernstlich böse.
»Ich geftehe offen, daß ich aller
dings einen fürchterlichen Hunger ver
fpiire«, sagte sie fteimiithig. »Aber
Sie kennen meine Bedingung. Es
wäre nicht ritterlich, wenn Sie mein
Vertrauen täuschen könnten.« «
Wolffram legte die Hand aufs-»
Herz und wiederholte feine vorige Ber
sicherung. Der Asseffor aber wäre am
liebsten vor Scham in die Erde gefun
len, als et die beiden auf sich zukom
men fah, nnd er ging ernftlich mit sich
zu Rathe, ob er. nicht doch lieber auf
jede Gefahr hin, ein offenes Geständ
nifz ablegen folle. Nur die Erwägung,
daß er dann feinen Freund Ja geradezu
einer fttafbaren Handlung bezichtigen
mußte, hielt ihn davon zurück. Er bet
bengte sich stumm, als ihn Wolfram
vorstellte, und die junge Dame mochte
im Stillen nicht wenig-verwundert fein
über die merkwürdige Befangenheit des
so stattlich aussehenden Assessors. Nun
nannte sie auch ihren Namen, der fiir
die beiden ja teine Ueberraschung mehr
bedeutete: Melttta Schönborn, Male
rin. Mit der Sicherheit einer Frau«
die gewohnt ist« ihren Weg allein
durchs Leben zu finden und die sich
ftart genug fühlt, sich im Nothsall ih
rer Haut zu wehren, nahm sie am
Tische Platz, wähkte aus der ihr vor
gelegten Speifetarte eines der wohl
seilsten Gerichte aus und lehnte es nicht
ab, als der junge Mediziner um die
Erlaubniß bat, ihr Glas aus der in
zwischen bestellten zweiten Flasche
Ritdesheimer füllen zu dürfen. Der
Verlust ihres Geldtäschchens schien ihr
fest, da die unmittelbare Verlegenheit
beseitigt war, keinen großen Kummer
mehr zu bereiten und sie ging mit fröh
licher Unbefangenheit auf Wolframs
Scherze ein, daß auch der Assefsor seine
Befangenheit allgemach überwand und
sich mit wachsender Lebhaftigteit «an
den immer interessanter werdenden
Gespräch betheiligte.
Plötzlich schien ihm eine Erinnerung
gekommen zu sein« nach der er in fei
nem Gedächtnisz schon lange gesucht
hatte.
»Verzeihen Sie, mein gnädiges
Fräulein, sind Sie vielleicht eine Ver
wandte jenes Fräulein M. Schönborn,
von der ich neulich einen so geharnisch
ten Aussatz gegen die sogenannte Ga
lanterie der Männer gelesen, die nach
Ansicht der Versasserin in den meisten
Fällen nur ein Beweis von der Ueber
hebung des vermeintlichen Siärteren
sein solltet«
«Eine sehr nahe Verwandte fogar««
erwiderte sie lachend, »denn ich bin es
selbsi.«
»Ist es möglich« —- Sie eine Bor
tiimpferin der sogenannten Frauen
rechteit —- Wahrhaftig, das ist das
letzte, was ich siir möglich gehalten
hätte.« T
»Und weshalb setzt es Sie so sehr in
Erstaunen?«
Wenn er hätte ganz aufrichtig fein
wollen« hätte er antworten müiseM
Weil Sie mir bis zu diesem Augenblick
als die Vertörperung der reizendsien
und echtesten Weiblichkeit erschienen
sind. Aber dazu hatte er denn doch
nicht den Muth und so suchte er sein
Befremden mit einigen allgemeinen
Redensarten zu erlliiren, um sich dann
sogleich mit allerlei triftigen Ggen
gründen gegen die Ausführungen je
nes Artikels zu wenden, den er troh
seiner gründlichen abweichenden Mei
nung mit dem ausrichtigsten Interesse
gelesen hatte. Die beiden befanden
sich bald in einer sehr anaereatenDis
is—
lussions und diesen Umstand benutzte —
Wolffram, der sich ganz unbeabachtet
glaubte, zur Ausführung eines kleinen
Manövers, das in’Anbetracht der be
vorstehenden Abrechnung mit dem
Kellner dringend nothwendig war.
Da er doch nicht in Gegenwart« der
rechtmäßigen Eigenthümer-in das ge
fundene Porteinonnaie aus der Tasche
ziehen konnte« uni von seinem Inhalt
die Zeche zu berichtigen, so mußte er
es in der Tasche öffnen und, sich ganz
auf sein Gefühl verlassend. ein Gold
stück heraus zu fischen suchen. Das
gelang ihm denn auch ganz gut und
als er die Münze in seine Westen
tafche praktizirte, war er ganz sicher,
daß Fräulein Melitta nicht das Ge
ringste von seiner Manipulation
wahrgenommen habe. Das mochte
wohl auch wirklich so sein. Aber et
was anderes war es, was ihre schar
fen Maleraugen gewahrtem Als
nämlich der junge Mediziner einige
Minuten später sein Taschentuch her
vorzog, um sich seine bei den schwieri
gen Bemühungen doch etwas seuchl1
gewordene Stirn u trocknen, hatte er
das Unglück« glei eitig das verhäng
nisvolle Gelt-täan herauszurei- s
sen, ohne daß er selber dessen gewahr z
geworden wäre. Hart neben seinem i
Siuhl fiel es zu Boden, und in der
nMn Selnnde schon hatte Fräulein l
Meint-, über vmu hübsches Seh-H
mengesichtein eigenthiimliches Zacken »
ging, ihr zierliches Fäßchen daraus l
gesehn Just in diesem Augenbliet j
sagte der nach und nach ganz in Hide(
gerathene Assessor:
»Sie verwahren sich geegn die soge- !
nannte Galanterie der Männer, mein i
gnädiges Fräulein, wie gegen etwa-i
Entwiirdigendes und Beleidigendes. ’
Und doch werden Sie mir zugeben;
müssen, daß sie für das schöne Ge- !
schlecht doch auch ihre sehr angenehmen »
Seiten hat. Wieviel leichter findet
knicht ein weibliches Wesen, das aqu
i irgend welche Art in Verlegenheit nnd
? Bedrängniß gerathen ist —- —«
! »Wie ich zum Beispiel ——« schaltete
; Fraulein Memra ein.
»Nun ja, wie Sie zum Beispiel —
wie viel leichter findet sie nicht infolge
der von jedem gebildeten Manne an
erkannten und befolgten Gesetze der
Ritterlichkeit Hilfe und Beistand als
ein Mann, der sich etwa in derselben
Lage befändei Man sollte die An
nehmlichkeit dieser Vorzugsstellung
wie ich meine,doch nicht unterschiißen.«
«Schade nur, daß wir uns ihrer in
der Regel nur so lange erfreuen, als
wir die dreißig noch nicht überschrit
ten haben und uns eines leidlich gu
ten Aussehens rühmen dürfen,« be
merkte Fräulein Melitta sarkastisch.
»Aber möchten Sie nicht den Kellner
rufen meine Herren, damit ich ersah
re wieviel ich Jhnen schuldig gewor
den bin
Wolsram klopfte an sein Glas, ließ
sich von dein Kellner die Rechnung
machen und schob ihm das Goldstück
zu, das er nachiöisig wie ein echter
Grandseigneur aus der Westentafche
genommen hatte. Der dienstbare
Geist betrachtete die Mäuse und legte
sie auf den Tisch zurück-.
»Ich bitte um Entschuldigung mein
herr, aber erstens ist das ein Zwan
zigsrancsstiick, siir das ich hier keine
Verwendung hätte, und zweitens hat
es ein Loch«
Der junge Mediziner war starr vor
Schrecken. Noch ehe er aber das un
glückliche Geldstiick wieder hatte ver
schwinden lassen können, sagte Fräu
lein Melitta heiter:
»Ein Zwanzigfrancsstiick mit einem
Loch! —- .Wie merkwürdig! Lassen
Sie doch sehen! —— Wahrhaftig, es
gleicht aus ein Haar der Münze, die
ich zur Erinnerung an ein besonderes
Vorloinmniß in meinem Leben auf
bewahre und die sich in meinem ver
lorenen Getdtiischchen befand. Es
giebt doch in der That die merkwür
digsten Zufälle-" ,
»Ja, höchst merkwürdige Zufälle!«
stammelte Wolfram, der schon seit ei
ner guten Weile wie ein Verzweifelter
in seiner Tasche nach dem Portemon
naie suchte, während das Gesicht des
Kellners mit jeder Sekunde ernster
und länger wurde. »Donnerwetter,
wo in aller Welt — —"
»Wenn Sie vielleicht Jhre Geld
biirse oerlegt haben sollten, mein
Herr," fuhr die junge Malerin mit
iibermiithig blißenden Augen fort, »so
wiirde ich Ihnen sehr dankbar sein,
wenn Sie mir erlaubten, Jhnen fiir
den Augenblick auszuhelfen. Jch bin
in der glücklichen Lage es zu lönnen,
denn mein Portemonnaie hat sich wie
durch ein Wunder wiedergefunden.
Es liegt hier unter Jhrem Stuhl, und
wen ich Sie bitten dürfte, es mir
aufzuheben —- —"
Erst in dem Augenblick, wo sich die
beiden herren gleichzeitig danach blicks
ten, zog sie ihr Fäßchen zurück, und
als dann zwei blutiibergossene tödtlich
verlegene Gesichter über dem Tisch
rande erschienen, brach sie in ein friily
liches Gelächter aus.
»Das ist das drolligste, was mir je
widerfahren ist. Sie sind also bei
mir zu Gaste gewesen, meine Her
ren.«
Der Assessor winkte dem Kellner,
sich zu entfernen und wandte sich mit
mannhaster Entschlossenheit an Fräu
lein Melitta:
»Ich lege unser Schicksal in Jhre
band mein gnädiges Fräulein! Hö
reiiäLSie mein reumiithiges Geständ
n «
Er erzählte ihr alles, und die neckt
sche Heiterkeit auf ihrem reizenden Ge
sicht war Beweis genug dafür, daß
sie nicht an der Wahrheit seiner Worte
zweifelte. Als er mit der elegischen
Bemerkung schloß, daß es ihr natür
lich freistiinde, Strafanzeige wegen
Fundiinterschlagung zu erstatten,
nahm sie eine drollig nachdenkliche
Miene an.
»Ich behalte mir die Entschließung
darüber vor. Aber da Sie ja nun
meine Grundsätze -iiber die Stellung
der beiden Geschlechter zu einander
kennen, werden Sie es auch nicht miß
verstehen, wenn ich Sie um die Er
laubniß bitte, Ihnen zunächst inJhrer
Bedrängniß auch weiter beistehen zu
dürfen. Man soll einen in Noth ge
rathenen Nebenmenschen nicht im
Stiche lassen, gleichviel, ob ihn die
Natur als Mann oder-— als Weib aus
die Welt kommen ließ. Mit der sp
genannten Galanterie hat das, wie ich
denke, nichts weiter zu schaffen."
Zwei Minuten später stand eine
dritte Flasche Rübeslseimer ans dem
Tische, und da man sich nachher noch
zu einem längeren gemeinsamen S« -
ziergange entschloss, hatte man s
MikgeschiC den Nachmittagszug su
ver aunten und mußte sich wohl oder
übel entschließen, bis zum Abend mit
einander in Lindenbe zu bleiben.
Fräulein Meliita gestattete zwar den
beiden beeren nicht, sie bi an ihre
Wohnung zu begleiten, da Isc, wie sie
sagte, keines männlichen Schndeg be
dürfe, aber sie eriheilte mit einem sehr
liebenswürdig-en Lächeln dem Assessor
die dringend erbetene Erlaubniß, ihr
die verauslagie Summe morgen per
fönlich Zu überbringen Und nach den
Geständnissen, die ihm sein Freund
auf dem Heimweg machte, hegte Ver
bett Woifram nicht mehr den minde
sten Zweifel. daß er mit seiner Fund
unterfchlagung dem beneidenswerthen
Lexow zu seinem Lebensglück verhel
fen habe.
Auf dem Rückzuge.
Kriegöepisode von H o n o r e d e
B a l z ac.
»Mein verehrter Herr Majori« ries
Benassis plötzlich mit lautem Lachen,
»Sie lassen mich hier reden wie ein
Buch und erzählen mir nichts von
Jhrem Leben, das doch gewiß recht
abwechslungsreich gewesen sein muß.
Ein Soldat Jhres Alters muß viel
zu viel gesehen und mitgemacht haben,
als daß er nicht mehr als ein Aben
teuer zu berichten hätte.«
«Du lieber Gott!« entgegnete Ge
nestas. »Mein Leben ist nur das Le
ben der Armee. Eine militiirische Fi
gur gleicht der anderen. Da ich nie
mals ein Kommando gesiihrt und im
mer in der Front gestanden habe, wo
man Hiebe austheilt oder welche er
hält — so unterscheidet sich mein Le
ben nicht von dem aller anderen Sol
daten. Ich bin überallhingegangem
wo Napoleon uns hingesiihrt hat. Jn
allen Schlachten, wo die Garde zum
Schlagen gekommen ist. habe ich in
der Feuerlinie gestanden. Das - sind
lauter allgemein bekannte Begeben
heiten. Auf die Pserde auspassen —
hin und wieder hunger und Durst
leiden -—— wenn es dazu lommt, los
schlagen —- das find die Phasen. aus
denen das Soldatenleben sich zusam
menseßt. Giebt es etwas, was einsa
cher wäret Für den gemeinen Solda
ten unterscheidet sich die eine Schlacht
allenfalls dadurch von einer anderen,
daß sein Pferd ein Eisen verloren
und ihn im Stiche gelassen hat. Alles
in Allem habe ich so viele Länder
durchwandert. daß ich mich schließlich
daran gewöhnen mußte — ich habe
so viele Todte gesehen, daß mir mein
eigenes Leben sehr wenig gilt.««
»Sie müssen mir aber doch in be
stimmten Augenblicken einmal in per
sönlicher Gefahr gewesen sein, und ich
denle mir, daß die Erzählung einer
solchen Begebenheit aus JhremMunde
besonders eindrucksvoll klingen
müßte.«
»Wohl möglich,« meinte der Major.
»So erzählen-Sie mir doch die Evi
sode, die Ihnen am deutlichsten in der
Erinnerung haften geblieben ist. Be
sürchten Sie nichts! Jch werde schon
leine Unhescheidenheit bei Jhnen vor
aussehen —- selbst wenn Sie mir die
eine oder andere Heldenthat berichten
sollten. Wenn ein Mann sicher ist,
von denen verstanden zu werden« die er
da nicht mit einer gewissen Genug
thuung sagen dürfen: das bin ich ge
wesen?«
»Gut also —- ich werde Jhnen eine
Begebenheit erzählen, bei deren Erin
nerung ich manchmal etwas wie Neue
empfinde. Während der siinsZehn
Jahre, die wir uns herumgeschlagen
haben, bin ich nur ein einziges Mal
in die Lage gekommen, einen Mann
zu tödten, ohne daß ein Fall der
Selbsterhaltung und «Vertheidigung
vorgelegen hätte. Gesetzt, wir besin
den uns in der Feuerlinie und wir
greisen an. Nun gut —- unter solchen
Umständen müssen wir die, die uns
gegenüberstehen iiher den Hausen ren
nen. Thun wir es nicht« so werden
sie uns nicht erst um Erlaubniß bit
ten, uns etwas unsanst zur Ader zu
lassen. Wir müssen also tödten, um
nicht selbst getödtet zu werden; das
Gewissen ist beruhigt.
Leider bin ich in die eigenthiimliche
Lage gerathen, einem meiner eigenen
Kameraden das Lebenslicht auszubla
sen. Wenn ich mir die Sache nach
träglich iiberlege, so thut sie mir zu
weilen leid, und ich sehe das verzerrte
Gesicht des Mannes noch vor meinen
Augen. Urtheilen Sie also selbst.
Es war während des Rückzuges von »
Mvskau. Wir machten eher den Em
druck einer zerfprengten Rinderheerde,
als den eines Theiles der »grande Ar
mee«. Die Fahnen waren fort und mii
ihnen die Diszipxin Jeder war fein
eigener Herr. Jch kann wohl sagen -——
der Kaiser hat hier die Grenzen feiner
Kraft kennen gelernt
Als wir nach Siudzianka, einem
kleinen Dorfe jenseits der Beresina,
kamen, fanden wir dort nichts zum
ZerftZeen, als einige Scheunen und
henfchobee nnd sehr wenig vergrabene
Kneioffeknnnd Rüben. Seit einiger
Zeit hatten wir weder ein Haus noch
etwas Eßbares gesehen —— die Armee
hatte nicht gerade üppi gelebt.
Die erften Ankömmkäse hatten —
wie Sie fich wohl denken können —
Alles vers ri. Jch war einer der
Letierk k’cklicher Weise hatte ich
nur ein Bedürfniß »- nach Schlaf.
Ich bemerkte eine Scherme- Jch trat
n Und fah ungefähr zwanzig Gene
rat, lauter hochstehende Offi iere,
lauter Männer von roßen Ver ieni
sten —- Junpt, Rat onne, ver Ad
vian des Kaisers —- kurz alle die
großen Herren der Armee. Auch em
pelne Soldaten waren da, die aber
Ehr Sitahbett nicht einem Max-scholl
redet-lassen hätten. Andere schliefen
ehend und lehnten sich in Folge
aummangels gegen die Mauer.
Wieder Andere lagen, um sich Zu
warmen, so nahe aneinandetgepre
auf der Erde, daß ich vergeblich nach
einem .leckchen fiie mich suchte.
chritt also iiber diesen mensch
lichen ußboden ins Innere der
Scheune. Einer brummte wohl ei
Ivs·s, Andere wieder sagten nichts;
Keiner »Hu-er bewegte sich vom Platze.
Man hatte sich nicht gerührt, um ei
ner Kananenkugel aus dem Welge zu
gehen; man erwartete anst·uuw W
nerlei übertriebene Hoflrchtertsformem
Schließlich bemerkte ich im Hinter
unde eine Art inneren Baches, qui
s n steigen wohl- Niemandem ern
gesalken war; vielleicht auch, daß Nik
mand die Kraft dazu besessen hat«
ch llettere also hinaus,ich Macht WITH
artenr, strecke mich der Lange nach
aus und betrachte die Leute unter m«rr,
die wie eine Menge geschiarhteter Kal
der dalagen. So traurig dar ganze
Bild war —- ich mußte fast lachen. Die
Einen iauten mit animalischer Freude
an ihren gestorenen Karottenz dee»Ge
nerale hatten sieh in Decken und Tuchex
gehiillt und schnarchten, daß es wie
ferner Donner klang. Ein brennendes
Fichtenscheit erleuchtete den Raum
Hiitte er die ganze Scheune in Brand
geiteat — ich aiaube, es ware Nie
mand ausgestanden, um das Feuer zu
löschen.
Ich liege also aus dem Rücken, öffne
vor dem Einichlafen noch einmal die
Augen und lebe unwillkürlich nach·
oben an die Decke. Ich bemerke, daß
sieh der haupttragebaltem aus dem
das qanze Dach ruhte, langsam hin
und her bewegt. Ich lann Ihnen sa
aen —- der Teufel-halten führte keinen
üblen Tanz aus.
»Meine Herrens« rufe ich. »Orga
szen ist offenbar ein Kerl, der sich aus
unsere Kosten ein Feuer anziinden
will!«
Der Ballen war nahe daran, herun
terzufallen.
»Meine Herren· meine Herren --«
sehen Sie doch den Ballen —- wir ge
hen Alle elendiglicb Zu Grunde!«
Ich schrie aus Leibestriisten. Herr
Doitor — meine Kameraden haben sich
wohl den Balken angesehen. Aber sie
haben sich wieder ruhig schlafen gelegt,
und diejenigen, die gerade aszen, baden
mir nicht einmal geantwortet. Was
blieb mir alio übrig? Ich mußte, um
unser Häuschrn früheren Ruhmes zu
retten. meinen schönen Platz aufgeben
—selbst aus die Gefahr hin, ihn von
einem Anderen besetzt in finden.
Ich gehe also hinaus, schleiche um
die Scheune herum nnd bemerkte ei
nen Moxdsterl von einem Minimu
beraer. der mit einem diabolifrhen
Enthusiasmus an dem Ballen zerrt.
».t·:)eda!« rufe ich nnd mache ihm ein
Zeichen, von seinem Vorhaben abzu
iaffen. .
»Mach’, daß Du sorttommst!« schrie
erban deutsch, »aber ich schlage Dich
o t.«
So also steht die Sache! Ich ant
wortete ihm: »Mach Du. daß Du
forttommst!« Jch nehme sein Ge
wehr, das er am Boden hatte stehen
lassen, ich jage ihm eine Kugel aus den
Pelz, gehe wieder in die Seher-ne und
lege mich schlafen.«
Der seine stiller.
Ein lustiges Stücklein, das am 28.
November in den Wandelgiingen des
österreichischen Abgeordnetenhauses ers
chlt wurde, giebt das «Frdbl.« wie
r. Ein deutsch-mähriseher Abgeord
neter hatte vor einiger Zeit eine Rede
gehalten, die sieh gegen das allgemeine
Wahlrecht aussprach. Als er nun in
sein-u Wahrhezike Miit-nich Schön
berg kam, ließen es sich die Arbeiter
nicht nehmen« vor seiner Wohnung ein
wenig zu demonstriren. »Nieder mit
dem Abgeordneten! Rieder mit dem
Abgeordneten!« so so tönte es in dunk
ler Abendstunde wild durch die Menge.
Plötzlich aber erschallte ein Ruf: »Nic
der mit der Itaniarillat" Die guten
das Wort zum erften Mal hörten und
Möhrifche - Schönberger Arbeiter-, die
nicht wußten, worum es sich denn ei
gentlich handle, wiederholten mecha
nisch: »Weder mit der Kamatilla!«Da
aber unglücklichertveife in Möhrifchi
Schönberg leit Jahren ein Eifenhiindi
ler namens Karl Müller wohnt, wurde
im Laufe der Begebenheiten infolge der
bekannten Evolutionstheorie, die sich
digiiial an Lotales anfchmiegte, aus
»Kamarilla« das ähnlich tlingende
Karl Müller« und immer lauter konn
te man es hören: »Weder mit Karl
Müller!« DieDemonftranten gaben sich
aber damit nicht zufrieden. Muthes-t
brannt zogen fie vor das.Gefchiifi des
Eifenhändlers Karl Müller, der bisher
noch niemand etwas zu Leide gethan,
nnd demonstrirten und randalirten und «
demolirten. Und in später Nachtfiunde
ftitrzte der arme Karl Müller zu dem
deutlchsmiihriichen Abgeordneten nnd
fragte ihn, wie denn Karl Müller dass
käme, fiir fremde Wahlrechtzreden sit
büßen. Karl Müller-, der fich immer
ängstlich von der Politik fern gehalten
und nun so großen Schaden leiden
müsse
—-—-—«
, Aus see Schule.
» Lehrer « lin der Geographieftunde
uber Italien und fein Voll): »Seit-en
die taliener auch immer rnit uten
A Tiers gehandelt?« g «
iiler: «Nein, mit Gypsftgnrenck